Protocol of the Session on May 11, 2007

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Lars Harms [SSW])

Was auch immer Sie mit dem Strom anfangen: Diese Formel funktioniert schlichtweg nicht, denn wir brauchen möglichst eine umweltfreundliche, sichere, preiswerte und verfügbare Stromversorgung.

Wir haben Chancen, dass Schleswig-Holstein ein verlässlicher, insgesamt auch ein umweltfreundlicher Stromproduzent bleibt. Ich darf ein paar Zahlen nennen. Wir produzieren etwa 36 TWh Strom im Jahr in Schleswig-Holstein. Unser Verbrauch liegt bei etwa knapp 14 TWh. Das, was darüber liegt, exportieren wir. Nach Hamburg, das sich im Umweltbereich dann manchmal einen weißen Fuß machen kann. Nach Nordniedersachsen. In andere Bundesländer. Zwei Drittel unserer Stromerzeugung werden also exportiert. Ich bin dafür, dass wir weiter ein Stromexportland bleiben und dass wir weiter ein Reinluftgebiet bleiben. Deswegen sagen wir nicht, an jeder Stelle alles, sondern: das Bemühen, das Optimale zu leisten.

Das Kohlekraftwerk, dessen Bau in Brunsbüttel angestrebt wird, wird das erste mit einem Wir

(Minister Dietrich Austermann)

kungsgrad von 46 % sein, also das modernste Steinkohlekraftwerk, das es in Deutschland gibt. Auch davor braucht man sich nicht zu verstecken - auch wenn Sie glauben, mich als Kohleminister bezeichnen zu müssen.

Wir werden im Jahr 2020 in Schleswig-Holstein allein über 20 TWh Windstrom erzeugen. Ich habe gesagt, welche Konsequenz das für das ganze Land und für die Stromerzeugung hat. Beim Verbrauch von 16 TWh heißt das: Mehr als 24 TWh können wir bei rechnerisch voller Eigenbedarfsdeckung aus Schleswig-Holstein exportieren. Das Problem ist eben, dass wir auch dann weiter Strom brauchen, wenn kein Wind weht.

Wir sparen Energie ein - das macht jeder verantwortliche Bürger selbst. Wir steigern die Effizienz auch dies tun wir. Sie haben eine Rechnung aufgemacht, bei der keine einzige Zahl gestimmt hat. Man kann durch Sparen 10 % und durch Sparen 20 % einsparen. Addiert man das alles, kommt man irgendwann auf 200 %. Das läuft alles. Bloß: Es gibt keinen Strom. - Die Rechnung funktioniert nicht. Sie wissen, dass wir durch die neuen Kohlekraftwerke insgesamt einen Sprung bei der Energieeffizienz machen. Auch diese Kohlekraftwerke bedeuten eine Steigerung der Energieeffizienz, die Sie fordern.

Ich kann eine relativ einfache Gleichung aufmachen: 8 % Wirkungsgradverbesserung bringen 16 % CO2-Reduktion. Deshalb sage ich: Energiepolitisch haben wir ein gutes Gewissen.

Ich vermute, dass Sie das insgeheim ganz genau wissen. Aber es macht sich ja gut, was Sie sagen. Ich werde im privaten Bereich auch gefragt: Tut es eigentlich not, Kohlekraftwerke zu bauen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Parteitage!)

Jeder kennt die Antwort darauf. Aber wenn man in der Opposition, bei den Grünen ist, muss man diese Rechnung nicht so aufmachen.

Das Land verpflichtet sich, die auf dem Grundstück befindliche 5-MW-Anlage von REpower innerhalb der nächsten sechs Monaten nach Mitteilung über die Ausübung der Option durch SWS zu versetzen. Das Windkraftwerk wird also nicht beseitigt, sondern umgesetzt. Damit liefern wir die Voraussetzung, dass in dieser weltweit größten Windlage weiterhin Strom produziert wird - aber eben nur dann, wenn der Wind tatsächlich weht.

Ich will kurz zusammenfassen, damit Sie begreifen, dass wir uns die Frage Energiepolitik mit einer langfristigen Perspektive nicht einfach machen. Ich nehme den Standort Brunsbüttel. Dort läuft zurzeit

ein großes Kernkraftwerk. Im Bau befindet sich ein Ersatzbrennstoffwerk, das Dampf erzeugt. Im Bau ist ein Biomassekraftwerk, das mit Hackschnitzeln betrieben wird. Es sind Kohlekraftwerke geplant. Es wird Strom aus Wind produziert. Es wird Biodiesel produziert. Es gibt zurzeit einen Antrag, Gas von Übersee über Schiffe nach Brunsbüttel zu transportieren, um es dort zu verarbeiten und den Strom ins Netz zu geben.

Brunsbüttel ist ein Energieschwerpunkt mit vielfältigen Möglichkeiten. Wir wollen diese vielfältigen Möglichkeiten nutzen.

Abschließend noch etwas allgemeiner: Wir sind natürlich für mehr Effizienz. Deswegen sind wir auch für leistungsgesteigerte Kohlekraftwerke. Wir sagen, wir wollen mehr erneuerbare Energie, wir wollen mehr nachwachsende Rohstoffe. Bei diesen Bemühungen wird uns keiner übertreffen. Wir werden langfristig weniger CO2 erzeugen. Wir werden Exportland für Strom bleiben. Wir werden einen Beitrag dafür leisten, die Situation in ganz Deutschland zu verbessern. Sich nur auf Kiel oder nur auf Brunsbüttel zu konzentrieren, ist zu kurz gesprungen. Wir werden die Perspektiven Offshore, Wasserstoff plus Brennstoffzelle, CO2-Abspaltung bei Kohle im Auge haben. Wir suchen uns also auch langfristig Wege, die zu einer möglichst umweltfreundlichen, preiswerten und verfügbaren Energiequelle führen. Sich einfach nur hinzustellen und zu sagen: „Alles, was kommt, lehne ich ab“, führt in absehbarer Zeit dazu, dass wir keine Jobs mehr in Deutschland haben.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine Politik, die diese Landesregierung nicht macht.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])

Herr Minister, ich darf darauf hinweisen, dass ich Ihnen das Wort zu der Drucksache 16/1277 erteilt hatte. Sie haben inzwischen das ganze Thema abgedeckt.

Nach den Antragstellern hat nunmehr für die Fraktion der CDU der Herr Abgeordnete Ritzek das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin es gar nicht mehr gewohnt, dass drei Redner vor mir sprechen.

(Minister Dietrich Austermann)

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Alle drei waren völlig unterschiedlich.

(Heiterkeit bei der CDU)

Kollege Matthiessen mit großer Lautstärke. Da weiß man gleich: Da ist nicht viel hinter.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Dann Kollege Harms - ich habe heute Morgen den Änderungsantrag gelesen -: überraschend, positiv. Das ist eine Basis, auf der wir im Ausschuss hervorragend sprechen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann Sie, Herr Minister Austermann. Ich weiß nicht, wer auf das, was gesagt worden ist, die Urheberrechte hat. Wahrscheinlich Sie, weil Sie vor mir dran waren.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und SPD - Zuruf)

- Ich habe keinen Text von Ihnen gesehen. Ich versuche also, doch ein wenig Unterschiede hineinzubringen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Zum Kollegen Matthiessen. Wenn Sie gleichzeitig die Kernenergie und die Kohleenergie verteufeln und sich dann noch auf den Klimaschutzbericht des Weltklimarates beziehen und Sie nur ein Argument des Weltklimarates bringen, merkt man von vorn herein: Die Basis Ihrer Rede ist untauglich.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme in meiner Rede noch darauf zu sprechen.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Sie haben sich, glaube ich, schon zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet, oder?

(Heiterkeit bei der CDU)

Der Anfang Mai in Bangkok veröffentlichte dritte Bericht des Weltklimarates weist auf die Brisanz des CO2-Ausstoßes und auf die schädlichen Wirkungen dieser Emissionen für das Klima hin. Ich bin davon überzeugt: Kaum einer in diesem Hohen Hause zweifelt diese Korrelation an.

Es heißt in dem Klimabericht, dass der CO2-Ausstoß nur noch bis zum Jahre 2015 wachsen dürfe, um den Temperaturanstieg mit seinen teilweise verheerenden Auswirkungen in verschiedenen Gebieten der Welt bis Ende des Jahrhunderts nicht über 2,4° C ansteigen zu lassen. Deshalb sei es zwingend

notwendig, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2050 weltweit um 50 bis 85 % zu senken. - So steht es im Klimaschutzbericht der UN.

In dem Bericht heißt es auch - da wird es für zwei Parteien in unserem Haus schon wieder kritisch -, dass der heutige Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromerzeugung von 16 auf 18 % möglich sei, also Kernenergie gefordert wird. - Das steht auch im Klimaschutzbericht.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Neben vielen anderen Positionen steht auch drin, dass der Anteil erneuerbarer Energien an der globalen Stromerzeugung von heute weltweit 18 auf 30 bis 35 % wachsen kann. Mehr ist laut Klimaschutzbericht nicht drin.

Das, was die Grünen wollen, nämlich keine neuen Kohlekraftwerke bauen - was bedeuten würde, dass die alten mit deutlich höheren Emissionen weiter laufen müssten - und zeitlich parallel die Abschaltung der Kernkraftwerke, würde dazu führen, dass unser hochmodernes Land bei Windstille total im Dunkeln stünde. Sie sind nur vier Abgeordnete. Sie können die Windrotoren nicht drehen. Das geht nicht. Wir haben ja 2.700 Windkraftanlagen.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Kohle- wie Gaskraftwerke und auch Kernkraftwerke sind zurzeit unersetzbar zur Sicherstellung einer Stromgrundlast von durchschnittlich mindestens 50 %.

Mit Recht weisen die Grünen in ihrem Antrag darauf hin, dass die Bundesregierung eine Verringerung des CO2-Ausstoßes in Europa um 60 bis 80 % für notwendig hält, um den Klimawandel zu begrenzen. Aber wenn Sie sich als Antragsteller schon auf die Bundesregierung berufen, sollten Sie im Antrag auch erwähnen, dass die Bundesregierung in ihrem aktuellen 8-Punkte-Programm zur Reduzierung schädlicher Treibhausgase um 270 Millionen t bis zum Jahr 2020 auch ausdrücklich den Bau neuer, moderner Kohlekraftwerke fordert. Das haben Sie verschwiegen.