Protocol of the Session on January 31, 2008

Was für ein Possenspiel, meine Damen und Herren, das CDU und SPD im letzten Jahr aufgeführt haben! Es fing damit an, dass CDU und SPD beschlossen hatten, den Kommunen jährlich 120 Millionen € wegzunehmen. Einen Teil dieses Geldes, nämlich 1,9 Millionen € jährlich, sollten sich die Kommunen bei den Eltern zurückholen - unglaublich, sich so etwas überhaupt zu überlegen -, indem die Eltern die Schulbuskarten teilweise selbst mitbezahlen sollten. Der vorherige Beschluss der Großen Koalition, hier groß verkündet, künftig alle Entscheidungen einer Familienfreundlichkeitsprüfung zu unterziehen, meine Damen und Herren, war schnell vergessen und entpuppte sich leider als leeres Versprechen. Stattdessen sollten die Familien mit den zusätzlichen Kosten belastet werden.

CDU und SPD waren sich einig, dass es in Ordnung sei, Eltern zukünftig für die Fahrten ihrer Kinder zahlen zu lassen, auch wenn die Fahrkarten für private Fahrten keine Vorteile brachten. Für die SPD stellte Henning Höppner in seiner Pressemitteilung im Mai 2007 fest: „Elternbeteiligung an den Schülerbeförderdungskosten ist sinnvoll und gerecht.“ Strittig zwischen den Koalitionspartnern war nur die Frage, ob das Land die 30 % per Landesgesetz für alle Kreise verbindlich festlegen sollte oder ob man diesen Schwarzen Peter lieber an die Kreise durchreichen wolle; so der Vorschlag der SPD in der Hoffnung, dann vor Ort gegen eine Beteiligung der Eltern mobilisieren zu können zulasten der CDU. Um die Eltern, meine Damen und Herren, ging es in dieser Frage nie.

Das Ergebnis ist bekannt. Die SPD stimmte vor Ort fröhlich Wahlkampftöne an. Die CDU rieb sich verwundert die Augen, hatte man das Gesetz doch gemeinsam beschlossen. Und der SPD-Parteitag beschloss fröhlich, dass höhere Schülerbeförderungskosten bildungspolitisch falsch und sozial ungerecht seien. Von nun an setzte sich die SPD für die Rücknahme der 30-prozentigen Elternbeteiligung ein, gemeinsam mit vielen Kommunen, die zu Recht dagegen protestiert hatten, dass gerade die Eltern im ländlichen Raum nun draufzahlen sollten.

Nun machte auch die CDU-Basis mobil; denn ganz allein wollte man doch nicht mit dem Schwarzen Peter in der Hand dastehen. Aber erst, als auch der Heimatkreis des Ministerpräsidenten kippte und sich gegen die Elternbeteiligung aussprach, wurde

(Dr. Ekkehard Klug)

der Ministerpräsident schwach und es ist erwähnt worden, die fröhliche Botschaft aus dem fernöstlichen Indien hieß: Schluss mit der Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten. Wieder rieb sich die CDU verwundert die Augen.

In den folgenden Tagen überboten sich dann CDU und SPD beim Versprechen von Wohltaten. Die CDU beschloss sogar auf ihrem Parteitag im November, man könne sich vorstellen, die Eltern zukünftig sogar ganz von den Kosten der Schülerbeförderung zu befreien. Und die SPD forderte, dann sollen auch die Schüler in den kreisfreien Städten kostenlos mit dem Schulbus fahren dürfen. Wir fragen uns als Grüne-Fraktion, ob wir mit unserem simplen Vorschlag, einfach zurück zur alten Gesetzeslage zu gehen, ein bisschen zu realpolitisch waren. Wir waren ja sozusagen schon am Ende der Fahnenstange der wohlfeilen Versprechungen.

Meine Damen und Herren, Budenzauber, was da betrieben wurde. Nun kommt der letzte Akt des Dramas. Die lang erwartete Lösung des Problems wird nach Antragsschluss des Landtages in diesem Jahr aus dem Hut gezaubert, sodass für eine ordentliche Ausschussberatung überhaupt kein Raum und keine Zeit mehr blieb. CDU und SPD haben scheinbar überhaupt kein Interesse mehr daran, mit den Eltern und den Kommunen zu kommunizieren und diese zu fragen, was sie denn zu dem vorgelegten Gesetzentwurf sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Stattdessen formulierten sie im stillen Kämmerlein den schönen Satz, die Satzung der Kreise könne vorsehen, dass die Eltern an den Kosten der Schülerbeförderung angemessen beteiligt werden.

Wahrscheinlich sind wir nicht die Einzigen, die sich nun verwundert die Augen reiben und fragen: Haben wir da etwas verpasst? Wurde den Eltern nicht viel mehr versprochen? Weder Beschluss des CDU-Parteitages noch die Forderung des SPD-Parteitages findet sich in diesem Gesetzentwurf wieder. Warum hat sich denn die SPD nicht einfach dem CDU-Parteitagsbeschluss angeschlossen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Hat die SPD verhindert, wie von der CDU beschlossen, zukünftig sogar alle Eltern ganz von der Schülerbeförderung zu befreien? Das müssen Sie beantworten. Ich weiß nicht, wer es war. Die CDU

wollte das. Oder hat die CDU wieder einmal ihrer Basis nur Sand in die Augen gestreut und wollte den Beschluss gar nicht selbst umsetzen; es klang im Moment nur ganz gut? Gab es überhaupt Gespräche darüber im Koalitionsausschuss, mit dem Koalitionspartner? Kämpfen Sie noch für Ihre Parteitagsbeschlüsse, meine Damen und Herren, oder beschließen Sie nur noch fröhlich von Tag zu Tag und immer etwas anderes?

Tatsache ist: Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf von CDU und SPD wird keines der Versprechen der letzten Monate eingehalten. Stattdessen wird der Schwarze Peter an die Kreise weitergereicht. Denn jetzt sind es die Kreise, die beschließen müssen, ob und in welcher Form sie die Eltern beteiligen wollen. Wenn man die Eltern beteiligt, hat man also den Ärger vor der Haustür. Welch prickelnde Alternative!

(Peter Eichstädt [SPD]: Haben Sie schon ein- mal etwas von kommunaler Selbstverwaltung gehört?)

- Ja, ich weiß, was kommunale Selbstverwaltung ist. Ich weiß aber auch, was es heißt, wenn man den Eltern erst per Parteitagsbeschluss sehr viel mehr verspricht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommunale Selbstverwaltung heißt nicht, den Kommunen das Geld wegzu- nehmen!)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Heinold. - Das gilt auch für den Kollegen Hentschel.

Die Kreise können nun frei entscheiden, was angemessen sein mag. Ich habe im Bildungsausschuss nachgefragt, was denn angemessen sein könnte. Daraufhin hat die Bildungsministerin gesagt: Auf jeden Fall deutlich unter 50 %. Das scheint uns reichlich viel für die Eltern zu sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Interpretation wird die Eltern zu Recht verärgern. Herr Klug hat es ja benannt. Die bisherige Voraussetzung für die Beteiligung der Eltern an der Schülerfahrkarte, dass nämlich die Fahrkarte auch privat nutzbar sein muss, fällt mit diesem Gesetzentwurf weg. Das war für uns immer der Grund, die alte Gesetzeslage, so wie sie war, mitzutragen.

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf ab. Wir stehen zu der alten gesetzlichen Regelung, die im Ausschuss leider abgelehnt worden ist.

Meine Damen und Herren, die Kommunen haben in ihrem Schreiben geantwortet, dass sie natürlich erwartet hätten, dass es eine Kompensation gibt. Über die Höhe muss man sich gar nicht unterhalten. Sie steht fest; denn den Kommunen ist versprochen worden, dass von den 120 Millionen € 6 Millionen € im Jahr 2007 und 9 Millionen € im Jahr 2008 durch die Kompensation der Elternbeteiligung wieder in die Kassen fließen. Das war das Versprechen an die Kommunen. Das heißt: Den Kommunen fehlen für das letzte Jahr 6 Millionen € und für dieses Jahr 9 Millionen €.

Herr Wengler, wenn ich Sie richtig verstanden habe, so planen Sie jetzt, die Kommunen für 2007 in Höhe von 2 Millionen € zu entlasten. So Ihre Worte.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul [CDU])

- Das hat er gesagt, Herr Wadephul. Das denke ich mir ja nicht aus. Das war sein Redetext. 6 Millionen € haben Sie ihnen weggenommen und 2 Millionen € geben Sie Ihnen zurück. Da sage ich: Meine Güte, das ist ein Geschäft für die Kommunen! Damit haben unsere Kreise schlecht abgeschnitten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das sind gefühlte sechs!)

- Ja, das sind gefühlte sechs. - Ich hatte erwartet, dass es heute tatsächlich konkrete Vorschläge gibt. Es gibt den Vorschlag der Feuerschutzsteuer. Im Finanzausschuss ist gesagt worden, das seien ungefähr 1,3 Millionen €. Das reicht also bei Weitem nicht aus.

Ich möchte noch einmal auf die letzte Landtagstagung zurückkommen und den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Lothar Hay, zitieren, der sagte:

„Wir werden gemeinsam einen Weg finden, wie die kommunale Ebene durch finanzielle Hilfen in den Zustand versetzt werden kann, dass sie dieses auch zurückzahlen wird. Details werden durch den Gesetzentwurf im Januar vorgelegt.“

- So Herr Hay. Herr Hay, der Gesetzentwurf lässt genau diese Details offen. Es gibt keine Lösung für

die Kommunen. Alles, was Sie heute hier erzählt haben, mag eintreten; es mag auch nicht eintreten. Die Koalition hat den Kommunen schon sehr viel versprochen und es dann nicht gehalten. Bisher ist keine der Kompensationen eingetreten, die die Landesregierung den Kommunen versprochen hat. Das muss man sehr deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Im Nachhinein hieß es dann immer lyrisch: Das sollte alles nur so ungefähr sein. Ich sage: Für die Kommunen ist es ein schwarzer Tag. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt.

(Peter Lehnert [CDU]: Das ist Unsinn!)

Für die Eltern wird es besser als im letzten Jahr, aber schlechter als im vorletzten Jahr. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

(Lebhafter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses will die Große Koalition die Sollbestimmung des Schulgesetzes hinsichtlich der Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten in eine Kannbestimmung umwandeln. In Zukunft sollen also die Kreise selbst bestimmen dürfen, ob sie die Eltern zur Kasse bitten wollen oder nicht.

Im Prinzip ist dagegen zunächst einmal nichts einzuwenden, weil es so kommen könnte, dass die meisten Kreise - genau wie in Dithmarschen und Nordfriesland - die Elternbeteiligung nicht mehr oder nur in sehr geringem Umfang aufrecht erhalten, weil einmal der bürokratische Aufwand, zum Teil auch wegen komplizierter Sozialstaffeln, nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu den Einnahmen steht, zum anderen aber auch, weil es sowohl aus bildungspolitischer als auch aus sozialpolitischer Sicht völlig inakzeptabel ist, dass quasi durch die Hintertür ein Schulgeld für Familien auf dem Lande eingeführt wird. Allerdings könnte es auch anders kommen.

(Monika Heinold)

Unklar ist, was mit dem Wort „angemessen“ gemeint ist. Dieser Begriff ist im Grunde genommen genauso greifbar wie ein Pudding an der Wand.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir wissen nicht, ob „angemessen“ 40 % oder nur 30 % sind. Von daher ist das wirklich eine Schwachstelle dieses Vorschlags und für uns nicht hinnehmbar. Aber richtig ist, dass mit der Vorlage von CDU und SPD dieser politische Streit, der kein gutes Licht auf die Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung geworfen hat und der auch als symptomatisch für das zerrüttete Verhältnis in der Großen Koalition gelten kann, zumindest vorläufig beendet wird. Ich will das nicht vertiefen. Die Kollegin Heinold hat das vorhin sehr plastisch dargestellt.

Seit Januar 2007, als die 30-prozentige Beteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten beschlossen wurde, haben die regierungstragenden Fraktionen von CDU und SPD dem verwunderten Publikum in Schleswig-Holstein auf dem Rücken der Eltern und Kinder im ländlichen Raum ein beispielloses Schauspiel geboten.

(Beifall beim SSW und bei der FDP)

Diese politische Schlammschlacht - wir wisssen es - geisterte auch durch die Presse. Ich will hier und heute nur noch einmal festhalten, dass schlechter als durch die Große Koalition, bestehend aus zwei so ungleichen Partnern, Schleswig-Holstein lange nicht regiert wurde.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)