Protocol of the Session on April 24, 2008

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Anträge um Aufsuchungserlaubnis und Probebohrung zeigen eindeutig, dass die RWE Dea in weiten Bereichen des Nationalparkes außerhalb der Mittelplate nach Öl bohren will. Wir haben uns 16 Jahre lang dafür eingesetzt, dass das Wattenmeer als Weltnaturerbe nominiert wird. Sollen wir das nun leichtfertig gefährden? Die Pläne von RWE Dea werden da sicherlich nicht förderlich sein, und die UNESCO wird wahrscheinlich mit Argusaugen unsere Region beobachten. Die Diskussion um die Waldschlösschenbrücke sollte uns hier eine Warnung sein.

(Zuruf von Minister Dr. Christian von Boetti- cher)

- Die SPD hat sich damals beim Koalitionsvertrag dafür eingesetzt, dass der Nationalpark nicht angetastet wird, und es zeigt sich, dass das richtig war. Dabei sind wir vor Ort keine Fundamentalisten, wie Sie wissen, Herr Minister. Wir haben Eingriffe wie die seismischen Untersuchungen 2000 und 2001 und den Ausbau der Pipeline nach Friedrichskoog mitgetragen. Wir haben ihn akzeptiert, weil er notwendig war.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nach vorheriger Genehmigung. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir die Probleme, die dann an uns herangetragen werden, und die Maßnahmen, die im Rahmen des Nationalparkgesetzes durchgeführt werden können, ohne Weiteres gestatten und auch noch begleiten, damit sie durchgeführt werden können und zu einem guten Ende geführt werden. Das möchte ich hier nur betonen.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vor dem Hintergrund sind auch die Einlassungen ernst zu nehmen, mit denen wir vor Ort diskutieren. Wir lassen deshalb durch den Wissenschaftlichen Dienst überprüfen, ob eine Genehmigung der Probebohrungen allen Aspekten des Nationalparkgesetzes rechtlich nicht widerspricht. Das beinhaltet auch Probebohrungen vor Eiderstedt. Es soll also gewährleistet sein, dass hier kein Verstoß gegen das Nationalparkgesetz vorliegt, wenn eine Genehmigung ausgesprochen wird.

Die Probebohrungen stellen außerdem aber - das sollte man immer berücksichtigen - auf jeden Fall einen Störung für die Tierwelt dar. Für den Tourismus ist das Ganze auch keine Werbung. Die Diskussion, die wir 2001 und als die Pipeline verlegt wurde, geführt haben, ist sicherlich in Kiel nicht geführt worden, aber vor Ort ist sie mir bekannt. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Wir wollen das Ergebnis der Wertung des Wissenschaftlichen Dienstes abwarten.

Die Zeit, Herr Kollege!

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin! - Ich erinnere auch an die internationale Verantwortung, die wir für das Wattenmeer haben. Außerdem möchte ich daran erinnern und darauf hinweisen, dass der nordfriesische Kreistag sich aus gutem Grund gegen

Probebohrungen im Ereignisfeld Eiderstedt ausgesprochen hat und einen einstimmigen Beschluss gefasst hat. Dieser ist eindeutig für die Willensbildung in Nordfriesland.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich beantragen werde, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen, lassen Sie mich noch eine grundsätzliche Bemerkung machen, die vielleicht auch hierher gehört. Bemerkungen, die in der Aktion in der Mittagspause über angeblichen Verrat durch Sozialdemokraten gefallen sind, Herr Kollege Matthiessen, halte ich an dieser Stelle nicht für passend -

Herr Buder, die Zeit war abgelaufen.

Trotzdem, Frau Präsidentin! - Ich halte sie für unangebracht, überflüssig. Ich halte sie auch nicht für witzig, ich halte sie für ahistorisch.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich bemühen es nicht so auszudehnen und Ihre Geduld nicht überzustrapazieren.

Das schleswig-holsteinische Wattenmeer ist ein kostbares Gut. Nicht umsonst ist beantragt worden, es als Weltnaturerbe in die Liste der UNESCO aufzunehmen. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat bereits Mitte der 80er-Jahre die Bedeutung des Wattenmeeres als einzigartigen Naturraum erkannt und seinerzeit den Nationalpark Wattenmeer aus der Taufe gehoben.

Es würde im Übrigen heute auch keine Ölförderung in diesem Gebiet geben, wenn nicht bereits zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Nationalparkgesetzes die Genehmigung zur Errichtung der Ölförderplattform Mittelplate erteilt gewesen wäre.

Aber keine Regierung, weder die CDU- oder SPDAlleinregierung noch die Grünen in der Regierungsverantwortung mit den Sozialdemokraten, noch die nun regierende Große Koalition hat die erteilte Genehmigung zur Förderung von Ölvorkom

(Detlef Buder)

men auf der Mittelplate in Zweifel gezogen. Keine dieser Regierungen hat ernsthaft versucht, die Ölförderung zu verhindern oder aber einen Appell an die RWE Dea AG gerichtet, die Ölförderung auf der Mittelplate zu unterlassen. Sie hatten alle einen guten Grund: Es gibt eine rechtmäßig erteilte Genehmigung zur Ölförderung. Diese genießt Bestandsschutz, und daher muss man diesen Eingriff in das Wattenmeer hinnehmen, ob man diesen nun politisch oder ökologisch gutheißt oder nicht.

Nun gibt es eine aktuelle Entwicklung. Es sollen sogenannte Explorationsbohrungen stattfinden. Die Betreiber der Plattform haben sich auf die Suche nach neuen Ölvorkommen im Wattenmeer gemacht. Wir stimmen darin überein, dass diese Bohrungen ökologisch höchst bedenklich sind. Wir sollten aber eines nicht verschweigen: Lieber Kollege Hentschel, Voraussetzung für die hier und heute geführte Debatte um geplante Explorationsbohrungen waren die Genehmigungen des grünen Umweltministers Klaus Müller, der in den Jahren 2000 und 2001 die hierzu erforderlichen seismischen Untersuchungen genehmigt hat. Ich frage mich dann, warum eigentlich nicht seinerzeit eine Debatte von den Ihnen gefordert wurde, unter dem Motto: „Wehret den Anfängen“.

Nichtsdestotrotz dürfen bisher keine Explorationsbohrungen durchgeführt werden, weil die dafür notwendigen Genehmigungen nicht vorliegen, und es ist in der Tat höchst fraglich, ob RWE die notwendigen Unterlagen einreichen kann, um die Genehmigungsvoraussetzungen überhaupt zu erfüllen. Aber das ist keine Entscheidung, die wir hier im Landtag zu treffen haben. Wir können hier noch so viel über Rechtsfragen diskutieren, wir können Auffassungen äußern, ob die Explorationsbohrungen genehmigungsfähig sind oder nicht. Entscheiden können wir es nicht. Das ist keine Angelegenheit des Parlaments. Wir sind Gesetzgebungsorgan und nicht Genehmigungsbehörde. Die Vernunft rät also abzuwarten, was seitens der Behörden entschieden wird.

Wir sind der Auffassung, dass die bestehenden Gesetze die Explorationsbohrungen untersagen. Sollte hingegen die zuständige Behörde die Explorationsbohrungen wider Erwarten erlauben, dann müssten wir uns fragen, ob möglicherweise bei den bestehenden Gesetzen nachgebessert werden muss. Das wäre dann genau die Aufgabe des Parlaments.

Damit steht eigentlich nur noch Punkt vier des Antrages der Grünen ernsthaft zur Debatte. Er besagt, dass die Landesregierung im Bundesrat initiativ werden soll. So sollen eine Umweltverträglichkeits

prüfung sowie eine öffentliche Verbandsanhörung und ein öffentliches Verfahren auch bei der Erteilung von Aufsuchungs-Erlaubnissen die Regel werden. Dies soll gesetzlich geregelt werden. Das hört sich gut an. Öffentlichkeit erhöht Transparenz und damit auch die Überprüfbarkeit von Entscheidungen. Für den Fall einer Genehmigungserteilung bringt dies allerdings gar nichts. Dann müsste man nämlich die Tatbestände ändern, die an die Genehmigungsvoraussetzungen geknüpft sind.

Wir alle wollen, dass unsere ökologische Schatzkiste Wattenmeer von Schaden verschont bleibt. Aber der Inhalt dieses Antrages hilft in der konkreten Frage nicht wirklich weiter. Ich denke, auch die Grünen haben deshalb ein großes Interesse, dass wir die Thematik noch im Ausschuss vertiefen, um ihrem ursprünglichen Interesse gerecht zu werden. Mit dem Antrag kommen wir in der Sache nicht sehr viel weiter.

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg und erteile für den SSW im Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass man überhaupt darüber nachdenkt, im Nationalpark Wattenmeer weitere Ölbohrungen zuzulassen, ist schon schockierend genug. Aber dass diese Tatsache erst deutlich macht, wie löchrig das Bundesbergbaugesetz ist, wenn es um die Beteiligung Dritter am Verfahren geht, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine umfassende Verbandsbeteiligung, wie man sie aus anderen Genehmigungsverfahren kennt, sind hier so nicht vorgesehen. Das heißt, hier wird nach Aktenlage entschieden, und es gibt offiziell keine Möglichkeit, Einfluss auf den Informationsstand der Entscheider zu nehmen. Hier wird deutlich, dass die Bundespolitik auf diesem Feld seit Jahren versagt hat.

Wir stimmen den Grünen zu, wenn sie fordern, dass durch eine Bundesratsinitiative Abhilfe geschaffen werden muss. Eine solche Bundesratsinitiative wäre noch nicht vergebens. Bisher sind nur Explorationsbohrungen beantragt worden. Bohrungen zur Förderung von Öl würden erst später beantragt werden, wenn die Explorationsbohrungen erfolgreich waren. Wer also heute sagt, er wolle keine ausgeweitete Erdölförderung im Wattenmeer, hat heute die Chance, etwas dagegen zu unternehmen.

(Dr. Heiner Garg)

Wir teilen die im Antrag formulierte Auffassung, dass die Erdölförderung im Wattenmeer im Widerspruch zum europäischen Naturschutzrecht und zum Nationalparkgesetz steht. Würde man die Regelungen konsequent anwenden und sich auch auf die einschränkenden Bestimmungen des Berggesetzes berufen, hätte man nach unserer Auffassung gute Chancen, die Genehmigung für diese Bohrungen versagen zu können. Im Antrag sind die entsprechenden überwiegenden öffentlichen Interessen genannt, die einer Genehmigung entgegenstehen. Natürlich sind diese Interessenlagen auslegbar, aber wenn wir diese Bohrungen politisch verhindern wollen und hinter dem Nationalparkgedanken stehen, dann sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen.

Der SSW hat immer gesagt, dass er den Kompromiss, überhaupt Erdölförderung von der Mittelplate aus zuzulassen, zwar mitträgt, dass dieser aber eigentlich im Gegensatz zur Zielsetzung des Nationalparks steht. Hierdurch wird die Natur nicht nachhaltig genutzt, wie beispielsweise von Fischern oder Touristen, sondern Rohstoffe werden unwiederbringlich abgebaut, es wird quasi ausgebeutet, und der Nationalpark wird permanent der Gefahr ausgesetzt, verschmutzt zu werden. Das entspricht nicht dem Nationalparkgedanken. Dies sehen die Menschen vor Ort auch so, und die regionale Politik sieht dies ebenfalls kritisch, wie auch der Kreistag Nordfriesland in Bezug auf Eiderstedt deutlich gemacht hat. Deshalb fordern auch wir die RWE Dea auf, auf neue Erdölbohrungen zu verzichten und stattdessen ein Szenario zu entwickeln, das den Ausstieg aus der Erdölförderung im Nationalpark vorsieht.

Nach unserer Auffassung ist es jetzt wichtig, dass der Landtag ein Signal setzt und deutlich macht, dass er gegen diese Erdölbohrungen ist. Die Landesregierung muss dies dann mit politischen Initiativen unterfüttern.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, sie muss quasi als Beteiligter gegenüber der Genehmigungsbehörde alle Bedenken deutlich machen, die bisher geäußert worden sind. Hierzu sollte sie eng mit der regionalen Ebene zusammenarbeiten. Dabei sollten nicht nur die Kommunalpolitik, sondern auch Naturschutzverbände, Tourismusverbände und andere Nutzer des Nationalparks zu Wort kommen. Auch muss die Landesregierung über den Bundesrat dafür Sorge tragen, dass das Bundesberggesetz geändert wird. Die Menschen und die betroffenen Organisationen müssen mit

reden dürfen. Ebenso ist es notwendig, für einen solchen Eingriff in die Natur eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung zu verlangen.

Wir befinden uns mitten im Antragsverfahren, damit das Wattenmeer ein Weltnaturerbe wird. Ich hoffe, dass hinsichtlich der Anerkennung auch die Erdölbohrungen eine Rolle spielen und dass diese auf Druck der UNESCO verhindert werden. Eigentlich wäre es mit einem Weltnaturerbe nicht zu vereinbaren, würde die Erdölförderung noch ausgeweitet. Aber genau dies wird geschehen, wenn die Explorationsbohrungen zum Erfolg führen. Deshalb müssen wir abwägen: Wollen wir einen Nationalpark und ein Weltnaturerbe mit traditionellen Nutzungen, oder wollen wir Beliebigkeit mit maximaler Ressourcenausbeutung? Für den SSW ist die Antwort klar: Wir wollen den Nationalpark und das Weltnaturerbe erhalten. Nur traditionelle Nutzungen in einem nachhaltigen Umfang sowie der Küstenschutz haben dort ihren Platz.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Für einen Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte eines klarstellen: Genehmigt wird nach Recht und Gesetz. Genehmigungsverfahren kann man nicht politisch beeinflussen. Das gilt für Klaus Müller, und das gilt auch für Anja Hajduk. Das ist völlig logisch.

Die Frage, die sich hier stellt, ist eine andere. Diese Frage haben wir in unserem Antrag aufgeworfen. Sie lautet: Sind vonseiten der Landesregierung nach § 11 Nummer 10 des BBergG die öffentlichen Interessen, die dem entgegenstehen, geltend gemacht worden, und hat es darum eine juristische Auseinandersetzung gegeben? Nach meinem Wissen ist das nicht der Fall gewesen. Deswegen bringe ich das hier ein, und deshalb sagen wir: Das muss geklärt werden.

Das Gleiche gilt für die Anforderungen an die Dea, das gilt auch für die naturschutzrechtlichen Fragen. Das Nationalparkgesetz besagt: Außerhalb der Mittelplate gibt es keine Bohrungen. Steht das Na

(Lars Harms)

tionalparkgesetz in diesem Fall höher als das Bundesberggesetz? Es gibt die Auffassung, das Bundesberggesetz sei Bundesrecht und breche Landesrecht. Es gibt aber auch die Auffassung, das Nationalparkgesetz sei Umsetzung von Bundes- und EURecht und sei lex specialis gegenüber dem anderen Recht. Dann würde es höher stehen.

Genau diese Fragen müssen geklärt werden. Wir haben eine andere Auffassung an dieser Stelle. Wir sind der Meinung, der Landtag sollte den Umweltminister auffordern, sich eindeutig zu positionieren. Wenn dann ein Gericht möglicherweise anders entscheidet, so ist das eine andere Frage. Aber ich gehe von der Logik unseres Nationalparkgesetzes aus, und ich gehe auch von der Logik des Bundesberggesetzes aus und vertrete dabei eine juristische Auffassung.

Ich freue mich, dass die SPD diesbezüglich einen Auftrag gegeben hat. Wir haben angekündigt, wir wollten die gleiche Frage ebenfalls juristisch klären. Vielleicht werden wir aufgrund dieser Klärung schon einen Schritt weiter sein. Dann können wir auch im Ausschuss ausführlich darüber beraten.

Ich behaupte also nicht, dass der Minister das Gesetz brechen kann. Diese Behauptung liegt mir fern. Falls Sie mir das sagen wollen, können Sie gleich auf Ihren Redebeitrag verzichten, Herr Minister. Das ist nicht mein Anliegen. Vielmehr verlange ich von einem Umweltminister, dass er alle Möglichkeiten ausschöpft, um den Nationalpark zu schützen, und dass er sich von einem Wirtschaftsminister oder vom Bergamt in Clausthal-Zellerfeld nicht über den Tisch ziehen lässt.