aber die Argumentation der Union, Herr Kollege Ritzek, ist in sich etwas widersprüchlich und bedarf einer weiteren Erläuterung.
- Ja, aber Sie müssen mal sagen, Sie brauchen eine Verlängerung der Laufzeiten, auch um dem CO2Ziel gerecht zu werden. Dann müssten Sie konsequenterweise doch für den Neubau von Kernkraftwerken eintreten, weil die Verlängerung von Laufzeiten Ihnen allein nicht weiterhilft. Oder Sie müs
sen erklären, wie lange die Laufzeiten verlängert werden sollen. Das müssen Sie dann schon sagen. Drei Jahre oder fünf Jahre? Mit dem allgemeinen Satz, das sei eine Brückentechnologie, kommen wir hier nicht weiter.
Ich möchte, weil ich leider nur drei Minuten habe, in diesem Zusammenhang noch kurz auf den Kollegen Stegner eingehen, weil mir etwas an der Argumentation der SPD missfällt, so zu tun, als seien die Energieversorgungskonzerne in der Hand von Kapitalisten, die nichts anderes im Auge haben, als hohe Rendite auf Kosten der Bevölkerung zu erwirtschaften. Ich erinnere daran, Herr Kollege. Stegner, dass unter Führung von Helmut Schmidt die Kernenergie-Ausbauphase begonnen wurde und die Energieversorgungsunternehmen aufgefordert wurden, entsprechende Meiler zu errichten, um längerfristige Energieversorgung sicherzustellen. Ich will Sie daran erinnern und bitte Sie, Herr Kollege Stegner, nachzuschauen, wie die Eigentumsverhältnisse bei den größten Energieversorgern sind. Beispielsweise gehört Vattenfall zu 100 % dem schwedischen Staat, beispielsweise gehört EnBW zu 50 % den Kommunen dort, den kommunalen Vertretungen, und zu 50 % dem französischen Staat. Beispielsweise gehört RWE - das wissen Sie - fast ausschließlich den Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen. Das sind also alles keine Kapitalisten, sondern gewählte Mandatsträger, die im Zweifel Entscheidungen treffen.
Man sollte vielleicht etwas von der Erklärung herunterkommen, es handle sich hier um martialische Konzerne, die zulasten der Bevölkerung arbeiten.
Herr Abgeordneter Kubicki, Sie haben gerade den heroischen Kampf des Landesverbandes der FDP in vielen Punkten gegen die Mehrheitsmeinung der Bundespartei hervorgehoben. Erinnern Sie sich - weil Sie das gerade zitiert haben -, welcher SPD-Landesverband und welcher Landesvorsitzende es gewesen ist, der gegen diese Weichenstellungen in der Atompolitik von Helmut Schmidt Protest eingelegt hat? Wis
Wenn Sie an die historische Tradition der Sozialdemokraten anknüpfen wollen, Herr Kollege Stegner, dann sollten Sie das tun, aber anders als bisher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben in der Sache argumentiert, und das ist gut. Ich will auch in der Sache antworten. Sie haben als zentrale Argumente genannt: Erstens. Wir müssen den CO2-Ausstoß bis 2050 um 50 % reduzieren. Dann müssen Sie erklären, wie sich das mit dem Ausbau mit einer Leistung von 32 MW zusätzlicher Kraftwerke in Deutschland im Kohlebereich verträgt. Das widerspricht sich. Das muss geklärt werden.
Zweitens. Sie haben die Gefahren der Atomenergie nicht bestritten. Trotzdem haben Sie vorgeschlagen, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, weil Sie gesagt haben, dass es eine Versorgungslücke gibt. Es gibt relevante Wissenschaftler, die in diesen Fragen kompetent sind und die vorgerechnet haben, wie eine Versorgung aussehen kann. Ich habe vorhin die Universität Kassel genannt. Ich nenne auch Professor Hohmeyer von der Universität Flensburg. Wir haben im Lande Experten, die sich mit Fragen wie der Versorgung in Schleswig-Holstein, in Deutschland und in Europa durch regenerative Energien ohne das Weiterlaufen von Atomkraftwerken und den Zubau von Kohlekraftwerken genau auseinandergesetzt haben.
Ich schlage dem Parlament vor, dass entsprechende Experten in den Wirtschaftsausschuss eingeladen werden, damit wir die Diskussion im Wirtschaftsausschuss führen, und dass der Wirtschaftsminister dazu kommt und an diesen Sitzungen teilnimmt, weil ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, dass wir diese Fragen in der Sache klären. Denn es geht schließlich um die Zukunft der Menschen hier im Land. Ich kann eine Technologie, die immer wieder
Unfälle hervorruft und die die Gefahr beinhaltet, einen größten anzunehmenden Unfall hervorzurufen - ob das jetzt zehn, hundert oder tausend Jahre nach den besten Rechungen sind -, nicht akzeptieren, meine Damen und Herren. Eine solche Technologie kann grundsätzlich nicht akzeptiert werden. Wir müssen alles tun, um Wege und Alternativen zu finden, um die Probleme zu lösen. Das ist unsere Aufgabe als Politiker. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, diese Probleme schönzureden und zu sagen, wir mauscheln uns irgendwie durch.
Herr Kollege Hentschel, was soll Ihre Anregung, uns im Wirtschaftsausschuss bestätigen zu lassen, ob eine Versorgungslücke besteht oder nicht besteht, bringen, wenn Sie sich grundsätzlich dagegen aussprechen, eine potenzielle Versorgungslücke durch Kern- oder Kohlekraftwerke schließen zu wollen?
- Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege Kubicki. Das tut mir leid. Ich bin schwerhörig und habe Ihre Frage deshalb leider nicht verstanden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Atomausstieg gibt uns 15 Jahre Zeit, um die Versorgungslücke zu schließen. Diese Zeit sollten wir entsprechend nutzen. Das wurde vorhin bereits dargestellt. Wir brauchen jedoch den Druck des Ausstiegs, damit dieser Zeitraum genutzt wird.
Der Herr Minister hat vorhin sinngemäß gesagt, die Menschen lechzten nach preiswerter Energie, beziehungsweise er sagte, wir müssten uns um möglichst billige Energie bemühen, weil die Leute dies verlangen. Das mag richtig sein. Aber 50 ct pro Monat für einen Haushalt bringen einen Haushalt
nicht wirklich weiter. Wenn man ausrechnet, wie viel Prozent einer Stromrechnung dies sind - jeder kennt seine eigene Stromrechnung -, dann weiß man, dass das auch für einen Industriebetrieb nicht der Hit ist, was man einsparen kann. Deshalb ist es meines Erachtens sinnvoll, erneuerbare Energien zu erforschen, weil diese Ressourcen unendlich vorhanden sind und wir tatsächlich preiswerte Energie in der Zukunft generieren können.
Dritter Punkt. Der Herr Minister hat gesagt, er möchte, dass die echten Preise eine Rolle spielen. Genau darum geht es, und genau damit haben Sie Recht. Dann muss man aber auch die Endlagerung mit einrechnen. Dann muss man aber auch von den Konzernen Geld für die Endlagerung verlangen. Dann muss man den Abschluss von Versicherungen verlangen für die Unfälle, die geschehen können. Dann erübrigt sich wahrscheinlich der Betrieb jedes deutschen Atomkraftwerks von allein.
Dann haben wir einen fairen Wettbewerb aller Energieträger. Wenn Sie dann sagen, dass Sie die Abschaffung genau dieser Subventionen als Ihre Politik verfolgen, lieber Herr Minister Dr. Marnette, dann sind wir sicherlich alle auf Ihrer Seite.
Vierter Punkt. Herr Kollege Ritzek hat vorhin gesagt, Industrieunfälle und Naturkatastrophen würden auch irgendwann einmal auftreten. Lieber Herr Kollege Ritzek, ich glaube, dieser Vergleich ist unzulässig, weil die Katastrophen, die mit einem Atomunfall verbunden sind - wir haben es in Tschernobyl und auch an anderen Stellen erlebt -, so gravierend und so international sind, dass sie nicht mit einem Dammbruch oder mit irgendeinem Industrieunfall vergleichbar sind.
Natürlich sind das alles schreckliche Ereignisse. Die Konsequenzen eines Unfalls im Bereich der Kernenergie sind aber derart katastrophal, dass man es nicht verantworten kann, dass diese Energieform weiterhin aufrechterhalten wird.
Da der Herr Wirtschaftsminister gesprochen hat, möchte ich wirtschaftlich argumentieren. Erneuerbare Energien werden immer preiswerter. Das wissen wir. Das ist eine Erkenntnis der vergangenen 20 Jahre. Wir wissen zudem, dass andere Energieformen - nicht nur Kernenergie, sondern auch fossile Energieträger - immer teurer werden, weil die Ressourcen immer knapper werden. Als wirtschaftlich denkender Mensch kann man deshalb nur zu dem Schluss kommen, dass man auf erneuerbare Energien setzen muss. Deshalb kann die Wahl aus
Atomenergie - um beim Thema zu bleiben, das die FDP angesprochen hat - lohnt sich nicht. Sie ist gefährlich, sie ist unsicher, und sie ist ethisch nicht verantwortbar. Deshalb sollten wir uns lieber um andere Energieformen kümmern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass die Rede des Herrn Wirtschaftsministers dazu geführt hat, dass wir versuchen, miteinander eine sachliche und rationale Debatte zu führen.
Herr Kollege Harms, Thesen aufzustellen wie diese, die Nutzung der Kernenergie sei ethisch nicht verantwortbar, sind gefährlich, weil man sich fragen muss, welches die Alternativen einer Erzeugung von Stromenergie in Deutschland mittels friedlicher Nutzung der Kernenergie sind. Ist es ethisch verantwortbarer, wenn wir in Deutschland aus der Kernenergie aussteigen und die Energieversorgungsunternehmen Kernenergiestrom aus europäischen Nachbarländern oder außereuropäischen Nachbarländern hierher importieren? Finden Sie das ethisch besser? Fühlen Sie sich dann besser? Haben Sie dann für die Menschen mehr erreicht? Ich glaube, nein.
Wer die Frage rational betrachtet, kann feststellen, dass es keine Energieerzeugung ohne Risiko gibt.
Sie haben vorhin etwas zum Thema der Physik gesagt. Wissen Sie auch, dass nach dem heutigen Stand der Technik angesichts der Nichtmöglichkeit der Speicherung von Energie, alle regenerativen Energiequellen, die wir fördern wollen, nicht grundlastfähig sind, Herr Kollege Harms. Dabei sind Subventionen richtig. Sie haben sich vorhin grundsätzlich gegen Subventionen in der Energiepolitik ausgesprochen. Sie müssen aber weiter gefördert werden. Sie sind aber nicht grundlastfähig. Das ist eine Wahrheit, an der Sie nicht vorbeikom
men, trotz aller Begeisterung für regenerative Energiequellen. Ich bin sehr dafür, dass wir das regenerativ machen. Das geht aber allein schon technisch nicht. Das sollten auch die Grünen zur Kenntnis nehmen.