Protocol of the Session on February 27, 2008

Ich danke der Frau Abgeordneten Frauke Tengler. Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 2008 gilt in SchleswigHolstein das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Das Gesetz ist ein Erfolg. Die Rückmeldungen sind fast ausnahmslos positiv. Dies gilt auch für die Regelungen in Gaststätten. Die Menschen erleben es als angenehm, dass Restaurants heute nach guten Speisen, Cafés nach Kaffee und frischem Kuchen duften.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Vor allem in Eckkneipen!)

Schleswig-Holstein ist in vielen Bereichen gesünder geworden. Auch die Ausnahmeregelungen funktionieren. Viele Gaststätten haben einen Nebenraum eingerichtet, in dem das Rauchen gestattet ist. Diskussionen gibt es um sogenannte Eckkneipen und Einraumgaststätten. Einige Inhaber klagen über rückläufige Gästezahlen, die sie in den ersten sechs Wochen beobachteten. Die FDP greift dies auf und beruft sich auf eine einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichtes in RheinlandPfalz. Dort ist das Rauchen in Eckkneipen unter bestimmten Bedingungen bis zu einem Urteil in der Sache noch erlaubt. Allerdings kam diese Entscheidung vor Inkrafttreten des Gesetzes. In SchleswigHolstein hingegen hat es einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung - eine Eilentscheidung nicht gegeben und unser Gesetz ist zudem bereits in Kraft. Ich gehe davon aus, dass diese Unterschiede auch dem Vorredner der FDP bekannt sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was macht das juristisch aus?)

Der Antrag der FDP - dabei bleibe ich - ist an Populismus nicht zu überbieten. Allein dass Sie dazu auffordern, ein Gesetz einfach nicht zu beachten, ist in sich schon ein starkes Stück.

Aber wir gucken uns das trotzdem genauer an: Was wollen Sie? Bis zu einer Entscheidung über Klagen beim Verfassungsgericht soll die Landesregierung

(Frauke Tengler)

die Vollzugsbehörden auffordern, von einer Anwendung des Gesetzes abzusehen, aber nur in der inhabergeführten Einraumgaststätte, in der keine weiteren Personen tätig sind, es sei denn, es ist eine volljährige, familienangehörige Mithilfe.

Nun frage ich Sie: Was würden Sie denjenigen sagen, die in den letzten Monaten im Vertrauen auf Rechtssicherheit bereits Umbauten in Einraumgaststätten vorgenommen und so Nebenräume geschaffen haben?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Denen passiert doch nichts!)

- Herr Kubicki, ich bin sicher, Sie wären der Erste, der als Rechtsanwalt den Betreiber einer solchen Gaststätte gern vertritt, um das Land SchleswigHolstein auf Schadenersatz zu verklagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Unsinn! Wo leben Sie eigentlich?)

Was ist eine Einraumgaststätte? Kann ein Gastwirt, der zwei Räume hat, die Wand herausschlagen und dadurch die Situation einer Einraumgaststätte herstellen? Oder reicht es, die Tür geöffnet zu lassen, wenn sie eine bestimmte Breite hat? Soll der Betreiber, der eine weitere Person beschäftigt hat, diese entlassen, um die Bedingung „inhabergeführt“ zu erfüllen? Oder soll der Betreiber diese Person einfach heiraten oder - das gehört natürlich auch dazu eine Lebenspartnerschaft eingehen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage Sie, wer das alles kontrollieren soll. Sollen sich die Ordnungsbehörden während der Dauer der Regelung Ausweise und Heiratsurkunden zeigen lassen? Kurzum, der Antrag, den die FDP gestellt hat, ist nicht nur Populismus, sondern er ist für ein Parlament eigentlich nur peinlich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rate den Kritikern des Gesetzes zu mehr Augenmaß. All diejenigen - vor allen Dingen unter den Gastwirten -, die sich von der Beschwerde beim Verfassungsgericht versprechen, dass Rauchverbote wieder aufgehoben werden, könnten sich irren: Eine Entscheidung wird nicht zum alten Zustand zurückführen. Die EU erwartet von Deutschland, dass ein umfassender Nichtraucherschutz umgesetzt wird. Wahrscheinlicher ist es, dass dann keine Ausnahmeregelungen in Gaststätten mehr möglich sind und ein Verbot ohne Ausnahmen - wie es jetzt schon in Bayern besteht - die Folge sein wird.

Letztlich geht es um die Frage, ob Ausnahmeregelungen zu Ungerechtigkeit und wirtschaftlichen Nachteilen führen. Das ist am ehesten durch einen konsequenten Verzicht auf solche Ausnahmeregelungen zu vermeiden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf den Besuch des Ministerpräsidenten in einer Kieler Kneipe eingehen. Ich habe mir das gestern mit meinem Kollegen Baasch gemeinsam angesehen und ich will gern zugestehen, dass mich die Situation dort nicht unberührt lässt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sind aber sicher- lich reingekommen!)

- Ach, Herr Garg. - Herr Ministerpräsident, Sie haben dort berichtet, dass die CDU gern Ausnahmeregelungen für Eckkneipen durchgesetzt hätte. Das stimmt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir hingegen hatten Bedenken, solche Regelungen aufzunehmen, weil wir sie für nicht praktikabel, für ungerecht und rechtlich nicht haltbar einstuften.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Ich habe noch den ersten Vorschlag der CDU in meinen Unterlagen: Einraumgaststätten, inhabergeführt, bis 40 m2 - das waren die Kriterien, unter denen Sie damals das Rauchen in Eckkneipen weiterhin erlauben wollten.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Richtig!)

Wozu hätte das geführt? Lassen Sie uns das doch einmal in aller Sachlichkeit betrachten. Wozu hätte das geführt? Dem Gastwirt jedenfalls, den der Ministerpräsident besucht hat, hätte das nicht geholfen. Seine Kneipe wäre dafür zu groß. Und selbst wenn wir 50 m2 oder 60 m2 gesagt hätten, wären neue Abgrenzungsprobleme entstanden, weil jede Grenze willkürlich ist.

Herr Kollege, die Zeit!

Deshalb war es richtig, diesen Weg nicht zu beschreiten.

Der FDP rate ich: Meine Damen und Herren, machen Sie Ihren Frieden mit dem Nichtraucherschutz

(Peter Eichstädt)

in unserem Land. Sie haben es doch in Hamburg erlebt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dort war Ihr Kampf gegen das Rauchverbot in den Gaststätten doch Ihr Wahlkampfthema Nummer eins. Wozu hat es geführt? In St. Pauli, unbestritten ein Stadtteil mit einer der größten Kneipendichten in Deutschland, haben Sie 2,9 % errungen, in St. Georg gibt es eine vergleichbare Situation, 1,9 %.

Die Zeit, Herr Kollege, die Zeit!

Herr Kubicki, meine Redezeit ist zu Ende. Deshalb verrate ich Ihnen nur noch: Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Monika Heinold.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Das Nichtraucherschutzgesetz ist löchriger als ein Schweizer Käse“ - so lautete bei Verabschiedung des Gesetzes die grüne Kritik. Und genau dieser Tatbestand - ein in sich nicht konsistentes Gesetz hat den Landesverfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz jetzt dazu veranlasst - dort ist das Gesetz ja ähnlich -, Teile des rheinland-pfälzischen Gesetzes erst einmal auf Eis zu legen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Vergleichen Sie doch nicht Äpfel mit Birnen!)

Im vorauseilenden Gehorsam will die FDP in Schleswig-Holstein nun auch Teile des Nichtraucherschutzgesetzes zumindest vorübergehend außer Kraft setzen. Meine Fraktion wird diesem Ansinnen nicht zustimmen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es hilft den Kneipen nicht weiter, wenn sich der Rechtsstatus monatlich ändert. Es ist weder sinnvoll noch praktikabel, wenn ein Wirt seine Eckkneipe im Januar für rauchfrei erklären muss, das im Februar wieder rückgängig machen kann und er im März den Gästen wieder das Rauchen verbietet.

Ein solches Hin und Her hilft uns nicht weiter. Es ist weder für die Gastwirte noch für die Gäste gut. Es hilft dem Landtag aber auch nicht weiter, wenn der Ministerpräsident bei einem Besuch vor Ort plötzlich sein Herz für einen einzelnen Kieler Kneipier entdeckt

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

und groß verkündet oder - wie es in der Zeitung steht - unausgesprochen zu erkennen gab, das habe man nicht gewollt.

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

- Herr Ministerpräsident, Sie sind Abgeordneter. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass dieses Gesetz so ist, wie es ist.