Protocol of the Session on June 15, 2005

(Unterbrechung: 12:51 bis 15:04 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die 6. Sitzung des Landtages ist wieder eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich nach der Mittagspause.

Auf der Tribüne dürfen wir Schülerinnen und Schüler der Hermann-Tast-Schule aus Husum und des OstseeGymnasiums Timmendorfer Strand sehr herzlich begrüßen,

(Beifall)

aber auch die Herrschaften, die aus dem schulpflichtigen Alter seit kurzem heraus sind. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Neufassung des Kindertagesstättengesetzes

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/107

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/129

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/136

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/138

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort

erhält für die Fraktion der CDU die Frau Abgeordnete Heike Franzen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zahlreiche Studien haben uns in der Vergangenheit immer wieder belegt, dass wir im Bildungsbereich Nachholbedarf haben. Gerade in den ersten Lebensjahren eines Kindes sind die Lernbereitschaft und die Lernzuwächse natürlich besonders groß. Wir wollen mit unserem Antrag der Verpflichtung gegenüber den Jüngsten in unserer Gesellschaft nachkommen und das Kindertagesstättengesetz so schnell wie möglich überarbeiten, für mehr Qualität und mehr Bildung in unseren Kindertagesstätten.

(Beifall im ganzen Haus)

Zum 1. August dieses Jahres soll dazu ein entsprechender Entwurf vorliegen, der dann mit allen Beteiligten offen diskutiert werden muss.

Kinder haben ein Recht auf Bildung und Erziehung und damit haben die Kindertagesstätten in unserer Gesellschaft nicht nur einen Erziehungsauftrag, sondern auch einen Bildungsauftrag, den wir im Kindertagesstättengesetz verankern wollen.

Es ist richtig und ich finde es auch besonders lobenswert, dass gerade dieser Antrag zu den ersten Schritten der großen Koalition in diesem Haus gehört. Er macht deutlich, welchen Stellenwert Bildung in diesem Parlament in Zukunft einnehmen wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dabei sind uns die Förderung von Sprache und Motorik sowie die Hinführung zur Schrift, zu musischen Grundkenntnissen, zu mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Erscheinungsformen zur Vorbereitung auf die Grundschulzeit besonders wichtig. Für diese Aufgaben müssen wir unsere Erzieherinnen und Erzieher qualifizieren. Dazu gehört für uns die Weiterentwicklung der Ausbildung in den Fachschulen ebenso wie die Entwicklung eines neu zu schaffenden Angebots für einen berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang, um auch die Weiterentwicklung dieses Berufes möglich zu machen.

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch - wir haben schon in der letzten Landtagstagung darüber diskutiert - die Verankerung der Mitwirkungsrechte von Elternvertretungen der Kindertagesstätten auf Kreis- und Landesebene im Gesetz vorzusehen. Eltern sind Erziehungspartner auf Augenhöhe und gehören selbstverständlich dazu und sie sind auch gefordert, sich einzubringen, wenn es um Entscheidungs

(Heike Franzen)

prozesse im Bildungsbereich geht. Hier geht es schließlich um ihre Kinder.

Auch die Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Grundschulen muss einen gesetzlichen Rahmen bekommen und damit verbindlich gemacht werden. Eine enge Vernetzung dieser beiden Bildungseinrichtungen ist notwendig, damit die Stärken und Schwächen unserer Kinder besser erkannt und gefördert werden können und nicht an der Schnittstelle "Einschulung" verloren gehen.

Zu den eingebrachten Änderungsanträgen, die noch schnell hinterhergeschoben worden sind, kann man sicherlich sagen: Meine Damen und Herren, lesen Sie bitte einmal unseren Koalitionsvertrag!

(Lothar Hay [SPD]: Der ist immer lesens- wert!)

- Der ist absolut lesenswert, Herr Hay, da gebe ich Ihnen Recht.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Der Mann liest ja nichts anderes mehr!)

Sie werden dort finden, dass wir den Landeszuschuss von 60 Millionen € zu den Kindertagesstätten mit Blick auf den notwendigen Ausbau bei den unter Dreijährigen weiter gewähren werden - und dies auch bei sinkenden Kinderzahlen.

Was die Standards in den Kindertagesstätten betrifft, kann ich derzeit nicht erkennen, dass auch nur einer in diesem Haus von der Verringerung von Standards spricht. Es geht vielmehr um die Weiterentwicklung unserer Kindertagesstätten, um Bildungs- und Erziehungsziele, um Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern, um die Sicherstellung eines wohnortnahen, kindgerechten und qualitativ hochwertigen Betreuungsangebotes im vorschulischen Bereich.

Wir nehmen Ihre Anregungen aber gern auf und daher beantrage ich hier für die CDU-Fraktion, den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, den Antrag des SSW, den Antrag der FDP und den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Bildungsausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort für die SPD erhält Frau Abgeordnete Astrid Höfs.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rechtsanspruch auf einen Kinderta

gesstättenplatz ist seit Jahren erfüllt. Die Förderung von Kindertagesstättenplätzen wurde in den vergangenen Jahren bedeutend ausgebaut. Dem Bildungsauftrag in den Kindertagesstätten kommt eine besondere Bedeutung zu, denn die Kindertagesstätten sind nicht nur Einrichtungen für Betreuung und Erziehung, sie sind die ersten Bildungseinrichtungen, die die Kinder besuchen.

Viele Einrichtungen arbeiten bereits erfolgreich mit dem Bildungsauftrag. Bildung ist ein verbindlicher Bestandteil der Konzeption von Kindertagesstätten geworden. Das zuständige Fachministerium für Bildung hat deshalb bereits frühzeitig Leitlinien zum Bildungsauftrag von Kindertagesstätten erarbeitet, gilt es doch den Kindern eine besonders gute Grundlage für den Start in die Schule zu geben.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Franzen [SPD])

Diese Leitlinien geben den didaktischen und methodischen Rahmen für die Arbeit in den Kindertagesstätten vor. Sie sind zurzeit in der Erprobung, etwa seit einem Jahr. Ich begrüße es, dass dabei die Sprache ebenso eine Rolle spielt wie die Bewegung, das Gestalten, die Religion, Kultur und dass auch demokratische Ansätze berücksichtigt sind. Hierzu gibt es ja bereits spezielle Modelle, unter anderem in Kiel und im Kreis Pinneberg, die erfolgreich gelaufen sind. Ich weiß auch, dass die Kinder bei der Demokratisierung dort engagiert mitgeholfen und sich beteiligt haben, sodass es ein völlig neues Arbeiten in den Kindertagesstätten ist.

In den genannten Bereichen haben die Kinder sehr unterschiedliche Stärken, mit denen sie in die Kindertagesstätte kommen müssen, die gezielt gefördert werden müssen und die durch die bisherigen Leitlinien eine besondere Achtung gefunden haben. Diese Leitlinien - wie auch die Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Kindertagesstätten mit Grundschulen und Jugendhilfe - wurden in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und auch mit der Landeselternvertretung erarbeitet.

Nun - so sind wir alle der Meinung - ist es an der Zeit, diese Vorgaben und Erfahrungen in das Kindertagesstättengesetz verbindlich aufzunehmen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Mitwirkungsrechte der Elternvertretung auf Kreisebene und auf Landesebene und die Zusammenarbeit von Kita und Grundschule in das Kita-Gesetz aufgenommen werden. Wir haben bereits in der letzten Plenarsitzung ausführlich darüber diskutiert. Die Landeselternvertretung hat ihre Erprobungsphase bereits erfolgreich bestanden, und zwar bei der Mitwirkung an den Leitlinien in Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Ei

(Astrid Höfs)

gentlich ist das auch selbstverständlich - ein weiterer Punkt -: Für ein qualifiziertes Angebot in den Kindertagesstätten ist es erforderlich, dass die Erzieherinnen und Erzieher eine gute Ausbildung haben, sodass sie den Kindern gerecht werden können und ihre Stärken fördern können.

Inzwischen ist zu unserem Antrag, den SPD und CDU gemeinsam eingereicht haben, von jeder anderen Fraktion noch ein Änderungsantrag zu verschiedenen Themen eingegangen. Ich beantrage deshalb für die SPD-Fraktion, dass wir die Anträge alle gemeinsam - unseren Antrag und auch die Änderungsanträge - als Arbeitsmaterial an den Bildungsausschuss überweisen. Das Ministerium wird dann die Novellierung nach der Sommerpause vortragen, sodass wir dann alles gemeinsam erarbeiten können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und denke, dass wir zu einem guten Kindertagesstättengesetz kommen werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Höfs. - Das Wort erteile ich jetzt für die FDP Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der originelle Antrag der beiden Koalitionsfraktionen ist in fast jeder Hinsicht zu loben. Ein paar Einschränkungen habe ich nachher allerdings noch. Er kommt gewiss nicht völlig überraschend. Teils nimmt er auf, was andere - rein zufällig handelt es sich um uns Liberale - hier bereits eingebracht haben, teils bekräftigt er, was die Landesregierung schon in Aussicht gestellt hat. Insofern zeigt sich hier, dass eben auch große Fraktionen gern auf großen Schultern stehen möchten. Aber das gilt für uns alle. Wir stehen alle auf den Schultern von Giganten. Wenn wir in der Sache vorankommen, nämlich bei der Entwicklung der Kindertageseinrichtungen, ihrer pädagogischen Qualität bei der Förderung der frühkindlichen Bildung insgesamt, dann soll es uns recht sein.

Wir haben nur ein paar Anmerkungen. Eine redaktionelle Anmerkung, was die Formulierung im Einleitungsteil angeht: Es ist einfach so, dass die Regierung keine Gesetze überarbeitet, sondern allenfalls dem Landtag entsprechende Entwürfe vorlegt. Das sollte in einem Parlamentsbeschluss dann entsprechend der verfassungsrechtlichen Kleiderordnung korrekt festgestellt werden.

Zum Zweiten - und das ist eigentlich ein gravierender Kritikpunkt, den wir an der Vorlage der beiden Koalitionsfraktionen haben - meinen wir, dass man bei der Frage der Einführung von Hochschulstudiengängen im Bereich der Elementarpädagogik nicht halbe Sachen machen sollte, also nicht nur berufsbegleitende Studien einführt - das hatten wir ja bereits in der vergangenen Legislaturperiode beantragt -, sondern darüber hinaus das macht, was wir im letzten Jahr vorgeschlagen haben, nämlich einen grundständigen Studiengang im Bereich der Elementarpädagogik einführt. Diese Entwicklung ist zumal bundesweit sehr weit vorangeschritten. Hätte man damals unserer Initiative folgen können, dann wären wir sozusagen mit Vorreiter gewesen. Jetzt ist es Bremen. Die dortige große Koalition hat das schon an der Universität Bremen getan. Vor ein paar Tagen, am 8. Juni, berichtete der „Berliner Tagesspiegel“ von einem entsprechenden Vorhaben in Brandenburg. An der Fachhochschule in Potsdam beginnt ein solches Studienangebot im kommenden Wintersemester. Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) begründeten dies mit der Erkenntnis: „Wir müssen etwas tun bei der frühkindlichen Bildung.“ Sehr richtig! Frau Wanka, Herr Rupprecht haben Recht.

Eine andere große Koalition regiert noch in Sachsen. Da darf ich verweisen auf den Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 30. März über entsprechende Vorhaben an mehreren sächsischen Fachhochschulen und an der TU Dresden, solche Studiengänge einzuführen. Dabei greift man zurück auf Projektmittel der Robert-Bosch-Stiftung zur Professionalisierung der Erzieherausbildung. Das wäre vielleicht ein Ansatz, solche Mittel von außen zu aktivieren.

An der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden entsteht im Zusammenhang mit den Plänen der Sozialministerin Helma Orosz (CDU) sogar ein Institut für Frühpädagogik. Da ist man also auch schon ein Stück weiter. Ich möchte einmal sagen, das alte „Schläfrig-Holstein-Syndrom“ lässt grüßen. Wenn man vor dem Hintergrund der andernorts eingeleiteten Entwicklung jetzt nördlich der Elbe nur halbe Sachen machen wollte und nur einen berufsbegleitenden Studiengang einführen würde, so wie Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen, dann wäre das einfach ärgerlich. Es sähe so aus, als wollte sich die hiesige Landtagsmehrheit darum bewerben, die tranfunzeligste Große Koalition der ganzen Republik zu werden.