Protocol of the Session on April 25, 2008

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Von einer guten harten Arbeit muss eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer auch leben können. Deshalb streiten wir Grüne für Mindestlöhne. Das machen wir bereits seit 1998, als die SPD und die Gewerkschaften von einem Mindestlohn noch nichts wissen wollten.

Wenn wir von einem Mindestlohn in Höhe von 7,50 € ausgehen, dann kommen wir auf einen Monatslohn von brutto 1.200 €. Das ist immer noch nicht üppig, aber eine Untergrenze, die durch Lohndumping nicht mehr unterschritten werden dürfte, wenn wir zu solchen gesetzlichen Regelungen kämen.

Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung der Postdienstmärkte und das Ausschreibungsergebnis der GMSH. Ich freue mich auf die weitere Beratung und Aussprache im Wirtschaftsausschuss zu diesem Thema.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Gruppe des SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Öffnung der Postmärkte ist - wie auch in anderen Fällen - auf die Umsetzung des Binnenmarktes innerhalb der EU zurückzuführen und geht auf eine Richtlinie der EU von 1997 zurück. Dennoch wurde die Liberalisierung bisher nur in mehreren Phasen vorangebracht. So stand zum 31. Dezember 2007 der Deutschen Post AG das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge mit einem Einzelgewicht von bis zu 50 g zu befördern. Alle anderen Postdienstleistungen wurden bereits vom Markt erbracht.

Seit dem 1. Januar 2008 ist nun der Postmarkt in Deutschland vollständig geöffnet. Dies ist anders als in vielen anderen EU-Ländern, da die vollständige Öffnung der EU-Postmärkte jetzt auf den 1. Januar 2011 verschoben worden ist, und einige neue Beitrittsländer dürfen mit der Öffnung sogar bis Ende 2012 warten. Angesichts der Ungereimtheiten und Probleme, die sich aus dieser Öffnung ergeben können - wir haben heute viele diskutiert -, fragt man sich schon, warum ausgerechnet Deutschland wieder einmal Vorreiter bei der Liberalisierung sein musste.

(Detlef Matthiessen)

Die Große Anfrage der SPD zur Versorgung mit Postdienstleistungen in Schleswig-Holstein gibt uns eine gute Gelegenheit, einige Fakten und Hintergründe zur Debatte um den Mindestlohn der Post, der ja vor einigen Monaten zu heftigen Kontroversen geführt hat, klarzustellen. Darüber hinaus ist die Versorgung mit Postdienstleistungen auch wieder ein klassisches Beispiel, wie schwierig es ist, die früheren staatlichen natürlichen Monopolisten zu privatisieren und einen vernünftigen Wettbewerb einzuführen, wenn man gleichzeitig eine Grundversorgung sichern muss. Denn darum geht es natürlich insbesondere für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, das darüber hinaus auch noch viele kleinere Inseln und Halligen hat: Wie sichern wir bei einer Privatisierung der Post und einer Liberalisierung der Postmärkte die Grundversorgung mit Postdienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger? Diese Grundversorgung kann man eben nicht vollständig dem Markt überlassen.

Stellen sie sich einmal vor, wie teuer es zum Beispiel für die Bewohner auf den nordfriesischen Inseln und Halligen wäre, wenn sie ihre Post nach den Gesetzen des freien Marktes verschicken oder bekommen sollten. Es ist also klar, dass der Staat in einem solchen Bereich die Aufgabe hat, eine gewisse Grundversorgung bei den Postdienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Das geht nur gesetzlich.

Diese Grundversorgung wird in Deutschland durch die sogenannte Post-Universaldienstleistungsverordnung geregelt. Demnach ist nach dieser Verordnung ein Mindestangebot an Postdienstleistungen flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu vernünftigen Preisen zu erbringen. Bisher hat die Post AG diese Universaldienstleistung erbracht und sich sogar darüber hinaus freiwillig verpflichtet, 12.000 Filialen für die Brief- und Paketbeförderung sowie mindestens 108.000 Briefkästen vorzuhalten.

Auch nach der völligen Öffnung des Postmarktes bleibt die Verpflichtung nach der Verordnung bestehen. Allerdings muss sie nicht zwangsläufig von der Post AG erbracht werden, sondern die Netzagentur kann in Zukunft andere Unternehmen, die die Lizenz für die Postdienstleistungen haben, dazu verpflichten, diese Leistungen zu erbringen, wenn die Universalleistung von der Post AG nicht mehr erbracht werden kann. Angesichts der Marktbeherrschung ist aber davon auszugehen, dass in nächster Zeit der bundesdeutsche Universaldienst weiterhin von der Post AG geleistet wird. So weit, so gut.

Aber wie sieht es dann mit der Grundversorgung vor Ort in Schleswig-Holstein aus? Ist diese wirk

lich ausreichend? Folgt man den Berichten in den Medien, dann hört man sehr oft, dass Postfilialen geschlossen werden und dass gerade auch ältere Mitbürger Probleme damit haben, wenn es in ihrer Nähe keine Briefkästen und keine Postversorgung mehr gibt. Jüngst konnten wir im „Schleswig-Holstein Magazin“ den Ärger vieler Bewohner über weitere geplante Filialschließungen in Lübeck verfolgen.

Natürlich ist der Prozess der Filial- und Postkastenschließungen der Post AG schon seit Jahren in Gang und ist auch für das Unternehmen, dass sich der zunehmenden Konkurrenz anderer Wettbewerber ausgesetzt sieht, eine wirtschaftliche Notwendigkeit. In der Antwort zur Großen Anfrage macht die Landesregierung allerdings darauf aufmerksam, dass sich das Filialnetz der Post in der Summe zwischen 1999 und 2007 in Schleswig-Holstein nur von 442 auf 420 verringert hat. Dahinter verbirgt sich natürlich schon, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine Serviceverringerung bei der Post wahrnehmen, und natürlich auch, dass die klassische Filiale nicht mehr so aussieht, wie wir sie kennen, sondern eine irgendwo im Supermarkt ist.

Dennoch muss man sagen, dass die Post-Universaldienstleistungsverordnung auch aus Sicht des SSW vertretbare Anforderungen an die Grundversorgung im Bereich des Postwesens stellt. So muss in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern eine stationäre Einrichtung vorgehalten werden. In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern muss in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2 km Entfernung vorhanden sein. Das erscheint auch uns eine ausreichende Grundversorgung zu sichern.

Nur die Anforderung, dass in Landkreisen in einer Fläche von 80 km2 eine stationäre Einrichtung vorhanden sein muss, erscheint uns als zu wenig. Die Wege sind zu weit, auch wenn alle übrigen Orte mit einem mobilen Postservice versorgt werden müssen.

Insgesamt ist aber der Landesregierung zuzustimmen, dass die postalische Grundversorgung vor dem Hintergrund der Liberalisierung - bisher jedenfalls - als ausreichend zu bezeichnen ist. Allerdings droht immer die Gefahr, wenn private Postdienste der Post AG Konkurrenz machen, dann wird die Post AG auch Leistungen wieder einschränken müssen. All das, was ich vorhin als freiwillig bezeichnet habe, fällt dann möglicherweise weg, und dann kriegen wir riesige Probleme. Also, das ist noch nicht das Ende.

(Lars Harms)

Obwohl es übergeordnet die Aufgabe des Bundes ist, im Bereich des Postwesens für die gesamte Bevölkerung angemessene und ausreichende Postdienstleistungen zu gewährleisten, übernimmt die Post AG dieses und ist darüber hinaus sogar noch weitere Selbstverpflichtungen eingegangen. Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich fatal, wenn die Post in einem liberalisierten Markt Dumpingpreisen von der neuen Konkurrenz ausgesetzt gewesen wäre. Schließlich muss die Post auch erst einmal das Geld für die Universaldienstleistung erwirtschaften, die die anderen nicht erbringen müssen.

Von daher ist es nur logisch, dass man gerade im Postbereich seitens des Bundes versucht hat, einen Mindestlohn für alle Anbieter einzuführen. Mit circa 9,50 € pro Stunde liegt dieser Mindestlohn zwar noch über dem, was zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert, aber prinzipiell war es richtig, gerade in einem liberalisierten Markt eines früheren natürlichen Monopols so einen Mindestlohn gesetzlich festzulegen, damit alle die gleichen Wettbewerbschancen haben. Wenn dann andere private Anbieter mit Pseudogewerkschaften einen Tarifvertrag abschließen, der dann auch noch mit etwas Geld unterfüttert ist, darf man sich nicht wundern, dass es zu Konflikten kommt. Wir als SSW stehen allerdings hinter dem Abschluss, den ver.di mit der Deutschen Post AG geschlossen hat. Das ist der richtige Abschluss, so muss es weitergehen. Insofern teilen wir auch die Ausführungen von Herrn Dr. Stegner voll und ganz. Er hat recht.

(Beifall bei SSW und SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Das glaube ich nicht!)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, nicht weil die Ausführungen zur Sozialpolitik des Kollegen Dr. Garg erwähnenswert wären dass er davon wenig versteht, das wissen wir -, aber den Niedergang der volkswirtschaftlichen Kompetenz in Ihren Bemerkungen fand ich doch einigermaßen erschütternd. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Ernsthaft zu sagen, dass man das richtig findet, dass immer mehr Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse bekommen und Firmen ihr Geschäftsmodell dar

auf aufbauen können, dass sie ihre Leute so schlecht bezahlen, dass der Staat immer mehr zahlt, das ist eigentlich ein rudimentärer Sozialismus. Dann wären Sie bei Herrn Gysi besser aufgehoben als bei jemandem, der sich für Marktwirtschaft einsetzt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das bedeutet nämlich, ich muss mich gar nicht um Qualität kümmern, ich muss gar nichts dafür tun, dass meine Produkte besser werden. Denn der Staat zahlt ja. Und je mehr Unternehmer das tun, desto mehr Kohle kommt vom Staat. Staatsknete, sozusagen das ist Ihre Vorstellung von Marktwirtschaft. Das ist nicht sozial, das ist asozial und unsozial, Herr Kollege Dr. Garg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Sozial ist nicht, was Arbeit schafft - wie manche sagen -, sondern sozial ist, was gute Arbeit schafft, von der man leben kann. Das ist unsere Position zu dem, was in diesem Land sozial ist.

(Beifall bei SPD und SSW)

Machen Sie ruhig weiter so!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Machen Sie weiter so!)

Denn es ist ja schön, dass nicht einmal Ihre eigenen Wähler und Mitglieder etwas davon wissen wollen, was Sie in Ihre Parteiprogramme schreiben - wie wir wissen. Zwei Drittel der FDP-Wähler sind für Mindestlöhne. Das ist eine gute Botschaft.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Im Übrigen muss ich Ihnen ehrlich sagen, dass ich es erstaunlich finde, dass Sie sagen, Sie wollten über so etwas nach und nicht vor den Wahlen reden. Diese Geringschätzung für demokratische Prozesse, dass man in Wahlkämpfen darüber streitet, wo man eigentlich in Zukunft hin will, erstaunt mich schon sehr. Sie kann eigentlich nur etwas damit zu tun haben, dass sie in Kommunalparlamenten kaum vorkommen, sonst würden Sie vielleicht auf andere Ideen kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ein letztes Wort - weil es sich nicht lohnt, sich damit weiter auseinanderzusetzen; intellektuell ist das eher dürftig - an den Kollegen Matthiessen. Sie

(Lars Harms)

fragten: Warum bleibt die SPD in einer Regierung, in der sie das mit den Mindestlöhnen in dieser Form nicht durchsetzen kann? - Ich will Ihnen das sagen: Weil das Thema Mindestlohn für uns keine taktische Frage ist, sondern wir finden das in der Sache richtig und wichtig. Jeder Schritt in die Richtung ist gut. Um all das, was mit dem Koalitionspartner nicht geht, wird in Wahlkämpfen gestritten. Wir wollen nämlich eine Gesellschaft haben, in der die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wenn die SPD dabei ist, ist das sicherer, als wenn sie nicht dabei ist.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

(Konrad Nabel [SPD]: Der Arbeiterführer!)

Lieber Kollege Nabel, im Gegensatz zu Ihnen beschäftige ich Leute mit meiner Arbeit, und dafür bekommen sie ein Gehalt. Das würde ich von Ihnen auch gern sagen. Sie kommen ja aus dem öffentlichen Dienst und mussten nie in Ihrem Leben einen Gedanken daran verschwenden, woher Sie Ihr Gehalt bekommen.

(Beifall bei der FDP - Konrad Nabel [SPD]: Dann schauen Sie in meinen Lebenslauf! Un- erhört, was Sie da sagen! Sie geistiger Zwerg!)

Der Beitrag des Kollegen Stegner hat mir gezeigt, wo der Unterschied zwischen jemandem, der über Theatralik in der Politik promoviert hat, und jemandem wie dem Kollegen Garg, der Ökonomie studiert hat, liegt.

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie möchten gern vor Wahlen über bestimmte Dinge mit uns reden. Das mache ich gern. Ich frage Sie: Was hat eigentlich die Sozialdemokratie in den Jahren 1998 bis 2005 gemacht, als sie mit den Grünen zusammen regiert hat? Haben Sie damals bundesweit einen Gesetzentwurf für Mindestlöhne auf den Weg gebracht? Ja oder Nein?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein! Natürlich nicht!)

Wenn Sie jetzt Nein sagen, dann frage ich Sie, was Sie zu neuen Erkenntnissen gebracht hat und wes

wegen Sie jetzt dafür eintreten, obwohl Sie doch früher Regierungsverantwortung hatten, aber es nicht taten.

(Beifall bei der FDP)