Protocol of the Session on November 22, 2007

Frau Tenor-Alschausky, Sie hatten vorgeschlagen, mitberatend den Wirtschaftsausschuss damit zu befassen. Ich würde mitberatend eher den für die Ernährungsindustrie zuständigen Umwelt- und Agrarausschuss damit beauftragen. Vielleicht können wir uns darüber nachher noch einmal kurz verständigen. Unser Vorschlag wäre, den Antrag federführend an den für Verbraucherschutz zuständigen Ausschuss und mitberatend an den für Agrar- und Ernährungswissenschaften zuständigen Umweltund Agrarausschuss zu überweisen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Dr. Hennig Höppner.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es mag jetzt vielleicht etwas witzig erscheinen, mir ist es aber sehr ernst. Ich habe gestern Abend mit meinen Kollegen Gans gegessen. Ich weiß, dass das eine sehr fette Speise ist, ich weiß aber nicht, wie fett sie ist. Sie war schön ausgebraten. Ich weiß nicht, wie fett die Knödel waren, wie der Rotkohl war. Heute Morgen habe ich hier in der Kantine Brötchen gegessen und Kaffee getrunken, Milchkaffee mit Kakao obendrauf. Ich weiß nicht, ob in dem Kakao vielleicht Spuren von Nüssen waren. In der Pause eben habe ich auch schon einmal Sauerfleisch gegessen, weil ich nachher eine Sitzung habe.

Wer täglich hier isst und seinen wesentlichen Ernährungsbedarf in der Kantine oder an anderer Stelle deckt - ich gebe zu, ich habe 20 Jahre in der Kreiskantine gegessen und hatte auch keine Ahnung, was in den Lebensmitteln drin war -, wie soll er da die Möglichkeit haben, Inhaltsstoffe zu erkennen?

Eine ganz andere Geschichte: Sie gehen nicht das erste Mal als Verbraucher in einen Lebensmittelmarkt und gucken, was ist da gut für mich. Ich kaufe einhundert Mal im Jahr eine Tafel Schokolade. Ich weiß auch, was in meiner Alpenmilch, die ich so liebe, drin ist.

(Zurufe)

Ich weiß, dass da Spuren von Nüssen drin sind, die machen den typischen Alpenmilchgeschmack aus. Jeder, der Milch kauft, weiß, Vollmilch hat 3,5 % oder sie hat - wenn es eine Biomilch ist - 3,7 % oder - wenn es eine fettarme ist - 1,5 % Fett. Jeder weiß, alles was unter 2 mg Cholesterin beinhaltet, kann auch bei Margarine als cholesterinfrei bezeichnet werden. Wir wissen auch, dass übermäßiger Genuss von Natriumcyklamat oder Aspartam abführend wirken kann, wenn man nämlich Bonbons, Tic Tac oder Ähnliche, isst. Das wissen wir alle. Denn wir sind nicht unbedarft, sondern wir kaufen im Jahr hunderte Male dasselbe.

Von daher ist es so, wenn ich einmal auf eine solche Information geschaut habe, dann habe ich auch den Überblick, gerade wenn ich Allergiker bin. Dann weiß ich, was ich tun kann, und dann lese ich das. Da brauche ich doch keine neue Bezeichnung für dieses oder jenes und noch ein zusätzliches Zertifikat. Wir gucken schon auf Bio-Siegel, DLG-Prämierung, Stiftung Warentest, Ökotest - sie werden eine unwahrscheinliche Inflation von Zeichen in der Lebensmittelkennzeichnung haben. Aber leider bin ich einer derjenigen, der seine wesentliche Ernährung hier aus der Kantine bezieht und deshalb leider nicht dazu in der Lage zu wissen, ob ich mich gut ernähre.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mein Gott, sind Sie arm dran!)

Leider ist das so.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Hennig Höppner und war eigentlich davon ausgegangen, dass der Beitrag als persönlicher Betroffenheitsbericht für das Parlament ausreicht. Wir haben jetzt aber noch zwei weitere Wortmeldungen. - Zunächst hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich möchte ich kurz darauf reagieren, was der Kollege Höppner gesagt hat. Es ist alles richtig, was er gesagt hat. Das ist gar keine Frage. Hier geht es aber darum, dass es auf Bundesebene eine Initiative zum Etikettieren gibt. Darauf muss man reagieren, das haben wir getan. Diese Etikettierung wird kommen und wir möchten sie verbessern.

(Beifall beim SSW)

Ich finde es aber auch in Ordnung, wenn wir das in Ruhe im Ausschuss besprechen.

Ich schlage vor, damit man die beiden Vorschläge von Frau Tenor-Alschausky und von Herrn Matthiessen zusammenfassen kann, dass man sagt, federführend soll sich der Sozialausschuss damit befassen, Wirtschaftsausschuss und Umweltausschuss sollen mitberaten. Ich hoffe, dass wir eine vernünftige Debatte zu diesem Thema führen können. Vielleicht können wir auch von unserer Seite, aus diesem Hohen Haus heraus, eine Initiative starten, mit

(Detlef Matthiessen)

der das, was auf Bundesebene geplant ist, noch verbessert wird. Das würde vielen Menschen zugute kommen und ich glaube, deshalb sollten wir damit ganz ruhig und friedlich umgehen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Höppner, was Sie ausgeführt haben, dass ehrt sie. Ich habe aber große Zweifel, ob das Wort Aspartam der Mehrheit der Bevölkerung als Begrifflichkeit bekannt ist, geschweige denn seine gesundheitlichen Folgen bekannt sind.

Ich glaube, die Hauptintention derer, die auf die Idee einer Ampeldarstellung gekommen sind, ist, dass der breite Teil der Bevölkerung - ich sagte gerade, dass im Jugendbereich eine klare Schichtenzuordnung zu beobachten ist, dass die bildungsferneren Schichten eher die überernährten sind -, mit einem sehr einfachen System erreicht werden soll. Ich glaube, das ist die Hauptintention dieses Antrages und nicht so sehr, dass wir Bildungsbürgerschichten noch besser informieren wollen. Ich glaube, wir als Parlament stehen da auch in der Pflicht, uns diesem Problem zu stellen und Lösungsansätze zu diskutieren. Insofern bin ich dem SSW dankbar, dass er diesen Antrag eingebracht hat.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Hartmut Hamerich.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, ich werde Ihnen jetzt nicht eine Auflistung meiner Essgewohnheiten darbieten. Kollege Feddersen, was ich allerdings als schlechtes Beispiel empfinde, ist, dass hier immer

auf Großbritannien verwiesen wird. In keinem Land der Erde gibt es ein so ungesundes Frühstück wie in Großbritannien. In keinem Land der Erde, in keinem europäischen Land, gibt es so viel Takeaways, das heißt, das Essen wird nach Hause geliefert oder mitgenommen. In keinem europäischen Land wird so wenig gesundheitsbewusst gekocht und gespeist wie in Großbritannien. Ich glaube, die Ampel ist dort nötig.

Bei uns haben wir ein anderes Problem. Wir haben das Problem, uns bewusst zu ernähren. Nicht die Deklarierung, sondern der Umgang mit den Lebensmitteln ist entscheidend. Kein Grundnahrungsmittel ist schädlich. Die Dosierung ist schädlich. Fett ist der Geschmacksträger schlechthin und ist grundsätzlich nicht schädlich. Fett ist in einer Überdosierung schädlich. Ohne Fett würden wir gar nichts herunterkriegen können, weil das Essen völlig geschmacklos wäre.

Ich kann darauf verweisen, dass ich die englische Küche in- und auswendig kenne, bedingt durch meine familiären Verhältnisse. Die englische Küche ist grundsätzlich nicht unbedingt die empfehlenswerte bei uns in Europa, es gibt da weitaus bessere Beispiele, auf die wir in Europa zurückgreifen könnten.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht -

(Zurufe)

- Entschuldigung, jetzt hätte ich fast den Minister vergessen. Herr Minister, so viel Ernährungsberatung, da kann das schon einmal passieren. - Das Wort für die Landesregierung erhält Herr Minister Dr. Christian von Boetticher.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Falsche Ernährung ist ganz unbestritten eine der Hauptursachen für die Entstehung zahlreicher Zivilisationskrankheiten. Insofern sind wir uns alle einig darüber, dass wir Informationen und Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher als öffentlich-rechtliche Aufgabe brauchen.

Aber schauen wir uns zunächst einmal die bestehende Rechtsgrundlage an. Das ist die Nährwertkennzeichnungsverordnung und die setzt bekanntermaßen EU-Recht um. Die Kennzeichnung ist

(Lars Harms)

grundsätzlich freiwillig, Herr Matthiessen. Das kann man beklagen, aber das ist derzeit gesetzliche Regelung. Es gibt eine Ausnahme. Diese Ausnahme wird durch eine Verwendung von nährwertbezogenen Angaben auf der Verpackung ausgelöst. Das sind häufig diese berühmten Werbeaufdrucke „fettarm“, „ohne Zucker“ oder „reich an Vitamin C“. Dann ist eine Kennzeichnung in einer bestimmten vorgeschriebenen Weise notwendig. Dabei wird zwischen den sogenannten Big Four unterschieden - Brennwert, Gehalt an Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett - und auf der anderen Seite den sogenannten Big Eight - wobei zusätzlich Angaben zum Gehalt an Zucker, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Natrium gemacht werden müssen.

Es gibt im Augenblick in der Tat die Diskussion über die Frage, ob wir eine erweiterte Nährwertkennzeichnung brauchen. Da geht es dann um die Angaben des Brennwertes, der Gehalte an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz bezogen auf eine Portion beziehungsweise pro 100 g oder 100 ml, die dann eine weitere Hilfestellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher sein soll.

Nun versucht die Bundesregierung, Herr Bundesminister Seehofer, in der Tat zunächst, mit der Nahrungsmittelindustrie eine freiwillige Vereinbarung über erweiterte Kennzeichnung zu erreichen. Ich sage ganz deutlich, dass ich den Weg der Freiwilligkeit an dieser Stelle für richtig halte. Lieber Kollege Harms, das hat zunächst einmal nichts mit Feigheit zu tun, sondern schlichtweg mit dem EURecht. Selbst wenn wir eine solche Maßnahme verbindlich für Deutschland beschließen würden, wäre der Markt für Produkte aus anderen Mitgliedstaaten und aus allen anderen Staaten - nicht nur der EU -, die diese Kennzeichnungspflicht nicht haben, weiter offen. Es ist schlicht die Frage, ob wir hier nur den deutschen Markt regulieren wollen, den wir gar nicht regulieren können, weil wir Waren aus aller Welt kriegen, und ob wir wieder nur unsere eigenen Unternehmerinnen und Unternehmer verpflichten wollen oder ob wir diesen freien Nahrungsmittelmarkt anerkennen, wie er ist. Das ist also keine Feigheit, sondern an dieser Stelle ganz eindeutig der Rechtssystematik geschuldet.

Viele Hersteller machen das übrigens schon freiwillig. Insbesondere renommierte Lebensmittelhersteller kennzeichnen ihre Produkte heute schon in einem erweiterten Umfang. Herr Matthiessen, Sie müssen diese Freiwilligkeit, die von vielen genutzt wird, nicht diffamieren. Ich finde es immer unglaublich, dass Sie sagen, dass mit Freiwilligkeit gar nichts geht, dass immer alles nur der Staat mit

Regelungen schafft. Ihre Staatshörigkeit nimmt langsam wilhelminische Ausmaße an. Das muss an dieser Stelle wirklich nicht sein. Vieles ist mit Freiwilligkeit erreicht worden und man kann auch in diesem Bereich Weiteres erreichen.

Ich möchte ein paar Worte zur Ampelkennzeichnung sagen. Wir haben schon gehört, dass die Angaben über Brennwert, Gehalt an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Kochsalz mit den Farben Grün, Gelb und Rot ausgedruckt werden. Nun kann man sich in der Tat überlegen, ob das die richtigen Warnhinweise sind.

Ich will an das anknüpfen, was Herr Kollege Höppner gesagt hat. Ich fand das eine der besten Reden, die ich seit langer Zeit dazu gehört habe. Ich kann das ergänzen. Ich habe als Schüler in der Tat - heute würde ich es nicht mehr machen - Unmengen an Zucker gegessen: Schokolade, Kekse, Lebkuchen, Fruchtgummis, eine ganze Menge. Wenn ich das heute in der Intensität machen würde, wäre ich sicherlich nach einem Monat tot. Man darf eben nicht verschweigen, dass zu einer gesunden Ernährung eine ausgewogene Ernährung gehört. Ich habe natürlich auch sehr viel Obst, Gemüse und andere Dinge gegessen. Vor allen Dingen habe ich sieben Mal in der Woche Sport gemacht, und zwar vier verschiedene Sportarten.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Das hat dazu geführt, dass ich durch einen deutlich höheren Kalorienverbrauch leichter war und meine Krankenkasse sicherlich eine der zufriedensten der Welt: Ich war nämlich so gut wie nie krank. Das heißt, wer glaubt, dass die Ampelkennzeichnung eine umfangreiche Ernährungsbildung über die Zusammenhänge ersetzen könnte, der ist gehörig auf dem Holzweg. Sie suggeriert, dass man mit einfachen Farben einfache Wahrheiten vermitteln kann. Ich sage Ihnen: Ernährung ist nicht einfach. Darum halte ich von einer Ernährungsbildungskampagne -

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern, wenn das nicht auf meine Zeit angerechnet wird.

Nein.

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Ich mache es auch ganz kurz, Herr Minister. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass auch ohne die Diskussion, die wir hier im Landtag führen, etwas kommen wird - die EU will etwas beschließen, der Bundesminister wird etwas beschließen -, und dass die Anregung meines Kollegen Harms, etwas daran zu verbessern, die eigentliche Intention des Antrags sein sollte?