Protocol of the Session on September 12, 2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen, falls sich ein Redner zu Tagesordnungspunkt 47 vom Präsidium ungerecht behandelt gefühlt hat, was die Redezeit angeht: Die Redezeit von sieben Minuten stand nie zur Disposition. Sie wurde nur einfach von Herrn Ritzek genannt. Es ging hierbei um fünf Minuten.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung in der Drucksache 16/1551 dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 49 auf:

Situation der Nord- und Ostseefischerei

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1553

Für den Bericht erteile ich dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Immer wieder berichten Medien über leer gefischte Meere, leider manchmal fälschlicherweise auch über die Ausrottung von Fischarten in Nordund Ostsee. Das Interesse an dem Thema ist zu begrüßen, aber leider ist die Berichterstattung nicht immer differenziert genug. Deshalb freue ich mich, mit diesem Bericht einen objektiven Beitrag leisten zu können. Leider ist es richtig, dass viele der Fischbestände, die wir in Nord- und Ostsee haben, überfischt sind. Fakt ist, dass wir immer noch zu viele Fischereifahrzeuge in Europa, auch in der Ostsee, haben und viel zu wenig Fisch.

Aber hier lohnt sich eine differenzierte Betrachtung: Wenn man sich Schleswig-Holstein anschaut, dann wird man feststellen, dass wir eine relativ kleine Fischereiflotte von Kuttern und Küstenfischern haben. Überkapazitäten gibt es weder in Schleswig-Holstein noch in anderen norddeutschen Bundesländern. Man muss diagnostizieren, dass unsere Fischer deshalb in erster Linie die Leidtragenden und nicht die Verursacher dieser festgestellten Überfischung sind. Ein Problem ist vor allen Dingen auch die steigende Anzahl von den Fang regulierenden EU-Vorschriften, aber auch die Überalterung der Fahrzeugflotte. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich heute die Lösung der Problemfelder nachhaltige Fischerei, Einkommen der Fischer, aber auch Verbraucherinteressen zunehmend sehr schwierig.

Ich kann überhaupt nicht verstehen - ich möchte das aus aktuellem Anlass hier anführen -, dass die Europäische Union als Reaktion auf die zugegebene Überfischung des Dorsches von Polen über die Quote hinaus jetzt nicht nur einen Fangstop gegenüber Polen verhängt hat - das ist zu begrüßen -, sondern auch eine erneute Reduzierung der Fangquote für Dorsch in der westlichen Ostsee um 33 % und in der östlichen Ostsee um 23 % verhängt hat. Mir muss einmal jemand erklären, warum - wenn die Polen überfischen - in der westlichen Ostsee der größte Teil der Dorschquote gekürzt wird. Das ist nicht nachvollziehbar.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Deshalb hoffen wir, dass die Europäische Union diese Mechanismen dringend überprüft. Das müs

(Anke Spoorendonk)

sen wir tun. Gemeinsame Fischereipolitik auch auf europäischer Ebene ist wichtig, ist notwendig, ist der einzige Lösungsansatz. Vielleicht müssen wir unsere Interessen aber stärker artikulieren.

Deshalb haben wir auf meine Initiative hin mit den fünf norddeutschen Bundesländern eine fischereipolitische Allianz geschlossen. Wir haben ein Neun-Punkte-Programm für eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Fischereipolitik erarbeitet. Dieses Papier fasst unsere Interessen zusammen. Wir haben das sowohl im Bund präsentiert und bei Bundesminister Seehofer Unterstützung erfahren, als dieses Papier dann auch in Brüssel präsentiert. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir deutlich machen, dass man, wenn man schon reduziert hat, dann auch mehr Spielraum braucht. Dann darf man nicht derjenige sein, auf den immer als Buhmann gezeigt wird. Man muss in Brüssel auch in der Lage sein, das differenziert zu betrachten.

Wir haben ein eigenes Zukunftsprogramm „Fischerei 2007 bis 2013“ geschneidert. Wir schöpfen die aus Brüssel bereitgestellten Mittel in voller Höhe aus. Das sind in den nächsten Jahren insgesamt 32 Millionen €.

An dieser Stelle möchte ich etwas zu der Kritik sagen. Natürlich sind nicht alle Fischer zufrieden. Sie kennen beispielsweise die Kritik der Krabbenfischer, die gesagt haben, mit vielen Punkten dieses Programmes könnten sie nichts anfangen, das gehe an den Bedürfnissen vorbei. Das liegt nicht etwa daran, dass wir die Situation auf Landesseite verkannt hätten, sondern das liegt daran, dass uns die Europäische Kommission für das Programm bestimmte, enge Maßstäbe setzt. Ich sprach schon von der Überalterung der Fahrzeuge. Wir haben nicht die Möglichkeit - ausdrücklich nicht -, den Neubau zu fördern. Das muss man auch verstehen, denn wenn wir das dürften, dürfte man das auch in Frankreich und Spanien, wo man ganz andere Kapazitäten hat, die erst einmal abgerüstet werden müssen. Das ist der Grund dafür, warum wir eine der Hauptforderungen der Fischer über dieses Programm nicht abarbeiten können.

Wir haben aber mit den Fischereiverbänden zusammen einen kostengünstigen, umweltfreundlichen und auf die Bedürfnisse der schleswig-holsteinischen Fischerei an Nord- und Ostsee zugeschnittenen Standardkutter entwickelt. Teil des Projektes, das aus dem Zukunftsprogramm gefördert werden soll, wird ein Finanzierungskonzept sein. Es geht uns darum, den Fischern etwas an die Hand zu geben, mit dem sie ihren Bedürfnissen ein Stück weit leichter nachkommen können. Aber noch einmal:

Für den Neubau selbst gibt es kein europäisches Programm.

Häufig werde ich gefragt: Wie passt das mit unseren Aktivitäten im Meeresumweltschutz zusammen? Herr Minister Döring hat schon darüber berichtet. Auch dort sind wir federführend tätig. Wir haben uns im Meeresschutz ebenfalls auf Berliner und auf Brüsseler Ebene engagiert - übrigens mit starker Unterstützung vom WWF und von Green peace.

Sie sehen und die Landesregierung zeigt es, man kann den Schutz der Meere, den Schutz der Arten im Meer, mit einer nachhaltigen Fischereipolitik zusammenbringen. Man kann sie nicht nur zusammenbringen, man muss sie auch zusammenbringen, denn am Ende sind sie zwei Seiten einer Medaille.

(Beifall bei CDU, SPD und vereinzelt bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Klaus Klinckhamer.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zunächst für den guten und umfangreichen Bericht bei Ihnen bedanken, Herr Minister. Ich bitte, diesen Dank auch in Ihrem Haus weiterzugeben.

Wir begrüßen das Neun-Punkte-Programm der norddeutschen Länder, das auf Ihre Initiative hin entstanden ist. Die neun Punkte werden auch - soweit ich es vernommen habe - von der Fischerei positiv gesehen. Entscheidend ist nun, dass sie in der Praxis auch alle umgesetzt werden. Norddeutschland - und damit auch Schleswig-Holstein - hat dadurch in der von der EU dominierten Fischereipolitik ein größeres Gewicht.

Deutschland hat circa 3 % der Flotte, aber 9 % der Quote. Hieran kann man sehen - Sie haben das schon gesagt -, dass unsere Flotte schon abgespeckt wurde. Unsere Flotte ist aber rettungslos überaltert. Es müsste auch der Neubau möglich sein. Am Standardkutter wird schon gearbeitet - hoffentlich mit Erfolg.

In Heiligenhafen hat unser Ministerpräsident gemeinsam mit unserem Fischereiminister ein Zukunftsprogramm Fischerei zur Unterstützung der Fischerei in Schleswig-Holstein vorgestellt. Bis 2013 werden 16 Millionen € EU-Gelder - dazu die

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

gleiche Summe kofinanziert aus Mitteln der GAK während der Programmlaufzeit mit einem Investitionsvolumen von circa 60 Millionen € zur Verfügung stehen.

Entscheidend für die Fischerei ist aber die Dorschquote, der sogenannte Brotfisch. Es gibt zwei Dorschbestände, in der westlichen - der bessere Bestand - und in der östlichen Ostsee. Der Kabeljaubestand in der Nordsee wird sich nach Meinung der Wissenschaftler negativ entwickeln. Er verlagert sich wohl aus klimatischen Gründen immer mehr nach Norden, weil es dort kälter ist. Jetzt soll die Quote für die Ostsee im östlichen Teil um 23 % und im westlichen Teil um 33 % erneut gekürzt werden. Das darf so nicht passieren.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Die Antwort darauf war größter Protest aus der Fischerei. Unser Minister ist bereits tätig geworden und ich denke, er wird sich weiterhin einschalten. Es geht für einen großen Teil der Fischer hier um ihre Existenz. Die Polen haben die drei- bis vierfache Menge ihrer Quote gefangen. Daher ist es folgerichtig, einen Fangstopp für Polen zu verhängen. Eigentlich müsste den Polen auch die überfangene Menge von ihrer Quote abgezogen werden - auch wenn man dies vielleicht auf Jahre verteilen sollte.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Bernd Schröder [SPD])

Es dürfen nicht alle Fischer - somit auch unsere in Schleswig-Holstein - dafür bestraft werden. So ist es auch bei uns praktiziert worden.

Die neue Lösung für die westliche Ostsee - im April Fangstopp, dann 223 Fangtage - wird von uns und den Fischern begrüßt. Für die östliche Ostsee soll im Juli und August ein Fangstopp bestehen, danach soll es 200 Fangtage für die Fischer geben.

Weiter muss endlich mit dem Bürokratieabbau ernst gemacht werden. Auf diesem Gebiet ist die Europäische Union ständig zu Höchstleistungen fähig. Absolut widersinnig ist das Zugangsrecht für die Nordsee. Wer 2001 bis 2005 in der Nordsee nicht gefischt hat, kommt nicht wieder herein. Dieses gilt auch für die Krabbenfischer, wenn sie in dieser Zeit ausschließlich Krabben gefischt haben.

Die Fischerei wünscht sich - und ich meine, dieses mit Recht -, dass die Zuteilung der Quote nicht erst Mitte des Jahres erfolgt. Ich weiß aus der Praxis, dass der Kontakt zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium und der Fischerei teilweise besser sein könnte. Vielleicht könnte unser Minister hier hilfreich tätig werden.

Wir wünschen uns eine Fischerei, die von ihrer Arbeit leben kann und die weiterhin ein wertvoller Bestandteil unseres Landes zwischen den Meeren bleibt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klinckhamer und erteilte für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit hier nicht nur ein Minister gelobt wird, erlaube ich mir, den Dank der SPD-Landtagsfraktion auch an Sie, Herr Minister von Boetticher, und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Ministerium auszusprechen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Bericht ist eine gute Grundlage, um die Situation der Fischerei in Schleswig-Holstein darzustellen. Er zeigt auf, wie vielfältig die Fischerei in unserem Land ist und dass die Fischerei einen festen und nicht wegzudenkenden Platz in der Identität unseres Landes hat. Die verschiedenen Formen der Fischerei haben nicht nur eine regionale Wirtschaftsbedeutung, sondern sie sind auch von ganz besonderer Bedeutung für unseren Tourismus. Ein Hafen ohne Fischkutter wäre keine Attraktion für unsere Gäste.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Und weil das so ist, geben wir ein klares Bekenntnis für die Fischerei und alle engagierten und leistungsfähigen Fischer in unserem Land ab. Wir wollen eine zukunftsfähige Fischereiwirtschaft in Schleswig-Holstein. Wir wollen zukunftsfähige Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Fischerei sicherstellen. Um dies zu erreichen, ist die Fischerei auf unsere Unterstützung und Hilfestellung angewiesen. Die Fischerei braucht praxisnahe Lösungen wie zum Beispiel für Praktikumsplätze für junge Menschen, die sich für einen Arbeitsplatz in der Fischerei interessieren. Und sie braucht Förderprogramme, die dort eingesetzt werden können, wo sie erforderlich und auch effektiv sind.

Wir wollen jungen Fischern die Möglichkeit geben, für sich und ihre Familien eine eigene zukunftssichere Existenz aufzubauen. Dazu gehört auch der eigene Kutter, der aber finanzierbar sein muss. Bei Kosten von rund 1 Million € für ein solches Schiff ist das eben nicht zu finanzieren. Deshalb setzen wir uns dafür ein - Herr Minister von Boetticher hat

(Klaus Klinckhamer)

es gesagt -, mit einem Standardkutter für die Nord- und Ostsee die Kosten deutlich zu senken. Dieser würde zwar immer noch 600.000 bis 700.000 € kosten, aber er böte schon eher die Möglichkeit, dieses zu bewerkstelligen.

Der Kernbestand der Fischereiflotte in Schleswig-Holstein ist erreicht. Ein weiteres Abschmelzen stellte eine an die zu fischenden Bestände angepasste Fischereiflotte infrage und dies wäre ein herber Verlust von Wirtschaftskraft für unser Land.

Die von der EU Anfang September vorgelegten Vorschläge für die Fangquoten im Jahr 2008 in der Ostsee würden insbesondere die schleswig-holsteinischen Fischer bei ihrem „Brotfisch“, dem Dorsch, hart treffen und bei einem derartig begrenzten Fangvolumen tatsächlich für eine ganze Reihe von Familienbetrieben das Aus bedeuten. Diese abzuwendende Gefahr hat Minister von Boetticher gegenüber der Presse bereits zum Ausdruck gebracht.

Wichtig für die Zukunft unserer Fischerei ist neben dem Fang auch der wirtschaftliche Absatz. Hier ist der in Deutschland insgesamt ansteigende Konsum ein gutes Zeichen. Erfreulich ist auch, dass Schleswig-Holstein beim Pro-Kopf-Verbrauch im bundesweiten Vergleich an der Spitze liegt. In diesem Trend und angesichts steigender Preise für Fisch liegt eben auch eine große Chance für den Absatz des gesunden Lebensmittels und für die zukunftssicheren Arbeitsplätze.