Protocol of the Session on July 18, 2008

Sicherlich sind wir uns alle einig, dass die Milcherzeuger ein Recht auf faire und kostendeckende Preise haben. Ein Milchpreis von circa 27 bis 29 Cent, wie er jüngst Anlass zum Milchboykott gegeben hat, ist für die Bauern schlicht nicht auskömmlich. Die Frage ist deshalb: Wie lässt sich dieser faire und kostendeckende Preis erzielen? Die Grünen schlagen dazu heute gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor. Es entspricht in Teilen den Vorschlägen des Bundes Deutscher Milchviehhal

ter, BDM. Das hat ohne Zweifel den Vorteil, dass es sich damit um Vorschläge aus der Praxis handelt.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Nachteil ist jedoch, dass der BDM erklärtermaßen nur Vorschläge unterbreitet hat, die die Situation bis zum Jahr 2015 betreffen. Die Vorschläge stehen damit alle unter dem Vorzeichen, dass es bei einer Quotenregelung bleibt, dass es auch künftig einen Außenschutz für den Milchmarkt gibt. Genau das ist aber der Haken. Seitdem die WTO unverrückbar den Weg hin zu liberalisierten Weltmärkten beschreitet, ist auch das Ende der gegenwärtigen europäischen Milchmengenregelung vorgezeichnet.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP], Holger Astrup [SPD] und Lars Harms [SSW])

Bereits heute ist das erklärte Ziel, dass die Milchquoten zum 31. März 2015 abgeschafft werden sollen. Denn die Quotenregelung, die 1984 eingeführt wurde - aus welchen Gründen, hat Kollege Ehlers vorhin gesagt -, hat nicht die Ergebnisse gebracht, die man sich davon erhofft hat. Deshalb muss alles unterbleiben, was auch nur den Anschein einer Verlängerung des EU-Quotensystems erwecken könnte.

Unsere Milchbauern brauchen das verbindliche Bekenntnis, dass die Milchquoten wie vereinbart 2015 auslaufen und dass dieser Ausstieg durch ein verlässliches Gesamtkonzept begleitet wird.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP], Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW])

Wie kommt man damit aber zu dem eingangs nachgefragten fairen, kostendeckenden Preis? Dazu muss man drei Faktoren berücksichtigen.

Da ist zuerst der Markt. Künftig wird der Markt die Basis der Preisentwicklung sein - mit allen Chancen und Risiken, mit allen Preisschwankungen, aber angesichts steigender internationaler Nachfrage auch mit insgesamt erfreulichen Perspektiven, gerade bei Berücksichtigung der Strukturen in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft. Auf diesen Markt wollen und müssen unsere Landwirte vorbereitet sein. Schon heute mehr zu produzieren, fordern die einen, Überlieferungen zu stoppen, tönt es von den anderen, um für weniger Milch höhere Erlöse zu erzielen. Gegen letzteren Vorschlag könnten allerdings kartellrechtliche Überlegungen oder das lieferbereite europäische Ausland

(Ulrike Rodust)

sprechen. Die EU jedenfalls schlägt vor, in einem sogenannten Gleitflug zum Quotenausstieg die Milchquote in den kommenden sieben Jahren leicht zu erhöhen, jeweils um zwei beziehungsweise einen Cent pro Jahr.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 0,5 hatte ich vorgeschlagen!)

Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die Milchbauern bereits heute Millionen Euro an Quotenpreisen bezahlt haben und jeglicher weiterer Zukauf von Milchquote weitere Bauerngelder binden würde, die sonst innerbetrieblich investiert werden könnten.

(Beifall bei der FDP)

Auch eine Erhöhung des Umrechnungsfaktors kann sich letztlich negativ auf das Investitionskapital auswirken - Kapital, das ein Betrieb besser für die Vorbereitung auf den Markt einsetzen könnte.

Zweitens werden wir ein Augenmerk auf die Molkereistrukturen zu richten haben. Gerade unsere genossenschaftlichen Molkereien tragen hier eine große Verantwortung, wenn es darum geht, mehr Augenhöhe zwischen Milchwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel einzufordern. Ich teile allerdings nicht die Auffassung der CDU, dass nur Fusionen das eigentliche Mittel sind. Ich glaube auch, die Molkereien und Meiereien müssen sich entsprechend ausrichten und beispielsweise auch Nischenmärkte suchen und erschließen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Hildebrand, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

- Ja, komme zum Schluss.

Drittens brauchen wir politische Rahmenbedingungen, die den Berufstand sinnvoll nach dem Ende der Milchquotenregelung absichern, damit meine ich Hygiene-, Tierschutz-, Umwelt- und Sozialstandards, die endlich auch Bestandteil der WTO-Verhandlungen werden müssen.

Herr Kollege Hildebrand, Ihre Redezeit ist vorbei!

Am 29. dieses Monats findet der Milchgipfel in Berlin statt. Ich hoffe, dass es nicht bei Unverbindlichkeiten bleibt, sondern Bauern -

(Beifall bei der FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in der letzten Tagung des Landtags haben wir über die Situation der Milchbauern debattiert. Nun liegt uns ein Antrag der Grünen vor, der dort herumdoktort, wo das Übel der Milchwirtschaft beginnt. Das ist nicht als Kritik am Antrag der Grünen zu verstehen, es macht aber deutlich, dass unser Gestaltungsspielraum durch EU-Vorgaben sehr begrenzt ist. Das grundlegende Problem der europäischen Milchwirtschaft liegt darin, dass der Milchmarkt nicht den Kräften der Marktwirtschaft ausgesetzt ist. Dies ist gerade das generelle Übel der europäischen Landwirtschaftspolitik. Der Milchmarkt hat bei uns keine Chance, sich selbst zu regulieren. Die Diktatur durch Subventionen, Erstattungen, Interventions- und Beihilfemaßnahmen und ein Quotensystem schnüren das Korsett, in dem sich die Landwirtschaft und die Milchbauern befinden.

Dadurch haben wir eine Förderpolitik, die sich nicht am Markt orientiert, sondern dafür sorgt, dass die Preise künstlich in den Keller oder in den Himmel getrieben werden. Das hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun, aber auf der anderen Seite sollen unsere Bauern für den Markt produzieren. Das führt dazu, dass hier zwei grundlegend verschiedene Wirtschaftssysteme aufeinanderprallen, und das kann nicht funktionieren.

Derzeit erleben wir eine Überproduktion von Milch, die die Preise in den Keller getrieben hat. Dann kann man dem nur zustimmen, dass die von der Europäischen Union beschlossene Quotenregelung von 2 % marktunwirksam der nationalen Landesreserve zugeführt und nicht zur Saldierung herangezogen wird. Mit der Aussetzung der Saldierung wird im Gegenzug die volle Superabgabe ab dem ersten Kilogramm Überlieferung zu verlangen, ist ein Schritt, im bestehenden Quotensystem einen Weg zu finden, um den Milchpreis wieder zu erhöhen.

(Günther Hildebrand)

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Forderungen des Antrags der Grünen sind deckungsgleich mit dem Forderungskatalog des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter. Damit haben wir zwar immer noch keinen Markt, aber wir können den Milchbauern damit vorübergehend Luft verschaffen. Das ist genau das, was ich mit „herumdoktorn am System“ meine. Wenn auf europäischer Ebene der Umrechnungsfaktor 1,03 kg pro Liter Milch angewendet wird, dann sollten wir dies auch bei uns so übernehmen, um eine EU-weit einheitliche Regelung zu schaffen. Nur so haben wir für alle Waffengleichheit - wie gesagt, immer nur unter der Prämisse, dass wir das jetzt im bestehenden System machen. Das ist keine Aussage darüber, wie wir uns das zukünftige System vorstellen. Insoweit können wir also dem Antrag der Grünen durchaus folgen.

Was die letzten zwei Spiegelstriche des Antrags angeht, steckt der Teufel im Detail. Natürlich ist eine bedarfsorientierte und flexibel am Markt ausgerichtete Milcherzeugung das Ziel, das auch wir verfolgen. Ich bezweifele aber, dass wir das hinbekommen, wenn wir weiterhin die Milchmengenregelung hierfür zugrunde legen.

Gute Umwelt- und Qualitätsstandards zu gewährleisten, ist in aller Interesse. Deshalb müssen wir diese über entsprechende Agrarumweltmaßnahmen finanzieren. Damit erreichen wir, dass auch die Landwirte existieren können, die eben nicht auf großen ebenen Flächen produzieren. Subventionen und Erstattung sind das süße Gift, das über einen langen Zeitraum gewirkt hat. Das von heute auf morgen umzustellen, wird nicht möglich sein. Daher müssen Wege gefunden werden, wie das Subventions- und Quotensystem umgekrempelt und wie die Landwirtschaft langsam von diesem Gift befreit werden kann. Anders wird die gesamte europäische Agrarwirtschaft sonst nicht auf die Beine kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Christian von Boetticher, das Wort. - Etwas kürzer, weil Ihnen offenbar der Kollege Hildebrand eben schon ein Zitat weggenommen hat.

(Günther Hildebrand [FDP]: Es gibt zu viele davon!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, Herr Matthiessen, dass der alte Spruch „Milch macht müde Männer munter“ zumindest bei Ihnen Wirkung zeigt. Die agrarpolitischen Anträge der Grünen waren sonst nicht immer so üppig. Diesmal haben Sie sich zwar darauf beschränkt, die BDM-Forderungen abzuschreiben, aber immerhin sind Sie einmal wieder mit einem grünen Antrag in der Agrarpolitik dabei, und das freut mich.

Eine Sache freut mich auch: dass Sie gesagt haben, es geht darum, unsere Milchbäuerinnen und -bauern zu unterstützen. In der Tat, darum geht es, und zwar um die Frage, wie wir das am besten machen. Unsere Milchbauern stellen sich im Augenblick darauf ein, dass sie 2015 stärker in einen Markt entlassen werden und dass die Milchquote dann nicht mehr da ist. Das ist jedenfalls der ganz große Anteil. Ein bisschen erstaunt mich dann ein solcher Antrag doch, obwohl ich ihn schon nach den letzten Äußerungen ahnen konnte. Es ist die Agrarreform von 2003, die gerade in Deutschland maßgeblich von der eben zitierten Frau Künast geprägt worden ist, mit Kombi-Flex-Gleit, mit erhöhter Modulation, mit Umverteilung von 20 Millionen Euro Bauerngeld aus Schleswig-Holstein in andere Bundesländer

(Konrad Nabel [SPD]: Bauerngeld?)

- das kommt doch jetzt! -, mit den ausdrücklichen Zielen: Abbau von Subventionen, mehr Markt, Öffnung der Weltmärkte für die Ärmsten der Armen. Das waren alles mal Ziele der Grünen, unterstützt vom grünen Umweltminister Müller, der hier noch 2005 gesagt hat, die Milchquote muss eigentlich abgeschafft werden.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, FDP und SSW)

Das ist nahtlos Ihre Politik gewesen. Man muss sagen, hier haben wir alle eine Menge mitgemacht, hier ist eine Menge Bewegung erfolgt. Und auch ein Claus Ehlers sagt heute ganz klar: Wir bekennen uns zum Markt, daran geht kein Weg vorbei.

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD], Ulrike Rodust [SPD] und Lars Harms [SSW])

Es erstaunt eben schon, wenn die Grünen auf der Bundesebene diese Signale gesetzt und diesen Zug langfristig in sieben Jahren auf den Weg gebracht haben und Sie heute plötzlich erklären, für einen

(Lars Harms)

Bereich, dem es in der Tat in diesem halben Jahr schlecht ging: Jetzt ist die ganze Welt anders und jetzt heißt es: „Vorwärts, Kameraden, es geht zurück“, und all das, was wir über viele Jahre erzählt haben, gilt jetzt nicht mehr.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Das erinnert mich ein bisschen an die Biomasse. Da hat Frau Künast noch gesagt: Liebe Landwirte, geht alle in die Produktion, dann werdet ihr die Scheichs der Zukunft sein. Vor Ort sitzen dann die Grünen und sagen: Oh, Monokultur, bloß keine BiomasseAnlagen! Man muss irgendwann einmal wissen, wohin man will, und das Ziel muss man dann hartnäckig verfolgen. Aber heute hü und morgen hott geht auch in der Agrarpolitik nicht.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Die Kommission lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Health Check auch nutzen will, um eine Lösung in der Milchquote auf den Weg zu bringen. Sie kündigt an, dass dieses System über 2015 hinaus keinen Bestand hat. Und wir nehmen auch zur Kenntnis, dass es in der Doha-Runde in der WTO künftig eben nicht um die Aufrechterhaltung von Außengrenzen, sondern logischerweise um den Abbau gehen wird. Darum überlegt sich die Kommission heute, wie sie es schafft, dass es, wenn das 2015 alles kommt, nicht zu Strukturbrüchen kommt.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Wir versuchen, diese Entwicklung bis 2015 so weiterlaufen zu lassen wie heute. Herr Harms hat das gesagt. Wir versuchen es, innerhalb der Quote so weiterlaufen zu lassen wie heute. Wir versuchen, innerhalb der Quote zu arbeiten und heute möglichst eine Preisgarantie zu entwickeln. Das führt dazu, dass für alle 2015 der Strukturbruch gewaltig ist, und ein Großteil derer, denen Sie heute meinen etwas Gutes zu tun, wird 2015 über die Klinge springen.