Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anhörung der Träger im Sozialausschuss zu Familienzentren hat gezeigt, wie vielfältig und bunt die Trägerlandschaft in SchleswigHolstein tatsächlich ist. Der SSW unterstützt ausdrücklich diese bestehende Trägervielfalt, die in den größeren Städten gleichbedeutend mit einer realen Wahlfreiheit für die Eltern ist. Sie können sich aussuchen, nach welchem pädagogischen Konzept ihre Kinder betreut werden sollen. Teilweise sind, wie die Kollegin Tengler das schon sagte, von Stadtteil zu Stadtteil erhebliche Unterschiede in Zielsetzung und Arbeit der Kitas zu beobachten. Die Träger zeigen also ein ausgesprochenes Gespür für die soziale Umgebung, in der sie beheimatet sind. Es gibt in den Kindertageseinrichtungen des Landes eben keine 08/15-Lösungen, die einem Kindergarten einfach übergestülpt werden.
Ich finde, dass wir es dabei belassen sollten. Die Landespolitik sollte nicht über die Hintertür Familienzentrum eine lebendige und bunte Landschaft gleichmachen. Diese Gefahr besteht durchaus, würden wir von oben herab Familienzentren verordnen.
Das bedeutet keineswegs, dass alles in Butter ist so, wie es jetzt ist. Immer noch werden Kinder mit erheblichen Defiziten eingeschult, die sie und ihre Familien aus eigenem Antrieb kaum kompensieren können. Immer noch ist die Akademisierung der Kleinkinderpädagogik nicht besonders fortgeschritten und eine Vernetzung unterschiedlicher Träger oftmals abhängig von nicht bezahlter Extraarbeit der Erzieherinnen. Das ist der Iststand, ohne dass wir über zusätzliche Angebote sprechen.
Aber genau das wollte der vorliegende Antrag: zusätzliche Angebote für Eltern und Kinder in den Kitas. Dem im Wege steht die völlig ungeklärte Finanzierung. Die Frage nach der Finanzierung der Kosten für zusätzliche familienorientierte Angebote ist noch völlig offen.
Das ist übrigens die einzige Gemeinsamkeit der beiden Anträge, die wir hier vorliegen haben. Ich will es einmal klipp und klar formulieren: Familienzentren kosten Geld, wenn man sie denn einführen will.
Prüfstein für jede Finanzierung ist dabei die nachgewiesene Nachhaltigkeit. Eine zeitlich begrenzte Projektfinanzierung mit immer wiederkehrenden Antragsritualen halte ich nicht für angebracht. Wenn wir es ernst meinen mit einer Familienförderung, die über punktuelle Hilfe hinausgeht, dann müssen wir stabile Strukturen finanzieren, die sich möglicherweise vor Ort entwickelt haben. Das bedeutet für den Kindergarten: ausreichende Räume und ein ausreichendes, fachlich geschultes Personal. Das Deutsche Jugendinstitut hat ausdrücklich die unsichere Finanzsituation der Mütterzentren des ADS-Grenzfriedensbund dokumentiert, um auf ein Defizit aufmerksam zu machen.
Für ein Familienzentrum mit familienfreundlichen Öffnungszeiten und einem mehrsprachigem Angebot braucht es allerdings mehr. Nur sollte man das Wie den Kindergärten und deren Trägern selber überlassen. Das hat die Anhörung von Trägern ja deutlich gezeigt. Die haben genau das alle gesagt. Sie wollen unterstützt werden, aber sie wollen auch verschiedene Wege gehen können - je nachdem, was vor Ort benötigt wird. Und das sollten wir auch so belassen. Das sollten wir auch respektieren.
Der SSW lehnt den Aufbau von Parallelstrukturen deshalb kategorisch ab. Zugegeben, ist der Kindergarten für viele Eltern die einzige öffentliche Institution, die sie gern und ohne Vorbehalte besuchen und damit der ideale Ort für niedrigschwellige Familienangebote. Dennoch darf die leichte Erreichbarkeit der Kitas nicht dazu verführen, bestehende andere Strukturen zu vernachlässigen. Wir haben beispielsweise ein funktionierendes Netz von Familienbildungsstätten im Land, wie nicht zuletzt der jüngste Bericht der Sozialministerin gezeigt hat. Diese sind, zugegebenermaßen, nicht allzu üppig ausgestattet, aber dennoch sind sie als Anlaufstellen für Familien eingerichtet und - das ist noch viel wichtiger - diese sind auch bei den Familien anerkannt. Gleiches gilt auch regional für die bestehenden Gesundheitsämter.
Die erfolgreiche Arbeit des im Antrag der Großen Koalition ausdrücklich genannten Trägers, nämlich des ADS-Grenzfriedensbunds, besteht ja in Flensburg zum großen Teil aus der erfolgreichen Vernetzung von Kindergarten und dem Haus der Familie in Flensburg, also einer klassischen Drehscheibe für familienbezogene Angebote aller Art von der Selbsthilfegruppe bis zum Säuglingsschwimmen. Hier werden also die Angebote vernetzt und etwas bekannt gemacht, was einige Eltern nicht kannten. Letztlich kann auch das beste Elterncafé nur dazu dienen, Informationen zu erschließen und auf funktionierende Institutionen zu verweisen. Deren fachliche Arbeit kann die Kita eben nicht ersetzen.
Es ist darum nicht einzusehen, dass Familienbildungsstätten im Einzelfall schließen müssen, während der Kindergarten die notwendigen Strukturen erst aufbauen muss. Das Gleiche gilt - wie gesagt auch für unser öffentliches Gesundheitswesen, dessen Angebote bereits jetzt als Teilangebot eines Familienzentrums zu verstehen sind. Deshalb ist die Idee eine gute. Aber wir sollten die Umsetzung den Verantwortlichen vor Ort überlassen und diese entsprechend unterstützen. Deswegen werden wir für den Antrag von CDU und SPD stimmen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Das Wort für die Landesregierung hat nun Frau Familienministerin Dr. Trauernicht.
und SSW haben deutlich gemacht, dass mehr dafür spricht, die Entwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren den individuellen Verläufen zu überlassen, als durch ein eigenes Landesprogramm zu konstituieren. Auch bei genauerer Betrachtung der Entwicklung in Nordrhein-Westfalen habe ich eher eine kritischere Bewertung als Sie, Frau Heinold.
Betrachten wir zunächst einmal, was dort geschieht. Dort werden Angebote von Kindertageseinrichtungen mit 10.000 € pro Jahr unterstützt, sich zu einem Familienzentrum weiterzuentwickeln. Dieser Anreiz ist auf den ersten Blick durchaus angenehm, auf einen zweiten Blick aber durchaus unangenehm, denn er wird durch Umschichtungen und Kürzungen genau aus dem Kita-Titel finanziert. Das heißt, es wird den Trägern erst weggenommen, um dann für die Weiterentwicklung von Kitas -
- Aber das muss man auch sehen. Es geht auch um Geld. Es geht um Geld, das man besorgen muss, um Anreize zu schaffen, und darum, ob diese Anreize zusätzlich von einer Landesregierung eingesetzt werden oder ob sie durch Umschichtung aus dem Kita-Titel, also durch Kürzung, vorgenommen wird. Das halte ich für eine äußerst bedenkliche Angelegenheit. Deswegen sollten wir uns nichts vormachen: Es geht nicht nur um Konzepte, sondern es geht auch um Geld.
Zu dem Motiv vieler Träger in Nordrhein-Westfalen, sich an diesem Programm zu beteiligen. Sie werden zertifiziert. Sie können sich ein Schild an die Tür hängen, dass sie jetzt ein Familienzentrum sind. Der Hintergrund dieses Anreizes vieler Träger ist die demografische Entwicklung. Denn aufgrund der abnehmenden Kinderzahlen gibt es eine zunehmende Konkurrenz der Institutionen untereinander. Es ist insofern auch eine Investition in die Zukunft, um auf dem knapper werdenden Markt der Kitas bestehen zu können. Das muss man ebenfalls sehen.
Hinzu kommt, dass es erhebliche Widerstände seitens der Träger von Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen gegeben hat, weil sie sich eher entmotiviert als motiviert fühlten, diesen Entwicklungsprozess voranzutreiben. Wenn man die Zertifizierung dieser Tausende von Kindertageseinrichtungen anguckt, ist meines Wissens keine einzige Kindertageseinrichtung abgelehnt worden. Das bedeutet, dass man sehr kritisch bewerten muss, ob es sich wirklich um eine Qualitätsfeststellung ge
handelt hat oder ob es nicht darum geht, ein politisches Landesprogramm zur Profilierung der CDU/ FDP-Landesregierung auf den Weg zu bringen. Ich denke, die genauere Betrachtung macht skeptisch.
Was erfreulich ist, ist, dass die Anhörung erbracht hat, dass die Entwicklung auch bei uns im Land in vollem Gang ist. Das Thema Vernetzung ist ein Schlüsselthema der Jugendhilfe. Es ist ein Thema, das wir mit dem Kinderschutzgesetz in SchleswigHolstein aufgreifen. Diese Vernetzungsphilosophie, die selbstverständlich ist, wenn man Kindern und Familien in ihren Lebenslagen helfen will, wird sich ihre Bahn brechen. Wir werden dies mit Veranstaltungen und dem Austausch von Best-PractiseAngeboten unterstützen und forcieren. Ich denke, dass das ein guter Weg ist. Die Landesregierung wird dem Antrag der Mehrheitsfraktion folgen.
Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrages Drucksache 16/1079 sowie die Annahme des Antrages Drucksache 16/1107 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen. Damit ist dieser Punkt erledigt, meine Damen und Herren.
Morgen um 10 Uhr fahren wir in der Tagesordnung mit der Behandlung der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zu den Perspektiven für den Mittelstand in Schleswig-Holstein fort.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst