Protocol of the Session on September 10, 2008

(Beifall beim SSW)

Wir fordern daher, dass die Landesregierung jetzt endlich dafür kämpft, dass die bestehenden Verkehrsengpässe in der Mitte und im Norden des Landes beseitigt werden. Im Haushaltsentwurf findet sich allerdings wenig bis gar nichts dazu, wie die Landesregierung diese Herausforderungen angehen will.

Der vorliegende Haushaltsentwurf schweigt sich leider auch über ein Gesellschaftsproblem aus, das sich vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Abschwungs womöglich noch vergrößern könnte: der massive Anstieg des Niedriglohnsektors. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge ist das Realeinkommen des am wenigsten verdienenden Bevölkerungsviertels seit 1995 um 14 % gefallen. Im gleichen Zeitraum sind die Realeinkommen des am besten verdienenden Bevölkerungsviertels um 3,5 % angestiegen.

(Anke Spoorendonk)

Eine Ursache dafür ist, dass sich in Deutschland ein Niedriglohnsektor entwickelt hat, der bereits über 20 % aller Beschäftigten umfasst. In SchleswigHolstein ist die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren zwar gefallen, aber gleichzeitig können viele Beschäftigte mit ihrem Einkommen nicht mehr über die Runden kommen. Der SSW spricht sich gegen Niedrig- und Dumpinglöhne aus und arbeitet weiterhin für eine Arbeitsmarktpolitik nach skandinavischem Vorbild. Denn dort werden alle Menschen nicht nur gefordert, sondern auch gefördert.

Damit die Menschen auch in Zukunft bei uns im Norden arbeiten und leben können, muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für die arbeitende Bevölkerung verbessert werden. Dazu gehören die Weiterführung des Tariftreuegesetzes, die Einführung von Mindestlöhnen sowie eine Steuerentlastung für die unteren und mittleren Einkommen.

(Beifall beim SSW)

Da besonders viele unqualifizierte Beschäftigte im Niedriglohnsektor arbeiten, muss es in der beruflichen Bildung verstärkt für diese Gruppe maßgeschneiderte Angebote geben. Denn der viel besungene Aufschwung ist bei diesen Menschen gar nicht angekommen. Und mit den verschlechterten Konjunkturaussichten wird sich nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich, sondern auch zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Bevölkerungsschichten weiter ausweiten.

Ich will gerne zugestehen, dass die Landesregierung in den letzten Jahren ihre Anstrengungen im Weiterbildungsbereich erhöht hat. Aber sieht man sich die Wirklichkeit von unten, also vor Ort an, wird man feststellen, dass sich arbeitslose Menschen immer noch mit einem Flickenteppich an Weiterbildungsangeboten von der Arbeitsagentur und den Optionskreisen bis hin zu vielen privaten Weiterbildungsträgern auseinandersetzen müssen.

Es fehlt dabei die bessere Koordinierung der Angebote, und es fehlt die bessere Einbeziehung der Wirtschaft und der Gewerkschaften bei der maßgeschneiderten Ausgestaltung der Weiterbildungsangebote. Dabei wissen wir, dass viele Unternehmen in den nächsten Jahren händeringend nach qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern suchen werden. Bereits heute haben viele Firmen ein Rekrutierungsproblem. Kurzum: Wir brauchen in den nächsten Jahren eine Weiterbildungsoffensive für das ganze Land auf einem höheren Niveau.

Im Kita-Bereich will die Landesregierung das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr einführen und den

Ausbau der Kinderbetreuung voranbringen. Die Finanzierung des beitragsfreien Kindergartenjahres scheint immer noch nicht hinlänglich geklärt. In Erinnerung rufen möchte ich dabei die Kleine Anfrage der Kollegin Heinold, aus der deutlich hervorging, dass man sich von vornherein nicht darüber im Klaren war, wie das Finanzvolumen aussehen sollte.

Die Regierung will im Finanzplanungszeitraum bis 2012 für 17.000 neue Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren insgesamt gut 174 Millionen € einsetzen, jeweils zur Hälfte bestehend aus Bundesund aus Landesmitteln. Diese Maßnahmen unterstützt der SSW ausdrücklich. Dabei sollte niemand von uns darüber hinwegsehen, dass wir in Deutschland - und damit auch in Schleswig-Holstein - im europäischen Vergleich im Bereich der Kinderbetreuung immer noch weit unten stehen.

Wenig Verständnis haben wir daher für die Position der Bildungsministerin - das muss ich so deutlich sagen -, die öffentlich gefordert hat, dass die Kommunen bei der Betreuung der unter Dreijährigen endlich auch ihren finanziellen Beitrag leisten müssen. Zum einen tun sie dies bereits, und zum anderen ist es bekanntlich so, dass die Bundesregierung den Ausbau der Kinderbetreuung beschlossen hat. So eine Aufforderung ist also wenig hilfreich, zumal auch die Landesregierung für das Konnexitätsprinzip eintritt. Wer bestellt, muss die Zeche zahlen; dies gilt auch im Bereich der Kinderbetreuung. Denn diese Aufgabe ist für die Kommunen eine neue Aufgabe. Dabei ist es aus Sicht des SSW überfällig, dass das Konnexitätsprinzip auch auf den Bund ausgeweitet wird.

Wir begrüßen die Erhöhung des Haushaltsansatzes für die Schulen und Hochschulen des Landes. Der Schuletat soll wegen des wachsenden Lehrerbedarfs von insgesamt 1.000 neuen Lehrerstellen um etwa 60 Millionen € erhöht werden. Das Land will 2009 und 2010 jeweils fast 16 Millionen € mehr für die Hochschulen ausgeben. Das Problem der Unterfinanzierung der schleswig-holsteinischen Hochschulen ist nicht neu und immer wieder in Landtagsdebatten angeprangert worden.

Es scheint also fast so, als hätte der ehemalige Wissenschaftsminister Austermann das auch so gesehen und den Hochschulen ein kleines Abschiedsgeschenk hinterlassen. Die eine Hälfte dieser Mittel wird aber ganz schnell durch die Tarifsteigerungen „aufgegessen“ werden, während der andere Teil für die Errichtung eines Innovationsfonds genutzt werden soll. Was fehlt, ist somit weiterhin eine nach

(Anke Spoorendonk)

haltige Verbesserung der Grundausstattung unserer Hochschulen.

Außerdem zeigt die Situation, die sich über den Sommer an der Universität Flensburg ergeben hat, dass der SSW mit seinen Befürchtungen um die Zukunft dieses Hochschulstandortes leider recht behalten hat. Die Aufforderung des Hochschulrates Schleswig-Holstein, dass man entweder gleich zur alten Pädagogischen Hochschule zurückkehrt oder die Universität strategisch weiterentwickeln sollte, war vor diesem Hintergrund wohl eher als Provokation gedacht.

Für den SSW ist klar, dass eine Rückkehr zur PH den gesamten Hochschulstandort Flensburg infrage stellt. Es ist gut, dass die Landesregierung dies auch so sieht und der Uni nun mit einer Soforthilfe finanziell unter die Arme greifen will. Das reicht langfristig nicht aus. Wir fordern, dass die Landesregierung eine Richtungsentscheidung zur Weiterentwicklung der Universität Flensburg trifft

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und ein Konzept erarbeitet, in dem dargelegt wird, wie die Zukunft des Universitätsstandortes Flensburg langfristig gesichert werden kann. Nur so werden wir die Universität retten können. Fest steht dabei auch aus Sicht des SSW, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Syddansk Universitet ohne eine „Volluniversität“ in Flensburg nicht möglich ist. Dies hat der Rektor der Syddansk Universitet in mehreren öffentlichen Beiträgen klargemacht.

Vor dem Hintergrund des weiteren notwendigen Ausbaus der deutsch-dänischen Zusammenarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es übrigens eine kleine Anekdote, die besagt, dass man bei der Erstellung der genetischen Europakarte herausgefunden hat, dass die Dänen den Norddeutschen genetisch mehr gleichen als beispielsweise den Schweden. Angesichts der langen gemeinsamen Geschichte von Dänemark und Schleswig-Holstein mag dies für den Insider nicht so überraschend sein. Gleichwohl ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass es gut ist, wenn nicht nur die kulturellen Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen, sondern auch die kulturellen Gemeinsamkeiten in der deutsch-dänischen Grenzregion betont werden.

(Beifall bei SSW und FDP)

Und genau dies, lieber Herr Ministerpräsident, ist das Motto der neuen grenzüberschreitenden Zusam

menarbeit, zu der sich die Landesregierung bekennt und wofür wir sie immer gern loben.

Man kann zu Recht sagen, dass am 1. September 2008 in Schleswig ein neues Kapitel in der langen deutsch-dänischen Geschichte aufgeschlagen wurde. Denn an diesem Tag wurde unter Beteiligung der dänischen Königin, unseres Ministerpräsidenten und des großzügigen Spenders Mærsk Mc-Kinney Møller das neue dänische A.P. Møller-Gymnasium eingeweiht.

Mit diesem Geschenk erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch der dänischen Minderheit nach einem zweiten Gymnasium. Das bisher einzige Gymnasium der Minderheit, die Duborg-Skolen in Flensburg, ist mit über 1.000 Schülerinnen und Schülern schon seit Jahren überlastet. Das Wichtigste ist, dass dieses neue Gymnasium letztlich ein Gewinn für die gesamte Grenzregion sein kann - davon bin ich überzeugt - und gerade für die Stadt Schleswig ein wichtiger Impulsgeber sein wird. Daher sage ich ganz klar: Das aktuelle Geplänkel über Hausboote und Planungsrecht hat nichts mit der neuen Schule zu tun, sondern alles mit „Investitionspoker“.

Bei der Einweihung der neuen Schule wurde sowohl vonseiten des Stifters wie auch vonseiten der Vorsitzenden des Dänischen Schulvereins immer wieder betont, dass man sich seiner lokalen und regionalen Verantwortung bewusst ist.

Die neue Schule ist eine Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe. Das bedeutet, dass mit Beginn des neuen Schuljahres alle Schulen des Dänischen Schulvereins in Gemeinschaftsschulen umgewandelt worden sind.

Diese Strukturänderung seit dem 1. Januar 2008 und die seit dem 1. Januar 2008 geltende Gleichstellung bei den Schülerkostensätzen haben zu dem erfreulichen Ergebnis geführt, dass die Zuschüsse für die dänischen Schulen im Haushaltsentwurf 2009/2010 wesentlich erhöht worden sind. Allerdings nicht als Geschenk der Landesregierung, sondern als Konsequenz ganz konkreter Beschlüsse und Entscheidungen. Das ist das Wichtige. Das ist auch gut so.

Insgesamt weist der Haushaltsentwurf im Minderheitenbereich Licht und Schatten aus. So will die Landesregierung schon wieder die Zuschüsse für das Nordfriisk Instituut in Bredstedt kürzen, und der Haushaltsansatz für den Dachverband der dänischen Bauernverbände soll sogar ganz entfallen. Dies ist umso unverständlicher, als die Landesregierung noch im Minderheitenbericht 2007 die kul

(Anke Spoorendonk)

turelle Arbeit des Fælleslandboforening gelobt hat. Genau für die kulturelle Arbeit bekommt er diese Zuschüsse. Es gibt keine Zuschüsse für landwirtschaftliche Beratung, um das einmal klarzustellen. Fallen diese Zuschüsse weg, muss der Verband seine Arbeit aufgeben. Dann muss er dichtmachen. Daher sage ich: Da weiß anscheinend die eine Hand nicht, was die andere Hand macht.

Auch die eher symbolische Erhöhung der Zuwendung für den dänischen Kulturträger Sydslesvigsk Forening ist angesichts der jahrelangen Überrollung bei gleichzeitig ansteigenden Lohnkosten nicht einmal ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein. In diesen Bereichen muss aus Sicht des SSW nachgebessert werden. Dies sei auch ausdrücklich angesichts der vom Schleswig-Holsteinischen Landtag angefertigten Kompetenzanalyse „Minderheiten als Standortfaktor in der deutsch-dänischen Grenzregion“ hervorgehoben, deren Umsetzung noch aussteht.

Ein anderer wichtiger Punkt ist für den SSW - ich muss es sagen -, dass mit dem Haushalt 2009/2010 endlich eine rechtliche Absicherung der Schülerbeförderung für die Schulen der dänischen Minderheit beschlossen wird. Der Dänische Schulverein braucht eine gesetzliche Regelung, um mehr Planungssicherheit zu bekommen - nicht zuletzt, weil die bisherigen Zuschüsse der betroffenen Kreise sogenannte freiwillige Leistungen sind. Was im Moment auf Kreisebene läuft, will ich aus Zeitgründen nicht aufgreifen. Das ist schon hanebüchen.

Ich rufe in Erinnerung, dass ein Gesetzentwurf des SSW vorliegt und die Regierungsfraktionen bei der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes signalisiert haben - ich bedanke mich bei dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, der dies in seiner Haushaltsrede noch einmal bestätigte -, dass sie bereit sind, eine Lösung herbeizuführen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie auch zu Ihrem Wort stehen. Dabei ist es aus Sicht des SSW möglich, eine Regelung zu finden, die den Landeshaushalt nicht über Gebühr belastet.

Minderheitenpolitik ist in diesem Haus auch immer Konsenspolitik gewesen. Insofern hoffen wir, dass es der Großen Koalition noch gelingt, in ihrem letzten gemeinsamen Haushalt diesen größten Knackpunkt in der ökonomischen Minderheitenpolitik durch eine klare rechtliche Regelung aus dem Weg zu räumen. Das ist eine Aufgabe, die ja auch für die Große Koalition eine integrierende Funktion haben könnte.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Hentschel war die Rede von Frau Spoorendonk sehr wohltuend, sehr sachlich, selbstverständlich sehr kritisch. Bei dem Kollegen Hentschel habe ich mir das Handbuch in die Hand genommen. Ich hatte schon Sorgen, dass seine Schulausbildung in Schleswig-Holstein gewesen wäre. Ich habe gesagt: Nein, das kann ja wohl nicht angehen, dass er nicht rechnen und nicht lesen kann.

(Zuruf von der CDU)

- Er will nicht lesen; das ist das Problem. Ich glaube, er kann lesen; das habe ich schon einmal gesehen. Aber er will nicht lesen. Und er will einige Dinge nicht zur Kenntnis nehmen. Er hat beispielsweise angesprochen, dass die Ausgaben für die Landesvertretung um 30 % gestiegen seien. Ich darf Ihnen einmal die Zahlen nennen: Die Landesvertretung hat 2008 2,3 Millionen €, 2009 2,2 Millionen € und 2010 2,1 Millionen €. Ich sehe dort keine Steigerung.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das mal mit 2007 ver- glichen?)

Er hat gesagt, wir seien vom Landesrechnungshof für die Arbeit der Landesvertretung, die besser geworden ist, kritisiert worden.

(Beifall bei der CDU)

Der Präsident des Landesrechnungshofs hat mir gerade eben noch einmal gesagt: Nein, die Landesvertretung ist gelobt worden. Herr Hentschel, Sie wollen nicht lesen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Ihnen nicht passt, dass Sie jede Woche eine Einladung erhalten, können wir Sie auch gern aus dem Verteiler nehmen. Wir empfanden es als höflich, Sie einzuladen. Die Einsparungen sind aber auch nicht so sehr groß; wir können Sie auch drauflassen.

Wenn wir heute mit dem Haushalt für die nächsten zwei Jahre und mit dem Finanzplan bis 2012 die finanzpolitischen Weichen stellen, tun wir dies auch

(Anke Spoorendonk)