Über die Abschaffung der Direktwahl von Landräten hat sich das Kabinett auf der Grundlage des Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 24. September schon am 4. Oktober geeinigt. In der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses haben wir uns auch darauf verständigt, über die Frage eines entsprechenden Vorschaltgesetzes im Jahre 2007 zu befinden. Der Gesetzentwurf des SSW geht darüber hinaus und fordert zudem die Abschaffung der Direktwahl aller hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Ich befürworte nach wie vor die Abschaffung der Direktwahl der Landrätinnen und Landräte, halte jedoch die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister weiterhin für erforderlich. Unter dem Ge
sichtspunkt des Willkürverbotes wäre darüber hinaus eine Entscheidung dergestalt, dass man eine Direktwahl von Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern kreisfreier Städte abschafft, jedoch an einer Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kreisangehöriger Städte und Gemeinden festhält, verfassungsrechtlich bedenklich.
Gegenwärtig arbeitet die Landesregierung an einem Gesamtkonzept für eine Funktional- und Kreisgebietsreform. Der Beschluss, dem Gesetzentwurf des SSW in dieser Phase nicht zuzustimmen, ist insofern konsequent. Herr Kollege Hildebrand, Ihr Versuch, dem Haus hier etwas von einem Pferd zu erzählen, war zwar ganz lustig, aber Ihr Pferd war kein feuriges Rennpferd, sondern eher ein ziemlich müder Ackergaul, denn die Argumente waren nicht zugkräftig.
Lieber Herr Kollege Kubicki, auf Ihren Beitrag wollte ich auch noch zu sprechen kommen. Die Wahlbeteiligung bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen - so viel übrigens aus dem Land der Dakota-Indianer - liegt bei nahezu 100 %, denn der amerikanische Präsident wird schon seit über 230 Jahren durch ein Wahlmännergremium gewählt. Meine Damen und Herren, dies nur als Erläuterung zum Wahlrecht.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen machen es notwendig, noch einige Einordnungen im Blick auf den weiteren Ablauf vorzunehmen. Herr Kollege Hildebrand, Sie haben von einem Hin und Her gesprochen. Ich will ganz offen sagen, dass es einigen Beratungs- und Klärungsbedarf gab. Das ist einfach so gewesen und das kann man auch freimütig einräumen. Es hat gar keinen Sinn, darum herumzureden. Von daher ist dieser Hinweis gar nicht zurückzuweisen. Vielmehr ist zu sagen, dass an dieser Geschichte etwas dran ist.
Wir haben dann in beiden Parteien, in der SPD und bei uns, einen Diskussions- und Erörterungsprozess in die Wege geleitet. In diesem Diskussionsprozess hat sich der Landesparteitag übrigens zunächst einmal nicht nur für die Beibehaltung der Direktwahl
ausgesprochen. Er hat darüber hinaus einen zweiten Beschluss gefasst, der öffentlich vielleicht kaum beachtet worden ist. Er hat auf Antrag des Kreisverbandes Pinneberg beschlossen, zu einem geeigneten Zeitpunkt noch einmal in eine Erörterung einzutreten. Auch das ist auf dem CDU-Landesparteitag beschlossen worden. Dieser Beschluss wurde übrigens auf Vorschlag der Antragskommission, deren Vorsitzender ich war, gefasst. Zur richtigen Einordnung erwähne ich hier ausdrücklich auch diesen zweiten vom Landesparteitag gefassten Beschluss.
Der erwähnte Diskussions- und Klärungsprozess ist jetzt eingeleitet worden. Es gibt in der Tat eine Reihe von Argumenten, die wir ausgetauscht haben und die auch noch einmal zu erörtern sind. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen - Herr Minister Stegner ist sich mit mir sicherlich darüber einig -, dass wir im nächsten Jahr hier im Parlament einmal vernünftig und ausführlich über das politische Ehrenamt diskutieren.
Wir könnten dann zu einer Bestandsaufnahme in dieser Frage kommen. Wir könnten dann auch unsere weiteren Einschätzungen und Vorstellungen entwickeln. Hier haben wir es jetzt ja nur mit einem Vorschlag zu tun.
Die vorhin angesprochene Diskussion hat sich sodann im Koalitionsausschuss fortgesetzt. Ihr Hinweis auf die Diskussion über ein Vorschaltgesetz im Dezember 2007 ist völlig richtig. Ich möchte nun aber zitieren, was mit Ihren Spitzen in Landespartei, Fraktion und Regierung verabredet worden ist: Nach der Vorlage eines Gesamtkonzeptes zur Funktionalreform, zur Kreisgebietsreform und zur Direktwahl ist das Verfahren so einzuleiten, dass die Verabschiedung des Reformgesetzes spätestens am 8. April 2009 stattfinden kann. - So hatte ich es auch vorgetragen. Ich lege im Namen meiner Fraktion großen Wert darauf, dass dies die mit Ihren Spitzen getroffene Vereinbarung ist. Wir haben bisher nichts Gegenteiliges gehört. Wer uns etwas Gegenteiliges mitteilen will, sollte dies gegebenenfalls tun. Es kann aber natürlich nicht so sein, dass wir in einem Koalitionsausschuss Verabredungen treffen, die nachher hier im Parlament infrage gestellt werden.
- Das muss man ja einmal sagen dürfen, Herr Kollege Kubicki. - Herr Präsident, mir lag daran, das Hohe Haus hier noch einmal an die im Koalitionsausschuss getroffene Verabredung zu erinnern, da
(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht gibt es ja ein Protokoll über die Sitzung des Koalitionsausschusses!)
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich von der SPD wäre, würde ich sagen: Es ist eine ganz neue Erkenntnis bei der CDU, dass man Beschlüsse des Koalitionsausschusses hinterher nicht mehr infrage stellt. - Ich lasse dies die Koalitionspartner aber unter sich ausmachen.
Herr Kollege Puls, ich habe mich zu Wort gemeldet, weil mich das, was Sie als ein Mensch, der sehr liberal ist und ein rechtsstaatliches Bewusstsein hat, gesagt haben, erschreckt hat.
Sie haben als Argument gegen eine Modernisierung des Wahlrechtes angeführt, dass es sich um ein Gesetz der Bürger und nicht um ein Gesetz der Parteien handele. Genau vor dem Hintergrund dieses Arguments fragen wir: Warum ist in Hamburg per Volksentscheid die Modernisierung des Wahlrechts durchgesetzt worden? Warum ist in Hamburg Kumulieren und Panaschieren - also der Einfluss der Bürger auf die Wahlliste der Parteien - per Volksentscheid durchgesetzt worden?
Zurzeit ist die CDU in Hamburg mit einer absoluten Mehrheit dabei, dies wieder zu kippen, um ihre Wahlchancen zu verbessern und sicherzustellen, dass ihre Leute, die auf den Listen stehen, auch durchkommen. Die SPD ist dabei, gegen dieses Gesetz zu klagen. Sie hat eine Verfassungsklage angekündigt.
In Schleswig-Holstein stellen Sie sich nun hin und sagen, bei dem Gesetz gehe es nicht um die Bürger, sondern es sei eine Sache der Parteien. Nein, es geht um die Bürger, es geht um die Möglichkeit
Sie haben des Weiteren gesagt, es ginge uns nur um die Begünstigung der kleinen Parteien. Auch das ist ein Hohn angesichts der Wirklichkeit. Sie wissen ganz genau, dass das jetzige Wahlsystem dafür sorgt, dass die großen Parteien in den Kommunen im Lande wesentlich mehr Mandate haben, als ihnen aufgrund der Anzahl der Wählerstimmen zustehen.
Das einzige Argument, das die beiden großen Parteien haben, die hier die Mehrheit haben, ist, diesen Zustand zu zementieren und nichts anderes. Mit Begünstigung hat das überhaupt nichts zu tun.
Dazu kommt, dass die kleinen Parteien in vielen Kommunen nicht vertreten sind, obwohl ihnen aufgrund der Mandate ein Sitz zustände. Auch das ist ein Skandal, der dazu führt, dass die schleswig-holsteinische politische Landschaft in den Kommunen viel ärmer ist, als sie es sein könnte. Auch das ist falsch, ist undemokratisch, es gibt dafür keine Rechtfertigung.
Sie sind Jurist, Sie kennen die gesamte Debatte seit Jahren, Sie wissen, dass alle juristischen Entscheidungen zu dieser Frage in der Vergangenheit eindeutig waren. Sie wissen das alles sehr genau. Sie wissen, dass das, was Sie hier beschließen, nicht einmal rechtlich durchstehen wird, trotzdem wollen Sie es beschließen. Ich bedaure das. Ich bedaure, dass Sie dazu vielleicht durch Ihren Koalitionspartner gezwungen sind, aber dass Sie sich hier hinstellen und in dieser Weise argumentieren, finde ich beschämend.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Oppositionsführer, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Werner Kalinka, die Erklärung, dass das Parlament mit den Mehrheitsfraktionen nur das nachzuvollziehen habe, was der Koalitionsausschuss beschlossen habe, und dass das nicht infrage gestellt werden dürfe, wird mich morgen bei der Haushaltsberatung dazu bringen, den Antrag einzu
reichen, dass man bei den Abgeordneten von SPD und CDU auf mindestens zwei Drittel der jeweils Anwesenden verzichten könnte, wenn das ernst wäre. Wir sind ein Parlament von frei gewählten Abgeordneten.
Es würde mich wundern, wenn es nicht den einen oder anderen in den Fraktionen gibt, der sich diese Aussage, wir dürften nicht mehr infrage stellen, was nachts um zwei nach 15 Gläsern Wein beschlossen worden ist, nicht zu eigen machen würde.
- Den Wein hat es nicht gegeben? Das ist schade für die Beteiligten. Aber es war jedenfalls nachts um zwei.
Der langen Rede kurzer Sinn, die Frage, wie mutig Parlamentarier sind, stellt sich im kommunalen Bereich auch. Liebe Anke Spoorendonk, die FDP hat auch eine Reihe von Kommunalvertretern, die auf unserem Landesparteitag mehr als die Hälfte der Delegierten stellen. Trotzdem haben die einstimmig beschlossen, dass die Direktwahl der Landräte und Bürgermeister erhalten bleiben soll. Insofern haben die weniger Angst vor den Wählerinnen und Wählern, die an den Landratswahlen teilnehmen. Die haben momentan viel mehr Angst vor dieser Regierung und vor dem, was diese Regierung mit ihnen macht, was sie mit dem Ehrenamt macht bei dem Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich und in die Verwaltungsstrukturen.
- Nicht „oh“, wenn ich das bei der Union höre. Ich kann Herrn Dornquast zitieren, er ist ja CDU-Mitglied. Er sagt, sie fühlten sich mehr von dieser Regierung bedroht und von dem, was die CDU hier im Landtag macht, als von der Frage der Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger bei den Landratswahlen. Es gibt übrigens auch Wahlbeteiligungen von mehr als 40 % bei den Wahlen. Sie ziehen dauernd heran, es gäbe da Beteiligungen von 12 oder 15 %. Das kann zwar ein Argument sein, ist aber nicht durchgängig. Es gibt Beteiligungen, die über 40 % liegen, wie wir gerade bei vergangenen Wahlen gesehen haben.
Herr Innenminister, ich finde es schön, dass Sie ankündigen, dass die Regierung regelmäßig das Wahlrecht überprüfen werde. Das ist eine Verfassungsrechtsforderung aus der Rechtsprechung. Wenn das Kommunalwahlrecht nicht regelmäßig überprüft wird, würde die Fünfprozenthürde ver
fassungswidrig. Insofern müssen Sie den Grünen geradezu dankbar sein, dass sie uns eine Debatte aufzwingen, die dazu führt, dass verfassungsrechtlich einwandfrei bestätigt werden kann, dass an der Hürde festgehalten werden soll, die wir eigentlich selbst auch nicht wollen.
Nun zu dem Bild von dem Gaul, dass nämlich Herr Hildebrand keinen feurigen Gaul dargestellt hatte. Das konnte er gar nicht, denn er hat von einem toten Gaul gesprochen, von dem Sie absteigen sollen. Ein toter Gaul kann nicht feurig sein. Ich empfehle Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, allen Beteiligten, wirklich die Doktorarbeit von Herrn Stegner, die ich mir habe kommen lassen und die ich gelesen habe. Sie ist nicht ganz so populär wie das Buch des Bundeskanzlers, auch auf einem völlig anderen Niveau, denn dafür hat er die Doktorwürde bekommen - nicht der Bundeskanzler, sondern Herr Stegner -, aber sie ist ein Quell von Zitaten, mit denen ich das Parlament demnächst überschütten werde.
Aber uns hier zu erklären, dass die Wahl des amerikanischen Präsidenten zu 100 % vom Volk erfolge, weil das Wahlmännergremium vom Volk gewählt wird, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, denn das Wahlmännergremium wird von 40 % der Bevölkerung gewählt, nicht mehr. Das bedeutet, der amerikanische Präsident wird von nicht mehr als 40 % der Bevölkerung getragen, und niemand empfiehlt - Sie übrigens auch nicht - die Abschaffung dieses Systems bei den dortigen Wahlen.