Protocol of the Session on December 10, 2008

„Dass es nicht zu einem verheerenden Blutbad mit einer Vielzahl von Toten gekommen ist, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass der Angeklagte und sein Mittäter einem Irrtum beim Bau der Sprengsätze unterlegen sind.“

Wären die Bomben explodiert, wäre Deutschland nach Auffassung des Gerichts von einem Anschlag erschüttert worden, der die Erinnerung an die verheerenden Attentate von London und Madrid wachgerufen hätte. Deutschland habe einem islamistischen Anschlag nie näher gestanden als im vorliegenden Fall, sagte der Vorsitzende Richter.

Insgesamt 24 Tatverdächtige wurden seit dem Jahr 2003 in Deutschland verurteilt; fast alle Urteile sind mittlerweile rechtskräftig. Zudem liegen konkrete Hinweise zu etwa 50 Personen aus Deutschland vor, die sich in den letzten Jahren in Terrorlagern aufgehalten haben bzw. noch dort sind und im Umgang mit Sprengstoff und Waffen ausgebildet werden.

Etwa 100 Personen, die durch das BKA als Gefährder eingestuft werden, stehen derzeit in Deutschland unter Beobachtung. Dabei hat die Zahl der jüngeren Jahrgänge ebenso deutlich zugenommen wie der Anteil der Konvertiten. Damit verfügen al-Qaida und andere terroristische Gruppierungen über ein erhebliches Potenzial in Deutschland oder im Ausland, Anschläge verüben zu können. Der Sauerland-Fall hat gezeigt, dass die betreffenden Personen national und international eng vernetzt sind.

Für eine Entspannung der Bedrohungslage gibt es derzeit keine Anzeichen. Bund und Länder müssen auf diese terroristische Bedrohungslage gemeinsam reagieren können.

Dabei muss die Zusammenarbeit so effektiv wie möglich gestaltet werden, um Risiken zu minimieren. Deshalb braucht das BKA die Möglichkeit, in eng begrenzten Fällen des internationalen Terrorismus - und nur um solche geht es in dem Gesetzentwurf - im Bereich der konkreten Gefahrenabwehr selbst tätig werden zu können. Gefahrenabwehr und Strafverfolgungsmaßnahmen liegen dann in diesen eng begrenzten Fällen - wie bei den Ländern auch in einer Hand. Damit wird das BKA nicht zu einem deutschen FBI und auch nicht zu einer Geheimdienstzentrale, wie es die Grünen mit der Formulierung ihrer Antragsüberschrift suggerieren wollen. In Deutschland sind polizeiliche und nachrichtendienstliche Aufgaben streng getrennt. Das BKAGesetz beachtet dieses Trennungsgebot vollumfänglich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch!)

Das BKA ist eine Polizeibehörde und bleibt dies auch bei der Gefahrenabwehr. Dies wird auch durch den Richtervorbehalt bei besonders eingriffsintensiven Maßnahmen deutlich. Außerdem werden 95 % aller Fälle im Bereich der Gefahrenabwehr auch weiterhin von den Ländern wahrgenommen. Es kann auf lokale und regionale Bekämpfungsansätze durch die Länder und deren besondere Kenntnis der Lage vor Ort nicht verzichtet werden.

Nach der bisherigen Erfahrung ist die Anzahl brisanter Lagen wie die im Sauerland, Madrid oder London auf etwa vier bis fünf pro Jahr begrenzt. Für diese wenigen Ausnahmefälle braucht das BKA die Kompetenzen, die die Länder seit Jahrzehnten haben und die dort bewährte und erprobte Praxis sind.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 zu den Online-Durchsuchungen ausdrücklich bestätigt: Der Staat muss terroristischen Bedrohungen entgegentreten können, um seine Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen. Dieser Auftrag hat Verfassungsrang. Eine effektive Gefahrenabwehr muss sich an dem taktischen Vorgehen der Terroristen orientieren. Dabei geht es heutzutage vor allem um den Gebrauch moderner Technologien und hierbei insbesondere um die Nutzung des Internets.

Die bisherigen Anschläge und der versuchte Anschlag auf die beiden Regionalzüge in Deutschland

(Peter Lehnert)

sowie der geplante Anschlag der Sauerland-Gruppe belegen dies ganz eindeutig. Dabei wurden verschlüsselte Dateien gefunden, die teilweise bis heute nicht entschlüsselt werden konnten. Angesichts der technischen Entwicklung sind die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesen Fällen nicht länger ausreichend. Deshalb braucht das BKA neue rechtliche Grundlagen.

Nach einem schwierigen und langwierigen Prozess ist jetzt auf Bundesebene ein erneuter Kompromiss zwischen CDU und SPD vereinbart worden. In der schwierigen Situation, die das Gesetzgebungsverfahren in den vergangenen Wochen durchzumachen hatte, hat Innenminister Hay eine konstruktive Rolle bei der Diskussion und der Abstimmung im Bundesrat gespielt. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich bei ihm bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Fraktion ist froh, dass es jetzt endlich gelungen ist, eine klare Rechtsgrundlage zu schaffen. Außerdem will ich hier feststellen, dass wir großes Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den staatlichen Institutionen haben, die mit der Terrorismusbekämpfung befasst sind, und ich möchte Ihnen an dieser Stelle für ihre schwere und nicht immer ungefährliche Arbeit danken.

Keine Freiheit ohne Sicherheit! - Diese Feststellung gilt unverändert und bleibt auch weiterhin eine elementare Herausforderung für unseren freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe schon in erster Lesung darauf hingewiesen, dass wir als SPD-Landtagsfraktion den Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen werden, weil die Punkte 1 und 2 des Antrags aus unserer Sicht - um es vorsichtig auszudrücken nicht ganz stimmig sind.

Erstens sollen wir beschließen, dass sich die Zuständigkeit der Länder für die polizeiliche Gefahrenabwehr bewährt hat und beibehalten werden

soll. Es besteht allerdings kein Anlass, um dies zu beschließen. Die Zuständigkeit der Länder für die polizeiliche Gefahrenabwehr soll durch das BKAGesetz nicht aufgehoben, sondern durch eine Bundeskompetenz lediglich ergänzt werden. In § 4 a soll es dann ausdrücklich heißen: „Die Befugnisse der Länder bleiben unberührt.“

Zweitens sollen wir beschließen, dass die für das Bundeskriminalamt neu geschaffenen Befugnissen zu Grundrechtseingriffen führen und unverhältnismäßig sind. Das zu beschließen, wäre aus unserer Sicht nicht sachgerecht, weil die dem BKA zur Wahrnehmung seiner Aufgabe gesetzlich einzuräumenden Befugnisse Grundrechtseinschränkungen nicht nur nicht ausschließen, sondern natürlich erforderlich machen; das sind in allen Länderpolizeigesetzen geregelte Selbstverständlichkeiten.

Wir werden den Antrag der Grünen entsprechend der mehrheitlichen Empfehlung des Fachausschusses auch deshalb ablehnen, weil wir das Ziel unterstützen, mit dem vorgesehenen Gesetz die Möglichkeiten der Bekämpfung des internationalen, länderübergreifenden Terrorismus zu verbessern und für das BKA eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen; diese gibt es nämlich noch nicht.

Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a des Grundgesetzes hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt. Von dieser Kompetenz ist aber noch kein Gebrauch gemacht worden, und das soll jetzt geschehen.

Zugewiesen werden soll jetzt die Kompetenz zur Bekämpfung der Gefahren des internationalen Terrorismus ausdrücklich nur in den Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, in denen die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder in denen das Land selbst den Bund zur Übernahme der Aufgabenwahrnehmung ersucht. Nur für solche Fälle soll die im Grundgesetz verankerte neue Gesetzgebungskompetenz des Bundes einfachgesetzlich umgesetzt werden.

Selbstverständlich müssen dem BKA zur effektiven Wahrnehmung seiner grundgesetzlich zugeordneten Aufgaben auch konkrete und klare polizeiliche Befugnisse zugewiesen werden. Dass dabei die einschlägige Verfassungsrechtsprechung zu berücksichtigen ist und dass rechtsstaatliche Grenzen erforderlicher Grundrechtseinschränkungen nicht überschritten werden dürfen, ist für uns als SPDFraktion selbstverständlich.

(Peter Lehnert)

Wir freuen uns, dass der Innenminister nicht nur seinerzeit hier im Landtag, sondern dort, wo es hingehört, nämlich auf der zuständigen Bundesebene, deutlich gemacht hat, dass die schon jetzt stattfindende Zusammenarbeit zwischen dem BKA und den Polizeibehörden der Länder einer klaren Kompetenzgrundlage bedarf, dass insbesondere in Sachen Online-Durchsuchung für ein insgesamt rechtsstaatliches Prozedere - Stichwort Richtervorbehalt - auch in Eilfällen gesorgt werden muss und dass auch für die Berufsgeheimnisträger der Schutz zum Beispiel bei Befragungen durch das Bundeskriminalamt noch verbessert werden kann. In allen drei und auch in weiteren Punkten wird das bundesparlamentarische Beratungsverfahren - ich glaube - noch in der nächsten Woche auch wegen der Intervention aus anderen Ländern mit einem Gesetz enden, das den angemahnten rechtsstaatlichen Nachbesserungsbedarf erfüllt. Dem Innenminister danken wir insoweit für seinen Einsatz, auch wenn eine Bundesratsabstimmung bei Frau Heinold und bei einigen anderen offenbar zu Irritationen geführt hat. Ich finde, das in Nachverhandlungen auf Bundesebene erreichte Ergebnis zählt. Deshalb danke ich dem Innenminister.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da allen bekannt ist, dass der ehemalige Innenminister und heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Zitate liebt und diese immer an den Anfang seiner Redebeiträge stellt, möchte ich das auch tun, wenn auch mit einem anderen kulturellen Hintergrund.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Du stellst dich aber nicht auf eine Stufe!)

- Kollege Dr. Garg, ich habe das schon einmal in der Fraktion gesagt: Intellektuelle Differenzierungsfähigkeit heißt, man darf alles vergleichen, aber nicht alles gleichsetzen. Da besteht ein kleiner Unterschied. Wie gesagt, ich möchte mit einem Zitat des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden des Zeitungsverlages sh:z beginnen.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Nein, das Zitat kommt erst noch. Das war kein Zitat; das war von mir. - Ich möchte also mit einem Zitat des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden des sh:z in einer Mail an die Damen und Herren der SPDBundestagsfraktion vom 4. Dezember dieses Jahres beginnen. Unter dem Betreff „Ermahnung Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten“ fand Herr Pleil folgende Worte:

„Mit ungläubigem Erstaunen verfolgen die Betriebsräte des schleswig-holsteinischen Zeitungsverlags Ihre seit geraumer Zeit erkennbaren Bemühungen, die Pressefreiheit in diesem Lande einzuschränken. Mit der von Ihnen in Zusammenarbeit mit Herrn Schäuble geplanten erheblichen Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechtes auch für Journalisten erweisen Sie unserer Demokratie einen Bärendienst. Wie nur können sich ausgerechnet in sozialdemokratischen Köpfen solche unverantwortlichen Gedanken bis zur Tatreife entwickeln? Ich fordere Sie und Ihre Fraktionen in den Landtagen auf, das geplante Gesetz unverzüglich zu stoppen und einer gründlichen Überarbeitung zu unterziehen. Abschließend eine dringende Bitte: Sägen Sie nicht weiter an den Grundpfeilern unserer Demokratie. Mit nicht sehr freundlichen Grüßen Wenzel Pleil.“

Ich hoffe, dass Herr Pleil diese Botschaft auch an die Damen und Herren der CDU geschickt hat. Eines aber zeigt die Mail genau: Die SPD, an die immer noch einige Menschen die Erwartung hegen, dass Sie sich auch in diesem Haus weiter für eine freiheitliche, offene, tolerante und liberale Bürgerrechtspolitik einsetzt, diese SPD gibt es fast nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wenn man jetzt noch lesen muss, dass in Hessen Sozialdemokraten anscheinend ihr Abstimmungsverhalten für Frau Ypsilanti fotografieren sollten, dann muss man sich fragen, ob Teile der SPD noch auf dem Boden unserer Verfassung stehen.

Der Eiertanz, den die Genossen gerade in diesem Hause beim BKA-Gesetz vollzogen haben, ist ebenso einmalig, Kollege Puls. Bereits im Mai erläuterte Innenminister Lothar Hay seine Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf unter anderem mit der Aussage, dass die im BKA-Gesetz vorgesehene

(Klaus-Peter Puls)

Strafverhütungskompetenz bei allen terroristischen Straftaten weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr die Verfassungsvorgabe des Artikels 73 Absatz 1 Nummer 9 a Grundgesetz sprenge.

Ich sehe, dass Sie bereit sind, eine Frage des Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Stegner zu beantworten.

Frau Präsidentin, ich bin bereit, Ihre Frage entgegenzunehmen. Ich beantworte sie mit Ja.

Voller Rührung über die Sorge, die Sie sich um die Sozialdemokratie machen, habe ich folgende Frage: Ist Ihnen bekannt, welcher Minister das bisher einzige Ländergesetz eingebracht hat, in dem die Online-Durchsuchung in einem Ländergesetz vorgeschlagen ist, und in welcher Partei dieser Minister ist?

- Ja, das ist mir bekannt.

Würden Sie dem Hohen Haus das freundlicherweise auch sagen?

- Das mache ich auch, Herr Kollege. Auf solche Fragen muss man nicht warten, man weiß, dass sie von Ihnen kommen. Das war der Kollege und Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist ein Parteifreund von mir. Sie wissen, dass ich in diesem Haus - anders als Sie mit Ihren Leuten - dieses Verfahren von Herrn Wolff massiv kritisiert habe. Wenn es Sie beruhigt: Ich habe die Klagen von Parteifreunden der FDP gegen diesen Gesetzentwurf unterstützt.

Der Innenminister Lothar Hay betonte, dass der Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen analog der §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung geregelt sein müsse. Da hören wir noch vor Kurzem vonseiten des Innenministeriums im Innenund Rechtsausschuss des Landtags die vielfältigen Bedenken des sozialdemokratischen Hauses gegen das BKA-Gesetz. Da lesen wir in einem Interview von Justizminister Döring in Anspielung auf das BKA-Gesetz, dass die Menschen besser nicht wissen sollten, wie Würste und Gesetze gemacht werden. Das ist ein gutes Bild. Am Ende stimmt die SPD in dieser Landesregierung im Bundesrat sogar noch mit für den ungeänderten BKA-Gesetzentwurf. Herr Kollege Lehnert, Sie wissen, ich schätze Sie sehr. Jetzt lobt Kollege Lehnert von der CDU, der nicht gerade als Mensch freiheitlich-liberaler