Protocol of the Session on April 24, 2008

Angesichts des wachsenden Energiebedarfs weltweit ist es aus Sicht des SSW der richtige Weg, auf die dezentrale Versorgung umzuschwenken. Diesbezüglich können wir uns ein Know-how erarbeiten, das dazu beitragen kann, die Energieversorgung in wirtschaftlich schnell wachsenden Ländern wie beispielsweise China oder Indien zu erschließen. Der Energiebedarf in diesen Ländern wird hauptsächlich durch die dezentrale Energieversorgung zu decken sein. Daher sollten wir auch aus wirtschaftlichen Gründen die Umstrukturierung unserer Stromnetze und des Strommanagements voranbringen.

(Lars Harms)

Weiterhin müssen wir Übergangslösungen dafür finden, dass der Energiebedarf bei uns mittelfristig gedeckt werden kann, und zwar unter Berücksichtigung der gesetzten Klimaschutzziele. Unter der Voraussetzung, dass der Anteil der erneuerbaren Energien konstant erhöht wird, sind wir im Übergangszeitraum trotz allem auf fossile Energieträger angewiesen. Um den Bedarf wirklich decken zu können, muss es einen Energiemix aus erneuerbaren Energien und fossilen Energieträgern geben.

Doch mit welchen fossilen Energieträgern wollen wir die Energieversorgung sicherstellen? Die Atomenergie spielt, wie gesagt, aus Sicht des SSW bei der Ausgestaltung des Energiemix keine Rolle. Übrig bleiben also nur Kohle, Gas oder Öl. Bei Gas und Öl wissen wir, dass die Verfügbarkeit dieser Rohstoffe zeitlich eingeschränkt ist und dass sie aus Ländern kommen, deren politische Stabilität derzeit nicht die beste ist. Mit ihnen würden wir uns in eine Abhängigkeit begeben, die wir so nicht wollen. Darüber hinaus würde die Verknappung der Rohstoffe dazu führen, dass die Energiepreise in den nächsten Jahrzehnten enorm stiegen. Die Stromkunden würden dann also Strom teuer bezahlen müssen, und das kann so nicht gewollt sein. Aus Sicht des SSW darf die Energieversorgung nicht zu einem reinen Luxusgut werden.

Bei der Kohle sieht die Situation etwas anders aus. Selbstverständlich ist auch Kohle auch ein endlicher Rohstoff, aber im Gegensatz zu den vorher genannten Energieträgern ist Kohle weltweit vorhanden, und - was wichtiger ist - wir haben sie im eigenen Land. Damit ist zumindest eine gewisse Verfügbarkeit sichergestellt.

Wenn wir nun über Kohlekraftwerke sprechen, sollten wir so ehrlich sein festzustellen, dass wir um deren Einsatz nicht umhinkommen. Bereits heute machen Braun- und Steinkohlekraftwerke rund 50 % der Stromgewinnung aus. Diesen Bedarf können wir nicht mit Gaskraftwerken decken; denn der Bedarf an Gas wäre unerschwinglich hoch. Daher bleibt nur die Möglichkeit, auf Kohlekraftwerke zu setzen.

Im Zusammenhang mit Kohle muss man aber auch so ehrlich sein und feststellen, dass Kohlekraftwerke derzeit die größten CO2-Emittenten sind. Natürlich sind sie nicht die sauberste Energieform; aber wenn es uns gelingt, die veralteten Großkraftwerke durch neue zu ersetzen, erreichen wir auch eine Verbesserung der CO2-Bilanz.

Damit neue Kohlekraftwerke nicht planlos aus dem Boden gestampft werden, ist ein nationales Konzept

erforderlich. Für uns spielt gerade die Nutzung der Abwärme eine maßgebliche Rolle. Eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Stromerzeugung ist der massive Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, da diese die höchste Energieeffizienz aufweist, die wir derzeit erreichen können. Daher muss die Abwärme nutzbar sein. Insoweit kommen nur Standorte infrage, die große Mengen Prozesswärme abnehmen können. Dies und die vorhandene Infrastruktur sprechen in unserem Fall für den Standort Brunsbüttel. Das muss dann aber auch bei der Unternehmensansiedlungspolitik für Schleswig-Holstein eine Rolle spielen. Dort müssen wir zentrieren.

Generell muss aber auch für die Energiegewinnung aus Kohle gelten: Sie ist eine Übergangstechnologie.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Lieber Kollege Matthiessen, wenn wir uns politisch bereiterklären, diesen Weg der mittelfristigen Energieversorgung zu gehen, dann nur, wenn wir gleichzeitig eine Ausstiegsstrategie für die Kohle festlegen, die mit dem Atomausstieg vergleichbar ist. Aus Sicht des SSW ist dies zwar nicht die optimale Lösung, aber das, was derzeit machbar ist, auch unter Berücksichtigung des wachsenden Energiebedarfs.

Die Forderung der Grünen, von der Landeregierung zu verlangen, jegliche Unterstützung der Planungen und des Baues neuer Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein einzustellen, ist so nicht umsetzbar. Die Landesregierung kann die Planung und den Bau eines Kohlekraftwerks nicht ohne Weiteres untersagen, wenn in allen planungs- und genehmigungsrelevanten Instanzen positiv beschieden wurde. Dies mag aus Sicht der Grünen bedauerlich sein, aber es ist notwendig. Ansonsten wären alle planungs- und genehmigungsrelevanten Großprojekte der Behördenwillkür ausgesetzt. Dies kann auch von den Grünen nicht gewollt sein.

(Beifall bei SSW und FDP)

Letztlich gibt es keine Standardlösung der Energieproblematik. Es kommt auf eine nationale langfristige Strategie an, die ehrlich sagt, was möglich ist und was nicht und in welchen Zwischenschritten der Idealzustand in der Energieversorgung, den wir alle wollen, langfristig erreichbar ist. Ich bin mir sicher, dass wir für den Übergangszeitraum auf Kohle nicht verzichten können. Auch wenn wir das alle nicht schön finden, gibt es keine andere Wahl.

(Lars Harms)

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Es liegen Meldungen zu Kurzbeiträgen vor. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die großen Energiekonzerne versuchen mit zwei falschen Behauptungen zu erreichen, dass die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert und dass der Bau von Kohlekraftwerken genehmigt wird.

Erstens wird behauptet, dass zwischen 2020 und 2030, nach dem Abschalten der Atomkraftwerke, eine Stromlücke auftritt. Diese Lücke ist konstruiert, wie mittlerweile eine ganze Reihe wissenschaftlicher Institute, auch die Bundesnetzagentur, auch das Ministerium nachgewiesen haben. Sie ist auf folgende Weise konstruiert: Erstens hat man berechnet, der Energieverbrauch werde weiter steigen. Das widerspricht aber völlig den Energiesparzielen der EU und der Bundesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens liegen die Laufzeiten von Kohlekraftwerken angeblich bei 40 bis 45 Jahren. Dies ist völlig falsch. In letzter Zeit liegen die Laufzeiten von Kohlekraftwerken bei über 50 beziehungsweise 55, teilweise bei 60 Jahren. Drittens wird vorgebracht, die gesicherte Leistung regenerativer Energien liege bei nur 5 %. Die Experten beispielsweise der Universität Kassel gehen aber davon aus, dass die gesicherten Leistungen bei den regenerativen Energien, wenn man ein großes Verbundnetz schafft und dieses ausbaut, tatsächlich bei mindestens 60 % liegen können.

Das sind die drei Falschaussagen, mit denen eine Stromlücke konstruiert worden ist. Darauf baut das Ganze auf.

Die zweite Behauptung lautet, es werde teurer. Der regenerative Verbund und die Universität Kassel haben dazu sehr gute Zahlen und wissenschaftliche Ergebnisse vorzulegen. Ich empfehle, diese einmal im Ausschuss zu beraten. Sie gehen davon aus, dass es in der Tat teurer wird, wenn wir kleine dezentrale Netze schaffen, so wie wir Grünen das früher gewollt haben. Darüber haben wir sehr lange diskutiert. Wir brauchen ein europäisches Hochlei

stungsverbundnetz, um den regenerativen Strom quer durch Europa auszugleichen und damit zu guten Ergebnissen zu kommen. Dann sagen die Experten, dass der regenerative Verbund bereits ab 2015 günstigere Preise liefert als die fossilen Energieträger. Das heißt, wir werden ab 2015 auf dem Kohleweg teurer sein, als wenn wir heute schon mit aller Kraft in regenerative Energien investieren.

Das ist der zweite Fehler, der gemacht worden ist. Wir glauben, es wäre falsch, diesen Weg zu gehen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, der solare Weg ist möglich. Dieser besteht nicht aus einem Angebot, sondern aus einem Mix von Solarkraftwerken, Wasserkraftwerken, Windkraftwerken, Anlagen zur KraftWärme-Kopplung und Biomasse-Kraftwerken, nur für Reststoffe und nicht verbunden mit Produktion vom Acker. Das sind die fünf Elemente eines solaren Verbundes, der Netzsicherheit gewährleistet. Das sechste entscheidende Element ist der Ausbau der transeuropäischen Netze, um ein Verbundsystem von südeuropäischen Solarkraftwerken, nordeuropäischen Wasserkraftwerken und Windkraftwerken an den Meeren auszugleichen.

Drei Minuten sind um, Herr Hentschel!

Ich komme zum Schluss. - Dieser Weg ist machbar. Wir müssen, wenn wir ein neues Haus bauen, alles in das neue Haus investieren. Jede Investition in das alte Haus fehlt uns beim Bau des neuen.

Herr Hentschel!

Lassen Sie uns deswegen den Weg in die Zukunft und nicht rückwärts gehen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Hans-Jörn Arp das Wort.

(Lars Harms)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe diese Debatte als sehr angenehm empfunden. Das wird sicherlich auch noch nicht die letzte Debatte zu dem Thema gewesen sein. Dass mir die Beiträge von Herrn Garg angenehmer waren als andere, wird man auch verstehen. Ich denke, dies ist ein so wichtiges Thema, wenn es um den Standort Deutschland - nicht nur um Schleswig-Holstein - geht, dass man in aller Ehrlichkeit und Offenheit darüber diskutiert, was ich sehr begrüße.

Lieber Kollege Olaf Schulze, im Mai letzten Jahres haben Sie hier an diesem Rednerpult gesagt: Wir sehen es als SPD kritisch. Wir wollen aus klimapolitischen Gründen nicht unbedingt den Bau von weiteren Kohlekraftwerken vorantreiben. - Sie haben aber auch gesagt: Um einen Kohlekraftwerksneubau in kommen wir jetzt nicht umhin. - Das waren Ihre Worte. Wie soll nun ein Wirtschaftsministerium, eine Regierung, ein Parlament damit umgehen, wenn im Mai gesagt wird: „Jawohl, wir sind für eins!“, wenn die SPD sagt: "Jawohl, wir sehen auch die Arbeitsplätze!“, wenn Bundesumweltminister Gabriel in Brunsbüttel oder Dithmarschen sagt: „Ich verstehe die Demonstranten nicht, denn mit jedem Kohlekraftwerk, das wir jetzt nicht bauen, erhöhen wir den Druck auf die Verlängerung der Restlaufzeiten“? - Das, in aller Bescheidenheit, liebe Freundinnen und Freunde unserer gemeinsamen Koalition, muss glaubhaft, ehrlich und durchgehend sein, sonst bestehen wir gemeinsam eine so schwierige, für unser Land so wichtige Debatte nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es liege weitere Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen vor. Zunächst erhält Herr Abgeordneter Konrad Nabel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand den Beitrag des Kollegen Arp ausgesprochen angenehm, nimmt er doch etwas Schärfe aus der Diskussion, nimmt vielleicht auch ein wenig den Ärger über das hämische Lachen der Unwissenden hier zu Beginn der Diskussion, vielleicht auch in der Auseinandersetzung, die ich vorhin mit Herrn Matthiessen hatte. Es wird doch an manchen Stelle sehr emotional. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, mit hämischem Lachen etwas kaschieren zu wollen. Es wäre auch richtig schlimm,

wenn die CDU meinte, Wissen und Kenntnis und daraus folgende Überzeugung seien statisch.

Meine Damen und Herren, wir haben hinzugelernt. Es gab noch nie derartig umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen bezüglich des Klimawandels und der Schädlichkeit der klimarelevanten Gase. Das gab es noch nie in der gesamten Geschichte der Wissenschaft. Wenn wir dann dazugelernt haben und Sie uns das zum Vorwurf machen und die Grünen versuchen, uns von der anderen Seite anzugreifen, dann werde ich ein bisschen böse. Ich bin auch Pädagoge und finde unter pädagogischen Aspekten diese Art der Auseinandersetzung falsch.

Wir haben eine Position entwickelt, die aus voller Überzeugung aus den Schlussfolgerungen des IPCC entwickelt worden ist. Ich glaube, jeder muss dem anderen auch das Recht zubilligen, diese Überzeugung zu haben. Einen Satz von Professor Hohmeyer möchte ich Ihnen allen ins Gedächtnis rufen: Versuchen Sie einmal - hat er gesagt - in das Jahr 2050 zu denken! Tun Sie das zum Beispiel in Bezug auf Brunsbüttel, Herr Minister von Boetticher. Wenn wir das wollen, was bundesweit Gesetz ist Vorrang alternativer Energien -, was auch europaweit gewollt ist, und da steht vielleicht ab 2015 oder 2020 - ich weiß nicht, wie lange die Genehmigungsverfahren und das Bauen dauern; das ist ja heutzutage nicht mehr so einfach - ein Kohlekraftwerk, das vielleicht 45 bis 55 Jahre laufen soll, und möchte gern Strom in das dicke Kabel leiten, in das aber zeitgleich aus den Offshore-Windkraftanlagen viel mehr Strom geleitet wird, dann steht Brunsbüttel da und sagt: Bitte, bitte! Ich möchte gern Strom einleiten! - Das ist eine grandiose Fehlinvestition, was da stattfindet. Das kommt auf die ganze Diskussion zum CO2-Ausstoß noch obendrauf.

Das Zweite betrifft CCS, Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Wir haben ein begrenztes Volumen zur Speicherung von irgendetwas. Ein Teil der Speicher wird zum Beispiel benötigt, um die nationale Gasreserve zu sichern. Es könnte auch sein, dass Menschen auf die Idee kommen, für den nicht ganz regelmäßig laufenden Windstrom Druckluft zu speichern, was, wie ich finde, viel sinnvoller wäre.

Herr Kollege, die drei Minuten sind um.

Ich komme gleich zum Schluss. - Da gibt es dann nicht nur eine Flächen- sondern auch eine Kaver

nenkonkurrenz. Ich finde, all diese Dinge muss man einbeziehen, bevor man anfängt, hämisch zu lachen oder sich wie Rumpelstilzchen anzustellen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster erhält Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Liebe Kollege Arp, ich freue mich darüber, dass meine Landtagsreden so lange gelesen werden und in Erinnerung bleiben. Ich habe damals gesagt, dass wir als SPD in Brunsbüttel im Wort stehen, dass dort weiterhin ein Energiestandort ist.

(Zuruf: Und ein Kohlekraftwerk gebaut wird!)