Protocol of the Session on July 17, 2008

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bezüglich Münzautomaten, Smart-Messgeräten, Stromwertampeln und Abrechnungsvarianten bieten die Energieversorgungsunternehmen bereits heute jede Hilfe an. Schwachlastzeitennutzungen sind bisher leider ein Fehlangebot gewesen, auch Zweizeitentarife sind bisher kaum genutzt worden. Ein Vorauskassensystem ist sehr bedenklich und sollte noch einmal diskutiert werden.

Wenn der Begriff „sozial“ mit niedrigen Preisen gleichzusetzen ist, dann konkurriert der „Sozialpreis“ für Energie teilweise mit dem „ökologischen“ Preis. Stadtwerke bieten heute schon „ökologischen“ Strom an, der garantiert aus regenerativen Energieanlagen kommt, der den Kunden aber mit einem Preisaufschlag angeboten wird. Der Kunde kann entscheiden.

Stadtwerke bieten Strom mit Spartarif an, wenn sich der Kunde verpflichtet, mindestens ein Jahr lang Kunde dieser Stadtwerke zu bleiben. Eine Reduzierung von 0,25 Cent pro Kilowattstunde beim Spartarif führt bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 25.000 Kilowattstunden immerhin zu einer Entlastung von 62,50 € pro Jahr. Der Kunde kann entscheiden.

Wir unterstützen die Regelungen des verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes, das am 1. Januar 2009 in Kraft treten wird. Die Verpflichtung, bei Neubauten - das heißt Fertigstellung nach dem 31. Dezember 2008 - mindestens 30 % des Energiebedarfs durch regenerative Technologien zu decken, begrüßen wir.

Ferner unterstützen wir intelligente Messsysteme. Das bedeutet, dass Mieter, also die Anschlussnehmer, und nicht Vermieter den Betreiber des Zählers und den Standort auswählen können. Das führt insbesondere in Mietgebäuden mit einer großen Zahl von Mietobjekten zu einer intelligenteren und fairen Stromabrechnung, die nämlich individuell auf den effektiven Stromverbrauch ausgerichtet ist und die die Grundpauschale deutlich auf 30 % reduziert. Alles andere ist variabel entsprechend dem Verbrauch.

Meine Damen und Herren, Energiepolitik und Klimaschutz sind Zukunftsaufgaben, die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik herausfordern. Alle können durch ihr Verhalten als Energieverbraucher gleichzeitig Klimaschützer sein.

Wir als CDU-Fraktion sind uns dieser Herausforderung bewusst. Wir freuen uns auf die weitere vertie

fende Diskussion anlässlich der nächsten Landtagsdebatte, wenn die Regierung die energiepolitischen Leitlinien für Schleswig-Holstein vorstellt.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek. Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Energiepreise steigen in immer höhere Dimensionen, und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auseinander, und was besonders erschreckend ist: Es gehören immer mehr Familien mit Kindern zu den Armen. Die Menschen erwarten von uns Lösungen, und die sind wir ihnen auch schuldig.

Für die SPD ist die Erarbeitung von Leitlinien der Energiepolitik nicht nur aus Klimaschutzgründen zwingend notwendig, sondern auch eine dringende soziale Aufgabe, denn die Nebenkosten im Wohnungsbereich, aber auch die Energiekosten beim Autoverkehr sind zu einer großen Belastung gerade für Geringverdiener geworden.

Der Regierung unter Federführung des Wirtschaftsministeriums muss hier ein großer Wurf gelingen. Aber ich kann den Wirtschaftsminister beruhigen, Sie sind ja erst ein paar Tage im Amt, die SPD Schleswig-Holstein hat bereits im September letzten Jahres auf ihrem Parteitag Leitsätze für die Klima- und Energiepolitik beschlossen. Diese stellen wir dem Wirtschaftsministerium als Grundlage gern zur Verfügung, sodass auf deren Basis dort ohne große Mühe ein sehr gutes Papier erarbeitet werden kann.

(Beifall bei SPD und SSW - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Fürchterlich! - Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, um wieder für bezahlbare Energiepreise sorgen zu können, sind ein wesentlich geringerer Verbrauch und die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen notwendig. Dies können wir durch die drei E´s erreichen: Energiesparen, Steigerung der Energieeffizienz und Einsatz regenerativer Energien.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Manfred Ritzek)

Beim Energiesparen ist ein großes Potenzial auszuschöpfen, wesentlich größer, als es vom Grünbuch erfasst wird. Das neue Wohnraumförderungsgesetz unter der Federführung des Innenministers wird neue Maßstäbe setzen. Damit werden für Investoren neue Anreize gesetzt, mehr Geld in die Modernisierung von Altbauten zu investieren. Am Freitag werden wir dazu sicherlich mehr hören und diskutieren können.

Die Energieeinsparverordnung gibt bundesweit Mindestanforderungen zum Energiebedarf vor. Die Anforderung an den Energiebedarf von Neubauten ist in der neuen Fassung um 30 % verschärft worden.

Zum Energiesparen gehören auch unsere alten Forderungen, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, genauso wie der Ausbau des ÖPNV. Aber auch hier dürfen wir den Autoverkehr als Individualverkehr nicht außer Acht lassen. Gerade in diesem Bereich erwarten wir von der Automobilindustrie mehr Innovationen, um den Verbrauch und damit die Kosten zu senken. Auch die Wasserstofftechnik kann in Zukunft hier eine größere Rolle spielen.

Der Ausbau der Energieeffizienz als zweite Säule unserer Leitlinien wird ebenso zu einer Verringerung des Energieverbrauchs führen. Mit dem Klimapaket 1 wurde das Gesetz zur Kraft-WärmeKopplung novelliert. Bis 2020 soll der Anteil des Stroms, der aus KWK-Anlagen stammt, verdoppelt werden. Mit dem Gesetz haben Kommunen auch wesentlich bessere Möglichkeiten, die Wärmenetze auszubauen.

Unsere Position zu den erneuerbaren Energien ist weithin bekannt. Selbst im Grünbuch steht, dass ab 2020 in Schleswig-Holstein mehr Strom durch erneuerbare Energien erzeugt wird, als im Land verbraucht werden wird.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doppelt so viel!)

Diese Energieformen sind entgegen den gestrigen Äußerungen des Wirtschaftsministers sehr wohl grundlastfähig. Denn wir setzen uns für regenerative Kombikraftwerke ein.

Ein Kombikraftwerk ist der Verbund verschiedener kleiner, dezentraler Kraftwerke. Während bei der Stromerzeugung Wind- und Solarkraftanlagen naturgemäß wetterabhängig sind, können Wasserund Biomassekraftanlagen über zentrale Steuerungseinheiten zur Anpassung an Kapazitätsschwankungen hinzugeschaltet werden.

Der Wärmebedarf wird über Biomasse, Photovoltaik, Tiefen- und oberflächennahe Geothermie oder über Wärmeaustauscher im Abwasser gedeckt. Für die Abwassernutzung startet im Herbst ein Projekt im Kreis Pinneberg. Bedauerlicherweise sind wir bei der Nutzung der Tiefengeothermie ein absolutes Entwicklungsland. Bisher gibt es bei uns noch keine Anlage, während in Bayern gerade die modernste und leistungsstärkste Anlage Europas gebaut wird.

Ein gutes Beispiel, wie sich eine Gemeinde autark versorgen kann, ist Wildpolsried im Allgäu. Hier wird mit regenerativen Energien mehr Energie erzeugt, als verbraucht wird. Auch hier wurden die Vordenker 1999 als Spinner abgetan. Heute verdient die Gemeinde Geld mit Energie.

Meine Damen und Herren, es wurde bereits gestern mehrfach festgestellt, dass uns die erneuerbaren Energien unbegrenzt zur Verfügung stehen. Deshalb lässt sich in Zukunft damit bezahlbare Energie herstellen. Wir sind gefordert, die Rahmenbedingungen dafür bereitzustellen. Vor allem ist die Nutzung erneuerbarer Energien planbar, im Gegensatz dazu sind bei der Nutzung von Öl, Gas, Kohle oder Uran viele Unbekannte, die den Preis auf mehrere Jahrzehnte nicht kalkulierbar machen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein kurzer Hinweis zur CCS-Technik: Erstens. Der Wirkungsgrad der Kraftwerke sinkt bei der Anwendung um ca. 15 %. Zweitens. Laut dem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag werden sich die Stromkosten von Kohlekraftwerken bei der Nutzung der CCSTechnik verdoppeln.

Alleine aus diesen beiden Gründen führt für uns diese Technik in eine falsche Richtung, von den vielen anderen Problemen wie Lagerung oder, dass weiterhin fossile und damit keine nachhaltigen Rohstoffe genutzt werden, gar nicht zu reden. Die genannten Maßnahmen tragen dazu bei, dass wir von der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen wegkommen, die wir schlichtweg nicht mehr brauchen. Das wird dazu beitragen, dass die Energiekosten wieder sinken werden.

Mit den Leitlinien müssen aber noch weitere Inhalte verbunden sein, die Antworten auf die sozialverträgliche Umstrukturierung des Energiemarktes geben. Wir wollen sozial Schwache so fördern, dass gleichzeitig unsere Hausaufgaben zum Klimaschutz gemacht werden. Dazu gehören preisgünstige An

(Olaf Schulze)

gebote im ÖPNV für Kinder, Jugendliche, Familien oder Hartz-IV-Empfänger, dazu gehören besondere Angebote im ÖPNV für Pendler, Energieberatungsangebote oder die Förderung von Car-Sharing.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Kommunalisierung der Energieversorgung. Wenn kommunale Stadtwerke Strom und Wärme produzieren, dann fördern sie Arbeitsplätze, und zwar wesentlich mehr als über Großkraftwerke, und wir fördern den Wettbewerb, auch dadurch wird der Energiepreis wieder sinken - das zur Finanzierung.

Der Ausbau des Energienetzes ist ein weiterer Punkt. Dadurch lässt sich die Versorgung weiter sichern. Denn je größer das Netz, umso mehr dezentrale regenerative Kraftwerke können angeschlossen werden. Dazu gehört auch das europäische Hochspannungsgleichstromnetz, um Schwankungen bei der Stromproduktion ausgleichen zu können. Das hatten wir vorhin auch schon gehört.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können mit unseren Leitlinien garantieren, dass Energie nicht nur sauber, sondern auch bezahlbar wird. Das sind realistische Visionen, mit denen wir die Menschen überzeugen werden. Die SPD-Landtagsfraktion steht für die Energiewende: weg von den alten Technologien wie Kohle und Atom, hin zur regenerativen Zukunft. Wer heute nicht handelt, wird in Zukunft dafür mehr bezahlen. Ich freue mich auf die Diskussion, die wir inhaltlich sicherlich noch vertiefen können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Olaf Schulze. Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beide Anträge von FDP und Grünen geben mir die Gelegenheit, die zukünftige Energiepolitik sowohl aus Sicht der Produzenten als auch aus Sicht der Verbraucher zu betrachten. Die FDP fordert ein energiepolitisches Konzept und liefert auch gleich schon die Rahmenbedingungen mit, nach denen das Konzept ausgestaltet werden soll. Ob die Landesregierung und die Große Koalition das ge

nauso sehen oder ob man dort andere Schwerpunkte setzt, können wir so natürlich nicht erfahren. Deshalb kann man natürlich nur wieder die allgemeinen energiepolitischen Standpunkte austauschen, so wie es auch schon meine Vorredner gemacht haben. Aber dies ist bei den heute aktuellen Diskussionen über die Kernenergie und so weiter natürlich auch interessant.

Wenn man die Schwerpunkte der energiepolitischen Leitlinien, wie sie sich die FDP wünscht, ansieht, fehlen unseres Erachtens zwei wichtige Punkte, nämlich die Sicherheit der Menschen und die Prämisse, dass nachfolgende Generationen nicht dadurch belastet werden, dass man heute Energie gewinnt.

Betrachtet man die Sicherheit der Menschen, so sind die größten anzunehmenden Unfälle im Bereich der Kernenergie natürlich zu berücksichtigen und damit schließt sich diese Energieform schon von vornherein aus.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Atomausstieg ist im Gegenteil sogar der Schlüssel dafür, dass die Stromwirtschaft wirklich gezwungen ist, sich über neue Energieformen Gedanken zu machen. Ohne diesen Druck würde es keine Weiterentwicklung geben und wenn man bedenkt, dass die Restlaufzeiten noch lang genug sind, um hier Innovationen auf den Weg zu bringen, wäre das Einkassieren dieses Atomkompromisses eine fatale Entwicklung. Die Stromwirtschaft wäre nicht auf dieses Szenario eingegangen, wenn man dort nicht schon heute neue Ideen für die Stromversorgung hätte.

Der zweite Punkt, dass man nicht auf Kosten von nachfolgenden Generationen seinen heutigen Energiebedarf decken darf, spricht gegen die Kernenergie und gegen fossile Brennstoffe. Die Endlagerung von Kernbrennstoffen ist nicht gelöst und kann auch nicht gelöst werden, wenn man bedenkt, dass man nachfolgende Generationen über zigtausende von Jahren mit diesem Müll belastet. Aber auch fossile Energieträger sind kritisch zu sehen. Die Klimaveränderungen, die sie auslösen werden, sind ebenfalls eine Belastung für nachfolgende Generationen. Diese Energieträger sind höchstens noch als Übergangstechnologie zu betrachten. Sie müssen zeitlich begrenzt werden und so würde auch hier wiederum der entsprechende Handlungsdruck für die Energiewirtschaft entstehen, um sich neuen Energieformen zu widmen.

(Olaf Schulze)

Wir meinen, dass wir die zukünftige Energieversorgung nicht nur in Bezug auf das Land SchleswigHolstein betrachten, sondern uns mindestens bundesweit orientieren müssen. Wenn also Kernkraftwerke abgeschaltet werden und Kohlekraftwerke nur eine Übergangstechnologie sind, müssen wir uns intensiv um erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung kümmern. Wir als SSW haben seinerzeit beantragt, dass die Richtlinien für die Nutzung der Windkraft gelockert werden. Bisher hat die Landesregierung hier keine zufriedenstellenden Abstandsregelungen festgelegt.