Protocol of the Session on July 12, 2007

sich das Ganze innerhalb der bereits existierenden und - das möchte ich betonen - sicheren Mauer abspielen soll. Ich denke, hierfür werden wir vor Ort gemeinsam werben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hervorheben möchte ich noch die im Gesetz vorgesehene enge und verbindliche Zusammenarbeit der Anstalt mit den Eltern und mit außervollzuglichen öffentlichen und nicht öffentlichen Einrichtungen und Organisationen. Eine lange Reihe ist aufgelistet. Das bedeutet die Verpflichtung des Vollzugs zur Offenheit, das ist aber auch eine Aufforderung an Behörden und an die Bürgergesellschaft, die jungen Gefangenen in der Haft zu begleiten und ihnen danach beim schwierigen Übergang in den Alltag zu helfen.

Den ehrenamtlichen Mitarbeitern kommt dabei eine besondere Rolle zu, nicht nur niedrigschwellig, nicht nur als Gesprächspartner zur Bewältigung persönlicher Probleme, wie es im Gesetzentwurf heißt. Der Stellenwert ihrer Arbeit wird dadurch deutlich, dass sie bei grundlegenden Aufgaben wie zum Beispiel bei der Fortschreibung der Vollzugspläne mit einzubeziehen sind. Ich denke, es ist wichtig, dies einmal festzustellen. Viele Externe sind heute schon in der Jugendanstalt engagiert und mit wichtigen Aufgaben betraut. Wenn die Einbeziehung Dritter ausgeweitet werden soll, was ich begrüße, wird, so denke ich, auch die Koordination zu regeln sein, damit nicht viele Wohlmeinende doppelt oder vielleicht aneinander vorbei arbeiten, damit wirkliche Netzwerke entstehen und damit vor allem ein gutes Übergangsmanagement am Ende der Haft sichergestellt ist.

Es ist darauf verwiesen worden, dass sich dieser Entwurf der zehn Länder und der daraus entstandene Gesetzentwurf der Landesregierung seit geraumer Zeit in der öffentlichen Diskussion befinden. Die Reaktion ist durchweg und grundsätzlich zustimmend, positiv. Neben kleinen Änderungsvorschlägen vor allem praktischer Art ziehen insbesondere zwei Punkte etwas deutlichere Kritik auf sich: die Formulierung des Vollzugsziels und die Frage eines geschlossenen oder eines offenen Vollzugs. Hierzu möchte ich ganz kurz Stellung nehmen.

Das Bundesverfassungsgericht betont, dass das Vollzugsziel darauf gerichtet sein muss, den Inhaftierten künftig ein straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen, betont also die Resozialisierung. Diese nennt auch der Gesetzentwurf. Darüber hinaus weist der Gesetzentwurf dem Vollzug aber auch die Aufgabe zu, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Auf die Benennung dieser Aufgabe richtet sich die Kritik.

Ich bin der Meinung, dass hier kein Gegensatz besteht und dass das Ziel der Resozialisierung keineswegs konterkariert wird, zumal ich überzeugt bin auch insoweit wiederhole ich die Ausführungen meiner Vorredner -, dass die Resozialisierung oder im Zweifelsfall die Sozialisierung des Straftäters der beste Schutz der Allgemeinheit ist, und dies ist ja als übergeordnetes Ziel im Gesetzentwurf benannt.

Nun kurz noch zum zweiten Punkt, zum Streitfall „offener oder geschlossener Vollzug“! Im Gesetzentwurf heißt es, dass die Gefangenen nach Eignung im offenen oder geschlossenen Vollzug untergebracht werden. Es werden also keine Prioritäten genannt. Die Kritiker fordern, den offenen Vollzug als Regel vorzusehen. Ich würde mir auch wünschen, dass der offene Vollzug in unserem Land einen größeren Stellenwert bekäme; aber ich erinnere an die Zahlen, die wir im letzten Monat hier diskutiert haben: In Schleswig gibt es 73 Plätze im geschlossenen Vollzug, zehn Plätze im offenen Vollzug und davon sind kaum die Hälfte belegt. Ich sehe keinen Sinn darin, im Gesetz Standardregeln festzulegen, von denen wir Lichtjahre entfernt sind. Das wäre meiner Meinung nach nicht ehrlich. Wir sind dennoch aufgefordert, uns künftig auch außerhalb dieses Gesetzgebungsverfahrens mit der Frage zu befassen, wie die Quote zwischen geschlossenem und offenem Vollzug verbessert werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ausnahmsweise habe ich fast eine zeitliche Punktlandung gemacht.

(Beifall)

Ich freue mich auf die Anhörung und die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU und des Abgeord- neten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich danke der Frau Abgeordneten Schlosser-Keichel und erteile dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende Juni ließ sich die Landesregierung bereits von der Presse für ihr neues Jugendstrafvollzugsgesetz loben. Von konsequenter Erziehung jugendlicher Straftäter konnten wir lesen und von breiter Zustimmung zum vorgelegten Gesetzentwurf. Allerdings wies der kundige Schreiber auch darauf hin, dass

(Anna Schlosser-Keichel)

der Landtag noch das letzte Wort habe. Und das ist auch gut so.

Denn der Gesetzentwurf über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein, den uns Justizminister Döring heute präsentiert, lässt zwar ohne Frage das Prinzip eines auf Resozialisierung gerichteten Vollzugs jugendlicher und heranwachsender Straftäter erkennen; gleichwohl besteht aus meiner Sicht in diversen Grundsatz- wie Einzelfragen noch deutlicher Diskussions- und auch Änderungsbedarf. Insoweit unterscheide ich mich von meinen beiden Vorrednern. Ich komme hierauf noch zurück.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei erkenne ich durchaus an, Herr Minister, dass sich Schleswig-Holstein im Zuge der ihm durch die Föderalismusreform zugefallenen Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzugs dafür entschieden hat, ein eigenständiges Jugendstrafvollzugsgesetz vorzulegen. Auf diese Weise können die besonderen Anforderungen des Vollzugs von Strafen an Jugendlichen und ihnen gleichstehenden Heranwachsenden entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angemessen zugeschnitten werden.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Schleswig-Holstein nach der ebenso heftigen wie begründeten Kritik an der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz der Initiative von zehn Bundesländern angeschlossen hat, um aktiv einen möglichst übereinstimmenden Gesetzentwurf zu erarbeiten.

Die Sorge, dass der Jugendstrafvollzug - wie der Strafvollzug für Erwachsene ansonsten von Rechtszersplitterung und der Haushaltslage des Bundeslandes gekennzeichnet sein könnte, ist dadurch zumindest deutlich kleiner geworden. Nichtsdestotrotz habe ich in einigen Punkten grundsätzliche Bedenken. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass wir in den gemeinsamen Beratungen im Ausschuss diese grundsätzlichen Bedenken ausräumen können.

Das fängt bereits mit § 2 des Entwurfs an, wonach die Landesregierung versucht, Ziel und Aufgabe des Jugendstrafvollzugs so miteinander zu verquicken, dass eine Gleichrangigkeit zwischen dem Resozialisierungsziel und der Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, entsteht. Ich halte das für verfehlt und auch nicht für konform mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Ich möchte etwas mehr aus der Entscheidung, die beide Vorredner und der Minister schon angesprochen haben, zitieren.

In seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont jetzt kommt das sinngemäße Zitat -, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe auf das Ziel ausgerichtet sein müsse, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dieses oft auch als Resozialisierungsziel bezeichnete Vollzugsziel der sozialen Integration sei im geltenden Jugendstrafrecht als Erziehungsziel verankert, und zwar in § 91 Abs. 1 JGG. Freiheitsstrafe als besonders tief greifender Grundrechtseingriff sei mit dem Grundgesetz nur vereinbar, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer gesellschaftlichen Schutzfunktion konsequent auf eine straffreie Zukunft des Betroffenen gerichtet sei.

(Beifall bei der FDP)

Zugleich folge die Notwendigkeit, den Strafvollzug am Ziel der Resozialisierung auszurichten, auch aus der staatlichen Schutzverpflichtung für die Sicherheit aller Bürger. Zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, bestehe insoweit kein Widerspruch.

Meine Damen und Herren, es geht also gerade nicht darum, gleichermaßen den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten, wie es im Entwurf unzulässig verkürzt wird. Das Bundesverfassungsgericht liefert mit dem Hinweis auf die Sicherheit und den Schutz der Bürger vor weiteren Straftaten vielmehr nur ein zusätzliches Begründungselement, warum das Vollzugsziel in der Resozialisierung zu sehen sein muss: Weil nur durch eine gelungene Resozialisierung die Sicherheit der Bürger nach der Entlassung der jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter gewährleistet werden kann.

Dafür ist es wichtig, die Häftlinge nicht nur zu verwahren, ihr Verhalten zu sanktionieren und die Allgemeinheit - jedenfalls für die Zeit der Inhaftierung - vor ihnen zu schützen, sondern sie auf das Leben danach vorzubereiten. Je besser uns das gelingt und ich weise darauf hin, dass es uns ausweislich der hohen Rückfallquoten gerade bei den 15- bis 20-Jährigen mit den bisherigen Vollzugsformen noch nicht besonders gut gelingt -, umso größer wäre auch der Schutz der Allgemeinheit.

(Beifall bei der FDP)

Dabei birgt es selbstverständlich Risiken, für die Häftlinge wieder einen Realitätsbezug zum Leben in Freiheit herzustellen und ihre Eingliederung in das Berufsleben und in die Arbeitswelt voranzutreiben, gerade wenn man auch mit den Mitteln der Vollzugslockerung oder des offenen Vollzugs ar

(Wolfgang Kubicki)

beiten will. Nur, alles andere ist weitaus gefährlicher.

Damit bin ich gleich bei einem weiteren wesentlichen Kritikpunkt, und zwar den Regelungen zum offenen Vollzug. Gemäß § 13 Abs. 1 des Entwurfs werden die Gefangenen im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht. Was sich nach dem ersten Eindruck wie eine Gleichrangigkeit der Unterbringungsform anhört, entpuppt sich spätestens mit Blick auf Absatz 2 als eine Vorrangigkeit des geschlossenen Vollzugs. Denn die Gefangenen sollen nur im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen.

Zwar mag diese Regelung den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen - ich weise darauf hin, dass der Anteil der Gefangenen im offenen Jugendstrafvollzug in Schleswig-Holstein besonders niedrig ist; er liegt gerade bei 3 %, der Bundesdurchschnitt liegt bei 7,9 % -, aber dem Anliegen, das verfolgt werden soll, der Resozialisierung, dient diese Vollzugsform nicht. Nach meiner Überzeugung müsste die Priorität genau andersherum gesetzt werden, sprich der offene Vollzug zum Regelvollzug erklärt werden, von dem ein Gefangener nur bei begründeten Befürchtungen des Missbrauchs durch Flucht oder die Begehung weiterer Straftaten auszuschließen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn über eines müssen wir uns im Klaren sein: Für die Resozialisierung, für eine Eingliederung in die Gesellschaft, ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Gefangene einen Bezug zur Außenwelt behält oder aufbauen kann, bevor er entlassen wird.

Herr Minister, bei allem Wohlwollen, vier Besuchsstunden pro Monat können das nicht leisten und auch die Begleitung von privaten Initiativen oder von Stellen außerhalb der Anstalt können die realitätsbezogene Verbindung zur Außenwelt nicht ersetzen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Dieser Bezug lässt sich nur durch Vollzugslockerungen und offenen Vollzug realistisch herstellen. Weder die Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter, wie sie in § 7 des Entwurfs geregelt ist, noch eine sozialtherapeutische Einrichtung, deren geplante Errichtung ich an dieser Stelle ausdrück

lich loben möchte, können das ersetzen. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Schon gar nicht lässt sich im geschlossenen Vollzug der - häufig zwangsläufigen - Gefahr begegnen, dass gerade jüngere Gefangene von den Eigenheiten in einer Jugendvollzugsanstalt vereinnahmt und negativ beeinflusst werden. Durch diese negativen Einflüsse werden positive Ansätze oft zunichte gemacht und kriminelle Verhaltensmuster eher gestärkt.

An mögliche weitergehende Beeinflussungen, wie sie sich durch die Zulässigkeit des Jugendstrafvollzugs auch in getrennten Abteilungen einer Anstalt des Erwachsenenvollzugs vorstellen lassen, mag ich dabei gar nicht erst denken. Leider sieht der schleswig-holsteinische Entwurf diese Möglichkeit, Jugendabteilungen im Erwachsenenstrafvollzug zu bilden, ausdrücklich vor. Ich halte auch § 98 des Entwurfs daher für änderungsbedürftig.

Gerade im Jugendstrafvollzug sollte der Trend ganz verstärkt zu mehr offenem Vollzug gehen. BadenWürttemberg hat dafür einen - nach meiner Einschätzung - sehr nachahmenswerten Weg eingeschlagen: die Möglichkeit des Jugendstrafvollzugs in freien Formen.

Kollege Wadephul, ich sehe Ihr Kopfschütteln, Baden-Württemberg ist aber auch ein unionsgeführtes Land.

Ich will Ihnen diese Idee kurz erläutern. Allerdings bitte ich darum, mich deshalb nicht gleich für alle Vorschläge und Maßnahmen meines Parteikollegen, Justizminister Ulrich Goll, zu verhaften, schließlich ziehe ich Ihren Fraktionsvorsitzenden der CDU, Johann Wadephul, auch nicht für die verfassungsfeindlichen Tendenzen unseres Bundesinnenministers zur Rechenschaft oder auch nur die SPD-Fraktion für die Äußerungen ihres Parteivorsitzenden.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Vielen Dank!)

Baden-Württemberg jedenfalls hat die Formen des Jugendstrafvollzugs gestaffelt, ausgehend vom Jugendstrafvollzug in freien Formen über den offenen Vollzug bis zur Unterbringung im geschlossenen Jugendstrafvollzug, falls sich der junge Gefangene für die erstgenannten Formen als nicht geeignet erweist. Das ist § 27 des Jugendstrafvollzugsgesetzes von Baden-Württemberg.

Zielgruppe für einen Strafvollzug in freien Formen sind Jugendliche und Heranwachsende, die als Mehrfach- und Intensivtäter aufgefallen und erstmals zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt

(Wolfgang Kubicki)

worden sind. Sie werden nach Prüfung ihrer Eignung aus der Jugendanstalt in die Einrichtung eines freien Trägers verlegt und erhalten dort ein spezielles Training, das ihre Chancen für ein straffreies Leben und für ihre Eingliederung nachhaltig verbessert, weil es auch - Herr Minister! - neue soziale Bezüge schafft und zulässt, die Sie im Rahmen des geschlossenen Vollzuges nicht herstellen können.

Seit 2003 praktiziert der Jugendhof Seehaus in Leonberg diese Form des Jugendstrafvollzugs für verurteilte Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren - und das mit sehr gutem Erfolg. Nicht zufällig wurde das Seehaus Leonberg deshalb auch als ein Ort im Rahmen der von der Bundesregierung und dem BDI ins Leben gerufenen Initiative „Deutschland - Land der Ideen“ ausgewählt. Die Initiative wirbt insgesamt für ein sympathisches, innovatives, leistungsfähiges und zukunftsorientiertes Deutschlandbild. Ich denke, es stünde Schleswig-Holstein gut an, unter diesem Vorzeichen die Neuregelung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes ebenfalls als Chance für einen innovativen, zukunftsorientierten Jugendstrafvollzug im Norden zu nutzen.

Wie ich der Presse vom Montag entnehmen konnte, bin ich damit auch gar nicht so weit von Ihnen entfernt, Herr Justizminister. Auch Sie haben die Notwendigkeit erkannt, jungen Straftätern zu helfen, und planen bereits, in Schleswig für 3 Millionen € eine Einrichtung zu bauen, in der 30 Jugendliche von 15 Fachkräften therapeutisch betreut werden darunter Psychologen und Sozialarbeiter. So weit, so gut.

Die Einrichtung einer sozialtherapeutischen Anstalt, wie sie in § 14 des Entwurfs vorgesehen ist, gehört ganz ohne Frage zu den Pluspunkten des Gesetzentwurfs - übrigens ebenso das Sportangebot, das sicherlich einen positiven Beitrag im Vollzugsalltag der jungen Strafgefangenen leisten kann.