Protocol of the Session on March 23, 2007

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sollten auf Techniken setzen, die uns angemessen sind. Das sind nicht Dinosauriertechnologien, auch die riesengroßen Kohlekraftwerke bringen es nicht. Es dauert außerdem 40 bis 50 Jahre, bis das, was betriebswirtschaftlich dabei herauskommen soll, zum Tragen kommt. Sie haben deshalb auch eine Laufzeit über diese Zeit. Das ist etwas, auf was ich mich heute eigentlich nicht einlassen möchte.

Ich weiß, dass wir als Land nicht den Einfluss haben, eine Kieler Entscheidung beispielsweise zu beeinflussen. Ich glaube aber, auch die Kieler Stadtvertreter und Umweltberater sollten darauf achten, dass, wie angeplant, Geothermie als Bestandteil eines guten Stadtwerkekonzepts überprüft wird, anstatt auf ein Riesenkraftwerk zu setzen. Ich glaube nicht, dass das eine Kieler Idee wäre, wenn nicht Großkonzerne dahinter stünden. Das finde ich sehr schade, weil es uns nicht weiterbringt.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, nämlich die Drucksache 16/1292 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Behandlung zu überweisen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP]: Wirtschaftsausschuss!)

- Nicht dem Umwelt- und Agrarausschuss?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Alle drei!)

- Also federführend Sozialausschuss, mitberatend Umwelt- und Agrarausschuss sowie Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung. Wer so ab

stimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke schön.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 35 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Vorrang für Erdkabel im Infrastrukturbeschleunigungsgesetz

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1282 (neu)

b) Verstärkung des Stromnetzes in SchleswigHolstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1288

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile zunächst dem Herrn Wirtschaftsminister Dietrich Austermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorgeschichte zum Thema Erdkabel ist weitgehend bekannt. Wir haben einen gewaltigen Bedarf darüber haben wir eben geredet - an Energie, insbesondere Windenergie, und brauchen deshalb in Schleswig-Holstein mehr Stromleitungen auf Höchstspannungs- und Hochspannungsebene. In Schleswig-Holstein gibt es zurzeit drei konkrete Leitungsbauvorhaben, die sich auf der 110-KVEbene bewegen. Es sind in dem Zusammenhang mehrere Beschlüsse des Landtages gefasst worden, die sich mit dem Thema Erdkabel befassen. Der Wirtschaftsausschuss hat beschlossen:

„Erdkabel sollen dort angelegt werden, wo es technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar ist. Gleichzeitig wird eine Beteiligung der Windkraftanlagenbetreiber an den Mehrkosten eingefordert, um einen weiteren Anstieg der Strompreise zu vermeiden.“

Wir haben inzwischen ein Beispiel in SchleswigHolstein, das ich sehr gut finde. Auf der Insel Fehmarn ist von REpower ein großes Erdkabel verlegt worden, das zunächst von den Windmüllern finanziert worden ist. Dort ist der größte REpower-Park in Europa entstanden. Das Ganze funktioniert also, wenn alle Beteiligten es wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Konrad Nabel)

- Natürlich ist es eine Anschlussleitung, aber das bedeutet, dass der Strom, der von den Windmühlen erzeugt wird, auch abgenommen wird.

Was die anderen Leitungsprojekte betrifft, hat die Landesregierung die Verhandlungen zwischen Netzbetreibern und Anlagenbetreibern honoriert und auf eine einvernehmliche Lösung hingewirkt, bisher allerdings ohne ein klares Ergebnis. Ich darf ganz kurz erwähnen, wie das Ganze gelaufen ist. Zunächst gab es Pläne der Gesellschaft für Energie und Ökologie, ein Kabel in einer bestimmten Dimension zu verlegen. Die E.ON als Netzbetreiber hat deutlich gemacht, dass dieses Kabel nicht ausreicht, den tatsächlichen Strombedarf außerhalb und in der Windenergie tatsächlich abzunehmen und abzuführen. Deshalb hat es eine Neuplanung der GEO gegeben. Ich kann Ihnen mitteilen, dass dieser Gesellschaft inzwischen alle erforderlichen Genehmigungen für ein der Freileitung gleichwertiges Erdkabel auf der Trasse Brekum-Flensburg vorliegen. Das bedeutet, wir werden in nächster Zeit zu einem weiteren Gespräch einladen, um uns miteinander abzustimmen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass die E.ON sagt, trotz der Mehrkosten kommt es zu einem Erdkabel, oder es bleibt bei der ursprünglichen Planung der Firma GEO. Wir haben uns bisher darum bemüht, aber ein weiteres Gespräch ist bisher nicht zustande gekommen, weil GEO das von sich aus nicht durchführen wollte.

Nun eröffnet das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz den Netzbetreibern, wie wir das im Bundesrat auch vertreten haben, die Möglichkeit, das Stromnetz auf der 110-KV-Ebene wahlweise als Erdkabel auszubauen und die Kosten auf die Stromkunden umzulegen. Die Entscheidung liegt weiterhin beim zuständigen Netzbetreiber. Wir können diese Entscheidung von uns aus nicht treffen.

Das passt auch zur Philosophie des Energiewirtschaftsgesetzes und des Gesetzes über den Vorrang erneuerbarer Energien, denn danach sind alle Netzbetreiber für den bedarfsgerechten Netzausbau verantwortlich. Der Ausbau des Netzes kann weder hoheitlich angeordnet noch vollzogen werden.

Der SSW möchte nun mit seinem Antrag, dass sich die Landesregierung einer Bundesratsinitiative zur Änderung des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes anschließt, nach der alle Leitungsbauvorhaben auf der 110-KV-Ebene als Erdkabel gebaut werden sollen.

Wir wissen, dass der Hintergrund dieses Antrages die Ankündigung von E.ON ist, auf der Trasse Bre

klum-Flensburg eine Hochspannungsleitung zu bauen. Ich halte diese Initiative des SSW für falsch. Ich erinnere an das Energiewirtschaftsgesetz, das sagt, Zweck ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Folgt man dem Vorschlag des SSW, würden alle Netzausbaumaßnahmen im 110-KV-Bereich mit Erdkabeln ausgelegt, die Kosten würden sich verdoppeln, die Rechnung müssten die Stromkunden bezahlen, eine Beteiligung der Betreiber, wie im Landtagsbeschluss gefordert, würde komplett entfallen. Ich denke, wir sollten bei dem Beschluss des Wirtschaftsausschusses, den der Landtag bestätigt hat, bleiben. Zwar wären einzelne Maßnahmen wie die in Schleswig-Holstein für die Stromkunden wohl zu verschmerzen, weil sie nur zu einer marginalen Preiserhöhung pro Kilowattstunde führen würden, eine generelle Regelung zugunsten der Erdkabellösung ist aber keinesfalls gerechtfertigt.

Ich kann Ihnen aus den Debatten mit den Wirtschaftsministern sagen, dass es durch die Vorlagen aus dem Bundeswirtschaftsministerium eine Bewegung in der Richtung gibt, das, was an Mehrkosten aus den Ländern kommt, in denen viel Windenergie eingespeist wird, nicht auf das Gesamtstromnetz umzulegen, nicht auf die gesamten Stromkunden umzulegen. Dieser Debatte würden wir sicher neue Nahrung geben, wenn wir diesem Antrag folgen würden. Ich rate deshalb, den Antrag nicht anzunehmen, und sage Ihnen noch einmal dazu, wir bemühen uns darum, mit den Beteiligten, den Interessierten und E.ON Netz eine Vereinbarung für den Bereich Breklum-Flensburg zu erreichen. Ich kann Ihnen nicht zusagen, dass es auch tatsächlich dazu kommt, da die Zustimmung aller Beteiligten erforderlich ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Minister.

Ich gehe jetzt in der Reihenfolge der Anträge vor und erteile deshalb dem Vertreter des SSW, Herrn Abgeordneten Lars Harms, als Antragsteller das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzten September hat sich der Landtag eindeutig für Erdkabel beim Stromnetz ausgesprochen. Hiermit sollte ein politisches Signal gesetzt

(Minister Dietrich Austermann)

werden, zumal man seinerzeit gerade in der Diskussion war, wie diese Problematik in das neue Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz aufgenommen werden könnte. Seinerzeit waren wir optimistisch, dass hier endlich ein großer Wurf gelingen könnte. Inzwischen sind wir wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt, denn das, was uns die Große Koalition auf Bundesebene beschert hat, ist nichts als ein fauler Kompromiss, der niemandem hilft. Statt eine eindeutige Regelung zu schaffen, unter welchen Bedingungen Erdkabel vorgeschrieben sind, hat man in Berlin wieder einmal mit einer Kannbestimmung, die niemandem wirklich weh tut, kein Problem gelöst, im Gegenteil, das Problem ist verschärft worden. Wir wissen jetzt, dass man zwar Erdkabel verlegen und deren Kosten dann auch finanziell umlegen darf, aber eine verbindliche Vorschrift ist das immer noch nicht. Es gilt bei dieser Vorschrift immer noch der Grundsatz: Wir kommen dem Volk theoretisch näher, aber praktisch beugen wir uns der Stromlobby.

Auf der Strecke Breklum-Flensburg hatte es im Planfeststellungsverfahren für die Freileitung 580 Einsprüche mit insgesamt 870 einzelnen Einwendungen gegeben, so viele wie noch nie zuvor. Spinnt man das Szenario nun weiter, werden sich nach der Planfeststellung aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vielzahl von einzelnen Einsprüchen gegen die Trasse und die Baumaßnahmen ergeben, und die Bürger werden bis zur letzten Möglichkeit Rechtsmittel einlegen. Wir werden zum Jahresende eine planfestgestellte Freilandtrasse haben, die weiterhin nicht genehmigt werden kann, weil eine Vielzahl von Klagen eingereicht worden ist und deren Bearbeitung sich dann über Jahre hinziehen wird.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch die Absicht!)

Der Effekt wird sein, dass jahrelang in Spitzenzeiten der Windstrom in Nordfriesland und anderswo nicht abgeleitet werden kann. Das ist klimapolitisch eine Bankrotterklärung der Gesetzesmacher in Berlin und schädigt die regionale Wirtschaft in Schleswig-Holstein.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb muss die Landesregierung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes handeln.

Nach Schätzungen des Bundesverbandes Windenergie müssen die Windmüller, deren Windmühlen aufgrund von Kapazitätsüberlastungen derzeit in Hochlastzeiten abgeschaltet werden müssen, bis zu 7 % Einbußen erleiden. Das heißt, eine Wind

energieanlage von einem Megawatt Leistung bringt rund 10.000 € weniger ein, als wenn der gesamte Strom ins Netz eingespeist werden könnte. Für den einzelnen Windmüller ist das eine Katastrophe und für einen zukünftigen Investor ist das ein Grund, nicht in Schleswig-Holstein, sondern in einem anderen Bundesland zu investieren.

Das darf die Landesregierung nicht zulassen, zumal eine Erdverkabelung ohne weiteres möglich ist. Aber nicht nur die Windmüller und die Investoren verlieren ihr Geld, auch die Gemeinden verlieren Steuereinnahmen. Laut Prognos-Studie betragen die Gewerbesteuereinnahmen pro installiertem Megawatt durchschnittlich 5.000 € pro Jahr. Für eine kleine Gemeinde ist das eine riesige Summe, zumal meist nicht nur eine, sondern mehrere Anlagen pro Eignungsfläche aufgestellt werden. Allerdings setzt dies voraus, dass die Anlagen auch laufen und nicht abgeschaltet werden, wenn es sich zu lohnen beginnt. Es setzt voraus, dass Investoren mit Freuden investieren wollen und die Sicherheit haben, dass man hier auch Geld verdienen kann.

Wenn man aber sieht, dass man zum Beispiel in Nordfriesland bis zum Jahresende nur 465 MW Leistung maximal ins Netz einspeisen kann, aber dort schon 732 MW Leistung installiert sind, dann ist klar, das dies nicht funktionieren kann. Wenn die Bundesregierung mit ihrer Großen Koalition des schlechten Kompromisses hier schlechte Gesetze macht, muss die Landesregierung ganz klar schleswig-holsteinische Interessen vertreten.

(Beifall beim SSW)

Deshalb schlagen wir vor, dass neue Netz grundsätzlich nur noch als Erdkabel auszuführen sind und so die freie Leitung zum Ausnahmefall wird. Die möglichen zusätzlichen Investitionskosten hierfür können schon jetzt auf den Strompreis umgelegt werden, allerdings glaube ich nicht - genauso wie der Minister -, dass es sich stark auswirken wird, weil sich die Netzunterhaltung auch verbilligen wird. Das hat man auch in Dänemark erkannt. Energienetz Danmark - der staatliche Netzbetreiber dort - wird jetzt in der Nähe von Esbjerg ein Erdkabel verlegen, obwohl dies anfangs kostspieliger ist. Mittel- und langfristig wird sich dies aber rechnen. Das hat man in Dänemark eingesehen und deshalb sollten wir diesem schönen dänischen Beispiel folgen. Durch eine Lösung, wie wir sie vorschlagen, werden die Bürgerwünsche beachtet, was an sich ein Ziel von Politik sein soll. Wir kämen schneller zu einer wirklich nachhaltigen Lösung, nämlich Erdkabel. Wir wollen dies, weil wir die Menschen in Schleswig-Holstein und deren Gemeinden eben nicht daran hindern wollen, Geld zu verdienen und

(Lars Harms)

Arbeitsplätze zu schaffen und weil wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Hier können wir als Land Schleswig-Holstein ganz konkret handeln und das sollten wir tun.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)