Protocol of the Session on July 12, 2007

Gemeinschaftsschulen werden laut § 43 dort entstehen, wo die Schulträger dies wollen und wo ein pädagogisches Konzept für ein gemeinsames längeres Lernen vorliegt. Dies geschieht auch durch die obligatorische Umwandlung von Gesamtschulen in Gemeinschaftsschulen oder durch die Zusammenlegung oder Umwandlung vorhandener Schulen. Es ist eine grundsätzlich andere Situation, wenn eine Schule neu gegründet wird oder wenn der bisherige Schulleiter oder die bisherige Schulleiterin einer Schule aus der Funktion ausscheidet. Im Falle einer einfachen Umwandlung einer Gesamtschule ist eine Schulleiterin oder ein Schulleiter vorhanden, es sei denn, dass er oder sie zum Zeitpunkt der Umwandlung gerade in den Ruhestand eintritt. Dann greifen natürlich die üblichen Modalitäten.

Wenn es um die Zusammenlegung von Schulen geht, was der Regelfall ist, gibt es auch keine Vakanz. Die Besetzungsentscheidungen konzentrieren sich darauf, in welcher Form man die bisherigen Inhaber der Funktionsstellen weiter verwendet. Dabei sind die üblichen Kriterien der Bestenauslese und der Anforderungen des Gleichstellungsgesetzes zu berücksichtigen. Das hat die Landesregierung Ihnen, Frau Birk, in einer Antwort auf Ihre Kleine Anfrage im April mitgeteilt.

Wie ich aus Dutzenden von Diskussionen über das neue Schulgesetz feststellen kann, ist insofern eine Gesetzesänderung, wie die Grünen sie beantragen, gegenstandslos.

Leider ist Ihnen auch noch das Missgeschick widerfahren, dass die beiden anderen Anträge, die Sie als Konsequenzen aus dem neuen Schulgesetz formuliert haben, durch die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom vergangenen Montag bereits abgearbeitet sind. Das gilt ebenso für den Personalkorridor, der für den Aufbau gebundener Ganztagsschulen bereitgestellt wird, als auch für die Festset

zung der Pflichtstundenzahl für die Regionalund Gemeinschaftsschulen. Dadurch mussten Sie nachlegen und Ihre Anträge - heute morgen noch einmal - neu einbringen, um überhaupt noch etwas zum Debattieren zu haben oder um noch ein Haar in der Suppe zu finden.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was hätten Sie gesagt, wenn von uns keine aktualisierten Anträge auf den Tisch gelegt worden wären?)

Frau Birk, wenn ich Ihren Beitrag nachvollziehe, dann sehe ich, dass er ein bisschen aus der Not geboren ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, dass die Ministerin nachher darlegen wird, wie diese Dinge - der Haushaltslage des Landes entsprechend - auf einen guten und richtigen Weg gebracht werden. Sie loben diejenigen, insbesondere auch die CDU, die Gemeinschaftsschulen einrichten wollen und die diese Anträge gestellt haben. Sie bringen immer sehr schöne Anträge ein, die die Gemeinschaftsschule betreffen. Dort, wo vor Ort, nämlich beim Schulträger, Entscheidungen zu treffen sind, dort halten sich die Grünen erstaunlicherweise aus dem Verfahren heraus.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Doch, lieber Kollege Karl-Martin Hentschel. Ich frage, was eigentlich hier in Kiel passiert. Hier könnten Sie als Grüne die Initiative ergreifen, um in der Landeshauptstadt Gemeinschaftsschulen einzurichten. Hier kommt aber überhaupt nichts. Das muss man feststellen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir sind mit unserem Koalitionspart- ner hart im Dialog!)

- Gut, aber davon erfährt die Öffentlichkeit nichts. Arbeiten Sie daran! Weil wir in der Großen Koalition gemeinsam Dinge entwickelt haben, muss ich feststellen, dass diese Große Koalition hier Großes auf den Weg gebracht hat. Ich sage das ganz ehrlich.

Ich denke, das werden auch Sie bestätigen müssen. Das sagen uns auch viele Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern. Man schaut inzwischen nach Schleswig-Holstein. Ich denke, dass wir ein Schulgesetz haben, das Vorbild für andere ist, mit dem wir Schule entwickeln können, und dass sich andere an uns orientieren werden. Ich bin dieser festen Überzeugung und weiß das auch aus

(Dr. Henning Höppner)

vielen Diskussionen mit Kollegen aus anderen Bundesländern.

Sie als Grüne werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass das der richtige Weg ist. Anders wären Sie ihn mit uns auch nicht gegangen. Von daher sollten Sie etwas bescheidener und zurückhaltender sein.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner. - Für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In verbundener Debatte sind ein Gesetzentwurf und zwei Anträge der Grünen zu behandeln, zusammen also so etwas wie ein „Kessel Buntes“ aus dem Bereich der Schulpolitik. Bei sauberer Trennung wäre aus meiner Sicht das eine in die braune Tonne zu legen, das andere in die graue und das dritte in die gelbe. Mit anderen Worten: Die drei Stücke sind meines Erachtens durchaus von unterschiedlichem Wert.

Der Gesetzentwurf, um mit dem ersten Teil zu beginnen, ist gut gemeint, aber einfach nicht praktikabel. Über das Schulgesetz der Großen Koalition lässt sich ja trefflich streiten. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen. Das haben wir hier schon mehrfach ausgetragen. Aber angesichts der Vorgaben, die das Schulgesetz nun einmal insgesamt macht, ist es ganz einfach nicht möglich, bei neu eingerichteten Gemeinschaftsschulen jeweils auch eine neue Schulleiterwahl durchzuführen. Das hat Ministerin Erdsiek-Rave in der letzten Bildungsausschusssitzung gegenüber Frau Kollegin Birk dargelegt. Dort gab es ja bereits ein Wortgefecht. Es ist sozusagen ein Kampf der Gigantinnen zu diesem Thema geführt worden.

(Heiterkeit)

Ich gebe Ihnen ja ungern recht, Frau Erdsiek-Rave; aber wo Sie recht haben, haben Sie recht. Das lässt sich nicht ändern.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die neuen Schulformen, Gemeinschaftsschule und Regionalschule, werden nach dem geltenden Schulgesetz - Gott sei’s geklagt - sozusagen aus den existierenden Schulformen alter Art heraus entwickelt, die ja bereits Schulleiterinnen oder Schulleiter haben. Jeweils eine Schulleiterneuwahl vorzusehen,

könnte am Ende bedeuten, dass etliche Dutzend, vielleicht sogar mehrere hundert Altschulleiter ohne Job, aber mit entsprechender Besoldung und einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit herumspazieren, um nur den denkbaren Extremfall anzusprechen. Dass das nicht möglich ist, müsste eigentlich jedem unmittelbar einleuchten.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Aus diesem praktischen Grund, den ich genannt habe, ist dieser Gesetzentwurf aus meiner Sicht nicht zu unterstützen.

Anders verhält es sich, um auch einmal ein bisschen zu loben, beim Thema der gebundenen Ganztagsschule. Erfreulicherweise haben - allerdings erst vor wenigen Tagen, Anfang dieser Woche - die Koalitionsfraktionen in dieser Sache eingelenkt. Es hieß zunächst, in den nächsten zwei Jahren werde in Schleswig-Holstein keine einzige neue gebundene Ganztagsschule mehr genehmigt. Nun haben Sie beschlossen, dass Sie im Jahre 2009 15 neue Ganztagsschulen dieser Art einrichten und dafür auch entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Das ist in Ordnung. Ich meine, dass dieses Angebot besonders für Schulstandorte an sozialen Brennpunkten wichtig ist; aber auch darüber hinaus halten wir diese Schulform - das möchte ich ausdrücklich sagen - für alle Schularten für sinnvoll.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wir heute Gäste aus den beruflichen Schulen haben, möchte ich darauf hinweisen, dass es den einen oder anderen Typ berufsbildender Vollzeitschule gibt, bei dem man auch darüber nachdenken kann, ob es nicht sinnvoll wäre, ein solches Ganztagsangebot einzuführen. Ich will nur daran erinnern, dass Sie hoppla hopp als Nachfolgelösung für das kurzfristig weggefallene 10. Hauptschuljahr überall eine einjährige Berufsfachschule aus dem Boden stampfen. Dort sind Schüler, die mit einem Ganztagsunterricht deutlich besser gefördert werden könnten, als das ohne ein solches Modell möglich ist.

Gebundene Ganztagsschulen können in besonderer Weise Bildungsbereitschaft fördern. Sie geben ihren Schülern durch Hausaufgabenhilfe am Nachmittag zusätzliche Unterstützung, sie unterstützen sie aber auch außerhalb des eigentlichen Unterrichts durch pädagogisch sinnvolle Angebote, beispielsweise im Sinne einer vernünftigen Freizeitgestaltung.

(Dr. Henning Höppner)

Man muss aber ehrlicherweise auch sagen, dass die Einrichtung gebundener Ganztagsschule eine Kostenfrage ist. In welchem Umfang die Koalition nun, nach - wie gesagt - zweijähriger Blockade ab 2009 15 Schulen einrichten will, habe ich schon ausgeführt. Umgerechnet bedeutet das, dass man für jede gebundene Ganztagsschule gut drei Lehrerplanstellen zur Verfügung stellt. Das entspricht in etwa dem Standard, nach dem in Rheinland-Pfalz schon seit Jahren Ganztagsschulen dieser Art mit Lehrkräften ausgestattet werden. Damit haben Sie das ist die Erfahrung dort - eine ordentliche Personalausstattung, mit der man schon etwas Gutes anfangen kann. Das ist, denke ich, eine vernünftige Basis.

Nun kommt es darauf an zu überlegen, in welchem Umfang wir über diese 15 Schulen noch hinausgehen können. Insoweit gehe ich mit den Grünen in Übereinstimmung weiter und sage: Es muss in Zukunft weitere Angebote geben. Man kann es sich aber nicht so einfach machen wie die Grünen und sagen: Mittelfristig machen wir es an allen Schulen, wobei dies nicht solide finanziell unterfüttert ist. Ich denke, es ist die Aufgabe für die Landespolitik, von einem Haushalt zum anderen über das mögliche zusätzliche Kontingent an gebundenen Ganztagsschulen zu entscheiden und dann auch die entsprechende Stellenausstattung Jahr für Jahr zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Im Sinne einer Resolution sehr einfach und sehr schnell zu beschließen, dass die gebundene Ganztagsschule mittelfristig generell eingeführt wird - auch darüber kann man nachdenken. Ich halte dies nicht für sinnvoll, aber der grundsätzliche Anstoß, dass wir mehr gebundene Ganztagsschulen brauchen, ist richtig.

Der dritte Antrag bezieht sich, wie Sie wissen, auf die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte. Diesbezüglich besteht seit Anfang der Woche auch eine neue Sachlage. Über die ersten beiden Fassungen des Antrags der Grünen habe ich zunächst auch gestutzt, so wie Frau Kollegin Herold. Aber ich lasse meine kritische Anmerkung hierzu weg, weil mit der dritten Fassung, die heute auf dem Tisch gelegen hat, klar wird, was gemeint war. Damit treffen die Grünen auch sehr genau auf den Punkt. Es ist mehr als ein Schönheitsfehler, dass Sie die neuen Schularten in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit unter Rahmenbedingungen starten lassen, die diese Schulen sicherlich belasten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit dass die Lehrkräfte unterschiedlicher Laufbahngruppen eine unterschiedliche Unterrichtsverpflichtung haben, haben Sie schon eine heftige Hy

pothek für die Schulen aufgebaut. Aber es ist klar: Jede Form der Festlegung eines einheitlichen Unterrichtsdeputats - das bedeutet nach den Erfahrungen immer eine Absenkung für einen Teil der betroffenen Lehrkräfte - kostet entweder zusätzliche Stellen oder es zieht unmittelbar eine Kürzung des den Schülern erteilten Unterrichts nach sich. Anders ist es ja nicht möglich, wenn weniger Stunden zur Verfügung stehen.

Genau vor dieser Situation hat die Große Koalition schlicht und ergreifend kapituliert. Sie haben nicht die Mittel im Bildungsbudget eingeplant, um in den nächsten drei Jahren eine solche einheitliche Unterrichtsverpflichtung zu gewährleisten. Deshalb haben Sie gesagt: April, April! Das versprechen wir einmal für das nächste Jahrzehnt. Dann ist das Ganze noch abgerundet und ergänzt worden durch virtuelle Rechnungen, wie denn die tolle Lehrerversorgung im nächsten Jahrzehnt aussehen wird. Ich denke, es wäre zu schade, wenn wir uns darüber heute im Einzelnen auseinandersetzen. Das Thema sollte uns aber nach der Sommerpause etwas ausführlicher beschäftigen.

Wenn wir schon ein Potpouri unterschiedlichster Themen aus dem Schulbereich haben, lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen. Ich finde, es ist ein Skandal, dass junge Lehrer, Referendare, vor den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, auch wenn die Einstellung zum neuen Schuljahr absolut sicher feststeht und ihnen auch schon angeboten ist. Diese müssen im Zweifelsfall Hartz IV beantragen. Der vlbs hat kürzlich veröffentlicht, dass das Bildungsministerium plane, in Zukunft die im Februar eingestellten Lehrkräfte zunächst für ein halbes Schuljahr mit einem Angestelltenvertrag zu versehen, um sie vor den Sommerferien zu entlassen und erst später, nach den Sommerferien, für eine Dauerbeschäftigung einzustellen. So lautet die Pressemitteilung vom vlbs vom 5. Juli dieses Jahres, die Sie auch kennen. Ich muss sagen: Schon seit Jahren besteht eine Praxis des Umgangs mit jungen Lehrkräften, die ich für völlig untragbar halte und die nicht dazu beiträgt, dass wir qualifizierte Nachwuchslehrkräfte in unser Land holen.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

(Dr. Ekkehard Klug)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das neue Schulgesetz steht jetzt unmittelbar vor dem ersten Praxistest, wenn nach den Sommerferien die ersten Gemeinschaftsschulen an die Arbeit gehen. Lange hat es gedauert, bis konservativer Bildungsdünkel überwunden werden konnte und sich die gemeinsame Beschulung durchsetzte, von der alle Schülerinnen und Schüler profitieren werden. Die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen nach skandinavischem Vorbild ist ein wirklich großer Fortschritt für die Schulpolitik in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe bereits in einer früheren Debatte auf die Blockadehaltung in vielen Kreisen unseres Landes hingewiesen, wo CDU-Mehrheiten mittels der Schulentwicklungsplanung langfristig die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen zu behindern versuchten. Konkret ist der Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg auf diesen juristischen Trick sage ich einmal - verfallen, um Initiativen vor Ort zu sabotieren. Ich wiederhole daher: Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn die Schulentwicklungsplanung gegen den ausgesprochenen Willen der Eltern und auch des Schulträgers in Stellung gebracht wird, obwohl diese gern von der neuen Schulform profitieren würden, um unter anderem ihre ländlichen Schulstandorte erhalten zu können.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das Motto „Kurze Wege für kurze Beine“ kann nur gelten, wenn sich die CDU-Kreisfürsten von ihren lieb gewordenen Prinzipien verabschieden. Ich empfehle einen Besuch in Handewitt, wo dem Gemeinderat nach dem positiven Bescheid aus dem Bildungsministerium, dass dort eine Gemeinschaftsschule eingerichtet werden kann, richtiggehend zum Feiern zu Mute war.

(Lothar Hay [SPD]: Ja, da kann man einmal sehen!)

Dort begreift man die Chance, die sich aus der Gemeinschaftsschule ergibt, und hat auch keine Angst vor notwendigen Investitionen. So positiv kann Schulpolitik aussehen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass SPD und SSW in Harrislee mit Mehrheit beschlossen haben, dass auch dort eine Gemeinschaftsschule eingerichtet wird. Meines Wissens wird das auch in Schafflund geschehen.