Protocol of the Session on October 11, 2007

Zweitens sind Kindertagesstätten Einrichtungen zur Förderung der Familien oder - genauer gesagt - der Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Kinder und Beruf dürfen keinen Widerspruch darstellen. Mütter und Väter müssen Kinder großziehen können, ohne dass sie ihre beruflichen Wünsche und Perspektiven aufgeben. Auch darüber haben wir uns wiederholt ausgetauscht.

Drittens wollen wir mit der Bereitstellung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen auch einen Beitrag gegen die sich ständig ausweitende Kinderarmut leisten, die eigentlich eine vererbte Armut der Eltern ist.

Kindertagesstätten sind entweder kommunale Einrichtungen oder sie werden von privaten Trägern organisiert. Die Rahmenrechtsetzung durch das Kindertagesstättengesetz und die Kindertagesstättenverordnung ist deshalb nicht annähernd so dicht wie die Rechtsvorschriften für die Schulen, also das Schulgesetz und eine Legion von Verordnungen.

Das Land definiert für die Kindertagesstätten Standards. Es trägt aber der Aufgabenteilung zwischen Land, Kommunen und freien Trägern nicht Rechnung, wenn wir den Kindertagesstätten einen ganz bestimmten Entwicklungsweg obligatorisch vorgeben, wie dies der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert.

Wir halten es stattdessen für richtig, dass Kindertagesstätten außer einem umfassenden Betreuungsangebot Maßnahmen anbieten, die Familien unterstützen. Diese erforderlichen Maßnahmen kennen die Kitas vor Ort am besten.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Lars Harms [SSW])

Die möglichen Angebote für Familien sind eventuell auch bereits an den verschiedenen Stellen im Ort vorhanden. Sie können in einem umfassenden Angebot für Familien zusammengefasst werden.

Wir verweisen in unserem Antrag auf die modellhafte Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig, die im nördlichen Landesteil ihre 30 Kindertagesstätten zu Nachbarschaftszentren wei

terentwickelt hat. Darüber wurde heute schon berichtet.

Wir wollen die Kindertagesstätten, ihre Leitungen und ihre Mitarbeiterinnen darin bestärken, einen möglichst engen Kontakt zu den Eltern der Kinder zu pflegen und mit ihnen gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die Kinder am besten gefördert werden können - sei es durch Spiel-, Krabbel- oder Turngruppen, Elterngesprächsrunden, Kinderkurse wie zum Beispiel Englisch, in jedem Falle unterschiedlichste Veranstaltungen für Familien jeder Art. Auch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ist sinnvoll und wichtig.

Die Mitarbeiterinnen in Kindertagesstätten werden natürlich auch frühzeitig auf Negativfälle aufmerksam, wenn Kinder in ihren Familien vernachlässigt oder gefährdet werden. Diese Erkenntnisse können zügig an die Jugendhilfe weitergegeben werden. Kindertagesstätten können sich zu einem Familienservice weiterentwickeln. Dort können sich engagierte Menschen für Familien einbringen, über Ideen und Anregungen hinaus auch über persönlichen Einsatz Hilfen für junge Familien leisten.

Der Antrag von CDU und SPD fordert die Landesregierung auf - das schließt das Bildungsministerium ebenso wie das Familienministerium ein -, die institutionelle Weiterentwicklung der Kindertagesstätten in Familienzentren oder Nachbarschaftszentren nicht als obligatorischen und allein selig machenden Weg vorzugeben, die Träger aber darin zu unterstützen, wenn sie diesen Weg gehen wollen und können.

Das halten wir für ungeheuer wichtig und darin möchten wir gern alle unterstützen. Ich würde mich freuen, wenn zu gegebener Zeit wieder einmal im Fachausschuss darüber berichtet werden würde. Wir sollten das so akzeptieren und hinnehmen. Ich bitte um Zustimmung für den bereits im Sozialausschuss beschlossenen Antrag.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Höfs. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für viele Familien ist die Kindertagesstätte Ausgangsort für Nachbarschaftshilfe und Kontaktaufnahme zu anderen Familien und Kindern. Insofern bietet es

(Astrid Höfs)

sich an, Kindertagesstätten zu einer niederschwellig konzipierten zentralen Anlaufstelle auszubauen. Ob sie nun im Sinne eines Nachbarschaftszentrums oder eines Familienzentrums ausgebaut werden - durch die Bündelung der verschiedenen Angebote können alle sozialen Schichten und alle Altersgruppen erreicht werden. In einer älter werdenden Gesellschaft werden wir es uns immer weniger leisten können, Kinder und ratsuchende Eltern alleinzulassen. Es würde sich auch anbieten, Kindertagesstätten im Rahmen des Bundesmodellprogramms nicht nur zu Mehrgenerationenhäusern, sondern auch zu Bildungshäusern weiterzuentwickeln.

Neben der Einbindung aller Generationen ist auch die Verzahnung der Bildungsangebote in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen zur Stärkung der frühkindlichen Bildung ein Ansatz, um Kinder in der Schlüsselphase ihrer Entwicklung in den ersten zehn Lebensjahren besser erreichen zu können.

Das hat auch das Bundesbildungsministerium erkannt, das kürzlich eine Expertise zur besseren Verzahnung von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen vorgestellt hat, in der auch die Erfahrungen anderer europäischer Länder dokumentiert worden sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Early Excellence Centres in Großbritannien. Es gibt - das ist schon erwähnt worden - auch in Schleswig-Holstein bereits viele gute Beispiele. So wird im Verbund mit mehreren Kooperationspartnern eine breite Angebotspalette präsentiert, zum Beispiel in Flensburg und im Kreis Schleswig-Flensburg. Es ist kein Wunder, dass diese Vernetzung der Angebote und Einrichtungen in der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit im kürzlich veröffentlichten Familienatlas 2007 als besonders familienfreundlich hervorgehoben wurde.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Natürlich sind bei der Ausweitung des Angebots die jeweiligen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen vor Ort zu berücksichtigen. Es geht nicht darum, bestehenden Angeboten durch das Land ein Konzept überzustülpen. Es geht vielmehr darum, ein landesweites Netzwerk aufzubauen und die Träger von Kindertagesstätten bei ihren Bemühungen echt zu unterstützen, wenn sie weitere Angebote für Kinder und Familien schaffen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

So haben wir als Liberale den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verstanden: Wie

kann Trägern von Kindertagesstätten, die ihre Angebote im Sinne eines Familienzentrums weiterentwickeln sollen, besser geholfen werden? Welche Möglichkeiten der konkreten Unterstützung durch das Land gibt es hier?

Was den Alternativantrag der Regierungsfraktionen angeht, so sind wir der Meinung, dass es nicht ausreicht, lediglich Öffentlichkeitsarbeit oder vertiefende Information anzubieten. Das klingt doch sehr nach der alten Leier: Vieles wird auf Landesebene gewollt und begrüßt; konkret werden die Handelnden vor Ort aber wenig unterstützt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

Es reicht auch nicht, einzelne herausragende Initiativen hervorzuheben. Wenn wir den Zusammenhalt und die örtliche Gemeinschaft stärken wollen, brauchen die Kommunen, brauchen die Träger dieser Einrichtungen die volle Unterstützung durch das Land. Als eine Möglichkeit bietet sich an, einzelne Prozesse vor Ort zu moderieren und die vielen einzelnen Angebote verschiedener Träger bündeln zu helfen. Das ist mehr als Öffentlichkeitsarbeit, wie die Große Koalition sie anbietet. Wir brauchen dazu ein landesweites Rahmenkonzept. Das ist mehr als das nebulöse Versprechen einer vertiefenden Information.

Wenn wir Familienpolitik in Schleswig-Holstein als Querschnittsaufgabe ansehen, wie es in der Vergangenheit hier im Hohen Hause auch immer betont worden ist, brauchen die Akteure vor Ort jetzt ganz konkrete Hilfestellungen und nicht nur bunte Broschüren.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten im Sozial- und im Bildungsausschuss in der Tat eine sehr interessante Anhörung. Frau Tengler hat darüber berichtet. Es war total spannend und interessant, was aus Nordrhein-Westfalen, von unseren Kindertagesstätten und auch von unseren Trägern berichtet worden ist. Nordrhein-Westfalen hat deutlich gemacht, dass in dem Moment, wo vom Land eine Landeskonzeption erarbeitet wurde, die

(Dr. Ekkehard Klug)

Dynamik vor Ort unglaublich zugenommen hat. Das Land ist natürlich auch erst mit der Frage konfrontiert worden: Muss es denn ein Landeskonzept sein? Muss es denn eine Vorgabe geben, dass es für 30 % der Kinder Kindertagesstätten geben sollte? Nachdem die Regierung dieses Konzept erarbeitet und ein Anreizsystem geschaffen hatte, musste sie ihr Programm auf der Zeitschiene sozusagen schneller umsetzen, weil es einen unglaublichen Run gab. Das liegt daran, dass der Bedarf vor Ort in den Kindertagesstätten aufläuft.

Wir haben in unseren Kindertagesstätten die Situation, dass die Mütter morgens dastehen und nicht wissen, was sie nachmittags mit dem Kind machen sollen. Im Prinzip trägt die Leiterin der Kindertagesstätte mit dazu bei, dass Familien durch den Tag kommen. Es gibt Familien, die Hilfe im Rahmen unseres Hilfesystems für sich gut organisieren können: Man geht nachmittags noch zur Sprachtherapie und später zur Insolvenzberatung. Zwischendurch wird das Kind woanders untergebracht. Abends geht man dann noch zur Erziehungsberatung oder in die Familienbildungsstätte. Es gibt Familien, die mit diesem Hilfesystem umgehen können und es schaffen, die Leistungen für sich zu organisieren. Es gibt aber auch Familien - wir haben darüber oft genug miteinander diskutiert -, die das nicht schaffen. Für diese Familien ist es ganz wichtig, dass bei einer zentralen Anlaufstelle - das ist die Kindertagesstätte, in der 90 % der Kinder erscheinen - Hilfe aus einer Hand angeboten wird.

Die Träger, die sich in dieser Hinsicht auf den Weg gemacht haben, stellen fest, dass es das richtige Konzept ist. Sie bemühen sich sehr um Synergieeffekte. In diesem Zusammenhang seien die Familienbildungsstätten genannt, die jetzt natürlich aufgefordert sind, ihre Angebote verstärkt auch in die Kindertagesstätten zu legen. Dieser Prozess ist im Gange. Die Träger berichten uns aber auch, dass sie - ich habe dafür Verständnis - bei dem, was sie leisten können, natürlich an zeitliche Grenzen stoßen. Wenn ich mir einmal den Antrag von CDU und SPD anschaue und durchlese, was Familienund Nachbarschaftszentren nach Auffassung von CDU und SPD alles erfüllen sollen, ergibt sich ein buntes Paket von Maßnahmen, das die normale Arbeit von Kindertagesstätten und auch deren normale Finanzierungsstruktur überfordert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So sollen die Kindertagesstätten sozusagen nebenbei das Ehrenamt aktivieren. Sie sollen Eigeninitiative stärken und fördern. Sie sollen Frauen stärken. Sie sollen das Zusammenleben in Familien fördern. Meine Güte! Es folgen noch weitere Auf

gaben, die nach Auffassung von CDU und SPD von den Kindertagesstätten einfach mit erledigt werden sollen. Ich frage mich, wie das gehen soll.

Was soll die Landesregierung dazu beitragen? Man scheint sie noch zu etwas auffordern beziehungsweise um etwas bitten zu müssen. Die Landesregierung soll die Erfüllung dieser Aufgaben durch Öffentlichkeitsarbeit und vor allem durch vertiefende Information unterstützen. Ich traue der Landesregierung durchaus zu, dass sie dies auch getan hätte, ohne dass wir dafür diesen Antrag von CDU und SPD brauchen und darüber abstimmen müssen. Ich finde es äußerst schade - das ist noch nett formuliert -, äußerst bedauerlich, dass wir es in Schleswig-Holstein auch an dieser Stelle nicht schaffen, uns auf den Weg zu machen und eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Herr Klug hat es ganz deutlich gesagt: Es geht nicht darum, Kindertagesstätten etwas überzustülpen. Es geht vielmehr darum, eine Entwicklung, die landesweit läuft - eher zufällig einmal gut und einmal schlecht; je nachdem, wie die Aufgaben zu schaffen sind -, aufzunehmen. Es geht darum, dass wir ein Landeskonzept erarbeiten, allerdings nicht eines für alle. Vielmehr sollen - das steht auch im Antrag gemeinsam mit den Trägern und mit den Kommunen unterschiedliche Modelle erarbeitet werden, die dann passgenau vor Ort ausgestaltet werden können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Baasch [SPD])

- Herr Baasch, gehen Sie einmal in eine Kindertagesstätte, die sich auf den Weg gemacht hat, ein Familienzentrum zu werden, und fragen Sie diese Kindertagesstätte, ob sie es schafft, mit ihrer normalen Struktur - auch was die Finanzierung angeht - all die Aufgaben, die Sie beschrieben haben, nebenbei mit zu erfüllen. Wenn Sie diese Kindertagesstätte gefunden haben, dann kommen Sie zu mir und nennen mir deren Namen. Ich freue mich darauf.

(Zuruf von der SPD: Geht es um das Konzept oder um das Geld?)

- Es geht darum - ich habe mich in meiner letzten Rede schon sehr weit vorgewagt; die Familienbildungsstätten waren schon ganz unruhig -, darauf zu schauen, was wir an Angeboten vor Ort haben, und zu überlegen, wie wir diese effektiver nutzen können. Es geht um Fragen wie diese: Wie können wir

(Monika Heinold)

Synergieeffekte nutzen? Was können wir in der Kindertagesstätte bündeln? Es wurde vorhin bereits gesagt, dass es auch Angebote gebe, die dort vielleicht nicht unterbreitet werden sollten. Es geht weiterhin um die Frage, ob Kindertagesstätten dann, wenn sie all diese Maßnahmen bündeln, eine zusätzliche Unterstützung brauchen. In NordrheinWestfalen hat man sich entschieden, mit einer geringen Summe - mit 10.000 € im Jahr - die Leitungsfunktion zu unterstützen. Auf Landesebene summiert sich der Betrag aber natürlich. Damit kriegen wir die Struktur hin. Die einzige Forderung, die wir in dem Antrag haben, ist, sich erst einmal auf den Weg zu machen, darüber nachzudenken und ein Konzept zu entwickeln. Selbst das wollen Sie nicht; das muss man so deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Zeit, Frau Heinold!

Das ist äußerst schade.