Protocol of the Session on June 6, 2007

auch zum Verständnis des anderen bei. Sie ist zugleich ein Schlüssel, um den kulturellen und geschichtlichen Hintergrund anderer Völker zu verstehen. Das erlebe ich als Flensburgerin, die nahe der dänischen Grenze lebt und nunmehr zwei mehr oder weniger erfolgreich absolvierte Dänischkurse hinter sich gebracht hat, jeden Tag hautnah.

(Zuruf von der SPD)

Meine Damen und Herren, in Schleswig-Holstein haben wir mit der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe, der Minderheit der Sinti und Roma als auch mit den Niederdeutschen Minderheiten und Sprachgruppen, für die die mit der Sprache verbundene kulturelle Identität besonders wertvoll ist. Allein deshalb kommt dem vorliegenden Bericht zur Umsetzung der europäischen Sprachencharta, der heute unser Thema ist, eine ganz zentrale Bedeutung zu. Nach fast einem Jahrzehnt intensiver Auseinandersetzung mit der Sprachencharta, die am 1. Januar 1999 in Kraft trat, hat der Europarat ein Schutzinstrument zur Bewahrung der Regionalund Minderheitensprachen geschaffen. Nach Überzeugung der CDU ist es daher eine sehr wichtige Aufgabe der Landespolitik, die Minderheiten- und Regionalsprachen weiter zu fördern und zu verbreiten. Ich denke, das muss das Ziel aller Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag sein.

(Beifall bei CDU, SPD und der Abgeordne- ten Anke Spoorendonk [SSW])

Wir wollen diese Sprachenvielfalt in unserem Land erhalten, weiterentwickeln und in unseren Alltag integrieren, denn die Sprache des Nachbarn zu lernen trägt entscheidend zum gemeinsamen Verständnis bei.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Und das, meine Damen und Herren, ist in einem Europa der 27, in einem Europa der Vielsprachigkeit, lebend umso wichtiger.

Im Schwerpunkt des Berichts wird dargestellt, wie übernommene Einzelverpflichtungen in Schleswig-Holstein umgesetzt werden. Hier wird deutlich, dass in unserem Land in den einzelnen Bereichen der Charta wie frühkindliche Erziehung, Schule, Hochschule, Kultur, aber auch im Verwaltungs-, Justiz- und Medienbereich verantwortungsvoll und umfassend gearbeitet wird.

Lassen Sie mich im Folgenden einige Punkte der Sprachencharta herausgreifen.

Erstens: Als „weiche“ Hemmnisse auf dem Weg zu einem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt werden immer wieder mangelnde Sprachkenntnisse angeführt. Hier weist der Bericht aus, dass gerade im Rahmen der Erwachsenenbildung dänische Sprachkurse aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen heute eine verstärkte Nachfrage erfahren. An den Volkshochschulen ist Dänisch eine der am häufigsten belegten Fremdsprachen. Das macht deutlich, dass die Chancen der in der Region lebenden Menschen erkannt und umgesetzt werden, wenn es darum geht, in einer von Beschäftigungsproblemen gebeutelten Region Arbeitsmärkte auch jenseits der Grenzen zu öffnen und zu nutzen. So hat das Regionskontor in Padborg beispielsweise im letzten Jahr mehr als 7.000 Beratungen durchgeführt. EURES und GRAMAG haben mehr als 1.000 Stellen vermitteln können.

Zweitens: Der vorliegende Bericht zur Sprachencharta belegt auch die zunehmend positiven Entwicklungen des niederdeutschen und des friesischen Sprachgebrauchs in unserem Land. So ist die Zahl der in den Kitas vorgehaltenen Angebote gestiegen. In den Lehrplänen der Grundschule ist die Einbeziehung der niederdeutschen Sprache in diversen Unterrichtsfächern ausdrücklich vorgesehen. Dennoch sind wir dazu angehalten, vor allem im Bereich der Schulen und Hochschulen auf eine bessere Verankerung hinzuwirken.

Deshalb unterstützt die CDU die Initiative des Kollegen Lars Harms und des Vorsitzenden des Friesenrates, Ingwer Nommensen - sehe ich ihn da oben? Ja, ich sehe ihn -, das Angebot des Friesischunterrichts an unseren Schulen auf dem Erlasswege in Form von Projektkursen beziehungsweise als Wahlfach, dort wo Bedarf besteht, anzubieten.

(Beifall bei CDU und SPD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Drittens: Minderheiten- und Regionalsprachen sollen zunehmend Einzug in unsere Amtsstuben halten. Hier beschreibt der Weg bisher lediglich das Ziel. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Sprachenkampagne, die von der Region Sonderjylland/Schleswig mit Schulen, Unternehmen und Verwaltungen veranstaltet wurde, und für die unser Landtagspräsident Martin Kayenburg die Schirmherrschaft übernommen hat.

(Susanne Herold)

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Diesseits und jenseits der Grenze wurde hier massiv und erfolgreich für den Spracherhalt und den Spracherwerb geworben. Genau diesen Weg müssen wir weitergehen. Derartige Kampagnen müssen - von allen Akteuren der Region getragen - auch in Zukunft Bestand haben.

Lassen Sie mich abschließend kurz auf die vom Landtagspräsidenten in Auftrag gegebene Kompetenzanalyse zum Thema „Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland“ eingehen. Gab es bisher vorwiegend Analysen, die sich auf die wirtschaftliche Entwicklung beiderseits der Grenze konzentrierten, so stehen mit dieser Studie erstmals die historischen und kulturellen Wurzeln im Grenzland im Mittelpunkt der Betrachtung. Ziel ist es, ein gesellschaftspolitisches Leitbild für die deutsch-dänische Grenzregion zu entwickeln und das Regionsprofil zu stärken. Mit der Studie soll insbesondere geprüft werden, ob Minderheiten ein Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland sind, der für die grenzüberschreitenden gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklungsstrategien nutzbar gemacht werden kann. Dabei spielen die Regional- und Minderheitensprachen eine wichtige Rolle, die den kulturellen Reichtum des deutsch-dänischen Grenzlandes ausmachen.

Meine Damen und Herren, wir müssen den Menschen in der Region Sonderjylland/Schleswig den Weg zu einem breiten Erleben ihrer Kultur öffnen. Dadurch besteht auch die Chance, mehr Menschen als bisher für die Minderheiten und ihre Sprachen zu gewinnen.

Ich bedanke mich auch im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeitern der Staatskanzlei für die Erstellung dieses gut strukturierten und informativen Berichts.

(Vereinzelter Beifall)

Ein weiterer Dank gebührt unserer engagierten Minderheitenbeauftragten, Frau Caroline Schwarz.

(Vereinzelter Beifall)

Ich möchte es aber auch nicht versäumen, mich an dieser Stelle bei unserem Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen zu bedanken

(Beifall)

- ick kann es nich op Platt -, der in seiner zweijährigen Amtszeit der entscheidende Motor für eine zukunftweisende Minderheitenpolitik bei uns im Norden geworden ist.

Der Europäischen Sprachencharta liegen eine Selbstverpflichtung und Berichtspflicht zugrunde. Diese sind für die Parlamentarier des SchleswigHolsteinschen Landtages jedoch nicht ausschlaggebend, um den Minderheiten- und Regionalsprachen einen entsprechenden Stellenwert zu geben. Der Mehrwert der Minderheitenbevölkerung für die Mehrheitsbevölkerung ergibt sich vielmehr aus dem täglichen Miteinander, dem Leben unterschiedlicher Kulturen und Traditionen in gegenseitiger Akzeptanz und Achtung. Und genauso, wie sich die sprachlichen Bande weiterentwickeln, gilt es die Prozesse der Sprachencharta und deren Zielsetzung politisch gemeinsam weiterhin positiv zu begleiten und nach vorn zu bringen.

Für die CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Europaausschuss, mitberatend in den Bildungsausschuss.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Susanne Herold und erteile jetzt für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.

(Claus Ehlers [CDU]: Kann der Platt- deutsch?)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ehlers, mit diesem Zwischenruf habe ich gerechnet. Deshalb steht in meinem Redemanuskript auch: Um nicht Dänisch, Friesisch oder Plattdeutsch beginnen zu müssen, folge ich dem Vorbild unseres Fraktionsvorsitzenden, der gern Zitate aus dem fernen Osten benutzt und selbst vor Zitaten aus der Mongolei nicht zurückschreckt. Lassen Sie mich also mit einem chinesischen Sprichwort beginnen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Auf Chinesisch oder auf Deutsch? - Heiterkeit)

- Lieber Kollege Garg, ich bin der festen Überzeugung, wenn ich das auf Chinesisch machen würde, was ich durchaus kann, wäre kaum jemand hier in der Lage, mir zu folgen. Deshalb habe ich mich natürlich für die Übersetzung entschieden.

(Beifall und Heiterkeit)

„Kultur ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.“ Ein schöner Satz und wir wissen, dass ein wesentlicher Bestandteil von Kultur die Sprache ist. Sie zu erhalten, zu fördern - insbesondere die Sprachen,

(Susanne Herold)

die nur von wenigen gesprochen werden, dazu gehört Chinesisch ja wirklich nicht - ist das Leitprinzip der Europäischen Sprachencharta. Die Europäische Sprachencharta schützt also die regionalen Sprachen - das ist in der Bundesrepublik Niederdeutsch - und auch die Sprachen der Minderheiten, da Sprach- und Bevölkerungsgruppe identisch sind. Insofern ist diese Charta nicht nur ein sprachpolitisches Dokument und Instrument, sie ist auch ein zentrales minderheitenpolitisches Instrument. Und sie ist bislang das einzige spezifisch sprachenrechtliche Instrument auf der europäischen Ebene, das heißt, wenn sie das einzige ist, ist sie auch das wichtigste Instrument für den Erhalt der historisch gewachsenen Sprachvielfalt in der Europäischen Union.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Manfred Ritzek [CDU])

An dieser Stelle muss ich erst einmal eine Pause machen, sonst steht im Protokoll nicht „Beifall“, das ist dann ein bisschen ärgerlich.

Lassen Sie mich also zunächst auf einen Punkt aufmerksam machen, der auch mit dieser Charta verbunden ist. Sie macht deutlich, dass der Wille zur europäischen Integration auf die regionalen Besonderheiten nicht nur Rücksicht nimmt, sondern deren Erhalt sogar ausdrücklich gewünscht ist. Denn der Bau des europäischen Hauses funktioniert eben nicht ohne die regionalen Zimmer. Insofern ist diese Charta auch ein Beleg für das gewollte starke Europa der Regionen und der kulturellen Vielfalt. Und zu betonen ist an dieser Stelle: Schleswig-Holstein als Bundesland ist der Motor für die Umsetzung dieser Charta für und in der Bundesrepublik. Und die Bundesrepublik wird auf europäischer Ebene für diese Charta gelobt. Weil das so ist, ist dies eben auch ein starkes Lob für uns in Schleswig-Holstein und für diejenigen, die mit der Umsetzung beauftragt sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

„In Politik und Gesellschaft“

- so Dr. Stefan Oeter vom Institut für Internationale Angelegenheiten in Hamburg

„ist man sich bewusst geworden, dass mit dem drohenden Verschwinden der Regionalund Minderheitensprachen ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes verloren zu gehen droht.“

Der Mann weiß, wovon er spricht, denn er ist das deutsche Mitglied im Sachverständigenausschuss des Europarates für diese Charta. Und der vorliegende Umsetzungsbericht macht zweierlei deutlich:

Schleswig-Holstein ist - wie gesagt - bezogen auf die Realisierung mit Sicherheit führend unter den deutschen Bundesländern. Wenn man - wie bei uns geschehen, von 106 übernommenen Verpflichtungen für Dänisch, Nordfriesisch und Niederdeutsch im sogenannten Teil III - das ist der Abschnitt mit den konkreten Verpflichtungen - 93 als erfüllt oder teilweise erfüllt vorweisen kann, dann ist das erst einmal ein Erfolg, den wir absolut begrüßen sollten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ein Dank also an die Minderheiten und die Niederdeutschen, die mit viel Elan diese Punkte realisieren. Dank aber auch an die Minderheiten- und Chartafachleute in den Verwaltungen auf allen Ebenen, denn hier sind ja auch die kommunalen Verwaltungen gefragt, denen es gelungen ist, diese Verpflichtungen umzusetzen. Für die SPD-Fraktion darf ich ebenfalls sagen: Dank auch an Caroline Schwarz als Minderheitenbeauftragte für ihren Einsatz in dieser Sache!

(Beifall)