Für die SPD-Fraktion darf ich sagen - Frau Schwarz wird das auch verstehen -: Dank auch an Renate Schnack, die lange Zeit die Verantwortung für den Umsetzungsprozess dieser Charta hatte!
Schleswig-Holstein als Land mit den meisten Minderheiten und dem hohen Anteil von Niederdeutsch ist damit der Motor der europäischen Sprachenpolitik in Deutschland. Das kann aber nicht alles sein. Ich finde, zukünftig muss auch weiter und stärker der Bund in die Verantwortung genommen werden. An dieser Stelle möchte ich gern ein Zitat aus einer Erklärung des Minderheitenrates in Deutschland zum Besten geben:
„Bereits unter dem jetzt bestehenden staatlichen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ist es den internationalen und europäischen Instanzen, die die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der nationalen Minderheiten überwachen, nicht vermittelbar, dass bereits kleine, aber erforderliche Maßnahmen an föderalen Kompetenzabgrenzungen scheitern und es keine nationale minderheitenpolitische Konzeption gibt.“
Das ist richtig, diese Konzeption ist erforderlich, weil die Charta einen dynamischen Charakter hat.
Das heißt, selbst mit der Umsetzung der angemeldeten Verpflichtungen ist ihr Geist nicht erfüllt. Die Bildungseinrichtungen, der öffentliche Raum, die Wirtschaft und die Medien - das sind die wichtigsten Bezugsbereiche der Charta. Sie bleiben aufgefordert, sie weiter umzusetzen und fortzuschreiben. Dies muss nicht zwangsläufig in der Auflistung neuer, weiterer Verpflichtungen münden.
Der Bericht verweist darauf, dass die Landesregierung zurzeit keine Übernahme neuer Verpflichtungen aus Teil III anstrebt, sondern eine Vertiefung der bereits übernommenen. Das scheint mir angesichts der hohen Umsetzungsrate nachvollziehbar. Lassen Sie mich deshalb zwei Punkte nennen, die eine solche Vertiefung erfahren sollten.
Erstens. Der Bericht macht deutlich, dass insbesondere im Medienbereich noch Defizite der Umsetzung bestehen. Das hat vor allem strukturelle Gründe, die sich in der Staatsferne des Rundfunks und der fehlenden Einflussnahme des Staates auf die privaten Medien begründen. Trotzdem sollten wir, wie es die Friesen in ihrem Beitrag zum FORUM vorschlagen, diese Frage im Ausschuss noch einmal vertiefen. Ein zweiter Grund wäre der Hinweis auf ein Forschungsprojekt. Zu begrüßen ist die angekündigte medienwissenschaftliche Untersuchung, die sich unter anderem mit dem Empfang dänischer Rundfunkprogramme befasst und die laut Bericht bald abgeschlossen sein wird. Auch das wäre ein Thema im Ausschuss.
Zweitens. Der zweite Punkt ist die Situation der deutschen Sinti und Roma, die - anders als die Dänen und Friesen - im Teil II der Charta, der allgemeine Zielrichtungen enthält, aufgeführt werden. Es ist hier nicht zu diskutieren, ob diese Gruppe nicht auch in Teil III gehört; da gibt es unterschiedliche Ansätze.
Aber ich möchte schon einen Vorschlag ansprechen, der zu einer höheren Verbindlichkeit führen könnte. Um die jeweils eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, wurde im Jahr 2005 eine Rahmenvereinbarung zwischen der Landeregierung Rheinland-Pfalz und dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma geschlossen. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz sah in dieser Vereinbarung nicht nur einen wichtigen Schritt zum Schutz der Minderheit vor Diskriminierung, sondern auch zur Förderung des Erhaltes von Kultur, Identität und eben Sprache dieser Minderheit.
Wir wissen, dass eine solche Rahmenvereinbarung nicht einfach zu formulieren ist, sie wäre meiner Meinung nach aber ein geeigneter Schritt zu mehr Verbindlichkeit und Schutz für diese Minderheit.
Der Bericht macht deutlich, dass sowohl im Niederdeutschen als auch in der Förderung der anderen Minderheitensprachen weiterer Umsetzungsbedarf besteht - auch wenn die Lektüre des Berichts in seinen Einzelabschnitten ein umfassendes und sehr detailliertes Bild der Umsetzung darstellt.
Trotzdem möchte ich noch einen letzten weiteren Aspekt ansprechen: Was in den meisten Ländern fehlt - das gilt für die betroffenen Bundesländer ebenso wie für die europäischen Nachbarn -, ist eine definierte und operative Sprachenpolitik. Auf Dauer werden wir die Minderheiten- und Regionalsprachen nur fördern können, wenn wir ein Gesamtkonzept, also eine koordinierte „Sprachenpolitik“, wie sie in Ansätzen in Schweden praktiziert wird, von der Frühförderung bis zur Alltagsnutzung, entwerfen. Das ist ein hehres Ziel, das wir mit den Minderheiten und den Niederdeutschen konkret besprechen müssen. Denn im Kern ist dies die logische Konsequenz, das Ziel der Charta.
Dazu gehört übrigens auch die Verstärkung des Kontrollmechanismus; die kontinuierliche Überprüfung und Berichterstattung eines Sachverständigenausschusses des Europarates allein wird längerfristig nicht mehr ausreichen. Schon heute fällt dieser Kontroll- und Sanktionsmechanismus hinter den Stand der mittlerweile erreichten europäischen Menschenrechtskontrolle zurück. Doch das sind Punkte, die wir im Ausschuss vertiefen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Umsetzung der Europäischen Charta der Regionalund Minderheitensprachen wird durch den Europarat im Rahmen eines umfangreichen Begutachtungsverfahrens überwacht. Die zweite Monitoringperiode von 2003 bis 2006 zeigt für Schleswig-Holstein insgesamt eine recht positive und erfreuliche Bilanz. Im Vergleich zur ersten Monitoringperiode von 2000 bis 2003 sind in allen Bereichen mehr Verpflichtungen aus der Sprachencharta erfüllt worden.
ren es nur 25 von 35. Eine Steigerung der erfüllten Verpflichtungen ist auch bei der friesischen und der niederdeutschen Sprache zu verzeichnen, obwohl die Quote hier deutlich unterhalb derjenigen für die Sprache Dänisch liegt. Bei Friesisch sind es 24 von 35 Verpflichtungen, die erfüllt wurden, bei Niederdeutsch sind es 20 von 35.
Meine Damen und Herren, Verbesserungen im Unterrichtsangebot für die Regional- und Minderheitensprachen empfiehlt das Ministerkomitee des Europarats dem Land Schleswig-Holstein daher auch insbesondere für die Bereiche Friesisch und Niederdeutsch.
Nachdenklich stimmt die Aussage, dass der Friesischunterricht in den Grundschulen seit der Einführung des obligatorischen Englischunterrichts mit rückläufigen Anmeldezahlen zu kämpfen hat, weil offenbar Eltern eine Überforderung ihrer Kinder befürchten. Der Rückgang bei den Anmeldungen ist im vergangenen Jahr sehr deutlich ausgefallen. Darüber muss man sich Gedanken machen. Denn natürlich kommt es darauf an, die Unterrichtsangebote möglichst schon vom Kindergartenalter beginnend auszubauen und nicht eine rückläufige Entwicklung hinzunehmen.
Meine Damen und Herren, den für die Lehrerausbildung relevanten Studiengängen der Universität Flensburg fehlt jeweils eine reguläre Professur für Friesisch und Niederdeutsch. Das Vorhandensein solcher Professuren ist unserer Überzeugung nach allerdings für eine kontinuierliche Arbeit in Forschung und Lehre unverzichtbar. Insofern meine ich, dass man die für den Zeitraum ab 2009 anstehenden neu zu gestaltenden Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen nutzen sollte, um dieses Desiderat, diesen Wunsch nach einer stärken Präsenz der beiden Sprachen im Lehrkörper der Universität Flensburg in der Lehrerausbildung zu berücksichtigen. Wie gesagt: Das gilt für Friesisch und Niederdeutsch.
Wir werden uns auch mit der Frage sehr intensiv auseinandersetzen müssen, wie diese beiden kleinen Fächer bei der Umgestaltung der Studienstruktur, also bei der Einführung des neuen Bachelor-/ Master-Systems abschneiden werden. Im Bericht ist zu lesen, dass angestrebt wird, den bisherigen Stand zu halten. Was die Realität angeht, so bin ich mir nicht so sicher, ob dies wirklich gewährleistet ist. Das ist eine Frage, die wir in der Ausschussberatung andiskutieren werden müssen.
Meine Damen und Herren, für das Niederdeutsche fordert der Monitoringbericht insbesondere in der Sekundarstufe größere Bemühungen um einen er
höhten Umfang an Unterrichtsstunden und klarere Richtlinien zur Förderung der niederdeutschen Sprache. Auch dies ist ein konkreter Punkt, der mit dem zuständigen Bildungsministerium zu besprechen sein wird.
Über Möglichkeiten, wie die Forderungen der Sprachencharta in den kommenden Jahren noch besser erfüllt werden können, sollten wir uns in den zuständigen Ausschüssen intensiver Gedanken machen. Ich will gar nicht bestreiten, dass manches Positive auf dem Weg ist. Ich denke hier beispielsweise an die vom Ministerpräsidenten erwähnte Einführung von Ortstafeln in Hochdeutsch und Plattdeutsch in den Gemeinden, die sich das wünschen. Das ist eine Initiative aus dem Bereich des Heimatbundes und der Niederdeutschen, die innerhalb der Landesregierung eine positive Aufnahme erfährt. Als Parlament sollten wir das unterstützen. Vielleicht bietet sich ja die Gelegenheit zu einer gemeinsamen Resolution.
Der Bericht ist sehr umfangreich und auch ausgesprochen informativ. Selbst diejenigen, die sich mit der Materie in den zurückliegenden Jahren intensiv beschäftigt haben, lernen hier und da noch Neues dazu. Ein persönliches Beispiel möchte ich bringen. Auf Seite 37 steht:
Das ist ja eigentlich logisch, da ein Großteil der Flensburger Bevölkerung der dänischen Minderheit angehört. Das ist ein schönes Beispiel für die kulturelle und sprachliche Vielfalt und die gelebte Förderung der Minderheitensprachen in diesem Land.
Schleswig-Holstein ist mit dieser Vielfalt, die wir aufweisen, eine einzigartige europäische Sprachenregion. Wir haben nämlich nicht nur die Mehrheitssprache Deutsch, sondern wir haben auch die drei Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch und Romanes sowie die Regionalsprache Niederdeutsch. Schleswig-Holstein ist also ein fünfsprachiges Bundesland. Das gibt es sonst in Deutschland nicht. Damit haben wir etwas vorzuweisen, auch an kultureller Vielfalt, an kulturellem Reichtum. Ich meine, dies sollte für uns als Landespolitiker eine besondere Verpflichtung sein, uns um eine weiterhin verbesserte Umsetzung der Verpflichtung zu bemühen, die aus dieser Europäischen Charta der Regional- und Minderheitssprachen hervorgeht.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Caroline Schwarz! Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Sprachen und Kulturen unseres Landes Schleswig-Holstein! Für uns Grüne sind der Schutz und die Bewahrung der Minderheiten und Identitäten Grundansatz unserer Politik. Jeder Mensch und jede Gruppe soll nach ihren Gebräuchen und Traditionen leben, sofern sie die Menschenrechte respektieren und nicht diskriminieren und antidemokratisch sind. Sie sollen ihre Sprache und Kultur bewahren. Unser Gesellschaftsbild geht von der individuellen Entfaltung unterschiedlicher Lebensformen und -läufe aus. Was allgemein gilt, gilt natürlich auch für diejenigen Menschen in Schleswig-Holstein, die sich einer nationalen Minderheit und einer kulturellen Minderheit zugehörig fühlen.
Wir haben uns auf Bundesebene maßgeblich sowohl für die Einrichtung eines Minderheitensekretariats als auch für die Einsetzung des Arbeitskreises für Minderheitenfragen beim Deutschen Bundestag und erfolgreich für deren Erhalt auch in dieser Legislaturperiode eingesetzt. Auch die dauerhafte Einrichtung des Minderheitenbeauftragten bei der Bundesregierung wird von uns mit Nachdruck betrieben.
Meine Damen und Herren, Sprache ist Heimat. Sie verbindet, sie schafft Identität. Wir müssen aber auch sagen: Sprache trennt. Wir sollten dieses Problem nicht unter den Tisch kehren. Grenzen, Unverständnis und Konflikte durch verschiedene Sprachen in der Gesellschaft sind nicht zu vernachlässigen. Deshalb ist es ein zentrales Ziel der Politik, dafür zu sorgen, dass Sprache keine Barriere schafft, dass Sprache nicht ausgrenzt.
Wir haben es in Deutschland, insbesondere auch hier in Schleswig-Holstein, geschafft, dass unterschiedliche Sprachen zu einem verbindenden Element zwischen Minderheiten werden. Minderheiten reden miteinander über ihre Probleme, Minderheiten werden von der Mehrheit bei der Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen unterstützt. Allerdings ist auch da nicht alles Gold, was glänzt. Wir haben hinsichtlich der Akzeptanz und Verständigung auch noch Aufgaben vor uns.
Es ist ein ganz sensibler Bereich und ist typisch für eine Gesellschaft, wie sie mit Sprache umgeht. Das ist ein Ausdruck dessen, wie sie Konflikte löst. Das ist uns vielleicht schon etwas fremd geworden. Wir wissen als Europapolitiker, wovon wir reden. Wer einmal die Sprachprobleme der russischen Minderheiten in Lettland oder in Estland und die sich daraus ergebenden politischen Machtfragen in diesen Gesellschaften studiert hat, wer sich damit beschäftigt hat, weiß, welche Prozesse wir im Umgang mit Minderheiten erfolgreich bewältigt haben. Wir hoffen, dass das auch in diesen Ländern nur ein vorübergehendes Problem ist, das dort positiv gelöst wird.
Wir müssen allerdings gerade bei der Sprachgruppe der Sinti und Roma noch viel Arbeit investieren, um die gesellschaftliche Akzeptanz auch für ihre Sprache und Kultur zu erhöhen. Das gilt besonders vor dem Hintergrund unserer Erfahrung und der besonderen Verantwortung, die wir als Deutsche beim Umgang mit der Europäischen Sprachencharta haben. Wir haben es geschafft, unsere Minderheiten auch sprachlich zu integrieren und zu unterstützen. Aber Unterstützung kann nicht nur aus moralischem Beistand und Sonntagsreden bestehen, sondern muss sich auch darin ausdrücken, dass die materiellen Ressourcen dieser Gesellschaft für diese Arbeit zur Verfügung stehen. Das ist wichtig. Daran müssen wir arbeiten. Tatsächlich ist die Abarbeitung der sich aus der Sprachencharta ergebenden Verpflichtungen auch mit finanziellem Aufwand verbunden.
Damit verbunden ist allerdings auch unverzichtbar das ehrenamtliche Engagement. Ohne das ehrenamtliche Engagement könnten wir in diesem ganzen kulturellen Bereich überhaupt nichts erreichen. Wir wollen uns bei den vielen Menschen bedanken, die sehr viel Zeit und Engagement in diese Arbeit stecken. Ohne diese engagierten Bürgerinnen und Bürger wären die Sprachen unseres Landes in einer schlechter Verfassung.
Meine Damen und Herren, wir als Repräsentanten der Gesellschaft unseres Landes und als Haushaltsgeber drücken unsere Verantwortung gegenüber den Sprachen beziehungsweise den Menschen, die diese Sprachen sprechen, nicht nur durch ideelle, sondern auch durch finanzielle Anerkennung aus. Der Ministerpräsident hat das ausgeführt und im Bericht sind diese Fragen sehr detailliert beantwortet.
Unsere Verantwortung gilt auch für den europäischen Integrationsprozess. Bei der Integration von Rumänien und Bulgarien in die Europäische Union werden Kultur und Sprache der Sinti und Roma eine ganz besondere Rolle spielen. Wir alle sind aufgefordert, unser Scherflein dazu beizutragen, die Integration von Sprache und Kultur der Sinti und Roma weiter zu unterstützen.
Es geht auch darum, unsere Erfahrungen mit der Integration von autochthonen Minderheiten auf die Sprachminderheiten zu übertragen, die sich durch Migration ergeben. Wir müssen auf allen Ebenen zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Integration der hier bei uns lebenden Minderheiten. Integration ist nicht nur ein einseitiger Prozess, sondern beide Seiten müssen ihren Beitrag leisten.