Protocol of the Session on September 2, 2005

Wir alle wissen: Jedem von uns ist das regionalpolitische Hemd grundsätzlich näher als die landespolitische Jacke. Umso bedeutender ist die Entscheidung der Kieler Oberbürgermeisterin - CDU, lieber Kollege Arp - zu bewerten. Frau Volquartz hat der Kieler Ratsversammlung vorgeschlagen, den Ausbau Holtenaus aufzugeben. Als Kieler Abgeordneter schlage ich Ihnen vor: Das Land sollte dem Vorschlag der Kieler Oberbürgermeisterin folgen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile für die Abgeordneten des SSW dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir über den Lübecker Flughafen mit seinen rund 600.000 Fluggästen gesprochen haben, nimmt sich der Flughafen in Kiel-Holtenau doch eher bescheiden aus. Vielleicht werden Fluggastzahlen von knapp 40.000 Passagieren dieses Jahr gerade noch erreicht.

Während der Lübecker Flughafen in der Zukunft durchaus Chancen hat, weil man dort auf Charterverkehr und preiswerte Verbindungen setzen kann und setzt, hat der Kieler Flughafen eher damit zu kämpfen, dass überhaupt geflogen wird. Dass der Kieler Flughafen Probleme hat, liegt nicht darin begründet, dass er noch nicht ausgebaut ist, sondern darin, dass die Attraktivität für den Linienflugverkehr nur sehr eingeschränkt gegeben ist, um es einmal nett auszudrücken.

Wir haben uns beim Kieler Flughafen von vornherein mit Recht darauf festgelegt, dass Charterflugverkehr -

(Lars Harms)

wie in Lübeck - und große Billigfluglinien à la Ryanair hier nicht starten und landen sollen. Eine solche Entwicklung wäre für die Anwohner nicht tragbar. Ziel des Ausbaus des Flughafens war immer, dass die Wirtschaft im Raum Kiel gute Verkehrsanbindungen bekommt und der eine oder andere dann die vorhandenen Linienflüge ebenfalls nutzt.

Ich gehe davon aus, dass die Festlegung auf reinen Linienverkehr immer noch gilt. Ansonsten bitte ich die Landesregierung, hier und jetzt zu sagen, ob sich die Grundlagen geändert haben.

Betrachtet man die reinen Linienflüge, so muss man feststellen, dass in diesem Jahr wieder eine Linie eingestellt wurde und eine andere Linie nur deshalb erhalten bleiben kann, weil sich der Betreiber dies bezahlen lässt. Der Titel des Berichtsantrages der Grünen, der mit „Keine Geldverschwendung" beginnt, ist also durchaus berechtigt. Während man in Lübeck mehr Linien hinzubekommt und sich die Fluggastzahlen auch ohne den Ausbau des Flughafens erhöht haben, fällt Kiel immer mehr zurück. Im Jahr 2000 lagen die Fluggastzahlen für die Linie KielFrankfurt bei 52.812 Fluggästen und für Kiel-Köln bei 30.976. Im ursprünglichen Gutachten aus dem Jahr 2000 heißt es, dass die Fluggastzahlen ohne Ausbau des Flughafens jährlich um 3 % Richtung Frankfurt und um 2,2 % Richtung Köln steigen würden. Das hätte bedeutet, dass 2004 die Fluggastzahlen auf beiden Strecken bei 93.233 hätten liegen müssen. In Wirklichkeit waren es knapp 53.000, rund 44 % weniger, als man prognostiziert hatte - wohlgemerkt: ohne den Ausbau. Dazu fiel dann noch die Verbindung nach München mangels Attraktivität und Wirtschaftlichkeit in diesem Zeitraum weg.

Das zeigt, dass schon jetzt wesentlich weniger Menschen die Flugverkehre ab Kiel nutzen, obwohl eine Steigerung vorausgesagt wurde. Man kann wohl davon ausgehen, dass man auch nach einer Startbahnverlängerung keinen Flugverkehr nach München mehr zurückbekommt und auch die Idee von Verbindungen nach Stuttgart oder gar Paris wohl eher ad acta gelegt werden müssen. Das ganze Szenario war von vornherein auf tönernen Füßen gebaut. Einen wirtschaftlichen Flughafen in Kiel-Holtenau bekommt man nur mit Charterflugverkehr hin und das ist etwas, was kein vernünftiger Mensch will, weil dann wirklich ein Wohngebiet zunichte gemacht wird.

Im Bericht wird auch ausgesagt, dass der Betriebsmittelzuschuss sinken soll. Man habe für 2006 800.000 € veranschlagt, die dann auf 500.000 € zurückgeführt werden sollen. Auch das ist eine Luftblase. Der Betriebszuschuss beträgt nach dem Nachtragshaus

haltsplan 2005 - gestern beschlossen - 1.018.000 € und für 2006 sind durch die Landesregierung 900.000 € im Haushalt veranschlagt worden.

Das heißt, nachdem wir den Bericht in die Hand bekommen haben, vor noch nicht allzu langer Zeit, hat sich das Defizit schon wieder um 100.000 € erhöht. Bisher sind die Zuschüsse in den letzten Jahren immer gestiegen. Im Bericht finden wir keine Aussage dazu, warum der Zuschuss nun plötzlich auf 500.000 € in den kommenden Jahren sinken soll. Im Gegenteil, der Zuschuss wird weiter steigen und der Steuerzahler wird für einen unattraktiven Flugplatz aufkommen müssen, obwohl der Betrieb von Flughäfen nicht Aufgabe des Landes ist.

Wenn wir wirklich einen Flugplatz für die Wirtschaft brauchen, dann könnte schon der jetzige Flugplatz in Kiel-Holtenau dafür dienen. In meinen Augen wäre es dann nur folgerichtig, dass sich die Wirtschaft nicht nur an den Investitionen für den Flughafen beteiligt, sondern diesen dann auch gemeinsam mit der Stadt Kiel betreibt. Die Landesregierung sollte ihre Anteile an diejenigen verkaufen, die diesen Flughafen nutzen wollen. Die Wirtschaft kann den Flughafen dann so nutzen, wie sie es möchte, ohne dass der Steuerzahler hier in die Pflicht genommen werden kann, und unter vollem unternehmerischen Risiko.

Das werden die Wirtschaftsverbände in und um Kiel natürlich nicht tun, denn sie wissen, dass dies ein Groschengrab wäre. Deshalb überlässt man es lieber dem Land und dem Steuerzahler und fordert dazu noch einen unsinnigen Ausbau. Denn bei der freien Wirtschaft gilt, wenn es ums eigene Portemonnaie geht, schließlich genau das Gleiche wie bei den Grünen: Keine Geldverschwendung für den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau. Das überlässt die freie Wirtschaft lieber dem Land und dem Steuerzahler.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an den - wie ich finde - einschlägigen und vernünftigen Beitrag des Kollegen Stritzl anknüpfen, der in den darauf folgenden Beiträgen in der Diktion etwas an den Rand gedrängt worden ist.

Manchmal habe ich den Eindruck, es hätte vielleicht eines FFH-Gebietes in Holtenau bedurft, um den

(Jürgen Weber)

Schulterschluss für Wirtschaftspolitik auch für die Region Kiel im Hinblick auf den Flugplatz etwas stärker zu modifizieren. Das hätte uns vielleicht geholfen.

Aber im Ernst: Der Minister hat den Zeitplan genannt. Es erstaunt mich, dass unabhängig vom Ausgang dieser Untersuchung der Dinge, die uns vorgelegt werden, die Linie „im Zweifel für Investitionen“ für Holtenau offensichtlich nicht gelten soll. Das kann ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nachvollziehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich kann auch nicht nachvollziehen - auch das will ich deutlich sagen -, dass Begriffe, für die der Kollege Müller vorhin im Hinblick auf Lübeck gescholten worden ist, jetzt selbstverständlich sind: Investitionsruine, Groschengrab, keine Perspektive, die Wirtschaft will das eigentlich gar nicht, aber fordert das. Sollte das Wirtschaftsschelte gewesen sein? Es wird also mit zweierlei Maß gemessen. Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU)

- Ach, der Kollege Kalinka! Das fehlt ja noch. Ein weiterer Wirtschaftsexperte!

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Natürlich ist es etwas schwieriger, ein solches Projekt dann, wenn es erfolgreich werden kann - das werden uns die Ergebnisse zeigen -, erfolgreich auf den Weg zu bringen, wenn nicht einmal die Kieler Kommunalpolitik mit der nötigen Kraft und Dynamik hinter einer solchen Forderung steht. Das sollte uns aber nicht von unserer Aufgabe entbinden, das, was der Wirtschaftsminister demnächst vorlegt, wirklich ernsthaft und unvoreingenommen zu prüfen und auf dieser Grundlage eine wirtschaftspolitisch sinnvolle Beschlussfassung herbeizuführen.

Insofern darf ich noch einmal an alle appellieren, die Offenheit in dem Verfahren beizubehalten und auch für den Wirtschaftsstandort Kiel eine vernünftige und zukunftsfähige Entwicklung im Hinblick auf den Flugverkehr offen zu halten. Dafür möchte ich werben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Kollegen Weber. - Bevor ich weiteren Rednern das Wort erteile, will ich darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, Tagesordnungspunkt 24 abzusetzen. Nach Tagesordnungspunkt 4 werden wir in die Mittagspause eintre

ten, weil die Beratung des dann folgenden Tagesordnungspunktes sicherlich weit über 13 Uhr hinausgehen würde. Die Tagesordnungspunkte 10 und 20 werden etwa gegen 15 Uhr nach den Tagesordnungspunkten 21 und 22 eingereiht. Das sollte aber nicht bedeuten, dass die verbleibende Zeit bis zur vielleicht etwas früher zu gestaltenden Mittagspause durch weitere Dreiminutenbeiträge belastet wird. Dennoch erteile ich für einen weiteren Kurzbeitrag dem Kollegen Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nett, dass ich keine Belastung bin, jedenfalls für manche nicht.

(Beifall beim SSW - Zuruf)

- Zu diesem Thema, Frau Kollegin. Das nehme ich dankbar zur Kenntnis.

Lieber Kollege Weber, ich will gar nicht weiter vertiefen, dass - im Übrigen im Unterschied zu LübeckBlankensee - auch in der CDU-Fraktion - nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch in der vergangenen - außer den Kollegen Kalinka und Eisenberg beispielsweise auch der verkehrspolitische Sprecher Uwe Eichelberg immer erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Projektes „Ausbau KielHoltenau“ geäußert hat.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es wäre auch interessant zu erfahren, wie beispielsweise Herr Fischer, mit dem ich einige Diskussionen zu Kiel-Holtenau bestreiten durfte, zu diesem Projekt steht.

Herr Kollege Weber, wenn man das Projekt so darstellt, wie Sie es getan haben, dann, finde ich, muss man schon die Frage des Kollegen Harms beantworten, ob man auf Dauer eine Betriebswirtschaftlichkeit des Flughafens hinbekommen will, indem man sich beispielsweise abwendet und sagt, dass man - wie in Lübeck-Blankensee - Charterverkehre zulassen will. Wenn man das will, dann muss man das klar sagen. Dann besteht in der Tat die Möglichkeit, von ganz anderen betriebswirtschaftlichen Größen für die Zukunft auszugehen.

Ich habe allerdings bisher keine einzige politische Kraft - weder in diesem Hause, noch in der Landeshauptstadt Kiel - gehört, die ernsthaft vorhat, diesen Fluglandeplatz, der mitten im Stadtgebiet Kiel liegt, tatsächlich zu einem Charterverkehrsflughafen - oder lassen Sie von mir aus Cargo dort fliegen - auszubau

(Dr. Heiner Garg)

en. Wenn es anders ist, wenn auch das geprüft werden soll, bitte schön, dann werden wir in diesem Landtag heute nicht das letzte Mal darüber geredet haben, sondern werden uns auch in Zukunft mit diesem Projekt beschäftigen müssen.

Eine Frage habe ich zum Schluss doch noch, auch an Sie, Kollege Weber; denn Sie werfen sowohl den Grünen als auch dem SSW und uns vor, wir würden nicht abwarten, bis die Ergebnisse vorliegen. Wir haben, glaube ich, schon etliche Gutachten und Stellungnahmen - unter anderem auch des Landesrechnungshofs - zu dem Verkehrsprojekt Kiel-Holtenau bekommen. Ich glaube, bei aller Übereinstimmung, die wir ansonsten, was den Ausbau von Verkehrsinfrastrukturprojekten angeht, haben, Kollege Schröder, das belastbare Zahlenmaterial reicht aus, um zumindest zu der Einschätzung zu kommen, dass sich auf der Grundlage, die wir heute diskutieren, nämlich Linienflüge weiterhin abzuwickeln, ein Ausbau von Kiel-Holtenau - um es ganz vorsichtig zu formulieren - nicht lohnen wird.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Kollegen Garg. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ein Antrag ist nicht gestellt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Da auf der Regierungsbank über die Verschiebung von Tagesordnungspunkten offenbar ein bisschen Unklarheit besteht, wiederhole ich: Die Tagesordnungspunkte 10 und 20 werden nach den Tagesordnungspunkten 21 und 22 gegen 15 Uhr aufgerufen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Wahl zu den Präsidien der Gerichte Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/67

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 16/155

Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Kalinka. - Ist der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses im Raum?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er verweist auf die Vorlage!)