Protocol of the Session on June 7, 2007

Für die Landesregierung hat Herr Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das waren erstaunlich viele Worte für ein erstaunlich kleines Gesetz. Aber es ist ein kleines Gesetz, das nach meiner Einschätzung große Wirkung entfalten wird. Es ist gesetzliche Grundlage dafür, dass Private und Öffentliche miteinander auf einer gesicherten Rechtsbasis eine Zusammenarbeit organisieren können, die häufig - das ist ja der Sinn von Öffentlich Privaten Partnerschaften bei Projekten - über 20 oder 25 oder mehr Jahre organisiert werden müssen. Dies mit einem Leitfaden hinzukriegen ist, glaube ich, nicht sehr einleuchtend. Ich glaube deshalb, dass wir mit dem Gesetz einen guten Schritt tun.

Wo die Ersparnis liegt, mag man bei einzelnen Projekten genau sondieren. Ich sage Ihnen, wo nach meiner langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung die Ersparnis liegt. Sie liegt darin, dass an einem Projekt von Anfang an all diejenigen verantwortlich beteiligt sind, die jeweils von dem etwas verstehen, was sie beitragen können. Das geht von der Konzeption und der Planung bis hin zu Bau, Fi

nanzierung, Betrieb, Bewirtschaftung. Alle sitzen dabei in einem Boot und tragen an der Verantwortung mit. Wenn wir dies schon bei vielen Projekten in der Vergangenheit gehabt hätten, hätten wir viele hundert Millionen Euro an Sanierungskosten für öffentliche Gebäude nicht aufwenden müssen. Dazu hätte man rechtzeitig und frühzeitig auf alle Beteiligten hören müssen.

Die Kollegin Herdejürgen hat mir bezüglich der Frage des Erstgeburtsrechts nun leider einen Strich durch die Rechnung gemacht, das ich gern in Anspruch genommen hätte. Aber es gilt wenigstens, dass dieses Gesetz das erste eines Bundeslandes ist. Es ist ein kleines Gesetz. Es hat nur zwölf Paragrafen. Diese reichen aus, um die nötige Rechtssicherheit zu schaffen.

Wenn man die Stellungnahmen der Organisationen und Verbände, die abgegeben worden sind, aufmerksam durchliest, stellt man fest, dass dieser Gesetzentwurf, der heute beschlossen werden wird, bei allen Beteiligten einen außerordentlichen Zuspruch erfährt. Das lässt darauf schließen, dass das Gesetz eine gute Wirkung entfalten wird.

Den Kollegen Matthiessen bitte ich, mir diejenige Stelle zu nennen, die im öffentlichen Bereich baut, ohne dafür Mehrwertsteuer zu zahlen. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir diesen Tipp gäben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bitte darum nicht etwa, weil ich davon Gebrauch machen möchte, sondern weil ich dann meine Umsatzsteuersonderprüfung sofort ansetzen würde, um diesem Treiben ein Ende zu bereiten.

Herr Kollege Kubicki hat recht. Ich glaube, was die Gestaltung des künftigen Haushaltsrechts betrifft sowohl bei den Kommunen als auch beim Land; ich füge hinzu, obwohl es mich nichts angeht: auch beim Bund -, müssen wir natürlich Sorge dafür tragen, dass das, was hier an Investitionen geschaffen wird und gleichzeitig an Verbindlichkeiten eingegangen wird, irgendwo abgebildet wird. Davon sind wir, wie Sie wissen, im öffentlichen Haushaltsrecht bedauerlicherweise weit entfernt. Aber wir arbeiten mit großem Ernst daran.

Als Folge dieses Gesetzes - davon bin ich fest überzeugt - wird es eine bessere Infrastruktur mit effizienterem Einsatz der Steuermittel und schließlich auch mit mehr Beschäftigung in unserem Land geben. Das wird der Erfolg eines so kleinen Gesetzes sein. Ich denke, dann hat sich der Aufwand gelohnt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

(Anke Spoorendonk)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Frau Kollegin Spoorendonk, mir liegt kein Änderungsantrag der Grünen vor.

Ich lasse über den Gesetzentwurf Drucksache 16/ 935 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/1403 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW angenommen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 8 auf:

Strafvollzug in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der FDP Drucksache 16/995

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1347

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann erteile ich das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Umgang mit Straftätern entzünden sich immer wieder hitzige öffentliche Debatten. Das passiert bisweilen mit einem polemischen und populistischen Zungenschlag. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute die Große Anfrage diskutieren, die einen umfassenden Überblick über den Strafvollzug in Schleswig-Holstein gibt.

Die Sicherstellung eines modernen Strafvollzugs gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Justizministeriums. Schließlich ist die Freiheitsstrafe der schwerste Eingriff des Staates in die Grundrechte seiner Bürger.

Rechtsstaatlichkeit, Besonnenheit und Augenmaß müssen den Umgang mit den Gefangenen prägen. Ich sage deutlich: Menschen wegzuschließen ist einfach. Aber einen Strafvollzug zu gewährleisten, der die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung achtet, die Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorbereitet und dafür sorgt, dass es gute Arbeitsbe

dingungen für die Menschen gibt, die im Vollzug arbeiten, ist alles andere als einfach.

Doch genau diesen Anspruch haben wir an den schleswig-holsteinischen Strafvollzug. Wir werden auch alles dafür tun, dass dieser Anspruch gewährleistet wird.

Im Zuge der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz zu den Bundesländern gewandert. Wir haben darüber debattiert. Ich war darüber nicht begeistert, aber es ist nun einmal so. Nun nehmen wir die Herausforderung an. Wir werden uns demnächst in diesem Hause mit einem Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes befassen. Denn der Jugendstrafvollzug braucht eine klare gesetzliche Grundlage, die es bislang nicht gibt. Dass der bisherige Zustand untragbar und verfassungswidrig war, hat das Bundesverfassungsgericht der Politik zu Recht ins Stammbuch geschrieben.

Der Landtag wird - so ist das geplant - noch in diesem Jahr durch die Verabschiedung eines solchen Gesetzes endlich umfassende und klare Regelungen schaffen und damit Abläufe, Angebote und Sanktionsinstrumente in den Jugendanstalten auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Wir werden voraussichtlich noch in diesem Jahr in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf für die Untersuchungshaft erarbeiten. Beide Gesetze haben im Moment Vorrang, weil wir hier ein bestehendes rechtliches Vakuum füllen müssen. Das existierende Strafvollzugsgesetz hat sich grundsätzlich bewährt und ist aus Sicht der Landesregierung erst zu einem späteren Zeitpunkt in ein Landesgesetz zu überführen.

Meine Damen und Herren, viele unsere Vollzugsgebäude stammen aus der Kaiserzeit, und in vielen unserer Vollzugsanstalten haben wir einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Mit dem für die Jahre 2000 bis 2005 beschlossenen Investitionsprogramm und der folgenden Ergänzung bis 2010 investieren wir sehr viel Energie und Geld. Schritt für Schritt wird damit die bauliche Substanz des Strafvollzuges verbessert. Im letzten Jahr konnten wir zum Beispiel das pädagogische Zentrum der JVA Neumünster, das neue Küchen- und Arbeitsgebäude der JVA Flensburg eröffnen. Mit der Einweihung des neuen F-Hauses in Lübeck haben wir Anfang des Jahres einen weiteren Meilenstein gesetzt. Damit verfügt Schleswig-Holstein zum ersten Mal über eine eigene Sicherheitsabteilung für besonders gefährliche Gefangene. Das Bauprogramm in den nächsten Jahren wird dazu führen, dass weitere Verbesserungen durchgeführt werden können und dass es durch neue Haftplätze ermöglicht wird,

Mehrfachbelegungen von Gefängniszellen weitestgehend abzubauen.

Meine Damen und Herren, ein anspruchsvoller Strafvollzug ist mehr als ein Verwahrvollzug. Es braucht nicht nur gute Gebäude, es braucht auch qualifiziertes und motiviertes Personal. Bei der Personalausstattung haben wir eine angespannte, insgesamt aber noch vertretbare Situation. Kürzungen beim Personal des Strafvollzuges würden zu unzumutbaren Belastungen der Bediensteten, aber auch zu Sicherheitseinbußen und geringeren Chancen auf soziale Eingliederung der Gefangenen führen. Ich sage klar und deutlich, Einsparungen beim Personal des Justizvollzuges halte ich für unverantwortlich. Und ich halte es für gut, dass wir das miteinander vereinbart haben, da nicht ranzugehen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe da gern an an die Debatte, die wir gestern geführt haben. Ich möchte hier auch einmal sagen, um nicht missverstanden zu werden: Ich bin kein verbiesterter Minister, der nicht irgendwo kürzen will. Ich bin auch nicht der Schutzheilige des öffentlichen Dienstes, aber an dieser Stelle möchte ich dem Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Situation ersparen, die der nordrhein-westfälische Landtag gerade hinter sich hat, der jahrelang in diesem Bereich gekürzt hat. Dann geschah der Mord in Siegburg, und auf einmal wurden über 300 neue Stellen bewilligt, die überhaupt nicht besetzt werden können, weil die Leute nicht da sind.

Ich bin sehr froh, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag, aber auch mein Kollege Finanzminister diese Situation verstehen. Ich denke, wir haben gleich noch einmal Gelegenheit, dass sich auch die Fraktionen dazu äußern. Ich würde mir da ein klares Bekenntnis aller Fraktionen wünschen. Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, dass beispielsweise die Fraktion der Grünen bei den letzten Haushaltsberatungen bei diesem Thema nur die Bildung ausgenommen hat. Alle anderen sollten es selbst erwirtschaften. Das heißt, auch wir hätten das selbst erwirtschaften müssen. Ich würde gern auch noch einmal ein sehr deutliches Wort von Ihnen dazu hören, weil ich mir schon vorstellen kann, welche Debatte wir beim Jugendstrafvollzugsgesetz führen. Beim Jugendstrafvollzug werden wir nämlich durch die Vorgaben des Verfassungsgerichts eine Sozialtherapie einrichten müssen. Das halte ich für richtig, aber das geht nicht zum Nulltarif. Wir werden hier für das nötige Personal sorgen müssen.

Meine Damen und Herren, wir haben erst einen kompletten modernen Strafvollzug, wenn wir An

gebote für Ausbildung, Beschäftigung, Beratung und Therapie der Gefangenen haben. Die Ausbildung nimmt bei uns einen vorderen Rang ein. Bei den Beschäftigungsmöglichkeiten müssen wir noch zulegen. Aber - und das sage ich auch ganz deutlich - nichts schützt so gut vor Rückfall in die Kriminalität wie Arbeit und Arbeitsmöglichkeiten. Dafür müssen wir während des Strafvollzuges die Grundlagen legen. Der Ernstfall ist die Entlassung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, wenn sie die JVAs verlassen, dann auch eine Möglichkeit haben, entsprechend ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Wir haben in der Vergangenheit ein Netzwerk mit externen Partnern kontinuierlich ausgebaut. Das erleichtert den Übergang vom Gefängnisalltag in ein freies Leben außerhalb des Vollzuges.

Meine Damen und Herren, wenn ich am Anfang meiner Rede von den Herausforderungen des Strafvollzuges gesprochen habe, gilt das in besonderem Maße für den Umgang mit jungen Straftätern. Die Gewaltkriminalität bei jungen Menschen nimmt zu. Wir haben in Schleswig-Holstein Gott sei Dank keine Berliner Verhältnisse mit Hunderten von brutalen Intensivtätern, aber auch in unseren größeren Städten und im Hamburger Umland zeigen sich ähnliche Tendenzen, wenn auch noch auf niedrigerem Niveau. Das muss man wissen, das gehört auch zur Diskussion und zur Wahrheit. Die Folge dieser Entwicklung ist, die Klientel in den Jugendanstalten wird schwieriger. Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass wir es im Jugendvollzug häufig mit potenziell gewaltbereiten Gefangenen zu tun haben.

Ich sehe diese Entwicklung mit großer Besorgnis. Hier darf sich aber niemand zur Blauäugigkeit verleiten lassen. Gerade auf Gewaltkriminalität von Jugendlichen muss eine schnelle und konsequente Reaktion von Polizei und Justiz folgen. Andererseits dürfen wir junge und erwachsene Straftäter nicht über einen Kamm scheren. Gerade der Jugendstrafvollzug muss den besonderen Entwicklungsbedingungen junger Menschen Rechnung tragen. Der von uns vorzulegende Gesetzentwurf stellt deshalb auch den Erziehungsgedanken in den Vordergrund: Erziehungsvollzug und Sozialisierung. Ich sage hier bewusst: Sozialisierung, nicht Resozialisierung. Das ist nämlich das Problem. Es ist das erste Mfal, dass das in Jugendanstalten geschehen muss, und das macht es nicht einfach.

An vielen Stellen des Gesetzentwurfes kommt zum Ausdruck, die Selbstverantwortung der jungen Menschen muss gefördert werden, wir müssen schulische und berufliche Ausbildung haben, wir müssen vor allen Dingen das Einhalten von klaren

(Minister Uwe Döring)

Regeln üben. Das heißt, es muss klar definiert sein, was gemacht werden muss und was gemacht werden kann. Wenn man Dinge, die einem als Verpflichtung auferlegt sind, in den Jugendanstalten nicht durchführt, dann muss das auch mit Sanktionen bewehrt sein. Das werden wir klar zum Ausdruck bringen, um gegenüber diesen jungen Menschen deutlich zu machen, welche Verpflichtungen sie haben.

Zusammenfassend lässt sich feststellen - das wird an vielen Stellen der Großen Anfrage deutlich -, einfache Lösungen gibt es im Strafvollzug nicht. Daran gemessen befinden wir uns aber in Schleswig-Holstein in einer guten Verfassung. Der Strafvollzug in Schleswig-Holstein gibt den Gefangenen neue Perspektiven, er fördert aber auch Sicherheit und Prävention. Ein Strafvollzug, mit dessen Hilfe ein Straftäter einen festen Platz in der Gesellschaft findet, ist der wirksamste Schutz vor Kriminalität. In unserem gemeinsamen Bemühen um weitere Verbesserung dürfen wir nicht nachlassen. Das sind wir besonders den Bediensteten im Strafvollzug schuldig. Für sie ist die Arbeit mit den Gefangenen anstrengend, oft sehr belastend, und der Erfolg ist höchst ungewiss. Ich möchte deshalb nicht versäumen, an dieser Stelle all denen Respekt zu zollen, die sich im Vollzugsdienst, in der Gerichts- und Bewährungshilfe, bei den beteiligten Trägern und an anderer Stelle professionell und leidenschaftlich für einen humanen und modernen Strafvollzug einsetzen.

(Beifall)

Ich denke, ich spreche auch im Namen des Landtages, wenn ich mich am Schluss meiner Rede noch einmal bei den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten für ihren täglichen Einsatz bedanke, der unser aller Anerkennung findet und der sehr häufig im Schatten steht.

(Beifall bei der FDP)

Wir reden zu Recht viel über den Bereich der Polizei, das ist richtig, aber der Strafvollzug hat eine mindestens genauso schwierige Aufgabe zu gewährleisten zu manchmal ganz schwierigen Rahmenbedingungen. Deswegen finde ich es gut und danke der FDP für die Gelegenheit, dass wir in der Großen Anfrage einmal die Gesamtsituation in diesem Landtag mit Ihnen diskutieren können. Ich freue mich auf die Beratungen, die wir noch in den Ausschüssen haben werden.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im September 2006 hatte die FDP-Fraktion die Große Anfrage zum Strafvollzug in SchleswigHolstein gestellt. Seit Ende April liegt die umfangreiche Antwort der Regierung vor und ich möchte allen, die daran mitgewirkt haben, sehr herzlich für ihre Arbeit danken. Das kommt bei mir im Gegensatz zu vielen anderen sehr selten vor. Bei diesem Fall möchte ich das besonders zum Ausdruck bringen.