Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Eichstädt, ich frage nicht: „Was bringt der neue Rundfunkänderungsstaatsvertrag?“, sondern ich gebe gleich die Antworten. Im Wesentlichen werden folgende Änderungen eingeführt:
Erstens. Es wird künftig bei den Landesmedienanstalten eine neue Zulassungs- und Aufsichtskommission geschaffen, die für private Rundfunkprogramme mit bundesweiter Verbreitung zuständig ist. Zweitens. Die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten wird aufgelöst. Dies ist durchaus ein Beitrag zum Bürokratieabbau und zur Einsparung. Drittens. Die Gemeinsame Kommission der Landesmedienanstalten wird geschaffen, die nach 2012 eine gemeinsame Geschäftsstelle bekommen soll. Viertens. Es werden alle technischen Verbreitungsplattformen für Rundfunk mit dem Ziel einer Vielfaltsicherung reguliert. Darüber hinaus werden die Voraussetzungen für die Erhebung von Daten durch die GEZ modifiziert, was durchaus Sinn macht, und wir dürfen schon gespannt darauf sein, ob unser Landesdatenschützer diese Regelungen im Kern mittragen wird.
Große Konfliktpunkte, wie die Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühr und die künftige Struktur dieser Gebühren, finden sich in diesem Staatsvertrag hingegen nicht. Allerdings lässt der vorgelegte Staatsvertrag auch noch Fragen offen, die im Anhörungsverfahren im Ausschuss zu klären sind. Dies gilt insbesondere
- guten Morgen, Herr Innenminister! - für die künftigen Regelungen für sogenannte Verbreitungsplattformen. Bisher haben sich die Regelungen zur Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen lediglich auf die Kabelnetze bezogen. Nunmehr werden durch die neue Regelung auch Satellit und die Terrestrik einbezogen. Das macht auf den ersten Blick zwar Sinn, dennoch hat sich zumindest zum ersten Entwurf des Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages der Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber nicht gerade wohlwollend zu dieser Frage geäußert, Kollege Eichstädt. So führt der Verband aus, dass das Konzept einer einheitlichen Regulierung von Übertragungsnetzen und Plattformen nicht zielführend sei. Es besitze nicht die notwendige Trennschärfe, um der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der relevanten Sachverhalte gerecht zu werden, und vermenge Aspekte, die nicht zusammengehörten. Dies treffe in besonderem Maße Netzbetreiber, die keine eigenen sogenannten „Play Out Center“ nutzen, sondern die Programme lediglich unverändert weiterverbreiten. Somit sei in vielen Punkten eine drastische Überregulierung der Netzbetreiber die Folge und stelle für die Beteiligten einen unangemessen hohen bürokratischen Aufwand dar. Der Rundfunkstaatsvertrag sollte nach Auffassung des Verbandes weiterhin zwischen Netzbetrieb und Plattformfunktion unterscheiden. Ich denke, wir werden dem Verband in der Anhörung zum Staatsvertrag die Gelegenheit geben, festzustellen, ob die Kritik aufrechterhalten bleibt oder nicht.
Ich möchte aber die Zeit in der heutigen Debatte auch nutzen, um ähnlich wie Kollege Wadephul noch einmal einen kurzen Ausblick auf die kommende Erhöhung der Rundfunkgebühren im Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu geben, der im April/Mai dieses Jahres dem Parlament zugeleitet werden soll.
Wir hatten ja erst vor Kurzem eine Einschätzung der Landesregierung zu diesem Thema im Innenund Rechtsausschuss. Der neue Bericht der Kommission zur Erhebung des Finanzbedarfs, kurz KEF, schlägt eine Erhöhung der Rundfunkgebühren um 95 ct auf 17,98 € pro Monat vor. Die Erhöhung werde für die nächste Gebührenperiode vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2012 gelten. Die Neustrukturierung der Rundfunkgebühren bringt dann natürlich auch die Frage nach der Gebührenpflicht für Internet-PC wieder auf den Tisch. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist durch die ordnungspolitisch verfehlte Ausweitung der Gebührenpflicht auf diese „neuartigen Rundfunkgeräte“ ein schwerer Imageschaden entstanden. Die Einnahmen machen nicht einmal 0,05 % des gesamten Finanzauf
kommens beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Sie sind also zur Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht zwingend notwendig. Wir sollten daher wirklich darüber nachdenken, Herr Ministerpräsident, diese Gebührenpflicht wieder zurückzunehmen.
Auch inhaltlich sollten die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darüber nachdenken, lieber Kollege Wadephul, ob ihre Programmgestaltung wirklich eine Gebührenpflicht rechtfertigt. Ich sage ausdrücklich, auch wenn ich solche Sendungen selten sehe, Sendungen wie die „Styling-Show mit Bruce Darnell“ gibt es auf jeden Fall werbefinanziert bei privaten Sendern zur Genüge. Dafür braucht man die ARD und das ZDF nicht.
Ich danke dem Herrn Oppositionsführer und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Vertretung meines Kollegen Hentschel halte ich hier heute diese Rede.
Der Gesetzentwurf zum Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält einige relevante Änderungen zur Medienaufsicht - dies wurde hier schon Thema -, aber anders als die Vorredner haben wir hiermit durchaus Probleme. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, die sogenannte KEK, wird doch gravierend umstrukturiert. Die KEK ist als staatsfernes, standortunabhängiges Organ für die abschließende Beurteilung von Fragestellungen der Sicherung von Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen zuständig, so ist die offizielle Definition. Für diese Aufgabe ist die KEK mit sechs unabhängigen und weisungsfreien Sachverständigen des Rundfunkund des Wirtschaftsrechts besetzt. Sie fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder.
Wie soll das zukünftig werden? Die KEK soll um sechs Direktoren der Landesmedienanstalten erweitert werden. Diese Neubesetzung halten wir für fragwürdig, ja für gefährlich. Wir vermuten, dass hier doch Standortpolitik durch die Hintertür gemacht wird. Erinnern wir uns: Der Streit um die Fu
sion des Springer-Verlags und ProSiebenSat.1 war maßgeblich von der KEK bestimmt worden. Sie hat nämlich aus guten sachlichen Gründen diese Fusion untersagt. Das war unter Medienkonzentrationsgesichtspunkten eine sehr wichtige Entscheidung. Wir fragen uns, ob die KEK zukünftig in der Lage sein wird, solche Entscheidungen wieder zu treffen. Gerade die Landesmedienanstalten waren diejenigen, die sich durch diese Entscheidung auf die Füße getreten fühlten, und jetzt werden sie mehr Einfluss auf die KEK bekommen. Das halten wir für bedenklich, daher haben wir an dieser Stelle unsere kritischen Fragen.
Neben der Erweiterung der KEK soll ein zusätzliches Gremium, nämlich die Kommission für Zulassung und Aufsicht - kurz ZAK -, gegründet werden. Wir finden, dass die Landesmedienanstalten nicht in die KEK gehören, dass sie eigene Gremien haben.
Die Kommission für Zulassung und Aufsicht soll die Zulassung und Aufsicht für bundesweit ausgestrahlte Programme übernehmen und wird durch Vertreter der Landesmedienanstalten besetzt. Dafür wird die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten - kurz KDLM - abgeschafft.
Wir wollen die KDLM als Revisionsinstanz ebenfalls abschaffen, aber keineswegs im gleichen Atemzug den Landesmedienanstalten Einzug in die KEK gewähren. Die Entscheidungen der KEK sollen definitiv sein. Wozu sollte es ein solches Gremium sonst geben?
Die Bildung der ZAK wiederum geht zwar in die richtige Richtung, allerdings geht uns der Vorschlag nicht weit genug. Wir stellen uns beispielsweise eine Stiftung Medientest vor und möchten zudem die Bürgerradios und den lokalen Rundfunk gestärkt sehen. Diese Dinge müssten unserer Meinung nach in einem Staatsvertrag gleichzeitig mit angepackt werden; dazu findet sich aber nichts.
Auch die Regelungen zum Datenschutz stellen uns nicht zufrieden. Es gibt zwar Verbesserungen, aber es sind zu wenige. Die GEZ darf beispielsweise weiterhin die Anschriften der Bürgerinnen und Bürger bei Adressagenturen einkaufen. Das halten wir für sehr problematisch, weil die GEZ bereits heute einen besonderen Zugang zu Daten über die Einwohnermeldeämter hat. Unserer Ansicht nach wird
damit der Ruf der GEZ auch weiterhin in Mitleidenschaft gezogen, worunter letztlich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk leidet. Denn wenn der Verdacht im Raum steht, dass mit den Adressen nicht ordentlich umgegangen wird, wird es sicherlich noch schwieriger werden, Rundfunkgebühren einzutreiben.
Zusammenfassend können wir keine Effizienzvorteile durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sehen. Das aber sollte Sinn und Zweck einer Revision sein. Wir sehen nur, dass mit dieser Revision die Unabhängigkeit der KEK unterwandert wird und der Einfluss von Standortinteressen daher vorhersehbar ist.
Medien sind keine Ware wie jede andere. Zu Recht hat der Kollege Eichstädt auf unseren Dissens mit manchen EU-Gremien hingewiesen. Unserer Meinung nach ist unabhängige Medienaufsicht immer auch ein Stück Demokratie. Die KEK sollte ein unabhängiges Gremium bleiben. Deswegen wird meine Fraktion der Änderung des Rundfunkstaatsvertrags in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen.
Wir sollten uns einmal überlegen, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen. Wie ist eigentlich entschieden worden, welche sechs Landesmedienanstalten den Platz in der ZAK erhalten haben?
Es ist so, dass beispielsweise Bayern vertreten ist. Soweit ich weiß, sind keine neuen Bundesländer vertreten. Insofern ist es aus unserer Sicht äußerst fragwürdig, wie solche Gremien zustande kommen und auf welche Weise sich bestimmte Länder dort durchsetzen. Auch das ist ein Grund, warum wir kritisch nachfragen und nicht so ohne Weiteres zustimmen können.
Herr Ministerpräsident, Sie haben anfangs die neuen Medien und das Internet aufgegriffen. Diese Punkte werden in dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag überhaupt nicht erwähnt. Anschließend haben Sie auf den Elften und Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag hingewiesen. Ich bin gespannt, ob diese beiden Verträge auf diese Punkte eingehen. Ich möchte Sie bitten, dass uns diese beiden Rundfunkänderungsstaatsverträge nicht erst präsentiert werden, wenn schon alle Türen geschlossen sind und wir nur noch Ja oder Nein sagen können.
Wenn Sie jetzt schon wissen, was auf den Weg gebracht wird, dann bitte ich Sie, dass Sie die Gremien dieses Landtages rechtzeitig beteiligen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Medienfachleute der Gewerkschaft ver.di kritisieren den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als eine Medienpolitik hinter verschlossenen Türen. Darüber müssen wir diskutieren und das haben wir in der Vergangenheit auch gemacht. Ich möchte redlicherweise hinzufügen, dass sich der Innen- und Rechtsausschuss in letzter Zeit mehrfach mit Medienfragen befasst hat. Insofern gebührt dem Vorsitzenden ein Lob. Ich finde, das ist sehr gut und nach den Ausführungen des Ministerpräsidenten halte ich es für sehr wichtig, dass wir am Ball bleiben.
Mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll eine stärkere Einbeziehung der Länder institutionalisiert werden. Die Landesmedienanstalten sollen gestärkt werden. Gleichwohl ist es aus Sicht des SSW ein Problem, dass die Landesparlamente immer noch nicht besser in diese Diskussion eingebunden werden.
Beispielsweise waren bei der Anhörung im letzten Sommer in Berlin meines Wissens Medienpolitiker aus den Ländern gar nicht zugelassen.
Der Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag will unter anderem die Aufsicht verbessern. Das Thema der besseren Kontrolle wird uns in den kommenden Jahren immer wieder beschäftigen. Dafür spricht schlicht und ergreifend schon die medientechnologische Entwicklung.
Ein aktuelles Beispiel: jugendgefährdende Texte auf den Teletextseiten von 19 privaten Sendern, die allesamt parallel zum Kinderprogramm geschaltet waren. Kinder, die unbeabsichtigt oder nicht auf die Teletexttaste der Fernbedienung gerieten, konnten bereits auf der nachmittäglichen Startseite der Sender pornografische Texte lesen.
Die Medienaufsicht hatte bereits Untersuchungen eingeleitet, aber erst die Veröffentlichung dieses Skandals im NDR-Magazin „Zapp“ hat die Anbieter zum sofortigen Umlenken bewegt. Sie schalten jetzt die entsprechenden Seiten erst nach 20:00 Uhr frei. Ob dies allerdings zur Beruhigung beiträgt, wage ich zu bezweifeln.
Das Beispiel zeigt, womit wir es schon heute zu tun haben und womit wir es in Zukunft noch verstärkt zu tun haben werden. In Zukunft soll durch eine neue Kommission, die ihre Aufgabe im Namen trägt, schneller durchgegriffen werden. Kollege Neugebauer, das ist die Kommission für Zulassung und Aufsicht - kurz ZAK -, die durch die 14 Landesmedienanstalten gebildet wird. Allerdings bezweifle ich, dass die ungenaue Kompetenzzuschreibung der Kommission wirklich ein Fortschritt ist und den gewünschten Effekt erzielen wird. Diesen Punkt sollten wir im Ausschuss behandeln.
Der SSW sieht die Umstrukturierung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich sehr kritisch. Die KEK wurde 1997 ausdrücklich als unabhängige Expertenkommission gegründet.