Protocol of the Session on May 11, 2007

Dies geht klar gegen die Absicht, den Energiestandort Brunsbüttel zu erhalten und zu stärken. Für meine Fraktion erkläre ich dazu klar: Wir stehen zu unserer Zusage; Brunsbüttel braucht nach Abschalten des Atomkraftwerks ein modernes Kohlekraftwerk; der Standort ist auch für Kohlekraft sehr gut geeignet. Die Arbeitsplätze dort müssen erhalten werden. Deswegen werden wir dem geplanten Verkauf zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Der Minister hat vorgetragen, welch guter Energiemix in Brunsbüttel erzeugt werden soll. Wir müssen beim Neubau von Kohlekraftwerken die gesamte Planung in Schleswig-Holstein sorgsam im Auge haben. Nicht alle Projekte dürfen blind durchgewinkt werden; das wäre für unser Land zu viel.

So ist es richtig, dass noch viele kritische Fragen zum Beispiel zur Erweiterung des Kohlekraftwerks in Kiel gestellt und erst beantwortet werden müssen, bevor eine Entscheidung verantwortungsvoll getroffen werden kann.

Wichtig ist für mich auch, dabei die Entwicklung in Hamburg zu betrachten, wo voraussichtlich ein Kohlekraftwerk weniger gebaut wird. Dann entsteht Nachfrage, die aus Schleswig-Holstein bedient werden kann. Wir müssen auch im Klimaschutz norddeutschlandweit denken und dürfen unseren Fokus nicht nur auf Schleswig-Holstein richten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, insgesamt kann ich dem zu kurz ausgerichteten Antrag der Grünen meine Zustimmung so nicht geben. Wir müssen uns dem Thema „Klimaschutz- und Energiepolitik“ umfassend stellen.

Ich habe mich sehr über die Ankündigung von Wirtschaftsminister Austermann gefreut, der bald ein Grünbuch zur Energiepolitik für Schleswig

Holstein vorlegen wird - das hat er heute noch einmal bekräftigt -, aus dem nach Presseinformationen das Ziel gesichert ist, schon im Jahr 2020 mehr Strom aus regenerativen Energieträgern zu produzieren, als unser Land verbrauchen kann. Damit erfüllen wir unsere Verpflichtung zum Klimaschutz und sichern eine moderne, verantwortungsvolle Energiezukunft.

Welche Rolle dabei die Kohlekraft spielen wird und wie wir vermeiden können, dass neue CO2-Emissionen aus der Kohle unsere Bilanz konterkarieren, werden wir dann diskutieren. Zum Beispiel werden wir darüber nachdenken müssen, welche älteren Kohlekraftwerke abgeschaltet werden können.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss noch einmal zum Antrag des SSW. Es ist ein grundsätzlich begrüßenswerter Antrag; das haben wir auch schon von dem Kollegen der CDU gehört. Insofern wollen wir diesen Antrag und den Ursprungsantrag der Grünen nicht nur im Wirtschaftsausschuss, sondern mitberatend auch im Umweltausschuss behandeln. Von daher beantrage ich die Überweisung an den Umweltausschuss.

Lassen Sie uns gemeinsam eine verantwortungsvolle Politik gestalten, mit der wir den Energiewandel zügig, aber nicht blind voranbringen!

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht inzwischen unzweifelhaft fest, dass die Menschheit erheblich zur Erderwärmung beiträgt. Dies verändert weltweit das Klima und das beeinflusst bereits heute viele Ökosysteme. Die meisten der prognostizierten Veränderungen sind negativ. Deshalb setzt sich immer stärker die Einsicht durch, dass die Menschheit schnell und entschieden handeln sollte, um die größten Nachteile zu verhindern oder wenigstens abzumildern.

Das ist für mich der Kern des vierten Berichts des Internationalen Panels für Klimaveränderungen des sogenannten UN-Klimaberichtes -, dessen Teilzusammenfassungen in den letzten Wochen immer wieder die Schlagzeilen beherrschten. Im Mittelpunkt der Maßnahmen, die die dritte Arbeitsgruppe des IPCC vorschlägt, um den Klimawandel zu bremsen und seine Folgen zu mildern, steht die Verringerung des weltweiten CO2-Ausstoßes.

(Olaf Schulze)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CO2 wird ausgestoßen, wenn fossile Brennstoffe verbrannt werden, und dies geschieht zu einem erheblichen Teil bei der Stromproduktion in Kraftwerken. Hieraus lässt sich zunächst zweierlei schließen:

Erstens. Zukünftig sollte so wenig Strom wie möglich aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden.

Zweitens. Dort, wo die Stromproduktion aus fossilen Brennstoffen noch nicht vermieden werden kann, sollte die Form mit dem geringsten CO2-Ausstoß gewählt werden.

Wir müssen jedoch auch berücksichtigen, dass die Mehrheit der Menschen in Europa, in Deutschland und in Schleswig-Holstein weiterhin bezahlbaren Strom mit hoher Versorgungssicherheit beziehen und nutzen möchte.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Außerdem müssen wir berücksichtigen, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viele der noch laufenden Kraftwerke ersetzt werden müssen - einige, weil sie verschlissen sind, andere, weil ihre Laufzeit politisch begrenzt wurde.

Unter diesen drei Bedingungen, also erstens einer drastischen Minderung des CO2-Ausstoßes, zweitens der ausreichenden und sicheren Versorgung der Menschen und Unternehmen mit bezahlbarem Strom und drittens dem Zwang, Kraftwerke zu ersetzen, muss der vorliegende Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beurteilt werden.

Dabei - das bedauere ich insbesondere nach Ihrer Rede, Kollege Matthiessen, ausdrücklich - sind die Grünen meistens für die hehren Ziele, aber gegen fast alle Bausteine einer realistischen Lösung dieses Problems.

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen die Kernkraftwerke möglichst schon heute Abend abschalten, obwohl derzeit kein Ersatz zur Verfügung steht. Ausfallende Kapazitäten sollen ab sofort nicht mehr durch Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen ersetzt werden. Die CO2-Abscheidung und -Speicherung verteufeln die Grünen schon heute, obwohl die Technologie gerade erst in den Kinderschuhen steckt.

Wer sich so unrealistisch von einer ernst zu nehmenden Debatte über die künftige Energieversorgung verabschiedet, der braucht zum Auftakt dieser Landtagssitzung eigentlich nicht so laut zu brüllen.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Mir scheint, Kollege Matthiesen, Sie betreiben hier nicht nur populistische Klientelpolitik, sondern

stimmen sich auf Ihren bevorstehenden Parteitag ein.

Schon vorgestern bewarben Sie erneut Ihr 100 %-Projekt: Sie behaupteten, der Strombedarf Schleswig-Holsteins könne nur aus regenerativen Energien gedeckt werden, ohne dass im deutschen oder europäischen Stromverbund Regel- und Reserveleistungen von Kern-, Kohle- oder Gaskraftwerken bereitgehalten werden müssten. Lieber Kollege Matthiessen, damit stehen Sie - und das wissen Sie - relativ alleine da. Denn die herrschende wissenschaftliche Meinung sieht das ganz anders.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Unsinn!)

So geht zum Beispiel die Deutsche Energie Agentur in ihrer Netzstudie ganz klar davon aus, dass der Ausbau der Windenergie höhere Anforderungen an die Regel- und Reserveleistungen des Stromverbundes stellen wird, die aus dem herkömmlichen Kraftwerkspark zu erbringen sein werden.

Im UN-Klimabericht wird auch vorgeschlagen, auf Kohlekraftwerke zu verzichten. Aber gleichzeitig wird vorgeschlagen, lieber Kollege Hentschel, dass deren Leistung kurz- und mittelfristig - das heißt bis 2030 - durch einen Mix aus regenerativen Energiequellen, Gaskraftwerken und Kernkraftwerken ersetzt werden solle. Zusätzlich sollen bei Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen die jeweils verfügbaren technischen Möglichkeiten der CO2-Abscheidung und -Speicherung ausgenutzt werden. Beides schließen Sie zusätzlich aus. Sie wollen weder diese neue Technologie noch die Kernenergie als Brückentechnologie oder fossile Energien.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lieber Kollege Hentschel, bei Ihnen kommt der Strom vermutlich ebenso wie bei mir aus der Steckdose. Damit er weiterhin aus der Steckdose kommt, sollten Sie vielleicht darauf verzichten, so laut dazwischenzurufen, und sich einmal ernsthaft damit auseinandersetzen, was Ihnen fast jeder Wissenschafter zu dieser Thematik sagt und aufschreibt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)

Die Grünen verweigern Kern- und Kohlekraftwerke ganz und Gaskraftwerke weitestgehend, fordern aber trotzdem eine sichere Versorgung mit bezahlbarem Strom und preisen eine Lösung an, die schon die weltweite Mehrheit der Energieexperten als völlig utopisch ansieht - ganz zu schweigen davon, dass die Grünen in ihrer Utopie alle herrschen

(Dr. Heiner Garg)

den politischen und wirtschaftlichen Nebenbedingungen völlig ausblenden.

Wir meinen, mit diesem Konzept können die Grünen zwar hervorragend ihre Luftschlösser heizen, aber es ist nicht geeignet, um die energiepolitischen Herausforderungen Schleswig-Holsteins zu bewältigen.

(Beifall bei der FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine unsin- nige Debatte!)

Die Grünen sagen: Würden alle derzeitigen Pläne zum Neubau von Kohlekraftwerken in SchleswigHolstein verwirklicht, würde der CO2-Ausstoß in Schleswig-Holstein drastisch steigen. - Lieber Kollege Hentschel, das ist keine Erkenntnis von Ihnen. Das hat die Landesregierung auf meine Nachfrage hin selbst eingeräumt. Der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsausschuss hat selber gesagt, dass es dann mindestens zu einer Verdreifachung des CO2-Ausstoßes käme.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die bittere Wahrheit!)

Wir meinen deshalb: Eine realistische Antwort auf unsere energiepolitischen Herausforderungen kann in den nächsten beiden Jahrzehnten weder ausschließlich auf regenerative Energien noch auf den massiven Einsatz neuer Kohlekraftwerke setzen.

Aus unserer Sicht gehören zu einer realistischen Lösung folgende Bausteine: Wir brauchen weiterhin die Kernenergie und viel stärker die Einbindung von Gaskraftwerken und regenerativen Energien.

Wir stehen zum Atomkonsens. Ich habe das in der vergangenen Debatte mehr als deutlich gemacht. Aber während ihrer Restlaufzeiten liefern die Kernkraftwerke fast CO2-freien Strom, selbst wenn man die gesamten Produktzyklen der Kraftwerke und des Brennstoffs berücksichtigt. Demgegenüber stehen aber das Risiko der Folgen von Unfällen und Anschlägen und zumindest die politisch ungelöste Frage der Lagerung verbrauchter Brennelemente.

Zum Erdgas: Es wird uns in den nächsten Jahrzehnten nicht gelingen, fossile Brennstoffe komplett aus der Stromerzeugung zu verbannen, weil einerseits die Kernenergie ausläuft und andererseits regenerative Energien dies nicht vollständig werden ausgleichen können. Deshalb sollten wir auf Kraftwerke setzen, die möglichst wenig CO2 ausstoßen. Unter diesem Aspekt ziehen wir Gaskraftwerke vor - übrigens auch hier in Kiel. Dabei ist uns bewusst, dass auch der Energieträger Gas Risiken birgt, vor