Das ist besonders beunruhigend, wenn ausgerechnet Schleswig-Holstein Rückzahlungen in den Länderfinanzausgleich zu leisten hat, zeigt es doch, dass nicht nur wir hier im Norden in die Knie gehen, sondern auch alle anderen Bundesländer unter sinkenden Steuereinnahmen leiden. Dieses Leiden muss ein Ende haben. Ich bin auch der Meinung, dass das Leiden der derzeitigen Bundesregierung ein Ende haben muss.
Wachstum und Arbeit müssen in der Politik absoluten Vorrang bekommen. Die Kraft des Neuanfangs in Berlin wird auch den Ländern zugute kommen, und deshalb setzen wir auf diesen Neuanfang.
Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt weist eine Kreditfinanzierungsquote von 20,7 % aus. Das heißt, dass 20,7 % der Nettoausgaben durch neu aufgenommene Kredite finanziert werden müssen. Das gilt natürlich auch für die Mittel, die für den Schleswig-Holstein-Fonds zur Verfügung gestellt werden. Wir reden hier allerdings über Investitionen. Wer in schlechten Zeiten nicht den Mut und nicht die Kraft hat zu investieren, der wird die guten Zeiten möglicherweise gar nicht mehr erleben. Deshalb ist es nicht nur politisch vertretbar, sondern geradezu geboten hinzunehmen, dass Teile dieses Fonds kreditfinanziert sind. Wir erreichen damit immerhin, dass das Vier- bis Fünffache dessen, was wir als Mittel in den Fonds hineinstecken, in Form von Investitionen in unser Land hineinfließen werden.
1,7 Milliarden € zusätzliche Investitionen in Schleswig-Holstein bis 2010 - das sind die Impulse, die wir brauchen, das ist Beschäftigungspolitik pur, das sind Maßnahmen, die uns helfen, aus der Krise herauszukommen. Wenn wir auf Zukunft setzen, dann müssen wir auch dieses Stück Zukunftsinvestition finanzieren können.
Es gibt unglaublich viele Zahlen und Zahlenverhältnisse, die man heranziehen kann, um die außerordentliche Dramatik der Finanzlage unseres Landes darzustellen. Bisher habe ich als prägnantestes Beispiel hierfür immer die Zinssteuerquote in Höhe von fast 18 % angesehen. Das bedeutet nämlich, dass wir von
allen Steuern, die wir in Schleswig-Holstein einnehmen, fast jeden fünften Euro verwenden müssen, um die Zinsen für den in der Vergangenheit aufgehäuften Schuldenberg bezahlen zu können.
Dagegen stehen per Ende 2005 rund 22 Milliarden € Schulden auf der einen Seite, während auf der anderen Seite das einstmals vorhandene Tafelsilber - vielleicht bis auf wenige kleine Teelöffel und Kuchengabeln - bereits veräußert ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass nichts die Dramatik besser beschreiben kann, dass es keinen überzeugenderen Weg gibt, parteiübergreifend den Wandel von der Verschuldungsgesellschaft in die Tilgungsgesellschaft einzuleiten als der von der Landesregierung eingeschlagene Weg von Wahrheit und Klarheit, zu dem der mutige Schritt gehört, dem Nachtragshaushaltsentwurf 2005 und dem Haushaltsentwurf 2006 nicht das Siegel der Verfassungsmäßigkeit aufzudrücken. Es gibt nichts mehr zu beschönigen und schon gar nichts zu taktieren. Selbst wenn es für die Landesregierung erwägenswert gewesen wäre, die über die eigenfinanzierten Investitionen hinausgehende Neuverschuldung mit einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu begründen, wäre kaum noch darzulegen, wenn man sich den Grundsätzen der Wahrheit und Haushaltsklarheit verschrieben hat, dass die erhöhte Kreditaufnahme voll umfänglich dazu geeignet und bestimmt ist, eben diese Störung auch abzuwehren.
Dieses Vorgehen der Landesregierung, sich nicht auf die Störung zu berufen, ist kein Manöver, sondern es ist der Ernstfall. Es ist das klare Bekenntnis unseres Landes, so wie bisher nicht mehr weitermachen zu können. Es ist eindringlicher Appell an die Bundespolitik, alles zu befördern, was Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bringt sowie politische und administrative Entscheidungsprozesse verkürzt. Es ist aber auch das Signal an die Bürger, die Anspruchshaltung gegenüber Staat und Kommunen zu korrigieren und sich auf noch mehr Eigenverantwortung für sich selbst und für die eigene Familie einzustellen. Es ist die Chance für eine Politikergeneration wie uns, die ihren Eltern und Großeltern kritische Fragen gestellt hat und oft ausweichende Antworten erhielt, sich zu ersparen, selbst einmal von den eigenen Kindern oder Enkelkindern gefragt zu werden, warum so viele Schulden gemacht wurden, obwohl der Wohlstand doch bereits gesichert war, und warum man es sich gut gehen ließ und in Kauf nahm, dass nachfolgende Generationen die Zeche zu bezahlen haben. Allerspätestens seit heute, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, könnten wir nicht einmal mehr behaupten, wir hätten das alles nicht gewusst. Darum lassen Sie uns den Weg beschreiten, die haushaltspolitische Wende einzuleiten, die ersten Schritte zu vollziehen,
eine Wende, die es uns ermöglichen wird, den Fragen der nachfolgenden Generationen auch standzuhalten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede zum Nachtragshaushalt mit einer kurzen Antwort auf den Berichterstatter des Finanzausschusses, den Kollegen Neugebauer, beginnen, der in den Saal hineinrief, die FDP habe - wie immer - jedes finanzpolitische Alternativkonzept vermissen lassen. Kollege Neugebauer, wir haben ein finanzpolitisches Alternativkonzept. Das besteht schlicht und ergreifend darin, dass die SPD aus der Regierung muss. Dass das einen realen Hintergrund hat, kann man daran sehen, dass die Unternehmen und die Bürger, seit Bundeskanzler Schröder am 22. Mai erklärt hat, er wolle in den Vorruhestand gehen, wieder optimistischer in die Zukunft sehen. Ich sage Ihnen: Wachstum ist die erste Voraussetzung dafür, dass wir auch finanzpolitisch die Probleme in den Griff bekommen. Wenn denn die Ankündigung der Sozialdemokraten, sie können und wollen nicht mehr, die Wirtschaft und die Menschen im Lande beflügelt, dann sollten wir vielleicht auch in Schleswig-Holstein dazu beitragen, dass das geschieht.
Mit dem Entwurf des Nachtrags zum Haushalt 2005 bringt die Landesregierung heute ihren ersten Haushaltsentwurf ein. Er steht fast ganz im Zeichen der Vergangenheitsbewältigung: Die neue schwarz-rote Landesregierung versucht verzweifelt, die Hinterlassenschaften der rot-grünen Ex-Regierung mit neuen Schulden zuzudecken, Schulden katastrophalen Ausmaßes, ein Ausmaß, das in weiten Teilen schon lange offensichtlich war. Allein das zeigt schon, wie schlecht die rot-grüne Politik war.
Über 1,7 Milliarden € neue Schulden braucht der Finanzminister. Über 1,7 Milliarden € neue Schulden, um die rot-grünen Haushaltslöcher abzudecken, da kann ich nur sagen: das ist kein Aufbruch, sondern das ist Abbruch.
Eine Tageszeitung berichtete über den neuen Finanzminister sinngemäß, er könne sich persönlich keine schönere Aufgabe vorstellen, als die Finanzen des
Landes zu sanieren. Herr Finanzminister, lieber Kollege Wiegard, das ehrt Sie und Ihnen persönlich glaube ich das sogar.
Da finde ich es tragisch, dass Sie als Finanzminister für Ihren Einstand 1,7 Milliarden € Schulden auf anderer Menschen Kosten machen müssen; denn normalerweise zahlt man den Einstand aus eigener Tasche.
2005 über 1,7 Milliarden € neue Schulden, das ist die Folge unverantwortlicher Geldverbrennung durch die alte Landesregierung. Dieses finanzpolitische Grauen hat einen Namen: der lautet Ralf Stegner.
Dass er wieder im Kabinett sitzt, zeigt zweierlei: Erstens scheint sich auch hier wieder die alte Skatweisheit zu beweisen, dass bleibt, wer schreibt. Zweitens scheint es Herrn Minister Stegner gelungen zu sein, mit viel PR in eigener Sache von seinem finanzpolitischen Versagen abzulenken. PR, das passt gut zu ihm und seiner Hinterlassenschaft, PR wie PleitenRalle.
Ich sagte es schon: Wer schreibt, der bleibt. Minister Stegners engster und wichtigster Helfershelfer beim Anhäufen seiner Erblast ist auch in das neue Kabinett befördert worden: Herr Döring ist jetzt Minister für Justiz, Arbeit und Europa. Er hat letzte Woche offenbart, wie das mit der Finanzpolitik bei Rot-Grün lief: Als er seine Pläne für den Umbau der schleswigholsteinischen Amtsgerichtsbarkeit vorstellte, rühmte Herr Minister Döring sich nämlich, er könne nach sechseinhalb Jahren als Finanzstaatssekretär fast jedes Projekt wirtschaftlich rechnen. Diese Aussage war einer großen schleswig-holsteinischen Tageszeitung immerhin das Zitat des Tages wert.
Aus Herrn Minister Dörings Aussage folgt für mich zweierlei: Erstens. Er könnte anscheinend auch bei den meisten offensichtlich unwirtschaftlichen Projekten einen Schleier von Wirtschaftlichkeit vortäuschen. Zweitens verstärkt seine Aussage unseren Verdacht fast zur Gewissheit, bei vielen rot-grünen Projekten ist genau dies auch geschehen - ob mit oder ohne Wissen von Herrn Döring, können wir dabei dahingestellt sein lassen. Einige Beispiele dafür sind immerhin der Immobilien-Deal - man muss sich nur einmal angucken, welche wirtschaftlichen Ergebnisse die GMSH mittlerweile zeitigt -, die Computer-Affäre
und die Rochade der Finanzämter. Den Verkauf der Provinzial will ich gar nicht ansprechen. Da warten wir immer noch auf Gutachten, die belegen, dass das eine günstige Geschichte gewesen ist. Es gibt da in der Vergangenheit viele Sachen.
Aber das sind nur kleine Fische gegen das unwirtschaftlichste Projekt. Das war das Projekt Rot-Grün selbst. Seitdem die SPD 1988 an die Regierung kam, fiel Schleswig-Holstein immer weiter hinter die Bundesländer mit ähnlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurück: die westdeutschen Flächenländer.
- Das ist kein Schwachsinn. Es leuchtet mir ein, Kollege Neugebauer, dass die Sozialdemokraten mit Fakten nicht umgehen können. Aber dankenswerterweise kann man Statistiken, die ja von allen Bundesländern - auch vom Landesamt Schleswig-Holstein - herausgegeben werden, schwer ignorieren.
Nachdem die SPD die Grünen in die Regierung aufnahm, fiel Schleswig-Holstein noch schneller zurück. Bei Wirtschaftskraft, Wohlstand, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, den öffentlichen Schulden, der Leistungsfähigkeit des Schulsystems - bei den entscheidenden gesamtwirtschaftlichen Größen schneidet Schleswig-Holstein schlechter ab als der Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Rot-Grün hat sich stets geweigert, dies anzuerkennen. Das war einer der entscheidenden Fehler. Sie redeten sich betrunken, wie gut es dem Lande doch ginge, und sahen deshalb keinen Anlass, etwas zu verbessern. Rot-Grün lebte im Wolkenkuckucksheim und investierte lieber in immer mehr Luftschlösser, selbstverständlich auf realen Kredit. So wurden Rote und Grüne schuldensüchtig und nahmen jedes Jahr - auch das ist nachzulesen, Kollege Sauter - größere Schlucke aus der Schuldenpulle, um ihren Brand zu löschen.
Das finanzpolitische Ergebnis dieser politischen Tragödie fasste die Kollegin Heinold, damals und heute die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, schon im September 2003 hier im Plenum so treffend zusammen, dass auch dies einer großen schleswigholsteinischen Tageszeitung ein Zitat des Tages wert war. Nicht weil es so schön war, sondern weil es so wahr ist, möchte ich es hier wiederholen. Frau Heinold sagte - ich zitiere -:
„Schleswig-Holstein ist pleite. Die Schulden sind viel zu hoch. Zinsen, Pensionen und andere Altlasten fressen einen Großteil der Steuergelder auf, bevor wir überhaupt angefangen haben, über politische Schwerpunkte zu reden.“
Zwei entscheidende Details ließ Frau Heinold selbstverständlich geflissentlich weg: Erstens trug die Regierung selbstverständlich Mitverantwortung daran und zweitens war Frau Heinold selbst eine der führenden Projektmanagerinnen der rot-grünen Katastrophe. Damit ist sie auch eine der Hauptverantwortlichen für die Pleite des Landes.
Das alles sollten und werden wir im Gedächtnis behalten, wenn wir die Politik der schwarz-roten Regierung beurteilen. Denn schließlich hat der heutige Juniorpartner der Koalition - damit keine Missverständnisse aufkommen: ich meine die SPD - als damaliger großer Koalitionspartner den grünen Unsinn, über den sie sich heute so beschwert, nicht nur durchgehen lassen, sondern auch nach Kräften befördert.
Wir werden genau beobachten, ob und wenn ja, wie weit sich der jetzige große Koalitionspartner auch zu solch unsinnigem Verhalten treiben lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abgesehen von der Höhe der Neuverschuldung ist der Inhalt des Nachtrages unspektakulär. Nicht, dass es nichts zu loben oder zu kritisieren gäbe. Er ist unspektakulär in dem Sinne, dass er unter dem Motto „Weiter so!“ abgebucht werden kann. Erstens, Kollege Sauter, „Weiter so!“, weil die neue Landesregierung genau das Gleiche macht wie die alte, wenn die tatsächlichen Einnahmen nicht ausreichen, um die gewünschten Ausgaben zu bezahlen: Sie verschuldet das Land weiter.
Herr Ministerpräsident und Herr Finanzminister, bezüglich dieses Nachtrages stelle ich das nur fest, ohne es Ihnen vorzuwerfen. Denn es ist offensichtlich, dass Sie angesichts von Pleiten-Ralles Erblast keine andere Wahl hatten. Als Sie ans Ruder kamen, war der Haushalt 2005 bereits in weiten Teilen vollzogen.
Zweitens „Weiter so!“, weil sich die neue Landesregierung die gleiche Bühne für das gleiche Theaterstück aufbaut, das auch Rot-Grün jährlich aufgeführt hat. - Herr Kollege Sauter, Sie werden mir ja heute Nachmittag erläutern, warum die Investitionsausgaben im Jahre 2006 fallen statt steigen, trotz des Schleswig-Holstein-Fonds. - Im laufenden Jahr erklomm oder erklimmt die jeweilige Landesregierung ein neues Allzeithoch der Neuverschuldung und im Entwurf für den kommenden Haushalt und im Finanzplan versprach und verspricht die jeweilige Landesregierung dann hoch und heilig, dass die Neuverschuldung in den kommenden Jahren merklich sinken werde, und zwar diesmal wirklich.
Allerdings finde ich es interessant - ich denke, das ist die neue Wahrheit -, dass diese Landesregierung erklärt, sie wolle auch im Jahre 2010 keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen, weil die Neuverschuldung dann immer noch über der Investition liegen werde. In dieser Ehrlichkeit - so will ich es einmal formulieren - hat es das in Deutschland bisher noch nicht gegeben.
Herr Ministerpräsident und Herr Finanzminister, ob Sie hier nur die Fortsetzung des rot-grünen Theaters aufführen, wissen wir noch nicht; aber ausschließen können wir es auch nicht. Denn bisher haben wir Sie fast nur reden gehört. Das kann ich heute schon endgültig beurteilen: Ankündigen können Sie schon genauso gut wie Rot-Grün. Aber leidvolle 17 Jahre roter und rot-grüner Landesregierungen sollten alle gelehrt haben: Schnacken allein reicht nicht.