Protocol of the Session on February 27, 2008

- Herr Ministerpräsident, Sie sind Abgeordneter. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass dieses Gesetz so ist, wie es ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, zu den Menschen vor Ort zu gehen. Das mache ich auch. Aber es ist falsch, vor Ort den Eindruck zu erwecken, man werde etwas ändern, was man nicht ändern wird. Sie haben dort gesagt, dass der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtsbeschluss bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht ohne Wirkung auf die weitere Entwicklung in Schleswig-Holstein bleiben wird. Sie suggerieren, dass man schon vor der abschließenden Entscheidung in Rheinland-Pfalz hier etwas ändern wird.

Noch ist in Rheinland-Pfalz nichts entschieden. In der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichtshofes steht ausdrücklich, dass die Aussetzung der Anwendung des Nichtraucherschutzgesetzes in keiner Weise mit dem Ausgang des inhaltlichen Verfahrens korrespondiert. Dreh- und Angelpunkt der Klage ist die Frage, ob ein Rauchverbot zu einer gravierenden Ungleichbehandlung der Gaststättenbetreiberinnen und Gaststättenbetreiber im markwirtschaftlichen Wettbewerb führt. Dies ist tatsächlich ein heikler Punkt, da das Gesetz mit seinen Ausnahmen keine Gleichbehandlung schafft.

Meine Fraktion sieht sehr wohl, dass uns das ausstehende Karlsruher Urteil Probleme bereiten kann, da das schleswig-holsteinische Gesetz dem in Rheinland-Pfalz ähnelt. Sollte das jetzige Gesetz

(Peter Eichstädt)

nicht rechtmäßig sein, wird meine Fraktion beantragen, die Lücken im Gesetz zu schließen, statt weitere Ausnahmetatbestande zu schaffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Eichstädt hat sehr deutlich gemacht, wie schwierig es sein wird, weitere Ausnahmetatbestände zu benennen, weil man natürlich immer weiter in Abgrenzungsprobleme kommt. Wir wollen einen konsequenten Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen. Dann kann auch keiner auf Ungleichbehandlung klagen.

Wie unterschiedlich das Gesetz schon jetzt ausgelegt wird, zeigt sich, wenn man sich vor Ort umschaut. Nebeneinander liegende Kneipen tun sich zusammen und erklären eine der beiden Kneipen kurzerhand zu einem Nebenraum für Raucher, andere machen sich komplett zum Raucherclub, und wieder andere ziehen eine Plexiglaswand ein und sagen: Das ist jetzt unsere Raucherlobby. Daran sieht man, dass die Praxis nicht nur in den einzelnen Bundesländern, sondern auch innerhalb Schleswig-Holsteins sehr unterschiedlich ist und das Gesetz sehr unterschiedlich ausgelegt wird.

Letztlich geht es bei diesem Gesetz um die Bürgerinnen und Bürger und um den Nichtraucherschutz. Da ist es sehr erfreulich, wenn eine Umfrage „WELT ONLINE“ - besagt, dass zumindest in Bayern - dort ist gefragt worden - zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger mit dem Nichtraucherschutzgesetz zufrieden sind. Das finde ich ausgesprochen gut.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Resonanz der Gaststätten ist natürlich unterschiedlich, weil sie alle unterschiedliche Bedingungen haben. Da sind die Restaurants, die Feinschmeckerlokale, die Cafes, die überwiegend sagen: Das war die richtige Maßnahme. Es gibt Restaurants, die sagen, sie hätten jetzt mehr Zulauf oder die Gäste blieben länger. Andere schildern, dass sie Umsatzeinbußen bis zu 40 % haben - das ist benannt -, und beklagen sich.

Das Gesetz ist erst vor neun Wochen in Kraft getreten. Wir sollten dem Gesetz die Zeit geben, die es braucht. Die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern haben gezeigt, dass sich nach einer gewissen Zeit alles wieder eingependelt hat. Die Besucherströme sind nicht gesunken. Es hat insgesamt sozusagen eher einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Gastronomie gegeben. Lassen Sie uns also

dem Gesetz die Zeit geben, die es braucht, um zur Normalität zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Gesetzesvollzug genau die Probleme, die ein konsequenter Nichtraucherschutz gar nicht hätte aufkommen lassen können. Die Gastwirte in unserem Land plagen sich mit der selbst geschaffenen Konkurrenz herum. Wir haben Wirte, die ihre Umsätze inzwischen nicht mehr zur Bank tragen müssen, weil sie einfach kaum noch Umsätze machen. Die Gäste bleiben ihnen weg.

Der Grund ist in den meisten Fällen in der unmittelbaren Nachbarschaft zu finden. Nebenan liegt ein größerer gastronomischer Betrieb, in dem ein Raucherraum das Rauchen ermöglicht. Die Gäste geben uns ihre Antwort auf das Gesetz, dessen Intention nicht einmal der Gesetzgeber mehr ernst nimmt. Viele meiden die Kneipen, in denen sie nicht rauchen dürfen. Es gibt ja genügend Ausweichmöglichkeiten.

Der Staat hat in den Wettbewerb eingegriffen, indem er die großen Restaurants bevorzugt. Sie können einen Raucherraum ausweisen und damit den Gästen den altbekannten Zustand anbieten. Der Gaststättenverband hat diese ungleiche Situation unter den Anbietern paradoxerweise durch seine Lobbypolitik selbst heraufbeschworen.

Der von der Sozialministerin zunächst vorgelegte Gesetzentwurf war deutlich und klar:

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Im öffentlichen Raum darf nicht geraucht werden, stand darin. Formulieren wir es positiv: Im öffentlichen Raum wird konsequenter Nichtraucherschutz durchgeführt. Rauchen im privaten Kreis dagegen bleibt unberührt.

Der SSW hat diesen klaren, eindeutigen und für alle nachvollziehbaren Nichtraucherschutz unterstützt. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ich möchte sie trotzdem noch einmal vortragen.

(Monika Heinold)

Erstens: Die Zahl derjenigen, die durch Passivrauchen belästigt werden, sinkt durch ein Rauchverbot im öffentlichen Raum drastisch. Das gilt für Kellner, Serviererinnen und Köche gleichermaßen wie für die Gäste.

Zweitens: Eine eindeutige Regelung erleichtert den Ordnungsbehörden die Umsetzung des Nichtraucherschutzes.

Drittens: Ein konsequenter Nichtraucherschutz gewährleistet die gleichen Konkurrenzbedingungen für alle gastronomischen Anbieter. Es spielt weder eine Rolle, wie viele Quadratmeter eine Kneipe hat, noch, welche Art von Fest gerade veranstaltet wird.

Viertens: Die konsequente Regelung ist unschlagbar in Sachen Gesundheitsschutz, denn allen Beteiligten wird deutlich, dass es die Politik mit einem wirkungsvollen Nichtraucherschutz ernst meint.

Bekanntermaßen konnte sich die Gastronomenlobby beim Nichtraucherschutz durchsetzen. Viele Politiker der Großen Koalition knickten aus Angst vor unangenehmen Fragen im Wahlkreis vor der massiven Lobby des Gaststättenverbandes ein und stimmten der Verwässerung des Nichtraucherschutzes zu. Nichts anderes ist die derzeitige Regelung, die nicht einmal acht Wochen Bestand hat.

Das Einknicken war ein Fehler. Wie falsch das war, zeigt jetzt die schizophrene Situation in unseren Gaststätten, wo die Großen systematisch den Kleinen die Gäste abspenstig machen. Von gleichen Konkurrenzbedingungen keine Rede. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Einzelne Gruppen kehren am Abend nun einmal nur dort ein, wo man den ganzen Abend ungestört zusammen sein kann. Kleine Kneipen ohne Raucherraum haben in diesem Wettbewerb keine Chance.

Der SSW hat davor gewarnt, den Gaststätten künstliche Wettbewerbsverzerrungen zuzumuten. Nun haben wir den Salat. Die Schlussfolgerung, die die antragstellende FDP-Fraktion zieht, ist allerdings falsch. Wir können nicht per Antrag zum Gesetzesverstoß auffordern. Sonst brauchten wir uns hier in diesem Raum nicht mehr zu treffen. Nichts anderes verbirgt sich hinter der Formulierung der FDP, dass die Landesregierung Verstöße ,,tolerieren“ möge. Weiter würden mit dem Vorschlag der FDP neue Tatbestände geschaffen werden, die zwar Betriebe, in denen Familienangehörige arbeiten, von Rauchauflagen befreit, aber dort, wo ein Angestellter arbeitet, das Rauchen weiterhin verboten bleibt. Die Ungleichbehandlung würde sich also an anderer Stelle fortsetzen.

Trotzdem legt die FDP den Finger in die richtige Wunde, weshalb wir uns bei der Abstimmung über den Antrag enthalten werden.

Der vorliegende Antrag sollte für uns Anlass sein, das Nichtraucherschutzgesetz zu korrigieren. Die beste Korrektur wäre, wenn man den Nichtraucherschutz einheitlich, transparent und für alle gleich umsetzt. Das heißt ganz klar: Im öffentlichen Raum - und damit auch in der gesamten Gastronomie darf nicht geraucht werden. Damit wären alle Ungleichbehandlungen durch das Gesetz auf einem Schlag beseitigt,

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

alle hätten die gleichen Bedingungen und die kleinen Gastronomen, um die es heute geht, hätten wieder eine Chance.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Mir liegen Meldungen zu Dreiminutenbeiträgen vor. Zunächst erteile ich Herrn Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich verzichte jetzt darauf, den stellvertretenden Landesvorsitzenden zu zitieren. Auf Podiumsdiskussionen der DEHOGA hat er ganz klar gesagt: Warum macht man es nicht, wie es die FDP vorgeschlagen hat, und überlässt es nicht einfach den Wirten, was für ein Angebot sie ihren Gästen unterbreiten? - Ich verzichte jetzt ausdrücklich darauf und stelle nur fest: Es kommt offensichtlich sehr darauf an, wo man welche Reden hält.

Zweitens. Ich gehe auch nicht davon aus, dass der Wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages dabei behilflich ist, Anträge zu erarbeiten, die zum Rechtsbruch auffordern. Dieser Antrag wurde dankenswerterweise mithilfe und mit der Unterstützung des Wissenschaftlichen Dienstes erarbeitet. Frau Kollegin Tengler, ich frage Sie ganz konkret: Meinen Sie ganz im Ernst, dass der Verfassungsgerichtshof des Landes RheinlandPfalz mit seinem Urteil zum Rechtsbruch aufgerufen hat? Oder haben Sie hier möglicherweise etwas überlesen? Ich empfehle Ihnen, noch einmal in das Urteil vom 11. Februar 2008 hineinzugucken. Hier

(Lars Harms)

wurde deutlich gemacht, dass man es sich bei der Rechtsgüterabwägung zwischen Gesundheitsschutz und Eigentumsrechten eben nicht so einfach machen darf, wie Sie es hier getan haben.

Bedauerlicherweise ist der Herr Ministerpräsident nun nicht mehr hier. Ich lese dieses Zitat trotzdem noch einmal vor, damit Sie genau wissen, worauf es uns in Zukunft ankommt, und zwar unabhängig davon, was mit diesem Antrag passiert. Ich zitiere:

„Das habe man so sicher nicht gewollt, gab der Regierungschef unausgesprochen zu erkennen, und schob nach, dass der Beschluss des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichts, bis zur Entscheidung in der Hauptsache diesen Typ Kneipe vom Rauchverbot auszunehmen, nicht ohne Wirkung auf die weitere Entwicklung in Schleswig-Holstein bleiben wird. Seine Partei, die CDU, habe ohnehin eine deutlich liberalere Regelung angestrebt.“

Ich möchte gern wissen: Was hat der Herr Ministerpräsident konkret mit der Aussage gemeint, dass dies nicht ohne weitere Auswirkungen auf die Entwicklung in Schleswig-Holstein bleiben darf?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Meinte er, dass er dort einmal vorbeifährt und den guten Mann gibt, sich dann wieder hier hinsetzt und Krokodilstränen weint? Oder hat er gemeint, dass sich tatsächlich etwas ändern wird, und zwar zugunsten derjenigen, die davon negativ betroffen sind? Es ist ein Unterschied, ob ein Oppositionspolitiker einen Gastronomen aufsucht oder ob ein Ministerpräsident, wenn auch nur implizit, die sofortige Besserung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmers verspricht.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Diese Verantwortung trägt Peter Harry Carstensen mit seinem Besuch in der Kieler Kneipe. Aus dieser Verantwortung entlasse ich ihn auch nicht.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.