Wir wollen hingegen alle Möglichkeiten nutzen, um eine Verbesserung des rechtlichen Rahmens in der Atomaufsicht zu erreichen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf den Betreiber Vattenfall eingehen. Es ist gut, wenn Vattenfall aus dem Informations-GAU gelernt hat und seine Informationspolitik und die Öffentlichkeitsarbeit verbessert. Es ist allerdings ein Skandal, wenn die neuen Köche die alte Suppe weiterkochen. Wenn Vattenfall aus der Häufigkeit der Störfälle nicht lernt und der neue Geschäftsführer, Herr Cramer, eine Laufzeitverlängerung von Brunsbüttel fordert und hierbei sogar mit einem Gerichtsverfahren zu diesem Zweck droht, ist das schon ein hohes Maß an Unverfrorenheit.
Die Forderung, jüngere Reaktoren früher abzuschalten, um ältere Reaktoren länger laufen zu lassen, zeigt nur, dass man aus dem Atomkonsensvertrag aussteigen möchte und um jeden Preis weiterhin auf Maximierung setzt. Dieses ist jedenfalls keine verantwortungsvolle Energiepolitik.
Wir werden am Atomkonsens festhalten und bis zum endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland für die größtmögliche Sicherheit der Bevölkerung sorgen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Olaf Schulze und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Man tut einer Sache, die eine Mehrheit in diesem Haus will, keinen Gefallen, wenn man sie durch ständig wiederholte falsche Behauptungen noch einmal hier vorn bekräftigen will. Ich will nur eines sagen: Genauso wenig, wie Kurt Beck der Sache einen Gefallen getan hat, als er behauptet hat, Kernkraftwerke hätten dieselbe schlechte CO2-Bilanz wie Braunkohlekraftwerke, ist es schlicht und ergreifend nicht richtig, dass es sich bei den Dübeln oder bei der Dübelproblematik um fehlerhafte oder nicht geeignete Dübel handelt. Das Problem bei den Dübeln ist, dass sie nicht zertifiziert sind.
- Nein, auch das stimmt nicht, Kollege Matthiesen. Offensichtlich sucht der SSW nach einem Weg, Kernkraftwerke in Deutschland früher abschalten lassen zu können, als dies nach dem Atomkonsens im Atomgesetz spätestens vorgesehen ist, wobei im Atomgesetz überhaupt keine Termine vorgeschrieben wurden, sondern nur die Strommengen, die die einzelnen Kraftwerke höchstens noch produzieren dürfen.
Diese Reststrommengen dürfen grundsätzlich zwischen den Kraftwerken übertragen werden. Wenn allerdings Reststrommengen von jüngeren auf ältere Kraftwerke übertragen werden sollen, dann geht das nur mit Zustimmung des Bundesumweltministers. Die Betreiberin des Kernkraftwerks Brunsbüttel - die Vattenfall AG - hat gerade versucht, dem Bundesumweltminister eine solche Zustimmung für eine Verlängerung der Laufzeit abzuringen: erfolglos! Ich finde die Entscheidung des Bundesumweltministers nur konsequent.
Offensichtlich haben die Energiekonzerne bei den Verhandlungen über den Atomkonsens gepokert und für die älteren Kraftwerke Brunsbüttel und Krümmel niedrigeren Reststrommengen zugestimmt, augenscheinlich in der Hoffnung, eine neue Bundesregierung würde den Atomkonsens aufweichen oder aufheben, bevor Brunsbüttel oder Krümmel ihre Reststrommengen produziert haben wür
den. Ich glaube, diese Spekulation ging schief, jedenfalls wenn man dem Ministerpräsidenten oder der Bundeskanzlerin folgen darf.
Nun wird also Brunsbüttel - und da müssen wir uns gar nichts vormachen - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 2009 abgeschaltet. Der SSW möchte jetzt zusätzliche Möglichkeiten in das Atomgesetz eingefügt sehen, mit denen die Betriebsdauer weiter eingeschränkt werden könnte. Diese beantragten Änderungen des Atomgesetzes, lieber Kollege Harms, haben allerdings ein paar Haken. Ich will gar nicht böswillig sein, ich weise aber trotzdem auf den § 7 Abs. 1 Satz 2 hin. Hiernach werden für Kernkraftwerke in Deutschland überhaupt keine Genehmigungen mehr erteilt. Deshalb geht die Forderung nach neuen, befristeten Genehmigungen komplett ins Leere. Bereits erteilte Anlagen- und Betriebsgenehmigungen sind Eigentumsrechte. Würde die Möglichkeit befristeter Genehmigungen in das Atomgesetz eingefügt, so blieben bereits erteilte Genehmigungen hiervon völlig unberührt und anderenfalls - lieber Kollege Harms - würden Grundrechte schlicht verletzt. Insofern ist die Nummer eins Ihres Antrags komplett gegenstandslos.
Auch die Nummer zwei des SSW-Antrages ist meines Erachtens gegenstandslos, denn was im SSWAntrag steht, steht bereits im Atomgesetz. Der SSW möchte, dass Betriebsgenehmigungen endgültig entzogen werden können, wenn die Voraussetzung für ihre Erteilung für einen längeren Zeitraum nicht vorlagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich der Jubelorgie in Richtung der Reaktorsicherheitsministerin nicht anschließe, aber eines habe auch hier immer festgestellt: Sie ist verpflichtet dazu, wenn ein Atomkraftwerk nicht sicher ist beziehungsweise wenn sie davon überzeugt ist, dass es nicht sicher ist, verfügen muss, dass es abgeschaltet wird. Dies steht nämlich bereits in § 17 Abs. 3 Nr. 2 des Atomgesetzes. Nach dieser Vorschrift können Genehmigungen und allgemeine Zulassungen „widerrufen werden, wenn eine ihrer Voraussetzungen später weggefallen ist und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird“.
Und ein solcher Widerruf ist endgültig, lieber Kollege Harms, denn ich sagte es bereits: Neue Genehmigungen für Kernkraftwerke werden in Deutschland nicht mehr erteilt. Offensichtlich stört sich der SSW an der Formulierung „in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird. Aber dieser Zeitraum liegt vor einem möglichen Widerruf einer Genehmigung. Einen solchen angemessenen Zeitraum gebietet der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwingend. Wenn immer auf die kleinteilige Juristerei hingewiesen wird, möchte ich sagen, dass ich erstens kein Jurist bin und zweitens: Lieber Kollege Nabel, wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat und ob Ihnen oder mir das gefällt, darauf kommt es im Zweifel nicht an. Wir haben in der Sache dasselbe Ziel, aber dieses Ziel mit Vorstellungen zu konterkarieren
Dadurch wird keinesfalls ausgeschlossen, dass die Dauer eines solchen angemessenen Zeitraums bei schweren Verfehlungen ermessensfehlerfrei auf Null reduziert werden könnte. Lieber Kollege Harms, ich interpretiere die Absicht des SSW offensichtlich richtig.
Jawohl. - Dann verfolgen auch Sie mit Ihrem Antrag das Ziel, die Kernkraftwerke so schnell wie möglich abschalten zu lassen. Lieber Kollege Harms, diesem Ziel kommen Sie allerdings mit diesem Antrag keinen einzigen Schritt näher. Ich bedauere dies, aber Juristerei ist ein schwieriges Geschäft, insofern sollen wir uns da noch einmal ordentlich juristisch beraten lassen. In den entsprechenden Ausschüssen ist ein Gesetzentwurf.
Herr Kollege, von dem „Jawohl“ hatte ich mir mehr versprochen. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.
Frau Präsidenten! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Störfälle in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel haben uns die Gefahren der Atomenergie erneut und sehr deutlich vor Augen geführt. Die Technik hat an mehreren Stellen versagt, das menschliche Handeln war fehlerhaft, Fragen sind offengeblieben, nicht zuletzt deshalb,
weil die Materie so komplex ist. Das Absinken des Kühlmittelstandes über den Brennelementen ist ein Ereignis, das an den unmittelbaren Bereich einer Havarie, einer Kernschmelze rührt. Was da passiert ist, war im Ergebnis keine Kleinigkeit.
Die Vorläufe waren ein einziges Chaos. Aber im Ergebnis ist hier tatsächlich etwas passiert, was am Kern im doppelten Sinn des Wortes gerührt hat.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Das stimmt definitiv nicht! Viel- leicht hören Sie auch einmal darauf, was die Ministerin sagt! Es stimmt nicht, was Sie ge- sagt haben!)
Sehr geehrter Herr Kollege Garg, ich bitte Sie! Sie sind herzlich eingeladen, sich für einen Dreiminutenbeitrag zu melden.
Rückblickend bin ich immer noch entsetzt, dass Sie, die großen Parteien, CDU und SPD, Ihr Atomprogramm rücksichtslos durchgesetzt haben. Franz Josef Strauß und Helmut Schmidt haben Hand in Hand mit der Atomindustrie Milliardensummen für Förderungen ausgegeben, ohne dass es eine ernsthafte Lösung für die Behandlung des Atommülls gab und es sie bis heute nicht gibt.
Auch nachdem alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet sind, wird uns - beziehungsweise uns nicht mehr, sondern nachfolgende Generationen die Frage des Atommülls etwa 100.000 Jahre lang beschäftigen.
Der Ministerpräsident hat sich nach Wochen des Schweigens zur Atomenergie geäußert. Er sieht keine Chance für eine Laufzeitverlängerung von Brunsbüttel. Das ist aus seiner Sicht politisch nicht durchsetzbar. Ich hoffe, der Wirtschaftsminister hat diese Worte aufgenommen. Das, was er gesagt hat, ist jedoch nicht nur taktisch geboten. Es ist aufgrund der Gefahren, die mit der Atomenergie verbunden sind, konkret geboten. Die alten Atomkraftwerke sind nicht sicher, weil sie immer nachgerüstet wurden. Das wird immer behauptet. Im Gegenteil, sie werden dadurch komplexer und po
tenziell gefährlicher. Sie sind gegen terroristische Einwirkungen weit weniger geschützt als neue Atomkraftwerke. Daher hat Herr Bundesminister Gabriel mit seiner Forderung recht, dass die ältesten Reaktoren schnell vom Netz gehen müssen. Das sollte die Landesregierung unterstützen.
In den „Kieler Nachrichten“ vom 10. September 2007 hat der neue Vattenfallchef Hans-Jürgen Cramer noch einmal bekräftigt, dass er Brunsbüttel länger am Netz lassen will und notfalls auch den Klageweg einschlagen will. Die Chancen dafür stehen allerdings mehr als schlecht. Ein Gutes aber hat die Diskussion um die Vorfälle gebracht. Vattenfall hat durch sein Verhalten in den letzten vier Monaten etwa 100.000 Kunden verloren. Aus meiner Sicht ist es ein tolles Ergebnis, dass die Verbraucher ihre Macht erkennen und sie gebrauchen, indem sie den Stromanbieter wechseln. Wir Grünen fordern dazu auf, die großen Stromoligopolisten zu verlassen und sich zum Beispiel bei Ökostromanbietern als neue Kunden einzuklinken.
Die politische Initiative des Bundesumweltministers für eine vorzeitige Abschaltung der Atomkraftanlagen wird von uns gestützt. Damit wird ein Mehr an Sicherheit erreicht. Bei der Sicherheitsdiskussion ist nur eines sicher; es ist immer nur eine relative Sicherheit. Allein die Tatsache, dass die älteren AKWs gegen Abstürze von Flugzeugen weniger geschützt sind, zeigt die Sinnhaftigkeit dieser Forderung. Bei Änderungen im Atomgesetz sollte eine Beweislastumkehr beschlossen werden. Insofern finde ich, dass der Antrag des SSW in dem Teil Sinn macht. Bei den Genehmigungen teile ich allerdings die Kritik. Neugenehmigungen wird es nach der derzeitigen Rechtslage nicht geben. Die Beweislastumkehr ist jedoch eine Sache, die von uns auch gestützt wird.
Wir setzen uns dafür ein, dass beide Anträge an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Ich hoffe, dass die Vorfälle in den schleswig-holsteinischen Atommeilern diejenigen zum Nachdenken bringen, die der Atomkraft freundlich oder befürwortend gegenüberstanden. Heute sagt niemand mehr, deutsche Atomkraftwerke seien besonders sicher. Die schwedischen Atomkraftwerkbetreiber haben auch behauptet, schwedische Atomkraftwerke seien sicher. Nach diesem Chaos sagt das jedenfalls in Deutschland niemand mehr ernsthaft. Machen Sie sich bewusst, dass die Endlagerung von Atommüll bis heute nicht definiert ist. Ich möchte