Protocol of the Session on July 17, 2008

Herr Minister, ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie den von Herrn Schulze angesprochenen Punkt Kombikraftwerke aufgegriffen hätten. Es entsteht ja sehr schnell Unruhe, wenn man sagt, dass Windkraft durchaus zur Grundlast beitragen kann. Dann sagen alle, dass das nicht geht. Es geht aber doch. Es geht mit intelligenten Steuerungen durch Computertechnik. Und diese könnten wir sogar von hier bis Indien einsetzen. Wir könnten es auch hier in unserem Land realisieren, weil es funktioniert. Im Harz wird es schließlich schon gemacht. Es ist technisch möglich, kleinere Kraftwerke so zusammenzuschalten, dass am Ende der Kette bei demjenigen, der den Strom abnimmt, ein völlig gleichmäßiger Strom herankommt. Das heißt, man könnte Windkraft, Biomasse, Wasserkraft und dort, wo es möglich ist, auch Photovoltaik einsetzen. Diese Stromquellen könnte man so zusammenschalten, dass sie einen grundlastfähigen Anteil unserer Stromversorgung darstellen würden.

In diesem Bereich steckt der wirkliche Forschungsbedarf. Im Harz gibt es bereits eine Grup

pe, die so etwas organisiert, und auch in Süddeutschland wird es schon gemacht. Auch wir in Schleswig-Holstein könnten diesen wichtigen Punkt angehen.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist natürlich, dass die gesamte Diskussion um CCS mit folgender Aussage kollidiert: Wenn wir Windkraft grundlastfähig machen wollen, dann können wir auch versuchen, Windkraft zu speichern, indem wir beispielsweise Druckluft in Kavernen speichern. Das ginge wunderbar, ist aber leider noch nicht so erforscht, wie es eigentlich nötig wäre. Auch dies wäre ein wichtiger Punkt in der Energiepolitik dieses Landes.

Für einen weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Marnette, Sie haben hier gesagt, es solle keine Denkverbote in Richtung Kernenergie geben. Da haben Sie recht. Angesichts der derzeitigen Gemengelage in der Großen Koalition würden wir weiterkommen, wenn man Denkverbote dahin gehend nicht zuließe, dass man das, was man hat, nämlich den Energiekonsens, ernst nähme. Dann müsste man darüber nachdenken, wie man einerseits für mehr Sicherheit sorgen könnte und andererseits die Kernenergie längerfristig in einen Energiemix einspeisen könnte.

Dafür gäbe es ein Mittel; ich nehme an, dass Sie es kennen. Sie könnten mit Ihrem Koalitionspartner darüber diskutieren - ich habe den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Herrn Dr. Stegner, gestern so verstanden, dass er bereit wäre, darüber zu diskutieren -, die Reststrommengen der zehn ältesten Atommeiler in Deutschland auf die zehn neusten Atommeiler verteilen. Das hätte zur Konsequenz, dass Sie die absolute Menge des in Kernkraftwerken erzeugten Stromes nicht erhöhen würden. Das heißt, Sie würden sich streng am Energiekonsens orientieren. Das hätte allerdings auch zur Folge, dass selbstverständlich die zehn neueren Meiler länger am Netz blieben und damit für eine gewisse Übergangszeit Kernenergie weiterhin Bestandteil des Energiemixes wäre.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Konrad Nabel)

Frau Ministerin Trauernicht, aus diesem Grund habe ich letzte Woche im Sozialausschuss so penetrant nachgehakt. Sie müssten doch ein Interesse daran haben, dass Brunsbüttel gar nicht mehr ans Netz geht und dass die 47,46 Terawattstunden Reststrommenge auf einen neueren Atommeiler übertragen werden, beispielsweise auf Brokdorf. Darauf haben Sie gesagt, dass Sie damit leben könnten, und das sei sogar eine sinnvolle Anregung.

Vor diesem Hintergrund schlage ich Ihnen Folgendes vor: Anstatt uns die Köpfe darüber heißzureden, ob Atomenergie die Zukunftsenergie zum Klimaschutz schlechthin ist, sollten wir uns beispielsweise aufgrund dieser beiden vorliegenden Anträge ernsthaft darüber unterhalten, ob man nicht von Schleswig-Holstein aus eine Diskussion anstoßen sollte, die Reststrommenge der Kernkraftwerke, die bis 1979 ans Netz gegangen sind - das erste ist 1969, das letzte 1989 ans Netz gegangen -, komplett auf die Kernkraftwerke zu übertragen, die nach 1980 ans Netz gegangen sind. Vielleicht wäre das ein erster Schritt, mit dem beide Seiten leben könnten. Vielleicht könnte man so diese völlig dogmatische Diskussion ein wenig aufbrechen.

(Beifall bei der FDP)

Für einen weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über die Bemerkung von Konrad Nabel geärgert, der uns Zynismus vorgeworfen hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das könnte der große Tag von Herrn Stegner werden! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Heute könnte Herr Stegner Staatsmann werden!)

- Ich habe allerdings keinen Vorschlag vernommen, Herr Kubicki, den Herr Nabel alternativ gemacht hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er hat die Strom- automaten vorgeschlagen!)

Der Stromversorger kennt die Kundschaft hinter dem Zähler nicht. Er stellt fest, dass er zwar Strom geliefert, aber nicht bezahlt bekommen hat. Die Lösung kann nicht sein, dass er auf den Kosten sitzenbleibt. Schließlich ist die Stromlieferung keine so

ziale Grundaufgabe. Daseinsvorsorge, Herr Kollege Nabel, hat vielmehr etwas mit der Zurverfügungstellung von Infrastruktur zu tun. Das heißt, eine Gemeinde baut den Radweg. Sie stellt aber nicht das Fahrrad zur Verfügung.

(Beifall bei der CDU)

Sozialtarife, wie sie mit leichter Hand vom Bundesumweltminister in die Diskussion eingeführt worden sind, haben einen gesetzestechnischen Nachteil. Denn im EnWG ist Sozialpolitik als Zweck des Gesetzes nicht normiert. Ich erinnere daran, dass der Kohlepfennig erfolgreich beklagt worden ist. Es ist nämlich nicht die Aufgabe der Stromkunden, eine über Steuern zu finanzierende Aufgabe, nämlich Kohlebergbau in Deutschland, aufrechtzuerhalten.

(Werner Kalinka [CDU]: Auch richtig!)

Das ist erfolgreich beklagt worden.

Vor diesem Hintergrund haben wir sehr viele Überlegungen angestellt, und wir sind uns keines Zynismus bewusst geworden. Ich habe meiner Fraktion einen Vorschlag unterbreitet, aber ich bin natürlich auch für andere Vorschläge in diesem sensiblen Bereich offen. Ich habe diese Mutter erwähnt - das ist ja ein Fall, den es wirklich gibt - und Herr Kollege Hentschel hat auf 4.000 Fälle in einer Stadt in Schleswig-Holstein aufmerksam gemacht. Das ist also ein Bereich, den wir regeln müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind in der Regierung, nicht wir!)

Ich habe in den Antrag „Vorauskassesystem“ - auf Englisch: prepaid - und in Klammern „Münzautomat“ hineingeschrieben. Selbstverständlich gibt es modernere Varianten von Vorauskassesystemen. Meine Vorstellung ist erst einmal, dass sich der Versorger den unbekannten Kunden anschaut, und dann kann ihm ersatzweise solch ein Automat hingestellt werden. Heute sieht die Situation nämlich so aus, dass er zuerst eine Abschaltgebühr und anschließend wieder eine Aufschaltgebühr zu bezahlen hat. Beide Gebühren kann er nicht bezahlen, und dann guckt er in die Röhre. Vor diesem Hintergrund möchte ich, dass Sie Ihre Einschätzung, ob das ein zynischer Vorschlag ist, ein wenig relativieren.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

(Dr. Heiner Garg)

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Lieber Herr Kollege Matthiessen, was veranlasst Sie zu der Annahme, dass jemand, der seine Stromrechnung nicht bezahlen kann, in der Lage ist, Vorauszahlungen zu leisten?

(Johannes Callsen [CDU]: Gute Frage!)

- Sie haben recht: All diese Haushalte befinden sich in einer äußerst desolaten Situation. Das ist völlig logisch. Wir möchten aber nicht, dass diese Kunden in der Falle stecken bleiben, dass sie zunächst einmal die Abschaltgebühr zu entrichten haben, bevor sie dann die Aufschaltgebühr zahlen, damit sie seitens des Versorgers mit Strom beliefert werden. So eine Abschaltung und Aufschaltung erfordern darüber hinaus, dass Techniker nach Hause kommen, und wir möchten solchen Haushalten zumindest die Chance geben, dies zu vermeiden.

(Johannes Callsen [CDU]: Der Münzautomat muss auch installiert werden!)

- Jetzt haben Sie mich ganz rausgebracht. Jedenfalls ist es so: Er soll die Möglichkeit bekommen, dann wenigstens cash seinen Bedarf abdecken zu können. Das ist in dem Sinne, wie ich interpretiert habe, was Daseinsvorsorge ist, die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur in seinem Haus, aber nicht das Verschenken von Strom. Ansonsten gerieten wir in die Falle, dass die städtischen Sozialkassen eventuell ins Obligo gezwungen würden. Das wollte ich mit meinem Vorschlag vermeiden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Präsidentin! Diese Debatte zeigt, dass offensichtlich viele Energiepolitiker von der sozialen Realität in diesem Land keine Ahnung haben. Diese Münzautomaten gibt es längst, es gibt sie nur noch nicht überall.

Wir haben zwei Aufgaben zu lösen. Die eine hat Herr Matthiessen deutlich gemacht: Wir müssen eine Energiedienstleistung mit einem nachvollziehbaren und transparenten Preis versehen. Davon sind

wir noch weit entfernt. Die andere Lösung ist natürlich die sozialpolitische. Selbstverständlich gilt das, was Konny Nabel sagt: Eigentlich dürfte beispielsweise in einem Haushalt mit Kindern gar keine Stromabschaltung stattfinden. In meiner Heimatstadt Lübeck hat das vor zwei Jahren in über 4.500 Haushalten stattgefunden, und sie findet derzeit in etwa 1.600 Haushalten statt. Das ist die Realität. Die Stadt hat ihre liebe Mühe. Ich bin als Abgeordneter kein Einzelfall, wenn ich aus Lübeck berichte. Es hat Informationen über das ganze Land gegeben. Man kann davon ausgehen, dass landesweit einige 1.000 Haushalte täglich dieses Problem haben. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, sind Sie einfach nicht realitätstüchtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich den Vorschlag deutlich ergänzen und erläutern: Selbstverständlich muss die Stadt, wenn Stromschulden aufkommen, weil zum Beispiel ein Haushalt mit ALG-II-Einkommen oder einem ähnlich niedrigen Einkommen, - aus diesem ALG-II-Einkommen soll ja auch der Strom bezahlt werden, dessen Preis ständig steigt - nicht zurechtkommt, unter Umständen die Stromschulden begleichen. Das passiert auch. Aber es gibt Fälle, in denen, bevor überhaupt die Stadt davon Kenntnis hat, abgeschaltet ist.

Es gibt einen kleineren Teil von Menschen - diese Menschen gibt es, davor kann man die Augen nicht verschließen -, die trotz Übernahme der Altschulden Schwierigkeiten haben, mit Strom so umzugehen, wie es sinnvoll und energiesparend ist. Für diese Fälle probieren die Stadtwerke Lübeck - das sind im Augenblick einige Hundert -, diese Münzzahlautomaten zur Verfügung zu stellen, wie das in England und vielen anderen europäischen Staaten schon üblich ist. Man kann sagen, das ist nicht der Weisheit letzter Schluss der Sozialpolitik, das ist etwas vormodern. Aber solange es keinen besseren Vorschlag gibt, solange die Leute sonst vom Netz sind, einschließlich der Heizung, wenn der Zündfunke des Gases ohne Strom nicht anspringt, solange ist das immer noch die bessere Lösung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin dankbar für bessere Vorschläge, sich aber hierüber lustig zu machen, ist wirklich der Situation nicht würdig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Unruhe)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Thomas Stritzl. - Ich bitte um etwas Ruhe und darum, die etwas lauteren Fehden vielleicht draußen auszutragen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, die letzte Diskussionsrunde macht deutlich, um was es geht. Wir sind in der Politik in der Tat verpflichtet, Lösungen mit voranzutreiben, die Energie zu bezahlbaren Preisen für die Menschen sicherstellen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist das, was der Minister in seiner Eingangsbemerkung zu der Frage gesagt hat, wie sich der Preis zusammensetzt.

Erlauben Sie mir einen aktuellen Beitrag zur gestrigen Diskussion, Herr Kollege Hentschel. Ich fand es sehr gut, dass Sie gesagt haben: Holt euch doch mal Experten und lasst euch im Ausschuss beraten. Herzlich gern. Aber der Kollege Kubicki hat doch recht, wenn er fragt: Und was fangt ihr mit dem Rat an, wenn ihr euch vorher schon festgelegt habt? Genau um diese Offenheit geht es.

Das erleben wir jetzt ja auch in Kiel. Wir haben vor dem Wahlkampf in Kiel im Rathaus einvernehmlich ein Moratorium beschlossen: Innerhalb von drei Jahren sollten alle Alternativen geprüft werden, wie wir beim Ersatzstandort des GKK vorgehen, natürlich unter dem Gesichtspunkt der Ökologie. Natürlich unter dem Gesichtspunkt der Bezahlbarkeit, und natürlich unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit für die Stadt. Dann gucke ich in den Koalitionsvertrag für Kiel. Darin steht ein Satz: Kohle auf keinen Fall! Dann wird gesagt: Aber bezahlbar soll sie sein! Die SPD sorgt sich um die Arbeitsplätze, die SPD sorgt sich um die Preisstabilität, und die SPD sorgt sich natürlich auch noch um die Dividende.