Protocol of the Session on November 13, 2008

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sagen Sie es: Pups!)

Das Wort für die CDU-Fraktion erhält die Frau Abgeordnete Susanne Herold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel wurde über den Bildungsgipfel der Kanzlerin diskutiert und geschrieben. Viele hatten die höchsten Erwartungen geweckt, zum Teil aber auch nur, um dann umso medienwirksamer enttäuscht zu sein. Selbstverständlich wurden hier nicht Milliarden mit dem Füllhorn verteilt. Wer das erwartet hat, ist naiv.

Bundeskanzlerin Merkel hat das Thema Bildung zur Chefsache gemacht. Der Gipfel hat dazu beigetragen, dass das Thema Bildung in ganz Deutschland diskutiert wird. Und das ist gut so.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn der Stellenwert dieses Themas kann gar nicht hoch genug eingestuft werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wie dringlich die Auseinandersetzung mit dem Thema Bildung in Deutschland ist, macht ein zurzeit in der Bestseller-Liste stehendes Buch mit dem Titel „Generation Doof“ deutlich. „Wie doof sind wir eigentlich?“, lautet die Fragestellung zweier junger Journalisten, die sich sehr selbstkritisch mit dem Bildungsniveau ihrer Generation auseinandersetzen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ihre Generation vor allem damit beschäftigt sei, ihre mangelnde Bildung zu überspielen, sprich: ihr Halbwissen zu verbergen. Wenn es junge Menschen gibt, die den Bundestag für einen Feiertag halten, dann wird nur allzu deutlich, dass es von elementarer Bedeutung ist, dass wir uns mit der Wertigkeit von Bildung in unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Insofern würde ich es befürworten, wenn es weitere bundesweite Bildungsgipfel gäbe, die sich dann vor allem inhaltlich, vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Informationsgesellschaft, mit dem Thema Bildung befassten.

(Beifall bei der CDU)

So etwas könnte ich mir auch für unser Land Schleswig-Holstein sehr gut vorstellen.

Bildung ist ein Wert an sich, und es muss uns allen ein Anliegen sein, den hohen Wert eines gebildeten Menschen wieder mehr ins Bewusstsein zu bringen. Wenn Jugendliche lediglich aus dem Antrieb heraus lernen, um später viel Geld zu verdienen, dann stimmt da etwas nicht. Im Vordergrund ihrer Lernbemühungen müsste doch vielmehr ihre Bildung und das Ziel eines gebildeten Menschen gesehen werden.

Auch die Bildungsgerechtigkeit gehört zu den Hauptthemen einer nachhaltigen und erfolgreichen Bildungspolitik. Wir müssen in unserem Land und deutschlandweit die Kopplung von Herkunft und Zukunftschancen weiter abschwächen. Wer Gerechtigkeit erreichen will, braucht Bildung früher, braucht Bildung mit besserer Qualität, braucht mehr Durchlässigkeit und braucht ein Bildungssystem, in dem, egal welche Schule ein Kind besucht, klar sein muss: Die Entscheidung für eine bestimmte Schulart ist nicht die endgültige Entscheidung für einen bestimmten Schulabschluss. Auf jeden Abschluss muss die Möglichkeit zum Anschluss folgen.

(Beifall bei der CDU)

Um zu einer stimmigeren Bildungsbiografie zu kommen, ist ein höheres Maß an Durchlässigkeit und mehr Akzeptanz von beruflicher und allgemeiner Bildung in unserem Land notwendig.

Mit unserem neuen Schulgesetz, mit unseren neuen Schularten von Regional- und Gemeinschaftsschule und den Regionalen Bildungszentren sind wir auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Der Bildungsgipfel darf allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Bildung in erster Linie Landessache ist und kreative Lösungen vor Ort gefunden werden müssen. So ist in SchleswigHolstein im Bereich der Bildung einiges geschehen. Aber wir müssen weiterhin die Ärmel hochkrempeln und weiterarbeiten, damit Bildung nicht nur in unseren Köpfen bleibt, sondern zu positiven Veränderungen für unsere Schülerinnen und Schüler, Studierenden und Lehrenden führt.

In den vergangenen Jahren sind die Angebote der frühkindlichen Bildung beträchtlich ausgebaut worden. Dieses Thema wurde bereits heute Morgen hinreichend diskutiert. Unsere Schüler beginnen bereits in der Grundschule mit dem Englischunterricht. Vergleichsarbeiten und zentrale Abschlüsse sind eingeführt. Immer mehr Kinder besuchen das Gymnasium. Wir haben die Schulzeit verkürzt und die gymnasiale Oberstufe reformiert.

Verringert werden muss die Gruppe derer, die ohne Schulabschluss beziehungsweise ohne Ausbildungsabschluss bleiben. Auch hier gilt: frühere Prävention statt Reparatur. Für die Ausbildung und übrigens auch für das Studium heißt das, dass wir neben Maßnahmen, die auf dem Weg sind, eine bessere Beratung junger Leute brauchen. Es ist erwiesen, dass ein Teil der Abbrecherquote sowohl im Bereich der beruflichen Bildung als auch im Bereich der akademischen Studiengänge darauf zurückzuführen ist, dass zu viele ohne Beratung das falsche Studium beziehungsweise die falsche Ausbildung aufgenommen haben.

Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Dem Bildungsgipfel müssen Taten folgen“, so die Überschrift Ihres Antrags. Das klingt in meinen Ohren so, als sei in den vergangenen Jahren nichts geschehen. Aber Sie irren. Vor Ort wird bereits viel erreicht. Das habe ich gerade kurz skizziert. Wir sind in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dass dieses Thema bundespolitisch aufgewertet wurde, stört mich keinesfalls. Ganz im Gegenteil,

(Susanne Herold)

ich begrüße diesen mutigen Schritt der Kanzlerin ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU)

Zum Bildungsgipfel der Kanzlerin gehört das klare Signal, dass die Schnittstellen und damit verbundene Schwächen nicht nur erkannt sind, sondern auch alle Akteure im Bildungssystem eine klare Perspektive und eine klare Vorstellung davon haben, wie wir in den nächsten Jahren zu mehr Qualität im Bildungssystem kommen, wie wir zu mehr Prävention kommen, und wie wir Sorge dafür tragen können, dass kein Jugendlicher verloren geht und jeder zu einer Qualifikation kommt, die die kulturelle Teilhabe, Selbstständigkeit und individuelle Lebenschancen ermöglicht.

Meine Damen und Herren, zu den Konzepten und Ideen, die entwickelt werden, gehört auch die Bildungsfinanzierung; das ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Wir haben im Land - da möchte ich die Bildungsministerin und den Ministerpräsidenten ausdrücklich loben - mit dem „Zukunftspakt Bildung“ Gelder für mehr Lehrerinnen und Lehrer, für den Schulbau und für die Schülerbeförderung in die Hand genommen. Es gibt noch mehr; das wollte ich nicht noch einmal wiederholen. Hier wird in die Zukunft investiert, meine Damen und Herren.

Auch der Bund hat mehr Unterstützung für eine erfolgreiche Bildungsarbeit zugesichert. Neben der Fortschreibung des Hochschulpakts sollen ebenfalls vermehrt Mittel für Lehrstellenprogramme und das Nachholen von Schulabschlüssen fließen. Das nehmen wir natürlich gern an.

Was wir jedoch zur Verbesserung unserer Bildungspolitik brauchten, wäre ein umfassendes Konzept zur Bildungsfinanzierung. Stipendiensysteme und Studienkredite seien nur als Stichworte genannt.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Susanne Herold. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bildungsgipfel von Dresden ist sicherlich eine der Veranstaltungen, von denen man sagen muss, dass sie von vornherein mit erheblichen Erwartun

gen überfrachtet worden sind. Es hat ja kaum eine Organisation, einen Verband, eine Institution aus dem Bildungsbereich gegeben, die/der nicht ausführlich ihre/seine Erwartungen im Vorweg formuliert hätte. Deswegen ist es nicht so erstaunlich, dass die Ergebnisse ein Stück hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Dass allerdings - das will ich schon sagen - so wenig über bereits Bekanntes und Begonnenes hinaus verbindlich verabredet wurde, enttäuscht schon.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Dabei geht es weniger darum, ob jetzt die einfache Algebra mit Fingerübungen zu vernünftigen Ergebnissen kommt. Ich habe ja gehört, dass der Abgeordnete Klug und der Ministerpräsident sich demnächst zusammensetzen werden, um die algebraischen Fragen noch einmal durchzudeklinieren. Ich würde eher die Frage stellen, ob wir auf der qualitativen Seite durch diesen Gipfel ein Stück vorangekommen sind.

Meine Damen und Herren, Sie haben alle die Presse verfolgt, die sich enttäuscht über den Gipfel geäußert hat. Ich bin ziemlich sicher, dass von dem Ergebnis auch die Bundeskanzlerin ein Stück weit enttäuscht gewesen ist. Es ist jedenfalls kein Ergebnis, mit dem sich irgendjemand im Glanz des Bildungsgipfels hätte sonnen können. Ich will aber auch sagen: Der Bundeskanzlerin Frau Merkel ist dabei sicherlich kein Vorwurf zu machen, höchstens vielleicht der, dass sie sich nicht kräftig genug gegen die Radikalföderalisten in den Landesregierungen ihrer Parteien durchgesetzt hat.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wie formulierte doch der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer vor dem Treffen?

(Unruhe)

Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit.

Ich darf mit Ihrer Erlaubnis den sachsen-anhaltinische Ministerpräsident zitieren, der am Tag vor diesem Gipfel folgendermaßen formulierte: „Ich erwarte, dass der Bildungsgipfel nach drei Stunden vorbei ist. Ich habe ihn nicht erfunden.“ Ein offenes Wort und klares Wort, finde ich. Die Linie aus der Diskussion um die Föderalismusreform I, nämlich jede bildungspolitische Kooperationsmöglichkeit

(Susanne Herold)

zwischen Bund und Ländern in der Verfassung zu streichen, lebt fort, von Bayern bis Baden-Württemberg, von Nordrhein-Westfalen ins Sächsische hinein. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass sich die Haltung, die die Landesregierung mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze eingenommen hat, deutlich und positiv von dieser Haltung abgehoben hat.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, die Kanzlerin Merkel, Frau Schavan und auch andere bekannte Bundespolitiker der CDU haben seit einem Jahr relativ deutlich öffentlich gesagt, dass die föderale Bildungskooperation neu entdeckt werden muss. Ich und die Fraktion der SPD wollen das ausdrücklich würdigen. Allerdings muss man auch sagen: Die Geister, die man rief, wird man nicht so schnell wieder los. Dann hat man natürlich auch ein Problem, nämlich das Problem, dass man nicht zu verbindlichen Vereinbarungen kommt und nicht über Absichtserklärungen wirklich hinausgeht.

Als ein Ergebnis der Konferenz wurde die Qualifizierungsinitiative für Deutschland vorgestellt, ein Papier mit Grundsätzen, die nicht alle wirklich neu sind, die aber durchaus richtig sind und in die richtige Richtung weisen. Allerdings muss man der Ehrlichkeit halber sagen: Fast alles, was in Dresden beschlossen worden ist, ist bereits Beschlusslage der Koalition und ist auf den Weg gebracht: Ausbau der Kinderbetreuung, Unterstützung von Kindern aus finanziell schwachen Familien bei der Einschulung, Erhöhung des BAföG - sehr lobenswert, was die Bundesregierung da auf den Weg gebracht hat -, Ausbau der Studienplätze im Hochschulpakt, Exzellenzinitiative, Rechtsanspruch auf Förderung zum Nachholen eines Schulabschlusses.

Beim Thema Exzellenzoffensive will ich eine kleine Klammer aufmachen, ein typisches Beispiel dafür, wie man auf diesem Gipfel zu Ergebnissen gekommen ist. Wir sind uns eigentlich einig, wir brauchen eine Exzellenzinitiative II, aber es weiß noch keiner genau, in welche Richtung der Zug fahren soll, also wie sie inhaltlich ausgestaltet werden soll, in welchen Bereichen das organisiert werden soll und in welchen Formen. Dort ist noch einiges an Nacharbeit zu leisten. Das ist aber nach Gipfeln immer so, und das allein ist noch kein Problem.

Wir haben - ich habe das gesagt - eine ganze Reihe von Dingen, die im Wesentlichen Appellcharakter haben. Viele Länder haben deutlich und zu Recht gesagt, dass der Bund stärker als bisher in die Finanzierung großer Projekte einsteigen muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind wir uns in diesem Haus, glaube ich, ausnahmsweise einmal einig.

Ich will aber auch sagen, dass die Forderung an den Bund zur Mitfinanzierung, natürlich ohne jede Form der Mitbestimmung für den Bund bei der Ausgestaltung der Maßnahmen, etwas ist, was man zwar fordern kann, aber es ist natürlich nicht besonders konsistent, nicht besonders kooperativ und auch nur begrenzt föderal gedacht. Da darf man sich natürlich nicht wundern, dass das Ergebnis noch nicht so durchschlägt, wie wir alle uns das wünschen.