Protocol of the Session on July 18, 2008

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Wir versuchen, diese Entwicklung bis 2015 so weiterlaufen zu lassen wie heute. Herr Harms hat das gesagt. Wir versuchen es, innerhalb der Quote so weiterlaufen zu lassen wie heute. Wir versuchen, innerhalb der Quote zu arbeiten und heute möglichst eine Preisgarantie zu entwickeln. Das führt dazu, dass für alle 2015 der Strukturbruch gewaltig ist, und ein Großteil derer, denen Sie heute meinen etwas Gutes zu tun, wird 2015 über die Klinge springen.

Oder es gibt die Möglichkeit, das zur Kenntnis zu nehmen und heute mit Mechanismen zu arbeiten, die dazu führen, dass wir möglichst 2015 viele Betriebe haben, die dann auch unter den neuen Rahmenbedingungen immer noch wirtschaften können.

Eines, Herr Matthiessen, wird nicht gehen. Sie können nicht in Berlin für die Öffnung der Märkte und für eine Liberalisierung auch der Agrarmärkte auf der Welt eintreten und gleichzeitig hier das Modell des BDM übernehmen, von dem wir alle wissen, dass es nur funktioniert, wenn wir dauerhaft Au

ßenhandelsschutz bei der Milch aufrechterhalten. Beides passt nicht zueinander.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Das heißt, die flexible Mengensteuerung, wie Sie es wollen, ist überhaupt nicht definiert. Was ist das? Aber wir wissen alle, dass so etwas nur funktioniert, wenn man Außengrenzschutz hat, und der zeichnet sich eben in der Form, wie wir ihn früher hatten, nicht ab.

Konkret sind die 2 % Milchquotenerhöhung bereits lange von der Europäischen Union beschlossen, und nun gibt es zwei Möglichkeiten. Wir halten sie unseren Bauern zurück. Dann werden sie, wenn sie mehr produzieren wollen, Milchquote kaufen müssen. Das heißt, es gibt eine erhöhte Nachfrage. Das heißt, die Milchquotenkosten steigen bei uns wieder. Alle anderen europäischen Länder verteilen ihre Milchquote. Das heißt, die Ausgangssituation für unsere Milchbauern wird langfristig im Hinblick auf 2015 schlechter. Wir bekommen Nachteile im Verhältnis zu den Bauern, an die es ausgegeben wird. Die Quote wird in den anderen Ländern ausgeschüttet. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass die deutschen Milchbauern, die 40 % ihrer Milch exportieren, in Europa sicherlich zu den Leistungsstarken zählen, und es bringt überhaupt nichts, wenn wir sie jetzt benachteiligen.

Darum noch einmal: Man muss systemkonsistent sein. Am Weg in den Markt, sage ich ganz deutlich, wird nach der Ankündigung der Kommission nichts mehr vorbeiführen. Ich möchte, dass wir auch nach 2015 noch fitte Bauern haben, die sich dann einem stärkeren Wettbewerb auch wirklich stellen können.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mich erstaunen die Beiträge schon sehr. Wir haben hier seitens der grünen Fraktion sehr konkrete Vorschläge unterbreitet, wie in dem jetzt mengengeregelten Markt Sofortmaßnahmen den Milchbauern helfen können.

(Minister Dr. Christian von Boetticher: Süßes Gift!)

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Sie haben eine Debatte darüber entfacht: Wie könnte es nach 2015 vielleicht weitergehen? Ich habe dezidiert einen anderen Standpunkt als den reinen Markt. Ich habe auch auf das Problem aufmerksam gemacht: Was ist mit den Bergbauern, was mit den Bauern an moorigen reinen Grünlandstandorten, die dann in einem freien Markt schlicht verdrängt werden würden,

(Zuruf von der FDP: Auf den Inseln!)

auf den Inseln und so weiter und so fort? Wir müssen uns also schon irgendwann einmal - aber wir kommen ja gleich zum Health Check - die Frage stellen: Was sind die Aufgaben nach 2015? Im Moment aber stellen wir sehr konkrete Forderungen, auf die Sie tunlichst gar nicht erst eingegangen sind, sondern die Zeit nach 2015 diskutiert haben. Herr Minister, Sie stellen sich hier hin als der große Marktwirtschaftler. Ich kann feststellen, dass Sie für unsere Milchbauern als eine der allerersten Maßnahmen in Ihrem neuen Amt die Flächenprämie für Grünlandbetriebe um 15 % gekürzt haben, die wir als Grüne im Bundesrat zugunsten unserer Milch produzierenden Landwirte geschaffen und durchgesetzt haben.

(Minister Dr. Christian von Boetticher: Zula- sten aller anderen!)

Das tun Sie im Interesse unserer Milchbauern.

Meine Damen und Herren, wenn Sie denn so stolz darauf sind, dass jetzt die Quoten auch noch erhöht werden: Das Versprechen war ein Gleitflug. Das heißt, wir kommen langsam in eine neue Situation hinein. Was jetzt mit auf Ihren Druck hin passiert statt 0,5 %-ige Erhöhung auf der europäischen Ebene 2 % -, das ist ein Sturzflug mit Bruchlandung für etliche hart arbeitende Milchbauern, die sich auf ein anderes System verlassen haben, nämlich auf einen tatsächlichen Gleitflug, wo die Mengen auch so eingesetzt werden, dass sie durch eine gewisse Verknappung mit der Preiswirksamkeit marktwirksam bleiben. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass im Vertrauen auf dieses System ja sehr viele Bauern Quoten gekauft und gepachtet haben und sich auf der Grundlage dieses Systems auch Kosten für ihren Betrieb aufgeladen haben und sich nun völlig verlassen fühlen, weil faktisch durch diese großen Mengenerhöhungen das Quotensystem aufgegeben wurde. Das nenne ich Betrug an diesen Bauern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/2165 dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2137

Ich erteile dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Agrarpolitik steht jetzt wieder im Fokus, nämlich mit der Debatte: Was passiert in dem so genannten Health Check, Gesundheitscheck? Sie wissen, wir haben eine Agrarreform aus dem Jahr 2003 in Deutschland umgesetzt. Im Augenblick steht zur Debatte der Europäischen Union, was man als Halbzeitbilanz macht, dass man noch einmal herangeht und diese Reform einer Überprüfung unterzieht.

Ein Gesundheitscheck - wenn man das übersetzen wollte - ist eine Phase, in der man versucht, die auffälligen Krankheiten eines Systems zu analysieren und zu beseitigen. Ein Gesundheitscheck soll keine Geschlechtsumwandlung sein, sondern sich auf Dinge begrenzen, die man vielleicht schon einmal auf den Weg gebracht hat. Das heißt, für uns besteht der Gesundheitscheck auch darin, Verwaltungsaufwand, der sich als unnötig oder übertrieben erweist, zu überprüfen und zu beseitigen.

Die Agrarreform von 2003 - darüber haben wir heute auch schon gesprochen - hat zur Entkopplung der Prämienzahlung von der Produktion geführt, also zu mehr Markt. Das war der Weg, auf den man sich auch in Deutschland geeinigt hat. Ab 2003 sollen Prämien für Ackerland und Produktion die gleiche Höhe erhalten. Wir befinden uns darum natürlich in einem Gleitflug. Ich sagte eben: KombiFlex-Gleit war das Stichwort in der Bundesrepublik Deutschland.

(Detlef Matthiessen)

Nun ist es wichtig, lieber Herr Matthiessen - und da treffen wir uns dann wieder -, dass man verlässlich bleibt, dass man den Landwirten, die eine Reform, eine schwere Reform in Deutschland auch durch Frau Künast hinter sich gebracht haben, verlässliche Eckpfeiler bietet. Da bin ich dann ganz bei Ihnen.

Wir haben feststellen müssen, dass es eine Krise gibt, vor allen Dingen in der Veredlung. Das hat insbesondere den Schweinebereich mit stark gestiegenen Futterpreisen und auch stark gestiegenen Energiepreisen betroffen. Es gibt im Augenblick einen Durchhänger bei der Milch; über den haben wir eben gesprochen.

Für uns ist wichtig, dass zunächst einmal eine Sache wirkt. Das sind die Direktzahlungen. Es hat eine lange Zeit gegeben, in der alle Bauern in Schleswig-Holstein vor allen Dingen von den Direktzahlungen gelebt haben. Das führte dazu, dass der Preis für den Verbraucher so niedrig gehalten werden konnte, wie er ist. Am Ende hat damit nicht Landwirtschaft funktioniert - die haben wir lediglich am Leben erhalten -, sondern wir haben Verbraucher subventioniert, die nämlich nur deswegen bei uns so günstig einkaufen können, weil am Ende der Bauer sein Geld nicht über den Preis, sondern vor allen Dingen über die Brüsseler Politik bekommen hat.

Für uns ist wichtig, dass wir diese Schritte der Liberalisierung sehen, die auf uns zukommen. Voraussichtlich wird die Doha-Runde der WTO für weitere Liberalisierung sorgen und wir werden unsere Märkte für die armen und die Schwellenländer öffnen. Für uns ist aber auch wichtig, dass Produktionen mit Nachhaltigkeit, mit hohen Umweltund Sozialstandards belegt sind. Das ist auch der Grund, weshalb wir der Meinung sind, dass eine Zahlung an die Landwirtschaft nicht nur Sinn bis 2013 hat, sondern auch darüber hinaus, wo wir genau diese Umwelt- und Sozialstandards, die hohen Hygienestandards, die wir hier in der Produktion verlangen, natürlich auch weiterhin verlangen wollen.

Nun kommt die Kommission in diesem Health Check auf die Idee, wieder Direktzahlungsgeld von der Landwirtschaft wegzunehmen und in die Modulation zu geben. Was heißt das? - Das heißt, Geld, das im Augenblick direkt über unsere Verwaltung an die Bauern gezahlt wird, wird weggenommen und dem Staat - uns hier in SchleswigHolstein - wieder hingehalten, und uns wird gesagt: Dieses Geld könnt ihr wieder akquirieren, aber nur, wenn ihr dieselbe Summe aus dem Landeshaushalt

oder aus anderen Haushalten noch einmal oben drauflegt. - Es kann sich jeder nach der Debatte, die wir hier über den Doppelhaushalt haben werden, vorstellen, dass auch Schleswig-Holstein nicht in der Lage ist, mal eben 30 Millionen € irgendwoher zu zaubern. Das heißt, das System, aus der ersten Säule in die zweite Säule umzuschichten, mag ja den einen oder anderen begeistern, aber er muss dann sagen, woher die 30 Millionen € Kofinanzierung für diese Gelder kommen sollen.

Im Übrigen, Herr Matthiessen, bin ich nun wirklich sehr gespannt darauf - wo Sie doch über so viel Verlässlichkeit in der Landwirtschaft gesprochen haben -, wie verlässlich Sie denn beim Health Check sind. Denn das Geld, die 30 Millionen €, die für die Modulation angekündigt sind, sind echtes Bauerngeld, sind Geld, das im Augenblick beim Bauern landet, Geld, das im Augenblick den Betrieben nutzt, weswegen sie überhaupt noch vernünftig wirtschaften können. Wenn Sie das dort abziehen, müssen Sie auch sagen, dass das Geld, das dort abgezogen wurde, auch in Ihrer Zeit eben nicht immer in die Landwirtschaft geflossen ist, sondern auch in die Dorfentwicklung, in andere Systeme, von denen die Landwirtschaft gar nichts hat.

Insofern lautet unser Motto, verlässlich zu bleiben und die Dinge in der Agrarreform, bei denen etwas falsch gelaufen ist, zu überarbeiten oder zu beseitigen. Ansonsten gilt aber, dass diese alte Strukturreform von 2003 Bestand haben muss, damit die Landwirtschaft bis 2013 verlässliche Rahmenbedingungen hat. Nach 2013 - das wissen wir alle - wird es weniger Geld geben. Da wird sich die Landwirtschaft auf noch mehr Markt einstellen müssen. Unsere Landwirte sind bereit, diesen Weg zu gehen, aber sie brauchen die von ihnen geforderte Verlässlichkeit in der Politik.

(Beifall)

Ich danke für den Bericht und eröffne die Aussprache. - Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem GAP-Gesundheitscheck überprüft die Europäische Kommission die 2003/2004 beschlossene grundlegende Reform der europäischen Agrarpolitik auf ihre korrekte Umsetzung.

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Es ist gut zu wissen, dass dabei auch unsere Landesregierung im Wesentlichen nur solche Maßnamen unterstützt, die auf mehr Marktorientierung und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit für unsere Landwirtschaft zielen. Dagegen gibt es ein klares Nein zu allen Eingriffen, die vom europaweit abgestimmten Kurs der Planungssicherheit abweichen. Das ist wichtig, weil unsere Landwirte und der ländliche Raum mit kleinen und mittelständischen Betrieben auf diese Rahmenbedingungen als verlässlich und sicher vertrauen können müssen. Sie brauchen Planungssicherheit, damit sie Eigenkapital bilden können, um investieren zu können, um konkurrenzfähig zu sein - im laufenden Betrieb, aber auch in künftigen Generationen.

Im Interesse einer wettbewerbsorientierten Landwirtschaft und zur zukunftsfähigen Ausrichtung unserer Agrar- und Strukturpolitik darf es deshalb keine Anhebung der obligatorischen Modulation geben, genauso wenig wie die Einführung einer größenabhängigen progressiven Modulation.

(Beifall bei der FDP)

Die Beihilfen für die Landwirte müssen auch wirklich bei den Landwirten ankommen und dürfen nicht für andere Projekte in der zweiten Säule verwendet werden.

Des Weiteren darf kein Zweifel daran entstehen, dass die Milchquotenregelung am Ende ihrer Laufzeit 2015 endgültig abgeschafft wird. Angesichts veränderter agrarpolitischer Rahmenbedingungen hat die Quotenregelung bereits heute in wesentlichen Teilen ihre Berechtigung verloren.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend noch ein Wort zu Entkopplung und Cross Compliance. Ohne Frage verdient es Zustimmung, wenn im Zuge des Gesundheitsheitschecks künftig den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, Bioenergieerzeugung, Wasserbewirtschaftung und der Erhaltung der Biodiversität stärker Rechnung getragen werden soll. Gleichwohl müssen wir berücksichtigen, dass wir in Deutschland und in Schleswig-Holstein den Weg weg von den betriebsindividuellen Prämien hin zu einheitlichen Flächenprämien schon sehr konsequent gegangen sind. Neuerliche Zugeständnisse an die europäischen Partner durch die Kommission wären daher kontraproduktiv. Wir brauchen nicht immer wieder mehr Regelungen und noch mehr Ausnahmen und in der Folge noch mehr Bürokratie bei der Umsetzung. Das Gegenteil ist richtig. Wir brauchen bei den Cross ComplianceRegelungen keine zusätzlichen Verpflichtungen.

Mit Standards sind wir gern einverstanden, mit extra Prüfkriterien nicht.

(Beifall bei der FDP)