Protocol of the Session on March 21, 2007

Die Kürzung des kommunalen Finanzausgleiches wird durchgezogen, obwohl die Landesregierung die Finanzsituation der Kommunen ganz genau kennt. Die Landesregierung kennt die Verschuldung der Kommunen; sie weiß, dass die Kommunen in einer Phase des Aufschwungs dringlichst auch einmal Schulden abzahlen müssen. Sie kennt die hohen Fehlbeträge aus den Vorjahren. Die Landesregierung weiß, dass ein Teil der Schulden der Kommunen in ausgegliederte Gesellschaften und Unternehmen verlagert worden ist, und die Landesregierung weiß, dass die Kommunen aufgrund ihrer finanziellen Situation schon jetzt Aufgaben nicht erfüllen können und insbesondere für dringende familienpolitische Aufgaben kein Geld haben. Mein Kollege Geerdts hat heute Morgen sehr ausführlich von seinen Erfahrungen berichtet, dass Städte vor Ort darüber diskutieren, Beratungsangebote für Familien zurückzufahren, zu kürzen. Insofern ist die Darstellung im Bericht, dass es den Kommunen angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen super geht, schlicht falsch.

So sehr wir uns über die Steuereinnahmen der Kommunen freuen können, als Argument für den Raubzug von CDU und SPD dürfen sie nicht dienen. Die Kommunen brauchen diesen Finanzaufschwung genauso dringend wie das Land und wie der Bund. Es gibt keinen Grund dafür, dass der größere Bruder dem kleineren das Taschengeld wegnimmt, nur weil beide eine Erhöhung bekommen haben.

Noch ein paar Worte zu den sogenannten Kompensationen, die in dem Bericht aufgelistet werden. Ein relevanter Teil, 9 Millionen €, wird direkt an die Familien weitergereicht. Eltern zahlen zukünftig 30 % der Schülerbeförderung und werden dadurch in Form von 9 Millionen € belastet, massiv belastet. Einzelbeispiele machen deutlich, dass insbesondere Familien mit mehreren Kindern im länd

(Monika Heinold)

lichen Raum stark betroffen sind. Bei Beiträgen von bis zu 200 € pro Kind und Schuljahr wird schnell das Geld für die neue Winterjacke oder für den Familienurlaub aufgebracht. Zu Recht hat der Kreistag Ostholstein dies sehr kritisch diskutiert. Nach meiner Information hat die SPD dort auch mit uns gestimmt und die Landesregierung aufgefordert, diese Beschlusslage rückgängig zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

So trifft der kommunale Raubzug des Landes direkt die Eltern in Schleswig-Holstein - tolle Kompensation!

Weitere 9 Millionen € werden angerechnet, weil die Bundesregierung die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt hat. Welches Recht hat die Landesregierung, diese Mittel für sich einzustreichen? Schließlich werden die Kommunen an anderer Stelle durch die Bundesgesetze auch belastet. Auch dies macht der Bericht mit einem kleinen Sternchen am Rande deutlich. Mit dem Wegfall von kommunalen Aufgaben hat das schlicht gar nichts zu tun. Es hat in der Liste der Kompensationen nichts zu suchen.

Das Gleiche gilt für weitere 11 Millionen €. Auch die Bundesbeteiligung an den kommunalen Kosten der Unterkunft für SGB-II-Leistungsempfänger hat nichts mit dem Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen zu tun. Oder hätte die Landesregierung den Kommunen dieses Geld nicht weggenommen, wenn es keine Kürzung des FAG gegeben hätte? Und was hätte die CDU zu Oppositionszeiten dazu gesagt?

Meine Fraktion fordert, dass auch die schleswigholsteinischen Kommunen von bundesweiten Entlastungen profitieren. Die Kommunen haben es bitter nötig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ein weiterer Höhepunkt der Kompensationsliste sind 20 Millionen €, die das Land aus dem Kommunalen Investitionsfonds nimmt, um die Schlüsselzuweisungen aufzustocken. Dies geschieht frei nach dem Motto: „Gib’ mir deine Geldbörse und ich geb’ dir ’nen Kaffee aus!“

Die Mittel des Kommunalen Investitionsfonds sind und bleiben kommunale Mittel. Auch die Kommunen haben den Taschenspielertrick ,,Linke Tasche, rechte Tasche“ sofort durchschaut und heftig kritisiert.

Festzustellen bleibt: Die Landesregierung ist mit ihrer eigenen Aufgabenkritik nicht vorangekommen. Bei der Verlagerung von Aufgaben auf die Kommunen gibt es nichts Neues. Eine ehrliche Kompensation der 480 Millionen € durch eigene Anstrengungen kann die Landesregierung nicht vorweisen.

Die Regierung tritt auf der Stelle und leistet sich zudem einen teuren Entbürokratisierungsstaatssekretär mit einer noch teureren Verwaltung. Die Zeche für diese schlechte Politik zahlen die Kommunen: 480 Millionen € bis 2010.

Das ist Geld, das für Kindertagesstätten, für Büchereien, für Schwimmbäder und für den kommunalen Gestaltungsspielraum, den das Ehrenamt so dringend braucht, fehlt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Einen Teil der Zeche zahlen auch die Eltern, nämlich jeden Monat mit dem Kauf der Schülerfahrkarte für ihr Kind.

Die Kommunen haben recht, wenn sie sich insbesondere von der CDU belogen und betrogen fühlen, hat die CDU im Wahlkampf doch genau das Gegenteil versprochen.

Meine Damen und Herren, wir werden alles tun, damit dieser Wahlbetrug in Erinnerung bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für den SSW erhält nun Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem für die Kommunen so schmerzhaften Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich für die Jahre 2007 und 2008 versprach ihnen die Landesregierung eine finanzielle Kompensation zum Ausgleich der Steuermindereinnahmen.

Die CDU forderte auf ihrem Parteitag sogar eine 100-prozentige Kompensation des Eingriffs in die kommunalen Finanzen, während die Opposition diesen Eingriff natürlich von vornherein abgelehnt hat. Diese Haltung vertritt der SSW immer noch. Denn unserer Meinung nach stellt die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs vor dem Hintergrund vorheriger Absprachen nicht nur einen Vertrauensbruch dar, sondern war auch sachlich gesehen ein völlig unberechtigter Eingriff in die kommunalen Kassen.

(Monika Heinold)

(Beifall beim SSW)

Dazu zeigt der heute vorliegende Bericht, in dem die Landesregierung eine ganze Reihe von realen oder vermeintlichen Kompensationsvorschlägen auflistet, dass die Kommunen eben nicht eine 100-prozentige Kompensation dieser Kürzungen erhalten werden. Das ist ein Fakt, obwohl die Landesregierung im Bericht darauf verweist, dass die Kommunen trotz des Eingriffs sowohl 2006 als auch 2007 mit Steuermehreinnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich rechnen können.

Das liegt natürlich daran, dass die Konjunktur seit 2006 wieder stark angesprungen ist, was zu steigenden Steuereinnahmen führt; dies ist bereits mehrfach gesagt worden. Dies gilt allerdings auch für die Steuereinnahmen des Landes und deshalb kann aus Sicht des SSW der Anstieg der Steuereinnahmen für die Kommunen überhaupt nicht als Argument für die beschlossenen Kürzungen herhalten.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weiterhin wird im Bericht dargelegt, dass die strukturellen Defizite der Kommunen im Jahr 2005 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringer ausgefallen sind. Dabei darf man nicht vergessen, dass es seit Beginn des Konjunktureinbruchs im Jahre 2001 große Fehlbeträge in zahlreichen Kommunen in Schleswig-Holstein gegeben hat: Kürzung der Theaterzuschüsse, Schließung von Bibliotheken, die Aufgabe von öffentlichen Schwimmbäder und so weiter. Die Liste der kommunalen Grausamkeiten bedingt durch die schlechte Finanzlage der letzten Jahre ist lang.

Das Argument, dem Land gehe es finanziell noch schlechter, ist angesichts der kommunalen Probleme einfach nicht akzeptabel. Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass ein Großteil der kommunalen Schulden in ausgegliederte Gesellschaften und Unternehmen verlagert wurde und dass die Kommunen daher in ihren Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung nicht nachlassen dürften. Aber gerade diese Anstrengungen werden durch die Maßnahmen der Landesregierung erschwert. Sieht man sich die Liste der Entlastungen und Abfederungsmaßnahmen an, so kann es nicht verwundern, dass die Kritik der kommunalen Landesverbände an den fehlenden Kompensationen nicht nachlässt.

Zum einen schmückt sich die Landesregierung mit fremden Federn. So führt sie in ihrer Maßnahmenliste zum Beispiel die Entlastung der Kommunen durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz oder die Beibehaltung der Bundesbeteiligung an

den kommunalen Kosten der Unterkunft für SGBII-Leistungsempfänger mit auf. Diese Entlastung von jährlich insgesamt 30 Millionen € für die Kommunen wäre auch ohne den Eingriff in die kommunalen Finanzen seitens des Landes gekommen.

Das Gleiche gilt übrigens auch für die Tatsache, dass man aus dem Schleswig-Holstein-Fonds jährlich 20 Millionen € für den kommunalen Schul- sowie Wege- und Straßenbau reserviert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kommunen nicht ohnehin einen angemessenen Anteil der Investitionen über den Schleswig-Holstein-Fonds bekommen hätten.

Zum anderen führt die Landesregierung in ihrer Liste viele Maßnahmen an, die nur als ungedeckte Schecks zu werten sind. Das gilt zum Beispiel für die angeblichen Einsparungen beim Bürokratieabbau, die jährlich 5 Millionen € einbringen sollten. Seit Staatssekretär Schlie vor über einem Jahr der Öffentlichkeit sein schon fast legendäres Telefonbuch vorgestellt hat, sind davon nur minimale Vorschläge durch das Erste Verwaltungsmodernisierungsgesetz umgesetzt worden.

Im Zuge der Aufgabenkritik und der Diskussion über eine künftige Kreisreform will die Landesregierung Ende dieses Monats weitere Vorschläge zum Aufgabenabbau oder zur Aufgabenverlagerung auf die Kreise oder Kommunen präsentieren.

Bisher liegt aber noch nichts Konkretes vor. Im Bericht wird davon gesprochen, dass die Bildung kommunaler Verwaltungsregionen bis zu 10 Millionen € Einsparung bringen soll. Und auch der Innenminister legt der Presse Zahlen vor, wonach man sogar 80 Millionen € durch eine Kreisreform einsparen kann. Dies geschieht aber ohne detaillierte Angaben dazu, wie dies erreicht werden soll, und ist insofern schlicht unseriös.

Der Landtag und die Öffentlichkeit warten also weiterhin auf unabhängige und verifizierbare Zahlen zum Thema Funktional- und Kreisgebietsreform.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aufgaben- analyse!)

- Genau, lieber Kollege!

Dazu fehlt dem SSW immer noch eine realistische Diskussion darüber, welche Verwaltungsebene welche Aufgaben leisten kann und leisten soll.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Die Formulierung im Bericht der Landesregierung, dass sich die öffentliche Hand auf ihre Kernaufgaben beschränken muss, bringt uns nicht weiter, wenn wir nicht endlich definieren, was denn die Kernaufgaben sind.

Auch für die Behauptung, dass man durch die Änderung der Schulstrukturen jährlich 5 Millionen € einsparen kann, fehlt jede Erklärung. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag befürchtet hingegen, dass die Schulreform kurzfristig erst einmal mehr Geld kosten wird, zum Beispiel durch den Bau neuer Schulgebäude oder weil man die Lehrerfortbildung erst einmal ausbauen muss. Insgesamt sind also auch diese 20 Millionen € der Kompensationsmaßnahmen für die Kommunen keine reale finanzielle Entlastung.

Übrig bleiben eigentlich nur noch Vorschläge, die aus Sicht des SSW politisch überhaupt nicht akzeptabel sind. Das gilt zum Beispiel für die Einsparung der Kommunen bei der Schülerbeförderung. Hier werden die Kommunen durch die Abwälzung der Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger entlastet. Dadurch werden aber die Eltern im ländlichen Raum benachteiligt und die negativen Wirkungen dieser Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis zur jährlichen Einsparung von 9 Millionen €.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wie sich das längerfristig auf die Entwicklung im ländlichen Raum auswirken wird, lasse ich erst einmal dahingestellt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ziehen in die Stadt!)

- Genau. Längerfristig können wir sogar von einer Landflucht reden.

Auch die Aufhebung des Mittelstandsförderungsgesetzes, die Einschränkungen im Bereich des Bildungsurlaubs oder die Rückführung der Archivierungsaufgabe in die Freiwilligkeit für Kommunen unter 20.000 Einwohnern kann der SSW politisch überhaupt nicht mittragen. Ich weiß, dass das zwar nur Vorschläge sind, aber diese Vorschläge stehen im Raum.