Protocol of the Session on June 7, 2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung uneingeschränkt zu.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kubicki, ich habe schon begriffen, dass Sie die Grünen für fürchterlich blöd halten.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Heiterkeit)

Es wäre aber hilfreich, wenn Sie das mit Argumenten unterfütterten, die wir auch tatsächlich nennen, und nicht permanent die Übung führen, dass Sie uns Argumente unterstellen, die nicht so schlau sind, die wir aber gar nicht gebracht haben.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das machen Sie hier in feiner Regelmäßigkeit. Ich halte das schon für grenzwertig.

Meine Damen und Herren, ich danke für die Gelegenheit, hier für die Grünen zum Gesetz zur Erleichterung Öffentlich Privater Partnerschaften, abgekürzt ÖPP, Stellung nehmen zu können. Die Diskussion um die ÖPP-Projekte hat zumindest eine wichtige Erkenntnis gebracht: Wir müssen den gesamten Lebenszyklus einer Investition betrachten. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass beim Bau eines Gebäudes, egal ob Schule, Kita, Flughafen

(Wolfgang Kubicki)

oder Schwimmbad, die Kosten über 25 bis 40 Jahre zu berechnen und zu betrachten sind. Die oftmals politisch und öffentlich heftig umstrittene Investitionssumme macht meistens nur 15 bis 25 % der Kosten im Lebenszyklus eines Projektes aus. Wichtiger sind die Finanzierungs- und Betriebskosten. Wir Grünen nennen gern auch die weiter steigenden Energiekosten; denn über den Zeitraum von 25 bis 40 Jahren betrachtet macht sich meistens ein effizientes Energiekonzept, möglichst basierend auf erneuerbaren Energien, bezahlt.

Die Diskussion um ÖPP-Projekte fällt nicht plötzlich vom Himmel, sondern die akute Not der öffentlichen Haushalte und der teilweise zu beobachtende Verfall der öffentlichen Infrastruktur haben die Kommunen und die Länder auf die Idee gebracht, privates Kapital für Investitionen einzuwerben. Der private Kapitalgeber hat eine Gewinnerwartung. Das stellt niemand in Abrede, Herr Kubicki, um das noch einmal zu betonen. Die Grundfrage für die Politik ergibt sich daraus, ob durch das Einbeziehen des privaten Kapitals und privaten Know-hows wirklich Einsparungen zu realisieren sind. Belastungen im Haushalt werden heute vermieden, aber sie werden nur in die Zukunft verschoben. Der Präsident des bayerischen Rechnungshofes sagt dazu: Wer jetzt nicht zahlen kann, dem wird das auch nicht über ÖPP gelingen, weil er die Finanzierungslasten damit nur in die Zukunft verlagert. Recht hat er!

Der Private muss seinen Gewinn erwirtschaften. Er muss Mehrwertsteuer und Körperschaftsteuer bezahlen. Alles das muss die öffentliche Hand nicht und sie ist diesbezüglich günstiger. Auch in der Fremdfinanzierung ist die öffentliche Hand günstiger. Es gibt bislang deswegen nur wenige ÖPPProjekte in Deutschland. Wenn genau kalkuliert wird, kommen die meisten Kämmerer in den Kommunen zu dem Ergebnis: Der Kommunalkredit ist als Finanzierung unschlagbar.

Deshalb haben wir in der parlamentarischen Beratung in den Ausschüssen einen neuen Ansatz im § 6 vorgeschlagen: Eine ÖPP-Finanzierung darf nur dann erwogen werden, wenn Projekte konventionell nach alter Praxis auch realisiert werden könnten, sie sich aber als ÖPP unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als günstiger für die öffentliche Hand darstellen. Nur dann soll eine ÖPP-Finanzierung umgesetzt werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit wäre sichergestellt, meine Damen und Herren, dass es zu keiner Überforderung der finanziel

len Möglichkeiten der Kommunen kommt und keine Finanzlasten in die Zukunft verschoben werden.

Weiterhin haben wir Grünen zum § 6 angeregt, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen machen müssen, bevor sie über die Verlagerung einer öffentlichen Aufgabe auf ÖPP nachdenken. Leider sind beide Ansätze von der Großen Koalition nicht aufgenommen worden.

Es gibt zwei zu Beginn hoch gelobte ÖPP-Projekte in Deutschland, die gründlich in die Hose gegangen sind. Das sind die Straßentunnel in Rostock und Lübeck. Die prognostizierten Verkehrszahlen wurden nie erreicht. Ich bin mir sehr sicher, wer am Ende die Zeche zahlen wird, nämlich die Steuerzahlerinnen und die Steuerzahler.

(Zuruf von der CDU: Ohne ÖPP wären sie gar nicht da!)

Aktuell wird in Lübeck eine weitere Mauterhöhung für den Herrentunnel diskutiert. Hintergrund sind die Nutzerzahlen. Statt der prognostizierten 37.000 Pkws fahren nur 20.000 durch den Tunnel. Ich sage im Nachhinein, die Prognose war überoptimistisch. Ein weiterer Rückgang wird erwartet, wenn die Nordtangente Ende 2007 eröffnet wird.

Ein weiteres schlechtes Beispiel ist die Privatisierung beziehungsweise Teilprivatisierung der Wasser- und Abwasserversorgung in Berlin, wo der Staatshaushalt unter der vereinbarten Last der Garantiedividende für die Privaten in die Knie geht.

Kernbereiche wie Polizei und Justizvollzug verbieten sich; sie obliegen allein dem Staat.

Ich fasse zusammen: Wir halten es für falsch, dass keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen erfolgen müssen, bevor eine öffentliche Investition oder Leistung als ÖPP erstellt wird.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weiterhin muss sichergestellt werden, dass eine Investition auch ohne ÖPP finanziell von der Kommune bewältigt werden kann, dass es mit ÖPP aber wirtschaftlicher ist. Diese Änderungen sind von CDU und SPD nicht gewollt. Deshalb lehnt die grüne Landtagsfraktion den Gesetzentwurf ab.

Wir fürchten, dass ÖPP nur ein anderes Wort für neue Schulden wird. Unkalkulierbare Risiken und Schattenhaushalte entstehen. Staatsgarantien befreien den privaten Planer von dem, was essentieller Bestandteil von Markt und Wettbewerb ist: Sie befreien von dem Risiko. Die Übernahme der Garantien müssen nach unserer Auffassung wie Schul

(Detlef Matthiessen)

den bewertet werden, zum Beispiel durch Anrechnung auf die Maastricht-Kriterien.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Auch diese Frage ist bislang nicht geregelt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Landesregierung einen Punkt in der Koalitionsvereinbarung um, der vereinfacht gesagt das Ziel hat, den Staat von Aufgaben zu entlasten und diese den Privaten zu übertragen. Dass der Entwurf einen nicht zu unterschätzenden Gehalt an symbolischer Politik enthält, sei dabei vorab erwähnt. Denn bundesweit steht die Einführung von Öffentlich Privaten Partnerschaften auf der Agenda von Parlamenten und Regierungen. Wir haben es also mit einem echten Modernisierungsthema zu tun. Öffentlich Private Partnerschaften - ÖPP-Projekte - sind bereits jetzt möglich. Folglich wären sie, würde man der Entbürokratisierungsrhetorik der Regierung glauben, eigentlich auch nicht regelungsbedürftig. Aber Regierungen regeln nun mal gern, unabhängig von ihrer Rhetorik.

Mit dem Gesetz soll vermehrt privates Kapital und Fachwissen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mobilisiert werden können. Man verspricht sich davon, die öffentlichen Kassen zu entlasten und Projekte schneller und effizienter durchführen zu können. Im Entwurf heißt es hier wörtlich, dass erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile realisiert werden können, wobei aber immer noch unklar bleibt, was das denn konkret heißt.

Dabei sieht der SSW insbesondere die im § 5 vorgeschriebene generelle Überprüfung kritisch, ob die von den Verwaltungen wahrgenommenen Aufgaben verzichtbar sind oder in anderer Weise erfüllt werden können. Das heißt, die Verwaltungen sind in Zukunft generell dazu verpflichtet zu überprüfen, ob nicht in geeigneten Fällen Private diese Aufgabe

besser wahrnehmen können. Zwar geht die Landesregierung nicht so weit wie die IHK, die in ihrer Stellungnahme bei einem positiven Prüfergebnis eine Privatisierung verlangt. Wir sind aber genauso wie die kommunalen Landesverbände der Meinung, dass die geltende Gemeindeordnung, die ja auch zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung auffordert, völlig ausreichend ist.

Insgesamt gehen uns die Bestimmungen in §§ 5 und 6 zu einseitig auf die Wirtschaftlichkeit von öffentlichen Aufgaben ein.

Wo bleibt hier die soziale und umweltmäßige Komponente öffentlicher Aufgaben? Was ist zum Beispiel mit der öffentlichen Verantwortung auch für die Energie- und Wasserversorgung? Dies alles kann nicht allein aus der wirtschaftlichen Sicht beurteilt werden.

Eines ist sicher: Natürlich versprechen sich die privaten Partner von der Beteiligung an einem ÖPPProjekt die Eröffnung neuer Geschäftsfelder sowie zusätzliche Gewinne. Der öffentliche Partner wiederum reduziert für den Privaten die Finanzierungsrisiken.

Die Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben bergen aber auch viele Risiken. Bei der Vertragsgestaltung kann es leicht zu asymmetrischen Verhältnissen zwischen spezialisierten großen Unternehmen und relativ kleinen und in diesem Bereich unerfahrenen Verwaltungen in Schleswig-Holstein kommen. Die öffentliche Hand macht sich von Privaten abhängig und es droht der Verlust an demokratischer Kontrolle, da ein Projekt nicht ausreichend überwacht und konzessioniert wird. Ich nenne hier noch einmal das prominente Beispiel Toll Collect.

Inwieweit die Einbindung der IB sowie der Koordinatorenteams im Finanzministerium diese Risiken in Grenzen halten können, hängt sehr von den kommunalen Verwaltungen ab, davon, ob sie diese Hilfe denn auch annehmen. Wir befürchten jedenfalls, dass es keine Waffengleichheit zwischen den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern und den möglichen professionellen privaten Partnern gibt.

Es darf auch nicht verschwiegen werden, dass ÖPP in der Regel langfristige Nutzungszahlungen für konkrete Immobilien beinhaltet und es daher als Finanzierungsinstrument deutlich inflexibler ist als ein Kredit.

Da ÖPP den Immobilienbesitz der Gebietskörperschaften verkleinert und eine langfristige Aufgabenbindung bedeutet, verringert das den traditionellen Kreditrahmen der Kommunen und des Landes.

(Detlef Matthiessen)

Wo sollen eigentlich die Einsparungen herkommen, wenn man ein Gewinnstreben der privaten Partner legitimerweise unterstellen darf? Sie können zum einen aus der Umgehung von Tarifbindungen sowie Bewerbungs- und Ausschreibungsregeln, zum anderen durch Betriebsgrößenersparnisse eines privaten Unternehmens herrühren.

Hinsichtlich des ersten Punktes spricht sich der SSW klar gegen Lohndumping aus. Darüber haben wir heute morgen schon diskutiert. Zweitens darf bezweifelt werden, dass der hiesige Mittelstand in nennenswertem Umfang von dem Gesetz profitieren wird.

Der SSW ist nicht generell gegen Privatisierung unserer öffentlichen Aufgaben oder gegen ÖPP. Wir sind aber der Ansicht, dass die kommunale Ebene durch die Umsetzung des ÖPP-Gesetzes unter Zugzwang gesetzt wird, weitere Privatisierungen voranzutreiben.

Wir lehnen das Gesetz ab und werden dem Änderungsantrag der Grünen zustimmen, weil er auf jeden Fall konsequent und logisch ist.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)