Protocol of the Session on May 11, 2007

Mit Recht weisen die Grünen in ihrem Antrag darauf hin, dass die Bundesregierung eine Verringerung des CO2-Ausstoßes in Europa um 60 bis 80 % für notwendig hält, um den Klimawandel zu begrenzen. Aber wenn Sie sich als Antragsteller schon auf die Bundesregierung berufen, sollten Sie im Antrag auch erwähnen, dass die Bundesregierung in ihrem aktuellen 8-Punkte-Programm zur Reduzierung schädlicher Treibhausgase um 270 Millionen t bis zum Jahr 2020 auch ausdrücklich den Bau neuer, moderner Kohlekraftwerke fordert. Das haben Sie verschwiegen.

Unser Bundesumweltminister - er ist nicht anwesend - hat auch gute Gründe, das zu fordern, unter anderem weil er zurzeit noch nicht bereit ist, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern. Die 17 Kernkraftwerke in Deutschland verhindern immerhin 170 Millionen t CO2-Ausstoß. Das ist klimapolitisch eine wichtige Zahl.

(Beifall bei der CDU)

(Manfred Ritzek)

In Schleswig-Holstein verhindern die drei Kernkraftwerke knapp 7 Millionen t CO2-Ausstoß pro Jahr.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der Bundesumweltminister betont in dem 8-Punkte-Programm eindeutig, dass moderne Kohlekraftwerke mit einem deutlich höheren Wirkungsgrad gegenüber den alten Kohlekraftwerken den CO2Ausstoß deutlich senken werden. Wir haben gestern oder vorgestern in der Zeitung gelesen, dass wir auch in Deutschland Dreckschleudern haben, die es unbedingt zu schließen geht.

Unsere Landesregierung setzt sich mit Recht für den Bau hochmoderner Kohlekraftwerke ein. Unser Land unterstützt damit die Energiepolitik der Bundesregierung bezüglich moderner Kohlekraftwerke. Bei den Kernkraftwerklaufzeiten sind wir auseinander, aber das ändert sich ja vielleicht noch.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die bundespolitisch vergleichbar ist mit unserer Investitionsbank, hat den Auftrag von der Bundesregierung, den Bau moderner Steinkohlekraftwerke zu finanzieren, um Altanlagen zu ersetzen und damit die Belastung der Umwelt zu reduzieren. Erstmals seit mehr als zehn Jahren wird in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen ein modernes Steinkohlekraftwerk gebaut.

Weiter heißt es in dem 8-Punkte-Programm, dass ohne fossile Energieträger trotz des Vormarsches der erneuerbaren Energien die Stromversorgung in Deutschland noch auf viele Jahre nicht gesichert werden kann durch regenerative Energien. Wind, Sonne, Wasser und Co. decken in Deutschland 12 % des gesamten Strombedarfs. Zum Glück sind wir in Schleswig-Holstein damit besser gesegnet. Die Windkraftnutzung deckt etwa 30 % unseres Strombedarfs. Wir begrüßen, dass die Windkraft einmal den gesamten Strombedarf in unserem Land decken wird. Wir müssen aber akzeptieren, dass dann auch die Kapazität an Kohle- und Gaskraftwerken steigen muss, um die Stromgrundlast sicherzustellen.

Der positive Beitrag der Kernenergie zum Klimaschutz, der mit der Laufzeitbeendigung wegfallen würde, kann und darf nur ausgeglichen werden durch den verstärkten Einsatz regenerativer Energien und durch die Ausschöpfung des gesamten Energieeinsparpotenzials. Das muss politische Maxime sein.

Der Ersatz alter Kohlekraftwerke durch moderne Kraftwerke mit deutlich geringeren Emissionen und höheren Wirkungsgraden darf deshalb kein Tabu sein, auch nicht in Schleswig-Holstein. Denn nicht

neue Kraftwerke bedrohen das Klima, sondern der Weiterbetrieb alter Kraftwerke.

Herr Minister, etwas auseinander sind wir bei der positiven Änderung der Wirkungsgrade von Kraftwerken. Sie sprachen davon, dass sich, wenn der Wirkungsgrad um 6 % erhöht werde, die Emissionen um 16 % reduzierten. Das ist eine Frage der Ausgangsbasis. Wenn Sie alte Schrottlauben nehmen, die einen Wirkungsgrad von 30 % haben und die haben wir in Deutschland heute noch -, dann bedeuten 5 % Verbesserung eine 15-prozentige Reduzierung des Einsatzes von Kohle und 15 % reduzierte CO2-Emissionen. Es geht um die Frage, wo wir die Erhöhung des Wirkungsgrades ansetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Minister hat darauf hingewiesen, dass bis zum Jahr 2020 35.000 MW Kraftwerksleistung - ich habe eine Zahl von 40.000 MW - durch neue Kohlekraftwerke ersetzt werden muss. Dazu gehören auch die modernen Kohlekraftwerke in SchleswigHolstein.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union hat sich eindeutig zur Kohle bekannt, aber nur zum Einsatz der Kohle in modernen und modernsten Kohlekraftwerken. Sie wird die Entwicklung sauberer Kohletechnologie im siebten Forschungsprogramm finanzieren; dazu gehört auch die Forschung und Entwicklung der Sequestierung von CO2.

Moderne Kohlekraftwerke mit deutlich höheren Wirkungsgraden und drastisch reduzierten CO2Emissionen werden zur Grundlasterzeugung noch viele Jahre benötigt. Somit bleibt der Neubau moderner Kohlekraftwerke eine Option für eine verantwortliche Energiepolitik auch in SchleswigHolstein.

Ich bitte um Überweisung beider Anträge an den Ausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD gebe ich Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich heute nicht über Atomkraft reden, aber jetzt mache ich es doch, nachdem der Minister vor mir gesprochen und sich klar zum Atomkonsens und Ausstieg aus der Atom

(Manfred Ritzek)

energie ausgesprochen hat. Ich freue mich, dass sich auch der Kollege Ritzek dem demnächst anschließen wird. Dann werden wir wahrscheinlich sehr schnell in den Atomausstieg einsteigen können. Deswegen freut mich das natürlich ungemein.

(Unruhe)

Nach der launischen Rede von Herrn Ritzek, bei der ja am Anfang sehr viel Freude aufkam, und nachdem wir jetzt wieder ein bisschen mehr Ruhe hier im Laden haben, komme ich zu den Grünen. Auch wenn die Überschrift des vorliegenden Antrages der Grünen es nicht erwähnt, dürfen wir uns auch in diesen Tagen wieder dem Klimawandel und den Folgen für unser politisches Handeln zuwenden, diesmal der Diskussion über den Neubau von Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein. Wir haben es von den Kolleginnen und Kollegen und Vorrednern schon gehört.

Zum Hintergrund: Die EU-Kommission hat nach der Vorstellung des dritten Weltklimaberichts am 4. Mai 2007 vor dem Bau neuer Kohlekraftwerke in Deutschland gewarnt und damit harsche Reaktionen ausgelöst. Auch die aktuelle Meldung des „Spiegel“ sollte uns nachdenklich stimmen, wonach Deutschland die meisten Dreckschleudern in Europa hat

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass sechs der zehn klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Europas in Deutschland stehen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Braunkohle!)

obwohl die deutschen Energieunternehmen immer wieder betonen, wie modern ihre Kraftwerke sind.

Das Ziel der Europäischen Union, eine Erwärmung um mehr als zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu verhindern, ist klar und erreichbar. Dazu muss innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre das Wachstum der Treibhausgas-Emissionen weltweit angehalten und bis 2050 auf die Hälfte im Vergleich zu 1990 gemindert werden. Das gilt für Deutschland und auch für Schleswig-Holstein als Messlatte.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 80 %!)

Zur Rolle der Kohle in diesem Zusammenhang gibt es ernst zu nehmende kritische Stimmen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Anzahl der neu zu bauenden Kohlekraftwerke. So spricht der BUND davon, dass in den nächsten Jahren 28 neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen sollen, während Umweltminister Siegmar Gabriel davon ausgeht, dass bis 2012 ganze sechs Steinkohle- und drei Braun

kohlekraftwerke entstehen sollen, vor allem als Ersatz für alte, CO2-intensive Anlagen.

Der Antrag der Grünen fordert nun in seinem ersten Punkt, dass die Landesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln den Bau von neuen Kohlekraftwerken verhindern soll. Das finde ich schon bemerkenswert, denn viel effektiver wäre es doch zum Beispiel für die Grünen, dies in Kiel auf kommunaler Ebene erreichen. Sie haben es in der Hand, machen Sie es! Dann brauchen wir hier nicht darüber zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Frank Sauter [CDU] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe)

Nett finde ich auch die Idee des Landesvorsitzenden der Grünen, beim Liebäugeln mit der CDU als möglichen Brautpreis den Verzicht auf ein Kohlekraftwerk in Schleswig-Holstein zu erbitten. Wer so einen Kuhhandel anbietet, verabschiedet sich von ernst zu nehmender politischer Arbeit auf Landesebene.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wer wie die Grünen kategorisch „Nein“ zur Atomkraft und gleichzeitig zur Kohlekraft sagt, bietet keine Grundlage für eine verlässliche Klimaschutz- und Energiepolitik.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine mittelfristige Ausstiegsstrategie für die Kohle, wie sie schon durch den Atomkonsens bei der Atomenergie umgesetzt wird. Ein sofortiger Ausstieg aus der Kohle muss jedoch kritisch gesehen werden. In einem breit angelegten Mix aus allen Energieträgern sind auch Kohlekraftwerke möglichst gekoppelt mit Kraft-Wärme-Kopplung zur Versorgung auch mit Wärme noch notwendig.

(Beifall bei SPD und SSW)

Beim Neubau von Kohlekraftwerken müssen aus meiner Sicht alle Argumente und mögliche Alternativen sorgsam gegeneinander abgewogen werden. Mit der Entscheidung für den Neubau eines Kohlekraftwerkes wird eine Investitions- und Emissionsentscheidung für die nächsten 40 bis 50 Jahre getroffen. Hier sind die Worte des Kieler Klimawissenschaftlers Prof. Latif zu bedenken, der betont hat: Wenn wir die Entwicklung weg von den fossilen hin zu erneuerbaren Energien nicht bis 2030 schaffen, ist das Klimaproblem nicht mehr lösbar.

Ich habe auch noch gut die Worte von Franz Alt hier vor einigen Tagen im Landeshaus in Erinne

(Olaf Schulze)

rung, der für eine ausschließlich regenerative Energiezukunft nach dem Motto: „Die regenerativen Energien Wind, Sonne, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse haben genügend Energie, um den Energiebedarf der Welt tausendfach zu decken“, plädierte.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist die Zukunft und sollte Richtschnur unserer Politik sein.

Im zweiten Punkt des Antrages der GRÜNEN wird die Landesregierung aufgefordert, keine Grundstücksverkäufe für die Errichtung von Kohlekraftwerken zu tätigen.