Protocol of the Session on September 1, 2005

Wir müssen auch die Ausgaben auf Veranlassung des Bundes und der Europäischen Union begrenzen. Das ist nicht nur ein Wort, das wir nachsagen. Alle Anstrengungen in eigener Zuständigkeit werden nicht genügen, das angestrebte Ziel auch nur annähernd zu erreichen. Auf Veranlassung des Bundes und der Europäischen Union haben wir Ausgaben von etwa 900 Millionen €. Deshalb werden wir insbesondere auch hier mehr Einfluss ausüben müssen, bevor Entscheidungen auf uns zukommen, damit Länder und Kommunen nicht immer mehr mit neuen Aufgaben überzogen werden, ohne dass dafür zugleich bisherige Aufgaben entfallen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich sage das auch sehr deutlich, weil es dazu in nächster Zeit Vorschläge geben wird. Ohne dass Aufgaben neu hinzukommen, werden wir uns von bestehenden Aufgaben und den damit verbundenen Ausgaben trennen müssen. Das wird manchmal auch wehtun.

Wir investieren in zukunftsfähige Projekte für Wachstum und Arbeitsplätze. Auch hierzu ist bereits einiges gesagt worden. Dabei hat für die Landesregierung alles Vorrang, wodurch in unserem Land irgendwie Wachstum ermöglicht wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das sind insbesondere solche, die weitere kommunale und private Investitionen nach sich ziehen und damit für eine Verbesserung der Infrastruktur sorgen.

Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in der längsten Wachstums- und der schwersten Beschäftigungskrise in ihrer Geschichte. Schleswig-Holstein ist davon gleichermaßen betroffen. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Steigerung unseres Bruttoinlandsprodukts liegt etwa auf der gleichen Höhe wie die in der Bundesrepublik. 154.000 Einwohner unseres Landes sind arbeitslos. Sie können ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Arbeitseinkommen bestreiten. Das bedeutet neben den gravierenden Verwerfungen und ihren Folgen zugleich erhebliche Mindereinnahmen bei den Steuern und Sozialabgaben, was zu entsprechend geringeren sozialen Ausgaben führt.

Ohne weit reichende Reformen am Arbeitsmarkt und Reformen bei der Struktur und Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und ohne deutliche und

(Minister Rainer Wiegard)

drastische Reformen im undurchsichtigen Steuerdschungel Deutschlands werden wir weder in Deutschland noch in Schleswig-Holstein im Wettbewerb auf den stetig offener und größer werdenden Märkten in Europa und in der Welt bestehen können. Mehr und bessere Bildung und deutlich kürzere Ausbildungszeiten gehören gleichermaßen in diese Überlegungen hinein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weil das so ist und weil Schleswig-Holstein in einer besonderen Abhängigkeit von diesen über SchleswigHolstein hinaus wirkenden Maßnahmen ist, wird diese Landesregierung nach der Bundestagswahl mit dazu beitragen, dass es in den Fragen, die ich eben genannt habe, im Bundesrat zu schnellen Entscheidungen kommt, weil dies für Schleswig-Holstein wichtig ist.

(Beifall bei der CDU)

Dies wird unabhängig davon geschehen, wer dann regiert. Ich habe da eine gewisse Präferenz, wie Sie vermuten können,

(Zuruf von der SPD: Wir auch!)

aber Wahlen in Deutschland sind ja geheim.

Alle diese Anstrengungen zusammen werden kurzfristig aber nicht reichen. Die Deckungslücke im Haushalt kann auch nicht annähernd durch Einsparungen oder reguläre Mehreinnahmen geschlossen werden. Deshalb schlägt Ihnen die Landesregierung vor, die Haushaltsbelastung durch eine Erhöhung der Kreditaufnahme auszugleichen. Sie übersteigt die Summe der eigenfinanzierten Investitionen um mehr als 1,1 Milliarden €. Ursache dafür sind die eben genannten Gründe. Neben dem strukturellen Haushaltsdefizit zählen dazu vor allem auch fehlendes angemessenes wirtschaftliches Wachstum und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit mit den genannten Folgen.

Die genannten Gründe rechtfertigen jedoch für sich noch keine Überschreitung der Kreditaufnahmegrenze. Die erhöhte Kreditaufnahme müsste vielmehr dafür bestimmt und geeignet sein, eine solche Störung abzuwehren beziehungsweise zu überwinden. Dafür ist die im Entwurf des Nachtrags vorgeschlagene Erhöhung nicht geeignet. Wie eingangs erwähnt, dient sie zu drei Vierteln der Finanzierung geplanter, aber nicht realisierbarer Einnahmen. Zu einem Viertel dient sie zur Finanzierung von realisierten, aber nicht geplanten Ausgaben. Eine Alternative zu dieser Krediterhöhung besteht dennoch nicht. Einsparungen in der erforderlichen Größenordnung sind angesichts der Versteinerung des Haushalts kurzfristig objektiv un

möglich, zumal die Landesregierung durch Konkretisierung der geplanten globalen Mehrausgaben bereits gegengesteuert hat.

Um Einsparungen in der entsprechenden Größenordnung von 1,1 Milliarden € zu bewirken, müsste das Land in einem nicht vertretbaren Ausmaß in wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge eingreifen. Ich nenne Ihnen drei Beispiele: Wir geben für den kommunalen Finanzausgleich jährlich etwa 1 Milliarde € aus den Steuereinnahmen des Landes aus. Allenfalls theoretisch wäre es vorstellbar, diese Ausgaben weitestgehend zu streichen und die Finanzprobleme des Landes damit auf die Kommunen zu übertragen. Für pensionierte Lehrer sind in diesem Jahr 950 Lehrkräfte auf Dauer neu eingestellt worden. Weitere 607 Zeitverträge sind geschlossen worden und 635 Lehramtsanwärter sind eingestellt worden. Ein diesjähriger und dann jährlich zu wiederholender Verzicht auf diese Ersatzeinstellungen würde zwar in wenigen Jahren bei Personalkosten Einsparungen in der Höhe von mehreren 100 Millionen € ermöglichen, aber jeder erkennt, dass das einfach nicht geht.

Im Bereich von Polizei und Justiz könnte durch Verzicht auf jährliche Ersatzeinstellungen - in diesem Jahr haben wir 234 Nachwuchskräfte eingestellt - zwar der Haushalt entlastet werden, aber die innere Sicherheit und die Rechtssicherheit könnten nicht mehr gewährleistet werden. Die Kompetenzen von Landtag und Landesregierung stoßen an ihre Grenzen, wenn eine ernsthafte Gefährdung der erforderlichen Aufgabenerfüllung des Landes und der Kommunen eintreten würde. Ich halte es deshalb für unausweichlich und nur in diesem Sinne auch für vertretbar, wenn das Defizit des Haushalts vorübergehend durch eine erhöhte Kreditaufnahme ausgeglichen wird.

Lassen Sie mich ein Wort zu dem Brief des Landesrechnungshofs an den Vorsitzenden des Finanzausschusses sagen, in dem in diesem Zusammenhang von einer bedenklichen Erosion des Rechtsbewusstseins und der Rechtstreue gesprochen wird. Das hat mich schon sehr gewundert, zumal ich zu denen gehöre, die ihr Handeln gern an klar definierten Grundsätzen ausrichten. Deshalb sage ich dazu sehr deutlich: Sie werden mich nicht auf der Seite derjenigen finden, die wortreich eine Verfassungsmäßigkeit vortäuschen, die einer sachgerechten Überprüfung nicht standhält.

(Beifall bei CDU, FDP sowie der Abgeord- neten Holger Astrup [SPD] und Anke Spoo- rendonk [SSW])

Zu meinem Verständnis von Rechtsbewusstsein und Rechtstreue gehört auch, dass man sich selbst, das

(Minister Rainer Wiegard)

Parlament, die Öffentlichkeit und auch die Verfassung nicht vorsätzlich belügt. Ich bedaure es wohl am meisten, dass wir diesen Weg gehen müssen, aber dieser Landeshaushalt ist in diesem Zustand nicht verfassungsgemäß zu begründen. Ich bedanke mich deshalb auch bei den Fraktionen dafür, dass sie mit großem Ernst einen Entschließungsantrag gerade zu dieser besonderen Problematik erarbeitet und dem Parlament vorgelegt haben.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Entschließungsantrag ken- nen wir nicht!)

Ich möchte zugleich den Mitgliedern des Finanzausschusses für die zügige Beratung danken. Vor allem aber danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses und den an den Haushaltsberatungen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ressorts. Unter veränderten Bedingungen und unter gleichzeitig verkürzter Beratungszeit zwei Haushalte vorzulegen, verdient unser aller Respekt und Anerkennung.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Die Landesregierung hat den Weg der offenen und ehrlichen Darstellung der Haushaltssituation und ihrer Folgen gewählt. Die Beschreibung der Haushaltslage ist bitter. Die negative Tendenz wird grundsätzlich jedoch niemanden überraschen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf zeigt die Lage, die Chancen und die Risiken auf. Die durch die Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen und die erwarteten Veränderungen der Rahmenbedingungen rechtfertigen die Prognose, dass wir bei großen Anstrengungen das ambitionierte Ziel erreichen können, bis zum Ende der Legislaturperiode zu verfassungsgemäßen Haushalten zurückzukehren.

(Anhaltender Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Ich danke Finanzminister Wiegard. Wie angemeldet haben Sie die Redezeit um vier Minuten überzogen, und zwar mit Bezug auf § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung, wobei ich die Fraktionen darauf hinweisen möchte, dass - abgesehen vom SSW - alle Fraktionen noch Restredezeiten haben. Lieber Herr Minister, es ist eine gewisse Irritation bei der Abgeordneten Heinold entstanden, weil Sie auf eine Resolution Bezug genommen haben, die dem Haus noch nicht vorliegt.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Kollegin, Sie melden sich zu Wort und stellen sich ans Mikrophon. So geht es nicht!

Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin! Ich bin etwas irritiert, weil der Minister gerade von einem Entschließungsantrag zu der wichtigen Frage der Verfassungsmäßigkeit, dessen Inhalt wir nicht kennen und über den hier abgestimmt werden soll, gesprochen hat. Mir liegt dieser Antrag nicht vor. Ich wäre sehr dankbar, wenn er dem Parlament vorgelegt werden würde.

(Wortmeldung des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Der Herr Abgeordnete Astrup hat sich zur Aufklärung gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Heinold! Der Herr Finanzminister hat sich lediglich versprochen. Er hat auf den Nachtrag Bezug genommen. Sie werden diesen Antrag zur Beratung des Haushalts 2006 finden. Das war ein schlichter Versprecher. Er wird in der Mittagspause gefertigt und liegt dann vor.

Sind alle einverstanden mit dieser Erklärung? - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/234, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Ich lasse nun über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/219, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer so beschließen und der Ausschussempfehlung folgen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung angenommen worden.

Wir haben bis 13 Uhr noch etwas Zeit. Mir ist mitgeteilt worden, dass man sich geeinigt hat, die Tagesordnungspunkte ohne Aussprache aufzurufen. Ist das so einvernehmlich? - Gut.

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/59

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 16/153

Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Kalinka, das Wort.

Der Landtag hat den Gesetzentwurf zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes durch Plenarbeschluss vom 27. Mai 2005 an den Innen- und Rechtsausschuss zur Beratung überwiesen. Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 8. Juli 2005 befasst. Er empfiehlt ihn dem Landtag einstimmig unverändert zur Annahme.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ich nicht vorgesehen.

Der Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/59. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über die einheitliche Ausbildung der Anwärter für den höheren Polizeivollzugsdienst und über die PolizeiFührungsakademie Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/63

Bericht- und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 16/154