Auch die Frage, was denn nun mit den heutigen Gesamtschulen genau geschehen soll und wie deren Zukunft aussieht, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch hier wünschen wir uns, dass das Ministerium die notwendige Flexibilität aufweist, um den berechtigten Forderungen der erfolgreichen Gesamtschulen in Schleswig-Holstein entgegenzukommen. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass dieses Erfolgsmodell jetzt zu den Verlierern der Schulreform gehören sollte, denn gerade diese Schulart erfüllt bereits heute alle pädagogischen Anforderungen, die mit der Gemeinschaftsschule erreicht werden sollten. Ich plädiere dafür, dass die Umwidmung in Gemeinschaftsschulen nicht nur ein neues Türschild bedeutet, sondern dass auch das, wofür die Gesamtschulen stehen, in das neue Konzept aufgenommen wird.
Im Bereich der Lehrerbildung kündigt die Landesregierung eine Fortbildungsoffensive an. Das ist wichtig und vielleicht sogar entscheidend für den Erfolg der Gemeinschaftsschulen. Denn der SSW vertritt die Auffassung, dass das Verharren in traditionellen Laufbahnen bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen Schule eher kontraproduktiv ist. Denn bei der Umwandlung von Schulen in Gemeinschaftsschulen müssen alle Lehrkräfte bei der Erarbeitung des pädagogischen Konzeptes mit eingebunden werden. Dazu gehört dann auch, dass dieser Schulentwicklungsprozess durch Fortbildungsmaßnahmen für die Lehrkräfte entscheidend flankiert wird.
Insofern bin ich froh darüber, dass die Ministerin angesprochen hat, welche Unterstützungsmaßnahmen es für diese neuen Gemeinschaftsschulen geben wird. Aufgrund vieler Veranstaltungen wissen wir, dass gerade das Problem der Fortbildung angesprochen wird.
Es kommt also noch viel Arbeit bei der zukünftigen Schulentwicklung auf uns zu. Natürlich wäre hier ein stringenteres Schulgesetz hilfreich gewesen. Aber nun müssen wir mit diesem Gesetz leben und alle konstruktiven Kräfte in Schleswig-Holstein sollten sich gemeinsam für die Umsetzung des bestehenden Gesetzes einsetzen.
Der SSW wird sich jedenfalls vor Ort und im Landtag weiterhin für die Einführung von Gemeinschaftsschulen nach skandinavischem Vorbild einsetzen. Bei den Schulen der dänischen Minder
heit wird dieser Prozess bereits 2010 abgeschlossen sein und wir hoffen, dass sich unsere Nachbarn in den Landesteilen Schleswig und Holstein dem langfristig zum Wohle der Kinder anschließen werden.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Für die antragstellende Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Auf das Gymnasium sollen nur die Besten und mein Kind“ - mit diesem Ausspruch kennzeichnete letzten Sonnabend Frau Professor Rita Süssmuth vor dem Volkshochschulverband Schleswig-Holstein den Elternwillen. Sie empfahl als Konsequenz aus den Bildungsbefunden in Deutschland eine Abkehr von unserem gegliederten Schulsystem hin zum gemeinsamen Lernen von Kindern jeder Herkunft und aller Begabungen.
Und was haben die Eltern in Schleswig Holstein aktuell zum Thema Schule entschieden? - Mit einem durchschnittlichen Zuwachs von rund 15 % erlebt Schleswig-Holstein einen Ansturm der künftigen Fünftklässler auf die 100 Gymnasien im Land. Die größten Zuwächse verzeichnen Husum plus 26,4 % - und Neumünster - plus 20,4 %. Auch in Flensburg liegt das Plus mit 19,4 % kaum niedriger. Rendsburg meldet 13,4 % mehr neue Schüler und die Aussicht, in eigens aufgestellten Containern zu unterrichten. Viele Gymnasien müssen wohl etliche Kinder abweisen, etwa die Pinneberger Johannes-Brahms-Schule - 170 Anmeldungen - oder das Husumer Fachgymnasien, das eine Steigerung um rund ein Drittel meldet.
Diese Informationen stammen nicht aus dem von uns angeforderten Bericht des Bildungsministeriums, sondern aus der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ vom 29. März dieses Jahres.
Wir Grüne wollten aufgrund dieser und ähnlicher Meldungen anderer Medien wissen, ob jedes Kind den Platz an der Schule erhalten hat, für die sich die Eltern entschieden haben.
Fünf Wochen vor den Sommerferien weiß das Ministerium laut Bericht nur so viel: Wie jedes Jahr werden 50 % aller angemeldeten Gesamtschülerinnen und Gesamtschüler mangels Plätzen abgelehnt und müssen sich gegen ihren Willen im geglieder
ten Schulwesen einen Platz suchen. Diese Eltern werden seit Jahren benachteiligt und das ist kaum mehr eine Zeitungsmeldung wert.
Und dies gilt, obwohl erfreulicherweise inzwischen sieben neue Gemeinschaftsschulen genehmigt sind und mit ausreichend Schülerinnen- und Schüleranmeldungen im August den Betrieb aufnehmen. Es sind dies neue Schulen in Flensburg, Fehmarn, Halstenbek, Handewitt, Kellinghusen, Itzstedt und Schafflund.
Herzlichen Glückwunsch an diese Kollegien und an ihre Schulträger zu ihrem Engagement! Dank gilt auch der Risikobereitschaft und dem Vertrauen der Eltern. Bei der Anmeldung ihrer Kinder an den Schulen konnte ihnen noch niemand sicher sagen, ob ihre Wunschschule überhaupt genehmigt wird. Sie haben sich ebenso wenig wie ihre kommunalen Selbstverwaltungen nicht beirren lassen. Offenbar spielten bei diesen Entscheidungen nicht allein Parteibücher, sondern die nahe Nachbarschaft zu Dänemark oder Hamburg eine entscheidende Rolle.
Wir wissen - im Übrigen wiederum nicht aus dem Bericht der Landesregierung -, dass sich eine Reihe von Schulen, aber auch weitere Schulträger auf die Entscheidung für eine Gemeinschaftsschule vorbereiten. Überall im Land ist eine erfreulich breite gesellschaftliche Diskussion an jedem Schulstandort in Gang gekommen. Diese Diskussion würde noch viel mehr an Fahrt gewinnen, wenn sich die Koalition zu unserem Vorschlag durchgerungen hätte, überall dort, wo sich ausreichend Eltern für eine Gemeinschaftsschule starkmachen, auch eine Gemeinschaftsschule einzurichten. Die Schullandschaft würde völlig umgekrempelt.
Und wie sieht es nun im immer noch deutlich überwiegenden gegliederten Schulwesen aus? Sind dort, wo die Eltern ja ein Anrecht auf die Schulart ihrer Wahl haben, alle Kinder bei ihrer Wunschschule oder wenigstens bei der Schulart ihrer Wahl zum Zuge gekommen? - Der Bericht der Landesregierung kann weder einen Trend noch genaue Zahlen benennen. Ebenso wenig steht darin, wie viele Schulen mangels Anmeldungen weniger oder keine fünften Klassen einrichten konnten. Auch hier ist hingegen die Landeszeitung aufgrund einer eigenen Umfrage schon im März gut informiert und schreibt am 29. März 2007:
„Massive Einbrüche erleben dagegen die Hauptschulen. In Neumünster etwa brachen die Meldezahlen um gut ein Drittel - 37 % ein. Und in Eckernförde bekommt eine der zwei Hauptschulen gar keine fünften Klassen zusammen.“
Eine weitere Debatte zum Thema Hauptschule ist in diesem Zusammenhang interessant und nahm in diesem Frühjahr ausgehend von den „Lübecker Nachrichten“ ihren Verlauf. Die Grünen in Lübeck hatten massiv kritisiert, dass die Schulartempfehlungen der Grundschülerinnen und Grundschüler für die weiterführenden Schulen in solchen Fällen, in denen es sich um Grundschulen mit verbundener Hauptschule handelt, statistisch erdrückend häufiger für die Hauptschule ausfällt, als dies bei anderen Grundschulen der Fall ist. Dies bestätigt einmal mehr die Schulforschungsergebnisse, dass 40 % der Schulartempfehlungen falsch sind, ihre Prognosen sich also nicht erfüllen. Auch zu diesem Politikum sehen Sie, Frau Erdsiek-Rave, keinen Handlungsbedarf.
Von daher ist Ihr Hinweis darauf, dass die statistischen Erhebungen noch nicht abgeschlossen sind, für mich nicht befriedigend. Ich finde es richtig, dass sich viele Fragen dezentral beantworten lassen; dafür haben wir uns lange eingesetzt. Aber es muss doch ein Onlineverfahren geben, das an Ihr Ministerium meldet, wie die Anmelde- und Genehmigungszahlen aussehen. Dass Sie dafür das Landesamt für Statistik brauchen, erstaunt mich.
Ganz ahnungslos konnte das Ministerium im März jedenfalls nicht sein. Denn in der Presse vom 29. März und später auch offiziell im Bildungsausschuss erfuhren wir, dass aktuell 100 Lehrerstellen auf die Gymnasien übertragen werden.
Leider enthalten die beiden Drucksachen der Landesregierung keine handfesten Angaben, welche finanzielle und logistische Unterstützung denn nun die sieben Schulen erhalten, die als erste neue Gemeinschaftsschulen schon am 1. August 2007 den Betrieb aufnehmen. Professor von Saldern, Schulforscher an der Hochschule Lüneburg, berät das Kollegium der zukünftigen Gemeinschaftsschule auf Fehmarn und lobte auf der Bildungsveranstaltung unserer Fraktion den Arbeitseinsatz, das Konzept und den Mut dieser Lehrerschaft auf Fehmarn. Aber er kritisierte auch: Wo bleibt das öffentliche Lob der Ministerin?
Wo bleibt wenigstens eine anteilige Finanzierung der vielen Konferenzen und Fortbildungsfahrten, die diese Leute in ihrer Freizeit in andere Bundesländer an gute Schulen gemacht haben? Warum muss das zukünftige Kollegium so lange auf eine Entscheidung über die Schulleitung warten? Und warum, so fragen wir uns, wird diese Entscheidung, wenn Schulen zusammengelegt werden, vom Ministerium und nicht vom Schulleiterwahlausschuss getroffen?
Als eine weitere Hürde für die neuen Pionierschulen erweist sich, dass diese Gemeinschaftsschulen nicht gebundene Ganztagsschule werden dürfen. Eine Rhythmisierung des Unterrichts für alle Kinder bis in den Nachmittag hinein ist so nicht möglich. Die Kommunen werden hier nicht ersatzweise ein Angebot für alle Kinder der Schule mitfinanzieren. Dies veranlasste die „Kieler Nachrichten“ zum Thema offene Ganztagsschule am 19. Mai dieses Jahres zu einer Glosse mit dem Titel „Alles ist offen“.
dass es zu einer verbindlichen Kooperation aller außerschulischen Kinder- und Jugendangebote mit den Schulen kommt, erfüllt sich trotz erfreulicher Angebote offener Ganztagsangebote bisher kaum, und gerade dann nicht, wenn Kommunen - wie dies derzeit durchaus geschieht - in diesem Bereich sparen.
An den Gymnasien hingegen, die nun - da die Lehrpläne nicht allzu sehr entrümpelt wurden - den Stoff von neun auf acht Jahre verteilen müssen, erleben viele Schülerinnen und Schüler faktisch eine Ganztagsunterrichtssituation mit acht Unterrichtsstunden am Tag, ohne dass sie als Ganztagsschule deklariert werden. Und leider fehlt hier häufig auch ein entsprechendes pädagogisch stimmiges Ganztagskonzept mit längeren Spiel- und Erholungspausen. Von daher müssen wir im Bildungsausschuss darüber reden, was dies konkret bedeutet und wie wir helfen können.
Unabhängig von der Frage Ganztag oder nicht hatten vielen Schulen schon vor Anmeldung für dieses Frühjahr akute Raumnot gemeldet. Elternbeiräte
aus Lübeck und Ostholstein beispielsweise baten jüngst Abgeordnete aller Fraktionen, sich dafür einzusetzen, dass zumindest jede Klasse ihren festen Raum hat und es nicht noch mehr Wanderklassen gibt. Sogar Berufsschulunterricht in Hotelräume wird von den „Lübecker Nachrichten“ aus dem Kreis Lauenburg gemeldet.
Nun haben wir nach wie vor die Schülerbeförderungsdiskussion. Wir lesen heute in unserem Pressespiegel, dass im Kreis Plön dann, wenn die Schulart nicht am nächsten Standort gewählt wird, die Eltern die gesamten Schulfahrten selbst bezahlen müssen. Da kann man nicht von freier Schulartwahl sprechen.
Hier machen Sie es sich zu einfach, Frau Ministerin, und auch die Zwischenrufer, wenn Sie sagen, das sei Sache des örtlichen Schulträgers und es gebe ja die kommunale Antragsebene für Finanzanträge zu Schulkosteninvestitionen. Ich meine, wenn wir an dieser Stelle einfach nur die Hände in den Schoß legen, tun wir nicht das Richtige. Solange die Schulen keine Schulautonomie haben, die wir ja radikal einfordern,
solange sie kein eigenes Budget haben und nicht pragmatisch selber Entscheidungen vor Ort treffen können - wenn sich die Schulen selbst helfen könnten, bräuchten wir hier im Landtag nicht darüber zu reden -, so lange haben wir eine Verpflichtung, darauf zu gucken, was die kommunalen Schulträger tatsächlich tun und was sie nicht tun. Wir haben hier eine Fürsorgepflicht. Der pädagogische Standard, dass Kinder und Jugendliche zum Beispiel einen eigenen Raum haben, ist genauso wichtig wie die Tatsache, dass sie eine Klassenlehrerin oder einen Klassenlehrer haben. Da kann man nicht einfach sagen, das ist Sache des Schulträgers, das interessiert uns nicht. Wir jedenfalls sind besorgt darüber.
Nun haben wir landauf, landab die öffentliche Diskussion darüber, ob die Gemeinschaftsschulverordnung und die weiteren geplanten Schulverordnungen nicht doch die Mobilität nach oben, insbesondere einen späteren Übertritt in die gymnasiale Oberstufe, erschweren. Jedenfalls alle diejenigen, die auf Bildungspodien vor Ort sind, kennen die Diskussion. Ein Eingehen auf diese Zusammenhänge, was hier passiert, welche Empfehlung das Ministerium gibt, auch durch seine Verordnungen, die in