Protocol of the Session on September 12, 2007

(Rolf Fischer [SPD]: Nun loben Sie mal den Bericht!)

- Ich rede über das Thema integrative europäische Meerespolitik und freue mich, Herr Kollege, dass die Regierung in diesem Bereich wirklich aktive Mitgestaltung der politischen Arbeit in der Europäischen Union zustande gebracht hat.

(Beifall bei der SPD)

Den Kollegen Döring habe ich an anderer Stelle im Rahmen der zahlreichen Debatten über dieses Thema - das ist ja ein Tagesordnungspunkt, den wir fast auf jeder Plenartagung haben, mindestens jeder zweiten - gelobt. Aber gern, wenn es gewünscht wird, Herr Kollege Rolf Fischer, will ich den Minister Uwe Döring ob seiner vielfältigen Aktivitäten in diesem Bereich als ein herausragend erfolgreiches und produktives Mitglied der ansonsten nicht so lobenswerten Landesregierung in dieser Debatte herausstellen.

(Lachen bei der SPD - Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, damit habe ich den Ansprüchen des Kollegen Fischer einigermaßen Rechnung getragen.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug und erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ehe ich mich jetzt Zwischenrufen der Kollegen aussetze, möchte ich mich dem Lob für den Bericht anschließen, aber auch meine Anerkennung für die Politik im Bereich des Meeresschutzes aussprechen.

(Zuruf von der SPD: Das war etwas zöger- lich!)

Meine Damen und Herren, ich danke jedenfalls in aller Form für den Bericht. In dem Bericht wird deutlich, Meerespolitik ist Politik für die Zukunft. Hier liegen unsere Chancen für einen nachhaltigen Meeresschutz sowie für Forschung und Innovation. Nachhaltiger Meeresschutz, also Natur- und Umweltschutz, muss das Leitprinzip und nicht nur eine Säule der Meerespolitik sein. Integrierte Meerespolitik ist richtig, denn wirtschaftliche Interessen müssen in die Meerespolitik integriert werden. Die Grundlage dafür ist die ökologische Tragfähigkeit des Meeresschutzes. Die bisherigen Maßnahmen, zum Beispiel im Grünbuch, reichen aus unserer Sicht noch nicht aus. Damit werden wir den geforderten guten Umweltzustand der Meere bis 2018 voraussichtlich nicht erreichen.

Die EU lässt viele Gelegenheiten verstreichen, sich auf einen nachhaltigen und umfassenden Meeresschutz zu verpflichten, und knickt vor der Wirtschafts- und Fischereilobby regelmäßig ein. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt auch die Bundesregierung, die in Brüssel in Sachen Meeresschutz aus unserer Sicht nicht förderlich agiert. Zwar hat die Koalition erkannt, dass wir das Ökosystem Meer schützen müssen. Letztlich behalten aber die Interessen der maritimen Wirtschaft vor dem Meeresschutz in der Regel das letzte Wort.

Das Bewusstsein für eine europäische Meerespolitik ist jetzt da. Diese Chancen wollen wir nutzen.

(Dr. Ekkehard Klug)

Notwendig ist aber ein ambitionierter Zeitplan, um Maßnahmen möglichst schnell umzusetzen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Problematisch ist, dass die Meerespolitik nach wie vor nicht nur in die Kompetenz der EU fällt. Für eine umfassende Meerespolitik brauchen wir internationale Ansätze über die EU hinaus. Ein Beispiel sind die Schiffsemissionen. Das Schiff hat das Potenzial des ökologisch verträglichsten Verkehrsmittels. Mit dem erwarteten Anstieg des Seeverkehrs um 60 % bis 2020 wird auch der Schadstoffausstoß steigen. Bei aller Vorzüglichkeit des Schiffsverkehrs in der Transportleistung kann man den Großteil der Schiffe als Dreckschleudern bezeichnen, die mit Kraftstoffen aus Schwerölen und Raffinerieabfällen fahren. Wir müssen den Druck verstärken, um diese Dreckschleudern in den Griff zu bekommen.

Die EU kann eine Vorreiterrolle bei der Reduzierung von Schiffsemissionen übernehmen, indem sie das Verursacherprinzip einführt, Effizienztechnologien wie verbesserte motorische Antriebe, aber auch Windantriebe fördert, woran jetzt in Hamburg geforscht wird beziehungsweise was bei Lindenau gebaut wird, und ökologische Steuerungsinstrumente wie die Besteuerung von Schiffen mit hohem Schadstoffausstoß nutzt. Die Einbeziehung des Schiffsverkehrs in den Handel mit CO2-Zertifikaten für mehr Klimaschutz im Seeverkehr ist längst überfällig. Was für die Straße gilt, muss auch für Meere und Luftraum selbstverständlich werden.

In der Hafenpolitik ist grüne Position: Nein zur Elbvertiefung, Ja zu einer vernünftigen Arbeitsteilung zwischen den deutschen Seehäfen. Statt einer teuren Hafenkonkurrenz wollen wir die Hafenkooperation mit Wilhelmshaven. Ein europaweites Seehafenkonzept wäre dringend notwendig, um eine effiziente, arbeitsteilige Hafenkooperation aufzubauen und die Kostenanlastung transparent und vergleichbar zu machen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Über den Bereich der Fischerei reden wir noch beim kommenden Tagesordnungspunkt. Daher will ich jetzt auf den diesbezüglichen Bericht nicht eingehen.

Meine Damen und Herren, für einen umfassenden nachhaltigen Meeresschutz darf es keine Tabus geben. Neben dem Verkehr ist die Landwirtschaft ganz klar der größte Verschmutzer von Nord- und Ostsee. Die ökologische Situation der Ostsee spie

gelt die nicht nachhaltige Lebensweise von 85 Millionen Menschen wider. Die Belastung speziell der Ostsee ist durch jahrzehntelange Einträge aus der Landwirtschaft bestimmt. Allein die Stickstoffeinträge machen 22 % der Gesamtbelastung der Ostsee aus. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU ist für Einträge von Stickstoffverbindungen, Phosphaten und so weiter und damit für die Überdüngung der Nord- und der Ostsee verantwortlich.

Wir müssen daher in der EU-Agrarpolitik konsequent umsteuern und die Landwirte besonders fördern, die ihre Nähr- und Schadstoffeinträge reduzieren. Konkrete Zielvorgaben für den Meeresschutz in der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union sind notwendig. Herr Dr. Klug hat schon auf die Ostseeparlamentarierkonferenz in Berlin und an die Berichte der dänischen Kollegen dort verwiesen, die in ihren Flachwassergründen, die dort sehr verbreitet sind, eine bis zu 30 % biologisch tote Ostsee beobachten, die sich infolge dessen auch fischereilich nicht mehr nutzen lässt. Dies wird absehbar auch Nachteile für den Tourismus mit sich bringen.

Dies ist regional nicht lösbar. Aber die acht OstseeAnrainer und EU-Mitglieder können ihre Anliegen gemeinsam in der EU vortragen und so den Handlungsdruck erhöhen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, es ist Zeit für die einfache Erkenntnis, dass Schutz und Nutzen der Meere zwei Seiten einer Medaille sind: Ohne einen umfassenden nachhaltigen Meeresschutz wird es keine langfristige Nutzung unserer Meere geben. Meeresschutz ist nur möglich, wenn die Meere nicht auf ihre Funktion als ökonomische Ressource reduziert werden, sondern ihr schutzwürdiger Eigenwert erkannt wird.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Detlef Matthiessen)

Für den SSW erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg. Lieber Kollege Fischer, ich schließe mich dem Lob des Kollegen Klug an den Minister an. Ich finde, er leistet eine tolle Arbeit. Der Bericht ist gut. Ich möchte mich im Namen des SSW auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministers bedanken.

(Beifall bei SSW, SPD und CDU)

Der Bericht dokumentiert einmal mehr die umfangreiche Bedeutung des Themas der integrierten Meerespolitik. Auch das ist bereits gesagt worden. Das gilt für Europa, das gilt für Schleswig-Holstein und das gilt natürlich auch für die gesamte Ostseeregion, der wir angehören. Der Bericht legt zum einen dar, was seit Vorlage des Grünbuches im Juni 2006 auf EU-Ebene geschehen ist, und führt an, dass der Höhepunkt des einjährigen Konsultationsprozesses die Bremer Konferenz Anfang Mai, also in der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, war.

Wir in Schleswig-Holstein wissen, dass die Bremer Erklärung eigentlich nur das ergänzt, was schon im September 2006 im Rahmen der Kieler Konferenz zur europäischen Meerespolitik beschlossen wurde. Aber jetzt wissen die anderen das auch.

Zum anderen skizziert der Bericht, was aus Sicht der Landesregierung die nächsten Schritte sind. Entscheidend ist dabei, dass die EU-Kommission nach Evaluation der eingegangenen Stellungnahmen - ich habe mir sagen lassen, rund 85 kommen aus der Ostseeregion - mit der Erarbeitung von konkreten Handlungsansätzen und eines Aktionsplans in einem sogenannten Blaubuch den nächsten Baustein für eine integrierte europäische Meerespolitik legt. Daraus ergeben sich für Schleswig-Holstein weitere Möglichkeiten, sich zu profilieren, und ich finde, das ist richtig gut.

Ich möchte jetzt auf ein paar Aspekte eingehen, die aus Sicht des SSW für die weitere Arbeit von Bedeutung sind.

Erstens. Der Bericht hebt hervor, dass sich Schleswig-Holstein seit 2004 für eine europäische Meerespolitik stark gemacht hat und mit der Präsentation der damaligen Studie „Zukunft Meer“ wirklich Neuland betrat. Ich hebe das hervor, um deutlich zu machen, dass es eine Kontinuität in dieser Arbeit

gibt, und weil ich denke, dass diese Kontinuität auch wichtig ist.

Der Bericht macht weiterhin deutlich, wie diese Landesinitiative heute organisiert ist. Der Bericht sagt, mit der Stabsstelle der Projektgruppe „Zukunft Meer“ und einem auf Staatssekretärsebene angesiedelten IMAK soll sichergestellt werden, dass alle maritimen Politikbereiche in die Arbeit integriert werden. Nachzulesen ist außerdem, dass alle ausgewählten Projekte grundsätzlich unter Federführung des zuständigen Fachministeriums durchgeführt und im Rahmen bestehender Förderprogramme finanziert werden.

Der SSW begrüßt, dass der Politikansatz „Meer“ damit in den Organisationsplan der Landesregierung implementiert worden ist.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und CDU)

Denn nur dadurch ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit in diesen Politikbereich hineingekommen. Sieht man sich die angeführten Handlungsfelder an, so gibt es noch genug zu tun, um diesen integrierten Ansatz zum Tragen zu bringen, nicht zuletzt, wenn es um die Einbeziehung der kommunalen oder der regionalen Ebene geht. Auch die im Bericht angeführten Konferenzen und Foren belegen, dass man sich eher noch in den Startlöchern befindet.

Grund genug also, im Europaausschuss einmal nachzufragen, was bisher denn konkret umgesetzt worden ist und wie im Einzelnen die Verzahnung zwischen den beteiligten Akteuren funktioniert. Ich denke dabei nicht zuletzt auch an die Initiativen des Maritimen Clustermanagements. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass bisher hauptsächlich die Hochschulen von diesen neuen Ansätzen profitiert haben. Das ist gut, aber das kann es nicht gewesen sein. Nicht hinnehmbar ist es aus Sicht des SSW, wenn die Landesregierung einmal mehr die Einrichtung eines Maritimen Science Centers aus dem Hut zaubert; denn das hat aus unserer Sicht mit einer seriösen Darstellung von aktuellen Best-Practice-Beispielen nun wirklich nichts zu tun.

Zweitens. Für uns bleibt eine zentrale Frage, wie sich der Landtag künftig in diesem Politikfeld positionieren will. Aus unserer Sicht reicht es nicht aus zu sagen: Die Landesregierung wird es schon richten. - Mein Lob dem Minister gegenüber hatte ich schon deutlich gemacht. Der Bericht belegt eindrucksvoll, dass es wichtig ist, dass wir, also Landesregierung und Landtag, auf allen Ebenen verstärkt tätig werden. Ich hoffe, dass wir auch das im Europaausschuss noch einmal miteinander besprechen können.

Ein letztes Stichwort ist die Arbeit von HELCOM. In eindrucksvoller Weise berichtete der Vorsitzende der Helsinki-Kommission auf der diesjährigen Ostseeparlamentarierkonferenz in Berlin über die Ausarbeitung eines Baltic Sea Action Plans. Dieser Plan zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets soll am 15. November im Rahmen einer Minister-Sondertagung der Helsinki-Kommission in Warschau verabschiedet werden. Sollte dies nicht geschehen - O-Ton Professor Ostojski -, werde die Arbeit der HELCOM für viele Jahre lahmgelegt werden.

Frau Abgeordnete, Ihre Zeit!

Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. - Daher kam es auf der Ostsseeparlamentarierkonferenz zu dem eindringlichen Appell, dass alle anwesenden Parlamentarier und Parlamentarierinnen zu Hause in ihren jeweiligen Parlamenten die zuständigen Minister und Ministerinnen dazu auffordern sollten, im Sinne dieses Action Plans tätig zu werden. Ich denke mir, trotz des Wahlkampfs in Polen wäre es gut, wenn auch vom Schleswig-Holsteinischen Landtag ein solches Signal ausginge.

(Beifall bei SSW und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, falls sich ein Redner zu Tagesordnungspunkt 47 vom Präsidium ungerecht behandelt gefühlt hat, was die Redezeit angeht: Die Redezeit von sieben Minuten stand nie zur Disposition. Sie wurde nur einfach von Herrn Ritzek genannt. Es ging hierbei um fünf Minuten.