Protocol of the Session on September 13, 2007

In der Vergangenheit gab es öfter solche oder auch andere Probleme. Es gibt also Anlass genug, zu hinterfragen, ob nicht durch eine bessere gesetzliche Grundlage für mehr Sicherheit für die Menschen gesorgt werden könnte. Dabei spielt die Frage, ob man für oder gegen Kernenergie ist, zunächst einmal überhaupt keine Rolle.

Frau Ministerin Trauernicht hat in der letzten Woche im Ausschuss erklärt, dass die Hürde für die Versagung einer Betriebsgenehmigung sehr hoch sei. Das ganze System sei darauf ausgelegt, dass künftig beispielsweise die Zuverlässigkeit des Betriebs gewährleistet sein soll. Das heißt, mit neuem Personal oder einer neuen Organisation der internen Abläufe kann der Betreiber durchaus deutlich machen, dass er in Zukunft besser arbeiten will und kann.

Ob dies dann auch wirklich eintritt, ist zweitrangig. Die Erfahrungen der Vergangenheit spielen jedenfalls keine Rolle. Im Extremfall kann ein Betreiber nach Fehlleistungen seine Organisationsform oder anderes immer wieder ändern, ohne Gefahr zu laufen, dass sein Kraftwerk dauerhaft vom Netz genommen wird.

Das ist nach unserer Auffassung eine Lücke im Gesetz, die dringend geschlossen werden muss.

(Beifall beim SSW)

Es kann nicht sein, dass man gastronomische Betriebe bei dauerhafter Unzuverlässigkeit oder auch mangelnder Hygiene schließen kann, aber ein Atomkraftwerk bei immer wiederkehrenden Verfehlungen weiterlaufen darf. Da stimmt etwas in der Gesetzgebung nicht.

Da hilft es auch nicht, dass man jetzt darüber nachdenkt, ob man die Beweislast einfach umkehren kann. Damit würde der Betreiber zwar nachweisen müssen, dass seine Anlage unbedenklich ist. Hat er dies aber auf dem Papier getan, so ist es trotzdem immer wieder an der Atomaufsicht, nachzuweisen, dass hier noch etwas ungenügend ist. Außerdem würde die Atomaufsicht auch dann immer noch nicht über endgültige Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Das Sanktionsinstrumentarium wäre ja das

gleiche wie vorher. Wir haben nun alle ja schon feststellen können, dass genau dieses Instrumentarium nicht ausreichend ist.

Was wir brauchen, ist eine Regelung, die sich auf die Erfahrungen in der Vergangenheit bezieht. Wenn die Atomaufsicht nachweisen und dokumentieren kann, dass man in der Vergangenheit seine Atomanlage nicht entsprechend der Bestimmungen betrieben hat, muss sie die Möglichkeit bekommen, aufgrund dieser Vergangenheitswerte die Anlage zu schließen. Genauso muss es möglich sein, die Atomanlagen erst einmal nur befristet weiter zu genehmigen, wenn Verfehlungen aufgetreten sind. Erst dann hat die Atomaufsicht wirklich ein scharfes Schwert in der Hand, um zum Wohl der Menschen eingreifen zu können.

Es geht also nicht darum, die Definition, was ein zuverlässiger Betrieb solcher Anlagen ist, noch einmal genauer zu fassen, wie es CDU und SPD wollen. Sie sind schon genau genug. Es geht vielmehr darum, egal, ob man sich vor den Unfällen in Krümmel und Brunsbüttel auf ein großkoalitionäres Stillhalteabkommen geeinigt hat oder nicht, die Atomaufsicht wie jede kommunale Gewerbeaufsicht mit einem entsprechenden Instrumentarium zu versehen, damit sie eingreifen und dauerhaft und nachhaltig für die höchstmögliche Sicherheit bei den Atomkraftwerken sorgen kann. Das sehen die Menschen im Land im Übrigen genauso. Deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege, genauso habe ich es mir gedacht. Es geht hier wieder darum, Angst zu schüren. Allein der Beginn mit den Begriffen „gefährliche Energieform“, „aus dem Ruder laufen“ und auch die Überschrift „Atomgesetz ändern - Sicherheit für Menschen schaffen“

(Lars Harms [SSW]: Sicherheit, ja!)

soll assoziieren, dass das alles unsicher ist. Dagegen verwehren wir uns. Solche Überschriften über einen Antrag und auch den Antrag selbst können wir deshalb nur ablehnen. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

(Beifall bei der CDU)

(Lars Harms)

In dem Antrag geht es also wieder um das Ja oder Nein zu Kernkraftwerken, um Abstellung ja oder nein, um Sicherheit ja oder nein. Ich werde versuchen, in meiner Rede Unterschiede zu unserem Koalitionspartner darzustellen. Ich werde sie klein halten. Wir haben ja einen Koalitionsvertrag, an dem wir keine großen Veränderungen vornehmen können. Aus meiner Rede wird zwangsläufig erkennbar sein, dass wir ganz anderer Ansicht sind.

Meine Damen und Herren, nicht nur wir sind anderer Ansicht. Ich gebe ein ganz aktuelles Beispiel aus den neuen osteuropäischen Staaten, die jetzt zur Europäischen Union gehören. Diese haben zurzeit einen ungeheuren industriellen Boom. Dieser Boom kann durch die Verfügbarkeit fossiler Energiebrennstoffe und ausreichende Strukturen nicht mehr begleitet werden. Eines aber scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser, nämlich sich in eine noch größere Abhängigkeit von russischem Erdölund Erdgaslieferungen zu begeben. Sie wissen auch, dass sie die Klimaschutzziele nicht erreichen können, wenn sie sich nicht der Kernenergie öffnen. In diesen Ländern werden also neue Kernkraftwerke kommen. Das wissen wir alle. Bereits heute haben wir 21 Kernkraftwerke in den EU-Ländern Osteuropas. Europaweit werden wir bald 160 haben, weltweit bald 600.

(Rolf Fischer [SPD]: Das sind keine neuen!)

An einer Tatsache geht kein Weg vorbei. Die Energieversorgung wird in Verbindung mit dem Klimaschutz zur Überlebensfrage für die Regionen, die Länder und die Welt. Da spielt auch die Kernenergie eine große Rolle.

Wenn der Pro-Kopf-Ausstoß an Schadstoffen, entstanden aus dem Energieverbrauch, weltweit angeglichen werden soll oder langfristig sogar gleich sein soll, so stellt das Herausforderungen dar, von denen wir uns gar keine Vorstellungen machen können. Auch hier wird die Kernkraft in Zukunft eine Rolle spielen, die wir nicht einfach vernachlässigen dürfen.

Mit dem Antrag des SSW zur Änderung des Atomgesetzes - natürlich mit dem Gedanken an Stilllegungen von Kernkraftwerken - ist das Problem der langfristigen Energieversorgung zu vernünftigen Preisen unter Beachtung des Klimaschutzes nicht zu lösen.

(Lars Harms [SSW]: Darum geht es gar nicht!)

Die in dem Antrag zitierten Paragrafen sind für eine qualifizierte Antragstellung ungeeignet, denn atom

rechtliche Genehmigungen nach dem Atomgesetz werden gar nicht mehr ausgesprochen

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

und ein potenzieller Betriebsentzug ist bereits in § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG geregelt. Wir brauchen also keine erneute Regelung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Stimmt!)

Der SSW muss sich einfach damit abfinden, dass nach den hitzigen Debatten, ausgelöst durch die Schadensfälle in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel, die eben kein Sicherheitsrisiko darstellten, wieder Sachlichkeit und Ruhe eingetreten ist. Dazu - das sage ich ganz ausdrücklich hier in diesem Hohen Haus - hat auch unsere Ministerin beigetragen.

Unsere Fraktion wird den Antrag des SSW ablehnen und hat stattdessen mit unserem Koalitionspartner einen ganz konkreten Antrag zur Atomanlagensicherheitsverordnung gestellt. Hintergrund dieses Antrages sind auch die Schlussfolgerungen aus den aktuellen Vorkommnissen bei den beiden norddeutschen Kernkraftwerken.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das kann Frau Trauernicht selbst nicht glauben!)

Die Gespräche des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - ich bin sicher, Sie wurden im Vorfeld mit unserer Ministerin besprochen - mit den vier großen Energieversorgungsunternehmen, die Kernkraftwerke betreiben, wurden - so heißt es - in einer konstruktiven und sachlichen Atmosphäre geführt. Sicherheitsfragen, Kommunikationsverhalten und Stromübertragungsmengen waren die Inhalte dieser Gespräche. Über die Einführung einer Sicherheitskultur innerhalb eines Jahres wurde Einvernehmen erzielt. Dabei spielt die Umsetzung und Fortentwicklung des grundsätzlich von den Betreibern bereits eingeführten Sicherheitsmanagementsystems eine wesentliche Rolle. Andere entscheidende Inhalte sind ebenfalls besprochen worden, wie auch der Zugriff auf nationale Erfahrungen für weitere sicherheitstechnische Verbesserungen.

Die deutschen Kernkraftwerke - unabhängig von ihrem Alter - werden im internationalen Vergleich auf hohem Sicherheitsniveau betrieben. Das soll auch so bleiben.

Warten wir das Ergebnis der derzeit zwischen Bund und Ländern in der Abstimmung befindlichen Atomanlagensicherheitsverordnung ab. Hoffentlich ergeben sich aus diesem Prozess auch neue, ideologiefreie Bewertungen zur Bedeutung der Kernener

(Manfred Ritzek)

gie für die Energieversorgung, über die Sicherheit und über den Klimaschutz.

Ich beantrage die Ablehnung des SSW-Antrages und die Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsparteien CDU und SPD.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zwischenfälle in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel haben uns wieder vor Augen geführt, dass die Atomkraft keine sichere und zukunftsfähige Energieerzeugung sein kann.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Immer neue gefundene Schwachstellen beziehungsweise Störfälle beweisen dies. Brennende Trafos, fehlerhafte Dübel, nicht anspringende Kühlmittelpumpen, Probleme mit Steuerstäben sowie unklare Entscheidungsstrukturen und Vorgänge in der Warte sind nur einige Punkte, die uns in kurzer Zeit immer wieder aufzeigen, wie komplex und fehleranfällig die Technik von Atomkraftwerken ist. Die letzten Zwischenfälle und die danach immer noch aufgetretenen Mängel sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür. Gerade das Zusammenspiel von Mensch und Technik muss funktionieren. Wenn beide gleichzeitig versagen, entstehen unbeherrschbare und gefährliche Situationen.

Mein Dank gilt Ministerin Gitta Trauernicht und ihrem Haus für die umfangreichen Informationen, die wir in den Ausschusssitzungen bekommen haben. Nun sind wir als Gesetzgeber in der Verantwortung zu prüfen, ob unsere Gesetze ausreichen oder ob wir Gesetze und Verordnungen gegebenenfalls ändern müssen. Hierbei begrüßen wir die Initiative der Ministerin Trauernicht und Bundesumweltministers Gabriel, mit den Energieversorgern Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und der Sicherheitskultur auf den Weg zu bringen. Wir werden dies unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen - solange die Atomkraftwerke noch am Netz sind - die höchstmögliche Sicherheit für

alle Menschen. Ökonomische Gründe dürfen dieser Sicherheit nicht im Weg stehen.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Deshalb ist es auch erforderlich, dass, bevor die Atomkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel wieder ans Netz gehen können, alle sicherheitsrelevanten Fragen geprüft und beantwortet sowie etwaige Schäden behoben werden.

Wichtige Fragen, die nach den aufgetretenen Störfällen in beiden Atomkraftwerken zu beantworten sind, sind zum einen die Fragen nach der Zuverlässigkeit des Betreibers und ist zum anderen die Beweislastfrage. In beiden Fällen sollten wir Veränderungen zur Gewährleistung der Sicherheit vornehmen. Deshalb wollen wir zwar in aller Ruhe, aber auch mit der gebotenen Eile alle nötigen und möglichen Verbesserungen umsetzen. Ob wir dies mit dem Antrag des SSW erreichen halte ich für fraglich, da sich dieser Antrag nur auf eigentumsrechtliche Belange fokussiert und es hier zudem verfassungsrechtliche Bedenken gibt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was für welche?)