Protocol of the Session on October 11, 2007

„Ein allgemeines Tempolimit hat praktisch keine Wirkungen für den Klimaschutz. Auf 98 % der Straßen in Deutschland gibt es bereits Geschwindigkeitsbeschränkungen. Das Umweltbundesamt hat untersucht, welche Klimaeffekte Tempo 120 auf den Autobahnen hätte. Das Ergebnis ist ernüchternd:“

- ich zitiere immer noch Herrn Tiefensee

„Die CO2 -Reduktion würde bei einer generellen Höchstgeschwindigkeit von 120 lediglich 0,3 % betragen. Wer ein allgemeines Tempolimit fordert, führt die Klimadiskussion auf ein falsches Feld. Das lenkt nur ab von wirklich sinnvollen Problemlösungen und hilft nicht, den Klimawandel aufzuhalten.“

Das ist ein Zitat des Bundesverkehrsministers Tiefensee.

Der Verein Deutscher Ingenieure geht noch weiter:

„In Deutschland werden [jährlich] 600 Milliarden Fahrzeugkilometer von Pkw, Kombi und Motorrädern geleistet.... [Ein] generelles Tempolimit würde nur... gut 75 Milliarden Fahrzeugkilometer oder 11 % der Straßenverkehrsleistung betreffen.

Aufgrund hoher Verkehrsdichte, Witterungseinflüssen oder technischer und rechtlicher

Rahmenbedingungen werden schätzungsweise nur ein Drittel dieser eigentlich frei befahrbaren Fahrleistungen, das heißt nur 25 Milliarden Fahrzeugkilometer mit Geschwindigkeiten von mehr als 120 km/h gefahren. Bezogen auf den Durchschnitt aller Autofahrer werden somit höchstens 500 km pro Auto im Jahr mit über 120 km/h zurückgelegt. Der Anteil mit einer Geschwindigkeit jenseits von 160 km/h liegt dabei durchschnittlich bei unter 100 km pro Jahr und Fahrzeug.

Kalkuliert man einen Kraftstoffmehrverbrauch von 10 % für Geschwindigkeiten über 120 km/h und einen Mehrverbrauch von über 30 % jenseits der 160 km/h, so ergibt sich rein rechnerisch ein Mehrverbrauch von 250 Millionen l Kraftstoff. Dies entspricht nur 0,4 % des gesamten Kraftstoffbedarfs in der Bundesrepublik beziehungsweise eine Steigerung von nur“

- und jetzt kommt es

„0,08 %“

- 0,8 ‰ umgerechnet

„der gesamten deutschen anthropogenen CO2-Emissionen.“

Im Kern übertreibt das Bundesumweltamt die klimarelevanten Vorteile eines Tempolimits, weil es unterstellt, dass auf Abschnitten ohne Tempolimit, alle, die es dürfen, tatsächlich schneller als 120 km/ h fahren. Aber das stimmt aber nicht, das tut nur der kleinere Teil. Oft geht es ja auch gar nicht, wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen.

Das zum Thema Klimadiskussion. Sie können mit dieser Klimaargumentation schlicht und ergreifend kein vernünftiges Argument für Ihre Forderung nach einem Tempolimit herbeiziehen.

Aber auch die Unfallhäufigkeit ist kein stichhaltiges Argument für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, denn die meisten schweren Unfälle passieren gar nicht auf Autobahnen, sondern auf Bundesstraßen. Zwar ist zu schnelles Fahren eine der häufigsten Unfallursachen, aber nicht auf Autobahnabschnitten ohne Tempolimit. Und dort, wo sich auf Autobahnen Unfallschwerpunkte gebildet haben, gibt es schon längst Geschwindigkeitsbegrenzungen, auch das wissen Sie alle, meine Damen und Herren, aus Ihren eigenen praktischen Erfahrungen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Frau Präsidentin, das ist mein letzter Satz: Alles in allem sind die von den Grünen ins Feld geführten Gründe für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen nicht stichhaltig. Deshalb lehnen wir Liberale ihren Antrag ab.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. Sie waren überhaupt nicht in Zeitnot und wir haben Sie auch nicht gehetzt.

(Zuruf: Es hat schon geblinkt! - Weitere Zu- rufe)

Jetzt hat Herr Abgeordneter Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Arp, das Beispiel Dänemark zeigt auf jeden Fall, egal, ob es um 110 oder 130 km/h geht, dass ein Tempolimit auch dort als sinnvoll angesehen wird, insbesondere von einer konservativen Regierung. Die hat das Limit nämlich nicht aufgehoben.

Wenn wir über Klimawandel und CO2-Emissionen sprechen, dürfen wir den Verkehr nicht aussparen. Aus der Antwort der Landesregierung zu Ihrer Großen Anfrage zum Klimaschutz und möglichen Auswirkungen der Klimaveränderung auf Schleswig-Holstein geht hervor, dass im Jahr 2005 der CO2-Ausstoß des Verkehrs in Deutschland 164,2 Millionen t betrug. Das entspricht 18,8 % aller CO2-Emissionen Deutschlands. Hiervon entfallen 92,7 % auf den Straßenverkehr. Das macht deutlich, welchen Anteil der gesamte Straßenverkehr am CO2-Ausstoß hat.

Der Spritverbrauch steigt überproportional ab einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Danach steigt der Spritverbrauch bei 150 km/h um die Hälfte, und bei 200 km/h verdoppelt er sich sogar.

Nach einer Berechnung von Greenpeace würde ein allgemeines Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen CO2-Einsparungen von mindestens 3,3 Millionen t jährlich erreichen. Damit ließe sich der CO2-Ausstoß von Pkw auf Autobahnen um 9 % verringern. Diese Berechnung stammt aus einer Studie des Umweltbundesamtes von 1999.

Wir wissen, welcher Kraftaufwand notwendig ist, damit wir die Selbstverpflichtung zur Einsparung von Treibhausgasen einhalten können. Daher sollten wir versuchen, auch einmal relativ einfache Wege zu gehen, um die selbst gesteckten Ziele zu

erreichen. Wenn wir es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meinen, müssen wir auch den Mut haben, die heilige Kuh „Bundesautobahn“ anzupacken. Das ist eine Maßnahme, die sich relativ schnell und mit wenig Aufwand umsetzen lässt.

Inwieweit die Initiative der Grünen aber Erfolg versprechend ist, ist angesichts der ablehnenden Haltung der Minister Tiefensee und Gabriel fraglich. So hat sich Herr Tiefensee dahin geäußert, dass er gegen ein generelles Tempolimit sei, und sein Ministerkollege Gabriel hat gesagt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen klimapolitisch nicht geboten seien.

Das Bundesumweltministerium hat sich dahin geäußert, dass die damit erreichbare Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu anderen Maßnahmen marginal sei. Auch wenn es vielleicht nur marginal ist, was ich nicht glaube, wäre dies doch immerhin ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Treibhausgasbilanz. Da sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen.

Hier muss ich feststellen, dass das Ministerium angesichts der gesamten Klimadebatten die Zeichen der Zeit eben nicht erkannt hat. Das ist mehr als bedauerlich. Wenn man sich dann auch noch dahin geäußert, dass es in den letzten Jahren im Verkehrssektor bereits erhebliche CO2-Einsparungen gegeben habe, sodass man keine weiteren Leistungen zu erbringen brauche, kann ich dieser Argumentation einfach nicht mehr folgen.

Dass sich die Verkehrsverbände und die Autoindustrie aus ideologischen und auch wirtschaftlichen Gründen gegen eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung aussprechen, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber ich meine, dass wir mit einer solchen Maßnahme ein Signal setzen würden, damit es insbesondere in der Automobilindustrie endlich zu einem Umdenken in der Produktion kommt. Weg von den großen Spritfressern, hin zu umweltverträglicheren Autos! Dies wäre ein innovativer Schritt der Automobilindustrie. Damit würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 oder 130 km/ h auch langfristig für mehr CO2-Einsparungen sorgen als die von uns vorhin genannten kurzfristigen 9 %.

Für viele bedeutet Mobilität ein hohes Maß an Freiheit und Lebensqualität. Das wird mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung nicht genommen. Mobilität muss aber auch sicher sein, und zwar auf allen alltäglichen Fahrten, auf dem Weg zur Arbeit oder in der Freizeit. Dies gilt insbesondere für schwächere Verkehrsteilnehmer.

(Dr. Ekkehard Klug)

Daher ist es Aufgabe der Verkehrspolitik, Mobilität und Verkehrssicherheit weiterzuentwickeln und zu verbessern. Dafür müssen vorhandene Gefährdungspotenziale erkannt und behoben werden. Es ist unzweifelhaft, dass hohe Geschwindigkeiten ein höheres Gefährdungspotenzial haben als niedrige.

Ein Tempolimit führt somit unweigerlich zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und vermindert die Häufigkeit und Schwere von Unfällen auf Autobahnen.

Über 40 % aller schweren Unfälle auf Autobahnen sind auf zu hohe Geschwindigkeiten zurückzuführen. 70 % aller tödlichen Unfälle ereignen sich auf den Autobahnabschnitten, die keine Geschwindigkeitsbegrenzungen haben. Das sind nicht sehr viele Straßenabschnitte. Aber 70 % aller tödlichen Unfälle ereignen sich genau dort. Das ist Grund genug, hier eine Geschwindigkeitsbegrenzung vorzunehmen.

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Berechnungen aus dem Umweltbundesamt haben 1999 belegen können, dass ein Tempolimit auf Autobahnen die Zahl der Verkehrstoten um 20 bis 37 % verringern würde. Auch deshalb macht der Antrag der Grünen Sinn. Wir sollten ihn ernsthaft beraten und dann etwas Vernünftiges beschließen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag erhält Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Meine sehr verehrten Kollegen! Ich möchte auf einige Beiträge, die wir hier dargeboten bekommen haben, eingehen.

Generell fällt mir auf, dass die Front, die das Tempolimit ablehnt, zwar sehr viel gegen die Einführung eines Tempolimits gesagt hat, aber eigentlich nichts, was für die Beibehaltung hoher Geschwindigkeiten auf unseren Autobahnen spricht. Dies hätte ich nämlich auch gern einmal gehört. Wo liegt eigentlich der Vorteil der Raserei in Deutschland?

Zu dem, was Kollege Schröder von der SPD gesagt hat, sage ich: Soviel ich weiß, gibt es Parteitagsbeschlüsse der SPD für ein Tempolimit. Das habe ich Ihrem Redebeitrag direkt nicht entnehmen können. Jedenfalls könnten daraus Differenzen zu den Ausführungen des Koalitionspartners entstehen. Dass solche Differenzen entstehen könnten, habe ich Ihrem Beitrag ebenfalls nicht entnehmen können.

Das Bundesumweltamt hat seine Schlussfolgerungen nicht auf der Messung von Geschwindigkeitsdifferenzen und der unterschiedlichen Verbräuche aufgebaut. Das Entscheidende bei der Betrachtung des Bundesumweltamts ist vielmehr, dass das Beschleunigen und Bremsen reduziert werden muss. Denn das führt zu entscheidenden Minderungen in den Verbräuchen und fördert den Klimaschutz.

Lars Harms hat gesagt, was er ausgeführt habe, sei ein einfacher Weg. Das ist zu unterstreichen. Was er gesagt hat, ist ein sehr einfacher Weg, Klimaschutzziele neben den anderen genannten Zielen zu erreichen. Andernfalls müssten wir ziemlich viel Geld ausgeben.

Bei dem, was er sagte, ist es so, dass der Weg nichts kostet. Außerdem tritt die Wirkung sofort ein. Damit wäre sein Gedanke schnell in die Realität umgesetzt.

Das hier schon mehrfach erwähnte Beispiel Dänemark zeigt, dass man dort relativ entspannt Auto fährt. Ich habe meine Tochter jetzt wieder zu einer dänischen Volkshochschule gefahren. Das war eine Strecke von 300 km durch Dänemark. Das war schön.

(Zurufe von der CDU)

- Bequemes, entspanntes Fahren scheint nicht Ihre Sache zu sein, wie ich aus Ihrer Reaktion merke. Aber ich mag das ganz gern; denn ich muss eine ganze Menge Kilometer schrubben. Ich mag es gern, wenn nicht von hinten andere Leute mit hohen Geschwindigkeiten mich bedrängen und zum Teil zum Mithalten zwingen. Mir ist das bequeme Fahren ein hoher Wert.

In Deutschland gibt es Umfragen, in denen sich eine Mehrheit der Bevölkerung für Tempolimits ausgesprochen hat. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wenn Ihnen diese Umfrageergebnisse zu sehr mit Unsicherheiten behaftet sind - das kennen wir ja in der Politik -, dann möchte ich Ihnen zum Schluss noch mit einem Zitat dienen.