Protocol of the Session on December 13, 2006

Seinerzeit, im Juni, war es wieder einmal ein Vorstoß unseres geschätzten Herrn Innenministers, der die Koalition arg ins Schwimmen brachte. Ich möchte noch einmal kurz den Ablauf der insgesamt absurden Diskussion zusammenfassen.

Erstens. 11. Mai 2006. Der SSW reicht seinen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Direktwahlen von Landräten und Bürgermeistern ein.

Zweitens. 12. Mai 2006. Der NDR berichtet, Minister Stegner fordere die Abschaffung der Direktwahl von Landräten.

Drittens. In der Landtagsdebatte am 1. Juni 2006 ergibt sich folgendes Bild: CDU und SPD sind in der Frage der Direktwahl noch offen, SSW, Grüne und Minister Stegner sprechen sich für die Abschaffung der Direktwahl der Landräte aus; bei der Abschaffung der Bürgermeisterdirektwahl steht der SSW allerdings allein da.

Viertens. 26. September 2006. Laut „sh:z“ beschließt der Koalitionsausschuss die Abschaffung der Direktwahl der Landräte und Oberbürgermeister, hat dabei aber nicht bedacht, dass nicht nur die kreisfreien Städte Oberbürgermeister haben, sondern dummerweise auch noch die Stadt Norderstedt, die nicht so richtig ins Konzept passt. Im Übrigen sind im Ministerium weitere verfassungsrechtliche Bedenken entstanden.

Fünftens. 24. Oktober 2006. Das Innenministerium hat Bedenken, ob die geplante Abschaffung der Direktwahl der Oberbürgermeister verfassungsrechtlich zulässig ist.

Sechstens. 10. November 2006. Der SPD-Landesparteitag beschließt die Abschaffung der Direktwahl der Landräte und Oberbürgermeister.

Siebtens. 17./18. November 2006. Der CDU-Landesparteitag fasst den Beschluss zur Beibehaltung der Direktwahl.

Achtens. 6. Dezember 2006. Der Innen- und Rechtsausschuss lehnt einstimmig den Gesetzentwurf des SSW zur Abschaffung der Direktwahlen der Landräte und hauptamtlichen Bürgermeister in

Gänze ab. Änderungsanträge werden nicht vorgelegt.

Dies zum Hin und Her in der Frage von Direktwahlen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und der Parteitag der Grünen beschließt die Beibehaltung der Direktwahl!)

- Richtig. Das gehört aus der Sicht der Grünen dazu.

Dieser Ablauf ist symptomatisch für die Meinungsfindung der Großen Koalition in fast allen kommunalen Reformprojekten. Da gibt es keine Linie. Da wird geeiert und handwerklich gepfuscht.

Meine Damen und Herren, kommen wir noch einmal zurück zur ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs am 1. Juni dieses Jahres. Mir ist diese Debatte noch sehr präsent. Seinerzeit hat mich die bekannt forsche Art unseres Innenministers, des Herrn Kollegen Stegner, wirklich beeindruckt. Er hat sich mit folgendem Zitat gegen die Beibehaltung der Direktwahl der Landräte ausgesprochen: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Das war seinerzeit immerhin Zitat des Tages.

Minister Stegner klärte uns des Weiteren darüber auf, dass dieser Spruch bei den Dakota-Indianern dazu diente aufzuzeigen, welche abenteuerlichen Strategien sich manche einfallen lassen, um nicht öffentlich eingestehen zu müssen, dass sie danebenlagen.

Dazu noch Folgendes: Offensichtlich ist, dass es in diesem Parlament eine Mehrheit für die Beibehaltung der Direktwahlen von Landräten und Bürgermeistern inklusive Oberbürgermeistern gibt. Ich hoffe im Sinne Ihres eigenen Zitats, dass Sie, sehr geehrter Herr Minister, vom „toten Pferd“ der Abschaffung dieses demokratischen Privilegs abgestiegen sind.

Was für das „tote Pferd“ der Abschaffung der Direktwahlen gilt, das gilt auch für andere „Pferde“ im kommunalen Bereich. Ich habe zumindest noch nie einen so großen Widerstand der kommunalen Ebene gegenüber dem Kommunalminister erlebt wie in den anderthalb Jahren Ihrer Amtszeit. Das Vertrauen ist völlig dahin. Es wird also langsam Zeit, dass Sie, Herr Minister, auch von anderen „toten kommunalen Pferden“ absteigen. Sonst sind die SPD und die Koalition in naher Zukunft vielleicht gezwungen, vom „Pferd“ des SPD-Landesvorsitzenden Stegner abzusteigen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich finde, der Mini- ster sollte ganz absteigen!)

Zum Gesetzentwurf der Grünen nur noch ein Satz. Wir hätten ihn heute gern verabschiedet. In der letzten Legislaturperiode haben wir inhaltsgleiche Anträge gestellt und bedauern sehr, dass der Ausschuss nicht zu einer entsprechenden Empfehlung gekommen ist.

Hinsichtlich des Antrages des SSW habe ich schon hinreichend darauf hingewiesen, dass wir für die Beibehaltung der Direktwahlen sind.

(Beifall bei der FDP)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Frau Vorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Bemerkungen vorweg. Ich fand, dass schon die erste Ausgabe der Rede des Kollegen Puls schlimm war. Die zweite Ausgabe war ganz einfach zum Heulen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich bin tief verzweifelt über eine solche Einstellung.

Die Kehrtwende der Grünen werde ich wohl als Frontbegradigung und unter der Überschrift abbuchen: If you can’t beat them, join them.

(Lachen des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Wir bleiben bei unserer Position. Nach der Abstimmung im Innen- und Rechtsausschuss ist klar geworden, dass am Kommunalwahlrecht nichts geändert werden soll. Wir sehen aber drei zentrale Bereiche mit Erneuerungsbedarf, die unmittelbar den Kern kommunaler Demokratie betreffen. Zum einen ist dies die Abschaffung der Fünfprozenthürde. Ich habe schon oft gesagt, dass in einigen kommunalen Wahlkreisen viel mehr als 5 % der abgegebenen Stimmen erreicht werden müssen. Wer das als Chancengleichheit und als besonders demokratisch auffasst, hat aus meiner Sicht ein Problem. Des Weiteren finden wir, dass es an der Zeit ist, ein moderneres und gerechteres Sitzverteilungsverfahren einzuführen und drittens muss es auch bessere Auswahlmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler hinsichtlich der personellen Zusammensetzung der Kommunalparlamente geben.

In allen drei Bereichen besteht unserer Ansicht nach eindeutiger Nachholbedarf innerhalb unseres Kommunalwahlrechts. Eine Modernisierung kommunaler Demokratie ist also überfällig, wird aber weiterhin - das haben wir gerade alle mitverfolgen können - von der Großen Koalition blockiert. Ob

(Günther Hildebrand)

das aus Trägheit oder aus Kraft- und Entschlusslosigkeit geschieht, lasse ich dahingestellt.

Nun noch einmal zu der Abschaffung der Direktwahl der Landräte und Bürgermeister! Dies ist seit Langem in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Die bestürzend niedrigen Wahlbeteiligungen bei den Direktwahlen sowie die Pseudo-Wahlsituation, wenn nur ein Kandidat vorhanden ist, haben nicht nur in der kommunalen Familie, sondern auch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zum Umdenken in Bezug auf die Direktwahl geführt.

Wir bleiben uns in dieser Frage treu, auch wenn sämtliche anderen Parteien weiterhin in der Direktwahl ein Mehr an Demokratie sehen. Bereits bei der Einführung der Direktwahl von hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten haben wir vor den negativen Auswirkungen für die kommunale Demokratie gewarnt.

Man kann sich sicherlich über die noch ausreichende oder schon nicht mehr ausreichende Legitimation von Wahlen mit einer Beteiligung von unter 30 % streiten. Eindeutig ist eine niedrige Wahlbeteiligung aber kein Zeichen für die Belebung der kommunalen Demokratie. Diese Wahlen gehen am Interesse der Bürgerinnen und Bürger vorbei und das zeigen uns diese auch überdeutlich.

Der SSW hat auf die strukturellen Defizite und auf die schädlichen Langzeitwirkungen der Direktwahl von Verwaltungschefs für das Machtgefüge der kommunalen Selbstverwaltung hingewiesen. Fragen Sie doch einmal Ihre Kommunalpolitiker vor Ort! Diese werden Ihnen bestätigen - das wissen viele von Ihnen auch -: Der Macht- und Legitimationszuwachs der hauptamtlichen Verwaltungsleitung geht eindeutig zulasten des Ehrenamtes.

Das Mehr an punktueller Einflussnahme des Bürgers via Direktwahl wird von diesem kaum angenommen. Diese vorgeblich bessere Beteiligung wird durch ein permanentes Weniger an ehrenamtlicher Gestaltungsmöglichkeit erkauft. Wer sich vor dieser Erkenntnis verschließt, mag sich auch über das sinkende Interesse an kommunalpolitischem Engagement wundern. Ich tue es nicht.

Nun also war - das ist noch nicht lange her - der Koalitionsausschuss am Zuge, das Gremium also, das hinter verschlossenen Türen die Weichen für die Politik der Großen Koalition stellt.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Die Debatte um Kompromisse und Pakete führte dazu, dass die Öffentlichkeit verunsichert wurde. Sie lud und lädt zu ausufernden Spekulationen ein.

Zunächst sollte die Direktwahl abgeschafft werden, dann gab es Proteste und nun stehen wir vor der Situation, wie wir sie jetzt haben.

Auch der Kollege Kalinka meldete ja für die CDU Bedenken an, kam dann aber mit seinen Bedenken nicht weiter. Ich sage deshalb hier noch einmal ganz salopp - ich finde, dies ist angebracht -: Wenn man sich die Vorschläge in der Debatte über neue kommunale Strukturen anschaut, würde es niemanden überraschen, wenn die Große Koalition jetzt beschließen würde, dass künftig in Kreisen mit mehr als 200.000 Einwohnern der Kreispräsident direkt gewählt werden könnte. Parallel dazu könnte man den Posten eines hauptamtlichen Landkreisdezernenten einführen, um die unterlegenen Kandidaten und ehemaligen Landräte abzusichern. Wir sind zwar nicht auf alles gefasst, denken aber, dass einiges möglich ist. In dieser Hinsicht trauen wir der Großen Koalition einiges zu, und zwar nicht im positiven Sinne.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich bin am Ende meiner Rede. - Ich hoffe, dass ich meinen Frust über diese Entscheidung deutlich gemacht habe. Wir bleiben natürlich bei unserer Auffassung, dass die Direktwahl nicht zu mehr kommunalpolitischer Demokratie geführt hat und in Zukunft auch nicht führen wird.

Für die Landesregierung erteile ich dem Innenminister, Herrn Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Veränderungen des Wahlrechts, welche das Wahlsystem oder wichtige Kernpunkte desselben berühren, sind ureigene Parlamentsangelegenheiten, bei denen die Landesregierung, wie Sie dies bereits kennen, Zurückhaltung übt und auf eigene Vorschläge im Wesentlichen verzichtet. Dies hatte ich anlässlich der ersten Lesung des von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzentwurfes über die Wahlen in den Gemeinden und Kreisen schon betont. Reformen des Wahlrechts sollten aus meiner Sicht übereinstimmend vom gesamten Plenum und nicht mit Mehrheiten aus der jeweiligen Interessenlage heraus beschlossen werden. Ich stelle nunmehr fest, dass es eine solche Übereinstimmung nicht gibt.

(Anke Spoorendonk)

Das ist auch nicht überraschend. Das, was von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - das war durchaus eine Fleißarbeit - an Änderungsvorschlägen vorgelegt worden ist, ist in den letzten Jahren natürlich mehrfach ausführlich diskutiert worden. Es ist in diesem Hause aber nicht mehrheitsfähig.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass die in Schleswig-Holstein seit Langem geltenden Grundlagen für die Wahl von Gemeindevertretungen und Kreistagen sich als praxistauglich bewährt haben und dass Sie deshalb auch nicht ohne zwingenden Grund verändert werden sollten. Dies gilt insbesondere für das Wahlsystem. Gerade das Element der Mehrheitswahl in den Wahlkreisen ermöglicht eine persönlich enge Beziehung der dort Gewählten zu ihrem Wahlkreis, die vor allem auf örtlicher Ebene keinesfalls aufgegeben werden sollte. Deshalb ist es konsequent, wenn der hier vorliegende Gesetzentwurf abgelehnt wird.

Die Landesregierung ist selbstverständlich nicht gegen Veränderungen. Sie sieht es ganz im Gegenteil als ihre Aufgabe an, das Wahlrecht regelmäßig zu überprüfen und Änderungen vorzuschlagen, wenn sie dem Ziel dienen, moderne und den Anforderungen gerecht werdende Grundlagen für die Durchführung von Landtags- und Kommunalwahlen zur Verfügung zu haben. Es geht dabei zum Beispiel um die Verringerung des Aufwandes und um Verfahrensvereinfachungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle entsprechende weitreichende Vorschläge der Landesregierung ankündigen, die Ihnen noch in diesem Monat zugeleitet werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ein bisschen mehr Engagement wäre schon angebracht!)

- Auf das Engagement komme ich gleich zu sprechen, Herr Kollege Garg, und zwar dann, wenn ich mich zu dem zweiten Gesetzentwurf äußere.

Über die Abschaffung der Direktwahl von Landräten hat sich das Kabinett auf der Grundlage des Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 24. September schon am 4. Oktober geeinigt. In der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses haben wir uns auch darauf verständigt, über die Frage eines entsprechenden Vorschaltgesetzes im Jahre 2007 zu befinden. Der Gesetzentwurf des SSW geht darüber hinaus und fordert zudem die Abschaffung der Direktwahl aller hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Ich befürworte nach wie vor die Abschaffung der Direktwahl der Landrätinnen und Landräte, halte jedoch die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister weiterhin für erforderlich. Unter dem Ge