Bevor wir in die Abstimmung eintreten, schlage ich Ihnen vor, abweichend von der Geschäftsordnung den interfraktionellen Antrag Drucksache 16/2177 zu einem selbstständigen Antrag zu erklären, um gesondert über ihn abstimmen zu können. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren.
Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/2167, abstimmen. Es ist beantragt worden, den Antrag an den Sozialausschuss zu überweisen
- und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen! - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dann ist einstimmig so beschlossen worden.
Ich lasse jetzt über den interfraktionellen Antrag Drucksache 16/2177 in der Sache abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig so angenommen.
Öffnungsklausel im Grundgesetz für Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern in der Minderheitenpolitik
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Gruppe im Landtag, dem SSW, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minderheitenpolitische Themen sind ein fester Bestandteil der Tagesordnung dieses Hauses. Ebenso sind es Fragen der Bund-Länder-Beziehungen. Dass beide Themenkonstellationen zusammentreffen, wie es bei dem jetzigen Tagesordnungspunkt der Fall ist, ist allerdings eher selten. Der SSW fordert mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung auf, sich im Bundesrat aktiv für eine Öffnungsklausel im Grundgesetz einzusetzen, die die Bund-Länder-Vereinbarungen zur Umsetzung und Einhaltung internationaler Verpflichtungen zum Minderheitenschutz auf eine verfassungskonforme Grundlage stellt.
Der uns allen gut bekannte Bundestagsabgeordnete Wolfgang Börnsen hat anlässlich des 10. Jahrestages der Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen jüngst erklärt - ich zitiere -: „Eine zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmte und ressortübergreifende Förderung der Kultur der autochthonen Minderheiten ist notwendig.“ Recht hat er.
Die aktuellen Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern Sachsen und Brandenburg über das Finanzierungsabkommen für die Stiftung für das sorbische Volk zeigen überdeutlich, wo die konkreten Umsetzungsdefizite für eine moderne, den internationalen Verpflichtungen entsprechende Minderheitenpolitik liegen. Der Bund betrachtet seine Unterstützung der Sorben wohl immer noch als ein Übergangsphänomen kultureller Ostförderung im Zuge der deutschen Einheit, was es definitiv nicht ist. Ein dauerhaftes, nachhaltiges und gerade paritätisches Engagement des Bundes wird sogar als nicht grundgesetzkonform angesehen, da es sich überwiegend um kulturelle Aktivitäten handle - so wird argumentiert -, die gefördert würden. Kultur ist nun wiederum Ländersache. Eine substanzi
elle Bundesförderung für die Minderheiten widerspräche nach dieser Argumentation somit latent der Verfassung. Die gute Intention samt Verantwortlichkeit verpufft durch diese juristische Auslegung als heiße Luft.
Die von Börnsen zu Recht geforderte abgestimmte Förderung der Minderheiten kann nach unserer festen Überzeugung nur nachhaltig erreicht werden, wenn die eingegangenen internationalen Verpflichtungen gleichwertig und gleich verbindlich von Bund und Land wahrgenommen werden, also in geregelten Bund-Länder-Vereinbarungen. Sonst endet es in einer Arbeitsteilung, die zugespitzt formuliert heißt: Die Länder sind für Vorspeise und Hauptgericht allein verantwortlich, und der Bund kümmert sich um das grundgesetzkonforme Sahnehäubchen auf dem Dessert.
Minderheitenpolitik unterliegt sowohl formal als auch inhaltlich einer gesamtstaatlichen Verantwortung. Die zu fördernden kulturellen und sprachlichen Aktivitäten sind unter dem Primat der Minderheiten- und Menschenrechte zu sehen und nicht unter dem Aspekt einer allgemeinen Kulturpolitik. Die Länder haben ihre Aufgaben für den Schutz und die Förderung der Minderheiten zu erfüllen. Der Bund muss hier aber gleichwertiges Engagement zeigen.
Mit der vom SSW vorgeschlagenen Öffnungsklausel würden wir eine den Aufgaben angemessene Lösung für das Problem finden. Wir würden gezielt und abgrenzbar ansetzen und dabei die mehrheitlich getroffene Regelung für ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern grundsätzlich unberührt lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bitten um Unterstützung für unseren Antrag, denn nur mit diesem Antrag werden wir in der Minderheitenpolitik in der Bundesrepublik insgesamt weiterkommen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt etwas mehr als zwei Jahre her, dass wir an dieser Stelle einen Antrag des SSW diskutiert haben, der zum Ziel hatte, eine Initiative auf Bundesebene
zu ergreifen, den Minderheitenschutz in unser Grundgesetz aufzunehmen. Dieser Vorstoß im Rahmen der Föderalismusreform I war jedoch nicht von Erfolg gekrönt, da die Mehrheit der Bundesländer nicht bereit war, neue Gemeinschaftsaufgaben in diesem Kontext zu definieren.
Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, dass Minderheitenpolitik eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Schließlich ist ja auch die Bundesrepublik Deutschland der Vertragspartner auf europäischer Ebene für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Die ressortübergreifende Pflege und Förderung obliegt jedoch zuallererst den Bundesländern. Aber auch der Bund beteiligt sich intensiv an der Förderung von Minderheiten- und Regionalsprachen. Hierfür werden im Jahre 2008 vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien immerhin rund 10 Millionen € aufgewendet.
Unter den Bundesländern nimmt Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle ein. Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten stehen unter dem Schutz unserer Landesverfassung. Die Förderung und Pflege dieser Inhalte sind parteiübergreifender Konsens. Doch hier in Schleswig-Holstein wissen wir, dass Toleranz, Einfühlungsvermögen und die Achtung des Anderen wichtiger sind als gediegene Formulierungen im Gesetz. Wir leben diese Partnerschaft.
Aber sicherlich gibt es nichts, das sich nicht verbessern ließe. Und damit komme ich zu dem vorliegenden Antrag des SSW.
Die Landesregierung soll aufgefordert werden, eine Bundesratsinitiative für eine Öffnungsklausel für Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern zum Schutz und zur Förderung autochthoner Minderheiten im Grundgesetz zu ergreifen. Ich kann die Motivation des SSW zwar durchaus nachvollziehen, aber ich befürchte nach den vorher geschilderten Erfahrungen mit der Initiative vor zwei Jahren, dass diesem Ansinnen ein ähnlicher Misserfolg beschieden sein wird. Wir sollten stattdessen unsere Kräfte auf unser Zusammenleben in Schleswig-Holstein konzentrieren. Wir sollten abwarten, welche Folgerungen andere Länder aus den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ ziehen. Wir sollten unseren Weg in Schleswig-Holstein weitergehen und hoffen, dass unser Beispiel Schule macht. Wir sind
und bleiben ein verlässlicher Partner unserer dänischen und friesischen Mitbürger sowie der mit uns lebenden Sinti und Roma. Und: Nach wie vor ist Artikel 3 Grundgesetz die Norm, die jedem das Recht auf Gleichheit und auf Achtung und Wahrung seiner ethnischen und kulturellen Identität gewährleistet.
Trotz der angeführten Bedenken wird die CDU einer weiteren Erörterung des Themas im Innen- und Rechtsausschuss zustimmen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag des SSW spricht eine Reihe von aktuellen Problemen und Fragen an. Es geht um Fragen, die im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Föderalismusreform I zu diskutieren sind und die sich auf einen möglichen Unterschied zwischen Verfassungstheorie und politischer Praxis beziehen; das Stichwort Kooperationsverbot ist hier schon genannt worden. Das sind, wie ich finde, richtige und wichtige Themen, die wir in den Ausschüssen diskutieren sollen. Die können wir hier, glaube ich, nicht vertiefen.
Ich finde es sehr gut, dass dies für den Innen- und Rechtsausschuss vorgesehen ist, würde aber auch darum bitten, dass wir es an den Europaausschuss mit überweisen. Denn die Motivation dieses Antrags ist ja keine verfassungsrechtliche oder föderale, sondern eine minderheitenpolitische, und die sollten wir da auch besprechen können.
Lassen Sie mich unter diesem Aspekt der minderheitenpolitischen Sicht zwei Punkte ansprechen mit Blick auf die Zeit mache ich es auch relativ kurz -, zum einen die Frage nach der Verantwortung des Bundes für die Weiterentwicklung der Minderheitenpolitik und zum anderen die generelle Frage der Verankerung von Schutz und Förderung der traditionellen Minderheiten im Grundgesetz.
Vorstellung unserer Kompetenzanalyse im Bundestag vor wenigen Wochen war dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Es geht aber um die Frage, ob sich dieses Engagement des Bundes auf Dauer und kontinuierlich finanziell weiterentwickelt. Wir sollten deshalb durchaus ein wenig kritisch auf die aktuellen Probleme, auf die aktuellen Diskussionen des Bundes mit den Sorben, ihrer Stiftung und auf das dort mittlerweile abgelaufene Finanzierungsabkommen schauen. Das ist auch ein Hindergrund des Antrags und wird in der Begründung zitiert.
Die finanzielle Förderung der vier traditionellen Minderheiten darf sich nicht prinzipiell, nicht grundsätzlich voneinander unterscheiden. Es gibt unterschiedliche Höhen der Förderungen, jeweils den regionalen Bedingungen angepasst. Das ist auch richtig. Es kann und darf aber nicht so sein, dass hier ein Prinzip infrage gestellt wird. Diesen Eindruck kann man aber ein wenig bekommen, wenn man die aktuelle Debatte in Sachsen und in Brandenburg verfolgt. Das allerdings wäre fatal. Spätestens an dieser Stelle müssen die Vorgänge um die Sorben-Stiftung auch in Schleswig-Holstein von Interesse sein.
Das führt mich zum zweiten Punkt: eine Verankerung von Schutz und Förderung im Grundgesetz. Der Kollege Wengler hat darauf schon hingewiesen. Wir haben in diesem Landtag diese Verankerung seit langer Zeit gefordert. Vorbild war unsere Landesverfassung, die schon zitiert wurde. Es spricht auch einiges dafür. Dies würde nicht nur den nationalen Minderheiten helfen, dies würde nicht nur die nationale Zuständigkeit - über die hier schon gesprochen wurde - festschreiben, sondern dies würde vor allem die Umsetzung der eingegangenen nationalen europäischen Verpflichtungen wesentlich erleichtern. Wir müssen aber feststellen - ich sehe das ein -, dass sich dafür keine Mehrheit findet. Die Landesregierung hat diese Frage in den Föderalismusdebatten angesprochen. Wir haben keine Mehrheit gefunden. Insofern glaube ich, dass sich dieser Plan in absehbarer Zeit so nicht wird realisieren lassen können.
In diesem schwierigen Zusammenspiel zwischen der zuständigen Bundesebene und der ausführenden Landesebene würde ich mir übrigens eine stärkere Rolle des Minderheitenbeauftragten auf Bundesebene wünschen.
Ich habe das von dieser Stelle auch schon mehrfach sehr höflich und diplomatisch angesprochen. Ich glaube, dass wir uns in einer Situation befinden, in
der wir etwas mehr verlangen können. Es ist seine Aufgabe, die minderheitenpolitische Praxis in der Bundesrepublik zu beobachten, einzuschätzen und gegebenenfalls in Absprache mit den Ländern auch zu beeinflussen.
Da passiert mir etwas zu wenig. Darüber sollten wir mit ihm sprechen. Alles andere werden wir in den Ausschussberatungen erörtern.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Rolf Fischer und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SSW-Initiative greift ein berechtigtes und wichtiges Anliegen auf. Aus der Föderalismusreform I ist uns tatsächlich ein Problem zugewachsen, dass nämlich das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern die Fortführung minderheitenpolitischer Leistungen des Bundes gefährdet, wie aktuell in den Gesprächen über die Fortsetzung des Finanzierungsabkommens zur Stiftung für das sorbische Volk deutlich wurde.
Die Frage ist nun: Wie schaffen wir es, die erforderliche qualifizierte Zweidrittelmehrheit des Bundestages und die Mehrheit der Länder im Bundesrat für eine entsprechende Änderung der Verfassung, also für eine Öffnungsklausel zu gewinnen, wie sie zu Recht vom SSW vorgeschlagen wird. Über diesen Weg sollten wir auch in den Ausschüssen gemeinsam beraten, im Europaausschuss wegen seiner Zuständigkeit für Minderheiten und auch im Innen- und Rechtsausschuss.