Was wir Sozialdemokraten für besonders wichtig halten - deutlich mehr als in der Vergangenheit -: Den Eltern wird ein Wahlrecht gegeben. Dies ist besonders wichtig für uns, weil wir natürlich wollen, dass sich Eltern in den Schulen auch engagieren. Das tun sie natürlich weniger oder überhaupt nicht, wenn es eine Schulart gibt, die ihren Wunschvorstellungen nicht entspricht, siehe die Probleme, die wir an den Hauptschulen bezüglich der Aktivitäten der Eltern hatten.
Es sind zum beginnenden Schuljahr 35 Regionalschulen genehmigt worden, die Kollegin hat es schon gesagt, mit 2100 Schülern, die diese Schulen besuchen werden. Ich gehe davon aus, dass auch im nächsten Schuljahr etwa die gleiche Größenordnung vorhanden ist. Sechs davon werden erst einmal befristet installiert. Im vergangenen Schuljahr, also ein Jahr vorher, wurden sieben Gemeinschafts
schulen eingerichtet, zum Schuljahr 2008/09 weitere 48. Das sind schon mehr als 5.100 Kinder, die die unteren Klassen der Gemeinschaftsschulen besuchen. Ich selbst habe Kenntnis von 38 Beschlüssen für eine Antragsstellung zum Schuljahr 2009/10. Dann wären wir insgesamt bei 93 Gemeinschaftsschulen.
25 Gesamtschulen sollen den Weg in die Gemeinschaftsschule gehen. Das haben wir in der Großen Koalition so beschlossen. Von der 26., der KurtTucholsky-Schule in Flensburg, wissen wir nicht, wie sie sich entscheiden wird. Das wären dann schon 118 Schulen. Das sind mehr, als wir Gymnasien haben, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir schon 2010 eine Situation haben, wo die Gemeinschaftsschule die stärkste Schulart in Schleswig-Holstein sein wird.
Das ist eine Entwicklung, die wir als SPD ausgesprochen begrüßen. Diese Entwicklung wird vor Ort breit getragen, über alle Parteigrenzen hinweg. Das muss hier auch deutlich gesagt werden. Das ist auch ein deutlicher Hinweis darauf, dass unser Schulgesetz, das wir vor 18 Monaten verabschiedet haben, auch richtig angenommen wird. Wir wissen auch, dass die meisten Bundesländer mit großer Aufmerksamkeit nach Schleswig-Holstein schauen. Für uns jedenfalls in der SPD ist dies auch ein Grund, keine neuerlichen Änderungen an der Architektur unseres Schulgesetzes vornehmen zu wollen. Ich beantrage deshalb, den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner und erteile für die Fraktion der FDP dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist vorsichtig ausgedrückt ein wenig seltsam, wenn die Grünen die Landesregierung in einem Entschließungsantrag dazu auffordern, das Schulgesetz zu ändern, statt selber einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen.
Und, meine Damen und Herren, noch eigenartiger ist es, wenn die geforderten Änderungen weder dem politischen Willen der beiden Regierungsparteien noch - das erstaunt mich am meisten - der bildungspolitischen Programmatik der Grünen entsprechen. Ich habe gestern Abend einmal auf Ihrer Internetseite nachgeschaut, und da steht etwas zum Thema „Die Schule der Zukunft - Vorschlag für ein neues Schulsystem“, und dabei geht es auch um die Abschaffung der Gymnasien. Das ist mit Ihrem Antrag wohl nicht ganz so kompatibel. Oder soll es vielleicht durch die Hintertür passieren?
- Kollege Hentschel, vielleicht haben Sie dreifach schlau gedacht, aber irgendwie sind Sie doch ein bisschen daneben gelandet.
Von daher sehen wir den vorliegenden Antrag als eine Gelegenheit an, vor der Sommerpause noch einmal im Landtag über das hier schon so oft diskutierte Thema der Entwicklung der schleswig-holsteinischen Schullandschaft zu sprechen. In der Sache halten wir den Antrag für wenig gewichtig, sodass man auf die einzelnen Punkte nicht im Detail eingehen muss.
Meine Damen und Herren, das Bildungsministerium hat Anfang Juli einen Umdruck vorgelegt, der die Anmeldungszahlen für die einzelnen Schularten nennt. Danach sind an den neuen Regionalschulen landesweit rund 1.700 Schüler angemeldet worden. An den Gemeinschaftsschulen hingegen sind es rund 4.700 Schüler. Diese Zahlen sprechen in der Tat für sich.
Der im Schulgesetz von der Union unternommene Versuch, die Regionalschule als Gegenmodell zu dem von den Sozialdemokraten bekanntlich favorisierten Konzept der Gemeinschaftsschule zu etablieren, ist weitgehend gescheitert.
Es ist nämlich genau das eingetreten, was ich Ihnen - das hören Sie natürlich nicht gern, Kollege Wadephul - vor rund eineinhalb Jahren in beiden Lesungen zum Schulgesetz vorausgesagt habe. Ihr Modell erscheint nämlich den Eltern und den Kommunalpolitikern - oft auch Ihren eigenen Kommunalpolitikern - in den Gremien vieler Schulträger viel we
niger attraktiv als das konkurrierende Konzept der Gemeinschaftsschule. Dies resultiert aus den unterschiedlichsten Gründen, die wir hier bereits angesprochen haben.
Das ist besonders an jenen Orten deutlich geworden, wo die beiden alternativen neuen Modelle, die das Schulgesetz ermöglicht, nebeneinander ausprobiert worden sind. So verzeichnet beispielsweise die in Bad Oldesloe ursprünglich geplante Regionalschule gerade einmal zehn Anmeldungen für das nächste Schuljahr. Daher ist sie nicht zustande gekommen. Diejenigen, die sich ohnehin immer für das Modell der Gemeinschaftsschule stark gemacht haben - Herr Stegner freut sich jetzt sehr -, die darin also die bildungspolitische Zukunftsverheißung per se gesehen haben, werden die Entwicklung, die sich jetzt ganz objektiv abzeichnet, auf die Anziehungskraft ihres Schulmodells zurückführen.
Vieles spricht allerdings dafür - jetzt möchte ich etwas Wasser in diesen sauren sozialdemokratischen Wein gießen -, dass sich das Wahlverhalten der Eltern eher nach dem Grundsatz der Wahl des kleineren Übels gerichtet hat.
Dafür gibt es eine Reihe von Indizien. Nehmen Sie beispielsweise die NDR-Umfrage „Schleswig-Holstein Trend“ von einer Woche vor der Kommunalwahl, in der doch 69 % der Bürger die Schulpolitik der Großen Koalition als schlecht oder sogar sehr schlecht und nur 24 % als gut bewertet haben. Ein weiterer Hinweis: Interessant ist doch das Elternwahlverhalten dort, wo sich die Schulträger in der Abwägung zwischen Gemeinschaftsschule und Regionalschule nicht für ein Sowohl-als-auch, sondern für ein Entweder-oder entschieden haben.
Ich nenne als Beispiel die Stadt Husum. Im nächsten Schuljahr gehen zwei neue Gemeinschaftsschulen an den Start. Die eine hat ausweislich der Pressemitteilung des Bildungsministeriums 64 Anmeldungen. Sie erreicht also ganz knapp die erforderliche Mindestgröße. Die andere neue Gemeinschaftsschule hat 168 Anmeldungen. Die erste der beiden Schulen war bisher eine Hauptschule, die zweite eine Realschule.
In Lübeck hat die alte CDU-Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft für das nächste Schuljahr eine neue Regionalschule und eine neue Gemeinschaftsschule an den Start gehen lassen. Die Regionalschule hat erstaunlicherweise deutlich mehr
Anmeldungen, nämlich 106. Die neue Gemeinschaftsschule hat deutlich weniger Anmeldungen, nämlich nur 75. Die neue Regionalschule in Lübeck ist die Holstentor-Schule, also die bisher einzige Ganztagsrealschule mit gutem Ansehen im ganzen Land. Und in der neuen Gemeinschaftsschule steckt als Vorgängerschule neben einer Realschule auch eine Hauptschule drin.
Daraus lässt sich doch eine ziemlich eindeutige Schlussfolgerung ziehen: Offensichtlich haben sich die Eltern bei ihrer Entscheidung nicht zuletzt daran orientiert, aus welcher alten Schulart das neue Schulangebot hervorgeht.
Meine Damen und Herren, die von den Schulsystemveränderern aller Schattierungen so verschmähte Schulart Realschule übt hinsichtlich ihrer Attraktivität eine ganz bemerkenswerte Ausstrahlung auf die neuen Schulen aus. Ich denke, wenn man sich die Zahlen im Lande anschaut, darf man dieses Faktum nicht ignorieren. Das bestärkt uns in unserer Auffassung, dass in einem künftigen Schulsystem neben den Gymnasien und neben den Gemeinschaftsschulen die Realschule jedenfalls als eine Angebotsschule wieder eine Chance erhalten sollte. Wir sind davon überzeugt, dass die Attraktivität, die diese Schulart entfalten wird, wesentlich über derjenigen der Regionalschule liegen wird.
Eines ist auch klar: Die Ankündigung der Großen Koalition, mit dem Anfang 2007 verabschiedeten Schulgesetz in Schleswig-Holstein dauerhaft lebensfähige Schulstrukturen zu schaffen, zerplatzt an der Realität im Lande wie eine Seifenblase. Die Schulart Regionalschule wird in weiten Teilen des Landes überhaupt gar nicht erst eingerichtet, und zwar oft mit dem Segen christdemokratischer Kommunalpolitiker.
Andernorts gerät die Regionalschule durch das Nebeneinander von Gemeinschaftsschule und Regionalschule von vornherein ins Abseits. An vielen Standorten erreichen neu geschaffene Regionalschulen und zum Teil auch neu geschaffene Gemeinschaftsschulen nur mit Mühe die vorgegebenen Mindestgrößen oder sie kommen überhaupt nur mit einer Sondergenehmigung mit Schülerzahlen unterhalb der Mindestgröße zustande. Was dies angesichts des vorausgesagten 20-prozentigen Schülerzahlenrückgangs in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren bedeutet, das kann sich jeder ganz leicht ausrechnen. Die neue Schullandschaft - der vermeintlich große Wurf der Großen
Koalition - wird tatsächlich an etlichen Schulstandorten den Härtetest der demografischen Entwicklung in den nächsten zehn Jahren nicht bestehen. Das ist so.
Die Zielsetzung der Landesregierung, durch größere Einheiten zu mehr ökonomischen Klassenbildungen zu kommen, also auch zu höheren Klassenfrequenzen, wird in zahlreichen Fällen absehbar nicht aufgehen. Das hängt mit den vielen Ausnahmen und den vielen Schulen zusammen, die nur ganz knapp über den vorgegebenen Mindestgrößen liegen. Auch dies und die damit verbundenen Probleme werden die Politik im Land noch etliche Jahre in Atem halten.
Kleine Schulen mit niedrigen Klassenfrequenzen erhöhen den Lehrerbedarf, wenn man den Schülern ein ordentliches Unterrichtsangebot geben will. Die Unterrichtsversorgung bleibt damit für viele Jahre noch ein brennendes Thema, obwohl die Große Koalition angekündigt hat, so erstaunlich hohe Zahlen zusätzlicher Stellen in den nächsten beiden Jahren im Doppelhaushalt, der vor uns liegt, einzurichten.
Fakt ist allerdings, dass von diesen angekündigten neuen Stellen herzlich wenig zur tatsächlichen Verbesserung des Unterrichtsangebots vor Ort an den Stellen ankommen wird. Allein das Auslaufen der Vorgriffsstunde kostet im nächsten Schuljahr durch den damit verbundenen Verlust an Unterrichtsstunden Stellenkapazitäten im Gegenwert von 175 Stellen. Die Rückzahlung der Vorgriffsstunde kostet im nächsten Schuljahr dann noch einmal 420 Stellen. Also, viele der neu eingerichteten Stellen werden absorbiert, ohne dass bei den Schülern eine einzige zusätzliche Stunde im Unterrichtsangebot ankommt.
Dann kommt noch die einheitliche Unterrichtsverpflichtung für die Lehrer der Gemeinschaftsund Regionalschulen dazu, die Sie als Koalition beschlossen haben und die nach Aussagen des Ministeriums in einer Antwort auf eine von mir gestellte Anfrage mit dem Gegenwert von 300 Stellen zu veranschlagen ist. Die neuen Stellen, die Sie an die Schulen bringen, werden vor Ort tatsächlich nicht zu einer Verbesserung der Unterrichtssituation führen, und die daraus resultierenden Konsequenzen werden uns noch eine ganze Zeit beschäftigen.
Jahr für Jahr erwarten die neuen Gemeinschaftsschulen eine Ausstattung auf der Basis der Kriterien, die Sie ihnen beigeordnet haben, 36 Wochen
stunden. Im Vergleich zu den 28 Wochenstunden, die die Vorgängerschularten pro Klasse hatten, ist das deutlich mehr,
sodass praktisch bei einer dreizügigen Schule pro Jahrgang eine Lehrerstelle mehr Bedarf generiert wird. Im nächsten Anmeldungsdurchgang kommen zusätzliche Schulen dazu. Es kommen Jahrgänge dazu. Das heißt, die Kurve steigt nicht so, sondern viel steiler. Diese Entwicklung werden Sie in den nächsten Jahren zu spüren bekommen, denn Sie sind für diese Entwicklung verantwortlich,