Protocol of the Session on September 10, 2008

(Günther Hildebrand)

ße durchzusetzen, über Nacht große Pflanzkübel auf die Fahrbahn stellen. Wie lange würde es wohl dauern, bis die zuständige Verkehrsbehörde vor Ort wäre? Wir könnten den Zeitraum wahrscheinlich eher in Stunden bemessen als in Tagen. Und das ist auch richtig so. Denn wie gut die Argumente auch sein mögen, die ein Akteur zu haben glaubt: Es ist nicht zu dulden, dass er das Recht in die eigene Hand nimmt. Genau das jedoch geschieht vor Sylt. Greenpeace setzt sich bewusst über geltendes Recht hinweg. Dabei fand ich es schwer zu ertragen, dass es fast vier Wochen gedauert hat, bis das Bundesverkehrsministerium endlich die Unterlassung verfügt hat. Auch von meiner Seite noch einmal ein ganz herzlicher Dank, Herr Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen, für die ausdrückliche Aufforderung an die Bundesbehörden, endlich tätig zu werden. Das hat dem Rechtsempfinden vieler Schleswig-Holsteiner gut getan.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Die Umweltorganisation Greenpeace begibt sich hier auf einen gefährlichen Weg. Denn wer sich selbst so überhöht und für die Durchsetzung seiner Ziele den Bruch von Recht und Gesetz zumindest billigend in Kauf nimmt, der begibt sich in eine gefährliche Nähe zu Extremisten, mit denen die allermeisten Mitglieder von Greenpeace ganz sicher nichts zu tun haben wollen.

In ihrem Streben nach medialer Beachtung nehmen es die Verantwortlichen von Greenpeace sogar in Kauf, das Leben und die Gesundheit von schleswig-holsteinischen Fischern zu gefährden. Allein schon deshalb ist die Bundespolizei aufgefordert, einzuschreiten, wenn es einen weiteren Versuch zur Versenkung von Felsbrocken geben sollte. Der jetzt bekannt gewordene Weg, der aktuell ja auch über die Medien verbreitet wurde, der Weg der Wasserund Schifffahrtsdirektion Nord, das Auslaufen des Schiffes zu verhindern, ist sicherlich der elegantere, weil er auch den möglicherweise erwünschten medialen Rummel gering hält.

Es geschieht nicht häufig, aber heute kann ich dem Geschäftsführer des NABU nur zustimmen, wenn er das Verhalten von Greenpeace kritisch in der Presse kommentiert. Denn dieses Verhalten ist in der Tat dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit von Umweltschutzorganisationen insgesamt abträglich.

Diese Aktion von Greenpeace auch noch mit dem holprigen Motto „Taten statt warten“ zu begleiten, schadet aber auch der Akzeptanz naturschutzfachlicher Genehmigungsverfahren insgesamt. Warum soll sich der normale Bürger an etwas hal

ten, was Umweltschutzorganisationen selbst missachten, ohne dafür sanktioniert zu werden?

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Deshalb ist Greenpeace aufgefordert, die Verklappung von Felsen im Wattenmeer umgehend einzustellen und dies nicht weiterzubetreiben. Zudem müssen sie den bisher begangenen Rechtsbruch heilen.

Wir werden zu prüfen haben, ob diese Organisation - unabhängig davon, wie gut die Zusammenarbeit in manchen anderen Bereichen bis dato gewesen sein mag - weiterhin ein Partner in der Umweltarbeit des Landes sein kann.

Unabhängig von dieser rechtlichen und politischen Würdigung der bisherigen Vorgänge sollten wir uns im Ausschuss sehr intensiv mit den Auswirkungen auf Flora und Fauna im Wattenmeer, auf die Kiesgewinnung und die Fischerei befassen und das Ganze durchaus auch zum Anlass nehmen, die gegenwärtig laufenden Verfahren näher zu beleuchten und uns über die Situation insgesamt zu informieren.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Bernstein. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Bernd Schröder.

(Zuruf von der CDU: Umweltpolitischer Sprecher!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel. Es handelt sich hier um ein Thema, das vor Ort an der Westküste und in ganz Deutschland in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt hat. Ein generelles Wort vorweg: Es ist grundsätzlich in Ordnung, wenn einzelne Menschen oder Institutionen vermeintliche Missstände thematisieren, wenn sie für ihre Interessen eintreten und in der öffentlichen Diskussion gegenüber anderen Interessen vertreten. Grenzwertig wird es aber in dem Moment, wenn rechtswidrige Mittel und Instrumente eingesetzt werden und wenn andere Interessen - für mich vor allem die der Fischerei, der Fischer in der Nordsee verletzt werden. Dies gilt umso mehr, wenn andere

(Axel Bernstein)

Wege zur Verfügung stehen, um dasselbe Ziel zu erreichen.

Es ist das Markenzeichen von Greenpeace - das wissen wir -, nicht lange in Gremien zu diskutieren, sondern mit Aktionen pressewirksam Aufmerksamkeit zu erzeugen. Während sich in der Vergangenheit die Aktionen von Greenpeace gegen Atomtests, Kohlekraftwerke oder den Import von Mahagoni-Holz richteten, prangert Greenpeace nun vermutete Untätigkeit der Bundesregierung gegenüber Schäden durch die Schleppnetzfischerei oder durch Saugbagger an. Ob dies wirklich der Fall ist und ob das Versenken von Felsblöcken ein geeignetes Mittel in diesem Zusammenhang ist, werden wir intensiv diskutieren müssen, und zwar nicht nur hier im Land, sondern auch auf Bundesebene.

Die Aktion von Greenpeace hat nicht nur im Wasser für Wellen gesorgt. Offenbar besteht eine unklare Situation und eben ein Zuständigkeitswirrwarr unter den Ministerien in Berlin darüber, wer gegen die bereits mit einem Bußgeld verhängte Aktion von Greenpeace einschreiten muss. Dabei kann ich die Missstimmung bei den deutschen Fischern gut nachvollziehen, die sich eben selbst an strenge Regeln bei der Ausübung ihres Berufs halten müssen. Zwischenzeitlich haben Nordseefischer Strafanzeige gestellt. Die Fischer werfen Greenpeace vor, „in menschenverachtender Weise Fischereifahrzeuge vorsätzlich in Gefahr gebracht zu haben“. Ich bitte aber gerade sie, die Fischer, sich nicht zu eigenen Aktionen als Reaktion auf die Greenpeace-Aktivitäten hinreißen zu lassen. Nur der Staat darf gegen ungesetzliche Aktionen vorgehen; das gilt nicht nur an Land, sondern das sollte auch auf Hoher See so sein und auch so bleiben.

Nach meiner festen Überzeugung ist die Aktion von Greenpeace auch unangemessen. Ich erinnere an den später zugegebenen Messfehler bei der befürchteten Ölverschmutzung durch die außer Dienst gestellte „Brent Spar“ - übrigens: ein schwimmender Öltank und keine Förderplattform - vor einigen Jahren.

Als Vorreiter in der EU hat Deutschland im Mai 2004 31 % der ausschließlichen Wirtschaftszone, also des küstenfernen Bereichs jenseits der 12-Seemeilen-Zone, als Beitrag zum europäischen Schutzgebietsnetz im Rahmen des Programms NATURA 2000 dem Naturschutz zur Verfügung gestellt. Geschützt werden 25 Vogelarten, vor allem aus den Gruppen der Seetaucher und Meeresenten, sowie die drei Meeressäugetierarten Schweinswal, Kegelrobbe und Seehund sowie sechs wandernde Fischarten. Entscheidend für den Schutz der Arten

ist vor allem auch der Erhalt der für sie existenziellen Lebensräume Sandbänke und Riffe. Für diesen Beitrag hat Deutschland im vergangenen Jahr einen Meeresumweltpreis der Umweltstiftung WWF erhalten.

Die Bundesregierung bereitet derzeit konkrete Naturschutzgebietsverordnungen für diese FFH-Gebiete vor. Über fischereirechtliche Beschränkungen muss danach der EU-Fischereirat entscheiden. Es geht darum, die erforderlichen Maßnahmen unter Mitwirkung aller Betroffenen zu konkretisieren. Vor einer möglichen Beschränkung fischereilicher Aktivitäten sind aber noch Konsultationsverfahren und die Abstimmung mit der Europäischen Kommission und den betroffenen Mitgliedsstaaten sowie den Fischern, die in diesen Gebieten Fischerei ausüben, erforderlich.

Es kann aber schon jetzt gesagt werden, dass flächendeckende Fischereiverbote nicht erforderlich sein werden. Es muss vielmehr konkret festgelegt werden, welche Maßnahmen wo ergriffen werden. Dieser von mir aufgezeigte Weg, nicht aber Aktionen auf eigene Faust, wie von Greenpeace durchgeführt, ist richtig und muss weiterverfolgt werden.

Ich hoffe für alle Beteiligten, dass die Sache nicht weiter eskaliert, und appelliere an alle Beteiligten, den Dialog zu suchen und aufzunehmen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass sich Naturschutz und die Interessen der Fischer gegenseitig nicht ausschließen, sondern miteinander verbinden lassen. Deshalb der Appell an Greenpeace, diese Aktion umgehend einzustellen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Bernd Schröder. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Jahr, das Jahr 2008, ist das internationale Jahr der Riffe. Riffe sind außergewöhnliche Lebensräume und bieten unzähligen Arten Raum. Sie dienen der biologischen Vielfalt in hervorragender Weise. In den vergangenen Monaten haben wir in diesem Haus auch schon anlässlich der Weltkonferenz zur Biodiversität dieses Thema mehrfach angesprochen.

(Bernd Schröder)

,,Riffe - Regenwälder der Meere", heißt es in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums. In seinem Vorwort prangert der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die weltweite Zerstörung der Riffe an. Riffe gedeihen vorwiegend in den Tropen, doch auch bei uns gibt es Gebiete, die diesen Namen verdienen. Das Sylter Außenriff bietet wegen seinen dort - natürlicherweise - vorkommenden Steinfeldern einen Lebensraum für Organismen wie Weichkorallen, die auf einen harten Untergrund angewiesen sind. Das Sylter Außenriff gehört zu den Gebieten, die - mit jahrelanger Verspätung - als NATURA-2000-Gebiet gemeldet wurden. Leider blieb das bisher ohne praktische Konsequenz. Es darf dort weiter gefischt und Sand abgebaut werden.

Die Folgen für den Lebensraum sind dramatisch. Der Sand wird bis zu 2 m tief abgesaugt. Dabei werden alle Lebewesen getötet, die sich in diesem Bereich befinden. Dazu gehören auch am Boden lebende Fische. Somit wird die Nahrungsgrundlage für Fische, für Säuger - dazu zählt auch der bedrohte Schweinswal - und für etliche Vogelarten ausgedünnt.

Zusätzlich entsteht beim Abbau von Kies eine so genannte Trübungsfahne. Das sind Feinmaterialien, die aus dem Kies herausgespült werden und wieder ins Wasser gelangen. Diese legen sich auf den Fischlaich oder auch Lebewesen und nehmen ihnen den Sauerstoff. Durch das trübe Wasser wird außerdem die Nahrungssuche erschwert.

Das sind massive Eingriffe, die dem Schutzzweck des Gebietes diametral entgegenwirken und daher nicht toleriert werden dürfen. Herr Minister, ich sage in diesem Zusammenhang auch einmal: Jenseits aller rechtlichen Rahmenbedingungen, die in diesem Gebiet gelten, ist eines ganz offensichtlich: Ein NATURA-2000-Gebiet ist ein NATURA-2000-Gebiet, weil dort die Natur geschützt werden muss!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Diese fortgesetzten Eingriffe sind der eigentliche Skandal. Es ist leider bisher nicht gelungen, die Schutzgebiete wirksam zu schützen. Es ist ein Skandal, dass der Schutzstatus wegen der unklaren Zuständigkeiten offenbar nur auf dem Papier besteht. Greenpeace will hier ein Zeichen setzen und auf diesen Missstand aufmerksam machen. Dafür habe ich viel Sympathie. Offenbar hat Greenpeace hier eine Rechtslücke entdeckt, einen rechtsfreien Raum sozusagen, den die Umweltorganisation für ihre Aktion nutzt.

Mit Ärger auf der einen und einer gewissen Amüsiertheit auf der anderen Seite beobachten wir, wie die unklaren Zuständigkeiten hier nur allzu offenbar werden. Niemand weiß, wer wofür zuständig ist: Die Bergbaubehörde? Die Küstenwache? Der Umweltminister? Der Innenminister? Der Verkehrsminister oder doch der Landwirtschaftsminister?

Der Grund für diese ungewöhnliche Aktion von Greenpeace ist in einer langen Vorgeschichte und dem - aus naturschutzfachlicher Sicht - vollkommenen Versagen der zuständigen Behörde zu suchen.

Schon Ende 2007 hat die grüne Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage zum Abbau von Sand und Kies in dem Naturschutzgebiet gestellt. In der Antwort der Bundesregierung wird klar, dass hier qualifizierte Einwände gegen einen massiven Eingriff in ein FFH-Gebiet ignoriert, das Verschlechterungsverbot der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in den ausgewiesenen Schutzgebieten nicht beachtet und somit gegen europäisches Umweltrecht verstoßen wird. Zwar wurden dem Unternehmen, welches Sand und Kies im Sylter Außenriff fördert, einige wenige Auflagen gemacht, aus der Antwort der Bundesregierung geht jedoch hervor, dass diese nicht eingehalten werden. So wurde auch in Abbauausschlussgebieten, die ökologisch besonders sensibel sind, gefördert. Bisher sind trotz dieses groben Verstoßes keinerlei Maßnahmen bekannt, die die zuständige Behörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Biologie in Niedersachsen, eingeleitet hätte, damit solche Verstöße in Zukunft unterbleiben, geschweige denn eine entsprechende Sanktionierung für das Unternehmen.

Das Versagen der Behörden ist der eigentliche Skandal, nicht dass darauf mit dem Versenken der Schiffe

(Heiterkeit und Zurufe)

- der Steine! - seitens Greenpeace aufmerksam gemacht wurde. - Es gibt auch Kunstrifferzeugungsstrategien durch das Versenken von Schiffen, Herr Kollege! Das nur am Rande.

Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin. - Wir brauchen endlich einen wirksamen Schutz für die ausgewiesenen Schutzgebiete. Wir fordern

(Detlef Matthiessen)

die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Versenken von Felsblöcken vor dem Sylter Außenriff hat Greenpeace wieder einmal ein gutes Gespür für einen PR-Auftritt gehabt. Aber unabhängig davon, wie man zu dieser Aktion steht, ist es Greenpeace gelungen, auf eine seit Langem bekannte Problematik im Zusammenhang mit der Schleppnetzfischerei und dem Sand- und Kiesabbau im Schutzgebiet hinzuweisen. Angesichts dieser Tatsache, dass es sich hierbei um ein NATURA-2000-Gebiet handelt, ist es nicht in Ordnung, dass Fischtrawler mit ihren Schleppnetzen den Boden durchpflügen und schwere Saugbagger dort Sand- und Kiesabbau betreiben. Dies sind Eingriffe in geschützte Lebensräume, die nicht hinnehmbar sind, da diese Arten der wirtschaftlichen Nutzung dem Schutzziel entgegenstehen.

(Beifall beim SSW)

Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits vor vier Jahren das Gebiet als NATURA-2000-Gebiet bei der Europäischen Union angemeldet. Dass derartige Nutzungen weiterhin stattfinden, lässt einen dann doch wundern. Schließlich beinhaltet die Ausweisung ein Verschlechterungsverbot - das heißt, dass Lebensraumgebiete von negativen menschlichen Einwirkungen unbeeinträchtigt bleiben müssen. So viel zum grundsätzlichen Anliegen von Greenpeace!