Protocol of the Session on September 10, 2008

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollt ihr doch! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie müssen ja nicht hinfahren!)

Die harsche Kritik des Landesrechungshofs ist mehr als berechtigt: Unter Ministerpräsident Carstensen - hört, hört! - stiegen die Ausgaben der Repräsentanz in Berlin um glatte 30 %. Ein tolles Vorbild!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Er ist auch größer!)

Übrigens anders ergeht es unter diesem Ministerpräsidenten der Kultur: Dort ist eingespart worden. Hatten Sie Kultur nicht zur Chefsache erklärt, Herr Carstensen? Aber klar doch, jetzt wissen wir, was das bedeutet. Chefsache heißt: Wenn alles aus dem Ruder läuft, muss das Wort des Herren irgendwo etwas gelten. Hier ist Kultur, hier wird gespart!

Meine Damen und Herren, Jahr für Jahr nimmt diese Regierung den Kommunen 120 Millionen € weg.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit Ihrer Zustim- mung!)

Die heilig versprochene Kompensation hat nie stattgefunden. Raubrittertum hat unter dieser Landesregierung ein modernes Gesicht bekommen. Doch damit nicht genug: Inzwischen steht fest, dass die Kosten für die Schulreform erheblich sind. Da die Schulreform vom Land beschlossen wurde, greift nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes das Konnexitätsprinzip. Das klingt logisch, aber nicht für die Landesregierung: Die harsche Kritik von Ministerin Erdsiek-Rave an dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist für die Betroffenen kaum verständlich.

Wenn Sie sich die fatale Wirkung Ihrer kommunalen Finanzpolitik ansehen wollen, müssen Sie nur Ihre Parteifreunde zum Beispiel im Kieler Rathaus fragen. Ohne den drastischen Raubzug im Kommunalen Finanzausgleich hätte die Stadt Kiel dieses Jahr zum ersten Mal einen ausgeglichenen Haushalt mit schwarzen Zahlen vorlegen können.

Meine Damen und Herren, diese Koalition hat nicht den Mut zu tief greifenden Reformen. Konsolidieren, Investieren, Reformieren, das hatte sich die

(Karl-Martin Hentschel)

Landesregierung vorgenommen. Abkassieren, Rumlavieren und Blockieren, das ist die Realität.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Kleinmütiges Starren auf den nächsten Wahltermin ersetzt verantwortungsvolle Politik. Das sieht auch der Fraktionsvorsitzende Wadephul so, der im Juni dieses Jahres mit Blick auf die Reformen der Landesverwaltung im Interview mit dem „sh:z“ bestätigte: große Ankündigungen, null Ergebnis. Dem kann ich nur beipflichten. Ministerpräsident Carstensen ist mit seiner Regierung und Finanzpolitik gescheitert, diese Koalition kann es nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2006 haben wir in Deutschland und in Schleswig-Holstein einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der nicht nur zu einem höheren Wirtschaftswachstum und bei den Unternehmen zu steigenden Umsätzen, sondern auch zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit geführt hat. Die Arbeitslosenquote beträgt im August in Schleswig-Holstein nur noch 7,5 %, während wir vor einigen Jahren noch bei über 10 % lagen. Dies ist das geringste Niveau der Arbeitslosigkeit seit 1993, auch wenn hier nicht alles Gold ist, was glänzt.

Die Ursachen dieser Entwicklung sind vor allem in dem positiven Anstieg des Welthandels zu suchen, wovon Deutschland und auch unser Bundesland profitiert haben. Unsere heimische Wirtschaft hat durch Umstrukturierung und durch massiven Lohnverzicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Wettbewerbsfähigkeit stark verbessern können, was sich letztlich im Aufschwung der deutschen Exportwirtschaft widerspiegelt. Hinzu kommen regionale Besonderheiten, wie im deutsch-dänischen Grenzland, wo der Wirtschaftsboom in unserem Nachbarland den Arbeitsmarkt belebt hat.

Durch das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre sind auch die Steuereinnahmen sowohl im Bund als auch in den Ländern und Kommunen wieder angestiegen. Laut Statistischem Bundesamt hat sich

dieser Trend bei den Steuereinnahmen noch im ersten Halbjahr 2008 fortgesetzt. Leider müssen wir nun aber davon ausgehen, dass sich der wirtschaftliche Aufschwung langsam dem Ende nähert. So ist im zweiten Quartal erstmals seit Jahren das Bruttosozialprodukt wieder zurückgegangen, und die Auftragseingänge bei der Industrie sind im Juli regelrecht eingebrochen. Der hohe Ölpreis, der Anstieg der Lebensmittelpreise und die Bankenkrise in den USA wirken sich auch auf die europäische Wirtschaft - und damit auch auf Deutschland - negativ aus.

Nun wissen wir aber, dass Schleswig-Holstein immer noch eine relativ mittelständische Unternehmensstruktur hat. Wir können - mit anderen Worten - hoffen, dass die Folgen eines kommenden Abschwungs auf die schleswig-holsteinische Wirtschaft nicht voll durchschlagen werden.

Im Finanzplan des Landes geht die Landesregierung davon aus, dass Schleswig-Holstein in den Abschwungphasen meistens vergleichsweise moderate Wachstumsraten verzeichnen konnte. Sie rechnet daher im nächsten Jahr nur mit einer leichten konjunkturellen Abkühlung. Insgesamt rechnet die Landesregierung in ihrem Finanzplan immer noch mit einem Anwachsen der Steuereinnahmen. Dennoch ist es fraglich, ob der Haushaltsentwurf den kommenden Herausforderungen unseres Landes gerecht wird.

Der SSW jedenfalls ist der Auffassung, dass die Landesregierung ihre bisherige Regierungszeit nicht ausreichend dafür genutzt hat, das Land fit für die Zukunft zu machen. Zu unterschiedlich sind die Interessen in der Großen Koalition; zu oft gab es Streitereien und Machtkämpfe.

Dieser Haushalt der kleinen Schritte wird das letzte große Projekt der Großen Koalition sein. Seit gestern ist endgültig klar, dass es in dieser Wahlperiode keine große Verwaltungsstrukturreform mehr geben wird. Das bedauern wir, nicht weil die leidige Diskussion um eine Kreisgebietsreform damit vom Tisch ist - diese Diskussion war von vornherein eine Missgeburt -, sondern weil damit auch die Diskussion um eine tief greifende Funktionalreform tot ist.

(Beifall beim SSW)

Das hat sich aber die Große Koalition allein zuzuschreiben, die diese Reform von vornherein falsch angepackt hat. Statt zu fragen, wie die öffentlichen Aufgaben in Schleswig-Holstein vernünftig verteilt werden können und wie die Strukturen entsprechend gestaltet werden müssten, wurde von vorn

(Karl-Martin Hentschel)

herein immer die Kreisreform propagiert. Dies war ein fataler Fehler, der uns in den letzten drei Jahren reichlich Unterhaltungsstoff geboten hat.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie hat die ganze Reformdiskussion keinen einzigen Schritt weitergebracht. Die Landesregierung steht jetzt da wie der Kaiser in dem bekannten Märchen von Hans Christian Andersen: Sie hat nur Luftgewänder an. Es bleibt zu hoffen, dass eine künftige Regierung die Kraft findet, dieses Thema wieder aufzugreifen und die Reform von Aufgaben und Strukturen wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Zu den Haushaltsrisiken im weiteren Sinne gehört auch die aktuelle Situation bei der HSH Nordbank. Es ist mehr als bedauerlich, dass die Ausfälle der Bank höher sind als noch vor Wochen erwartet und dass dadurch eine große Anzahl von Arbeitsplätzen verloren geht. So hatten wir uns eigentlich eine langfristige Sicherung des Finanzplatzes Kiel nicht vorgestellt. Daher ist es für den SSW auch kein Trost, dass sich die HSH Nordbank künftig auf ihr Kerngeschäft zurückziehen will. Zum einen entspricht das genau der Position, die wir hier im Plenum bei der ersten Debatte zu den Folgen der Bankenkrise für die HSH Nordbank auch deutlich gemacht haben, zum anderen hat die Bank von sich aus auch immer wieder behauptet, dass sie nicht zu den Global Playern gehören wolle. Dies hat sie in ihrer Investment-Politik dann anscheinend doch versucht. Über mögliche Folgen für den Landeshaushalt wird uns der Finanzminister in der Debatte zu dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag aufklären.

Dabei sehen die Eckpunkte des Haushalts oberflächlich betrachtet gar nicht so schlecht aus. Die Neuverschuldung soll bis 2010 auf 530 Millionen € sinken, und erstmals seit Jahren liegt ein Haushaltsentwurf vor, der die verfassungsmäßige Grenze nicht überschreitet. Die Investitionen sollen in beiden Jahren über 800 Millionen € betragen, womit sie höher als die Kreditaufnahme sind. Allerdings befand sich die Nettokreditaufnahme bereits 2007 beim Haushaltsabschluss innerhalb der verfassungsmäßigen Grenze. Ob wir dies in den Haushaltsabschlüssen der kommenden Jahre nun auch erreichen werden, hängt mit anderen Worten nicht von uns, sondern maßgeblich von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und den damit verbundenen Steuereinnahmen ab.

Darum sagen wir, dass der Ministerpräsident auch nicht unrecht hat, wenn er in seiner Haushaltspressekonferenz davor warnt, dass es trotz der höheren Steuereinnahmen für Schleswig-Holstein kaum mehr finanzpolitische Spielräume gibt. So rechnet der Finanzminister für 2010 mit einem Mehr an Steuereinnahmen von circa 1,8 Milliarden € im Vergleich zu 2005, aber nach dem Abzug des Kommunalen Finanzausgleichs, steigender Zinszahlungen und Tarifsteigerungen bleibt davon nur rund 1 Milliarde € übrig. Dazu kommen - wie wir alle wissen - die Altlasten des Landes in Form von Zinsausgaben, die dazu führen, dass die Zinsausgabenquote bis 2010 auf 12 % weiter ansteigt.

Der Hauptgrund für die Finanzschwäche des Landes ist aber - laut Landesregierung - strukturell begründet. Das sieht der SSW wie alle anderen hier im Haus genauso. Denn hätten wir in SchleswigHolstein genauso viele Finanzmittel für dieselben Aufgaben wie die anderen westdeutschen Flächenländer, dann hätten wir pro Jahr 600 Millionen € mehr Steuereinnahmen und müssten keine neuen Schulden aufnehmen.

Leider ist der Landesregierung bei den Verhandlungen zur Föderalismusreform bei den zukünftigen Entschuldungsregeln kein wirklicher Durchbruch gelungen. Die schleswig-holsteinische Forderung nach einem gemeinsamen Entschuldungsfonds der Länder - finanziert durch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer - wäre aus Sicht des SSW eine gute Lösung dieser strukturell bedingten Finanzprobleme gewesen. Doch in der Föderalismuskommission konnte man sich wieder einmal nur auf eine laue Kompromissformel einigen, die unserem Land nicht wirklich helfen wird.

Da über 95% des Landeshaushalts in Beton gegossen sind - das wissen wir, auch wenn wir in einer Haushaltsdebatte wie heute oftmals so tun, als wüssten wir es nicht -, werden wir allein mit einer Politik des Kürzens und des Beschneidens die Zukunft des Landes nicht in den Griff bekommen. Davon zeugen auch die vielen Briefe, die uns in diesen Tagen von Polizeibeamten und anderen öffentlich Bediensteten erreichen. Das soll heißen, wir brauchen wirklich hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Die bekommen wir eben nicht, wenn immer wieder im negativen Sinne an der Gehaltsschraube dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedreht wird.

(Beifall bei SSW und FDP)

Dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht nur zu höheren Steuereinnahmen führt, sondern auch zu

(Anke Spoorendonk)

weniger Ausgaben des Landes im sozialen Bereich, ist keine neue Erkenntnis. So sind die Ausgaben für den Landesanteil an der Sozialhilfe in den letzten Jahren immer niedriger gewesen als im Haushaltsansatz erwartet. Diese Entwicklung unterstützt unsere Auffassung, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für die Haushaltskonsolidierung des Landes viel wichtiger ist als harte Sparmaßnahmen. Ich denke, das ist die wirkliche Messlatte bei den anstehenden Haushaltsberatungen.

Aus Sicht des SSW ist es weiterhin wichtig, daran festzuhalten, dass höhere Investitionen des Landes zum Beispiel für die Infrastruktur und die regionale Wirtschaftsentwicklung - gerade in einer beginnenden Abschwungsphase wichtig sind, um die Binnenkonjunktur in Schleswig-Holstein positiv zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist es natürlich begrüßenswert, dass die Investitionen des Landes im Vergleich zu 2005 um 22 % wachsen werden, während die Primärausgaben im gleichen Zeitraum lediglich um 6,4 % anwachsen sollen. So will die Landesregierung die Mittel für den Küstenschutz und die ländlichen Räume erhöhen,

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

wobei es sich hierbei - in Klammern bemerkt - insbesondere um EU-Gelder handelt. Das tut aber in diesem Zusammenhang nichts zur Sache. Dennoch lohnt es sich, auch bei den Investitionen etwas genauer hinzuschauen. Der SSW ist beispielsweise nicht damit einverstanden, dass die Landesregierung die Städtebauförderung für die Kommunen kürzen will. So soll die Städtebauförderung von 19,2 Millionen € 2008 auf 17,6 Millionen € 2010 zusammengestrichen werden. Angesichts des großen Sanierungsbedarfs in vielen Städten ist dies nun wirklich nicht nachvollziehbar. Die kommunalen Landesverbände haben bereits gegen diese Kürzungen protestiert, und wir werden uns in den Haushaltsberatungen damit befassen müssen, ob dies wirklich der richtige Weg ist.

Auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bleibt für uns ein wichtiges Thema. Im Rahmen des Landeshaushaltes hat die Landesregierung allerdings nur wenige Mittel eingeplant, um den Straßenund Schienenbau im Land voranzubringen. Umso wichtiger ist es, dass die Landesregierung die richtigen Prioritäten in der Verkehrspolitik setzt. Hier sieht der SSW immer noch erhebliche Defizite. Dies gilt insbesondere natürlich für den Bau der Fehmarnbelt-Brücke. Nicht nur vom SSW, sondern auch nördlich der deutsch-dänischen Grenze, in Südjütland zum Beispiel, wird dieses Prestige

projekt mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Denn eine feste Verbindung über den Fehmarnbelt ist keine Verkehrsader für Schleswig-Holstein, sondern ein Bypass, der Kopenhagen und Malmö mit Hamburg verbinden soll. Die Menschen in Schleswig-Holstein wären aber mit vielen kleineren Maßnahmen zum Ausbau der bestehenden Fernstraßen und Eisenbahntrassen - die Rendsburger Hochbrücke lässt grüßen - besser bedient als mit einem Megaprojekt, das nur eine gut funktionierende Fährverbindung ersetzt, die sich zudem ohne Steuergelder finanziert.

(Beifall beim SSW)

Eben dies wird aber nicht der Fall sein, wie wir heute der „Flensborg Avis" entnehmen können. Ich empfehle den Pressespiegel auf Seite 18. Die Landesregierung stellt jetzt schon viele viel wichtigere regionale Verkehrsprojekte zurück, um den Fehmarnbelt-Anschluss verwirklichen zu können.

(Zurufe von der CDU: Das stimmt doch nicht!)

Nachzulesen ist konkret - ich zitiere -, dass auf Anfrage der Zeitung der Sprecher des Wirtschaftsministeriums gesagt habe, dass der Ausbau der B5 wegen dieser Finanzierungsaufgabe zurückgestellt werden müsse.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

So ist es nachzulesen, offiziell aus dem Wirtschaftsministerium. Ich empfehle jedem, das zu tun. Sollte man der dänischen Sprache nicht mächtig sein, übersetze ich das gern.

(Beifall beim SSW)