Protocol of the Session on December 13, 2006

Der Innenminister hat sich Mitte 2006 für die Abschaffung der Direktwahl der Landräte ausgesprochen. Dies ist eine vorschnelle Aussage gewesen. Ich will einige Punkte beleuchten, die angesprochen worden sind. Die Frage der demokratischen Legitimation als Abhängigkeit von der Wahlbeteiligung habe ich ausgeführt; das kann es im Ergebnis nicht sein.

Im Übrigen möchte ich anmerken, dass die Wahlbeteiligungen bei Landrats- und Bürgermeisterwahlen recht unterschiedlich waren. Man kann nicht pauschal von einem niedrigen Satz ausgehen. Da liegen uns hochinteressante Statistiken vor.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

In der Aussage des Innenministers hat es geheißen, eigentlich seien die Landräte - auch wenn sie wichtiger seien - mit Amtsdirektoren gleichzusetzen. Es wird sich erst herausstellen, ob die Aufgabenwahrnehmung identisch ist. Damit bin ich wieder beim Einstiegssatz, um den es gegangen ist.

Die letzte Aussage war die, die Landräte seien weit weg von den Menschen. Da habe ich schon ein Stück Zweifel, denn Landräte sind bei uns seit Jahrhunderten ein feststehender Begriff und viele sind durchaus im politischen Bereich mit tätig. Über diese Einschätzung müssen wir noch einmal näher nachdenken.

Meine Damen und Herren, wir haben sorgfältig abzuwägen und werden deshalb nach dem Fahrplan der Koalition spätestens und endgültig im April 2009 unsere Entscheidung treffen, wenn wir wissen, welche Aufgaben an welcher Stelle wahrgenommen werden, wo Aufgaben reduziert werden.

Dann werden wir die Wirtschaftlichkeiten haben. So wie wir es verabredet haben, wird es nach unserer Auffassung ablaufen.

Ich finde es erfreulich, dass unser Finanzminister heute in einem Interview in den „Lübecker Nachrichten“ noch einmal die Notwendigkeit deutlich gemacht hat, Aufgaben und Personal zu reduzieren. Daraus werden dann Folgerungen abgeleitet und nicht andersherum, dass wir erst Festlegungen treffen und dann fragen, was es wirtschaftlich gebracht hat.

(Beifall bei der CDU)

Es ist beachtenswert, dass sich der Landkreistag nach wie vor für die Abschaffung der Direktwahl der Landräte ausspricht. Dies wird unter anderem auch damit begründet, es würde mit einer Schwächung der Kreistage einhergehen. Darüber kann man natürlich lange diskutieren. Ich glaube schon, dass etwas Wahres daran ist. Wenn es auch aus dem Innenministerium heißt, die Abschaffung der Direktwahl würde die Kreistage und das Ehrenamt stärken - einen Automatismus sehe ich nicht darin, wenngleich die Forderung, das politische Ehrenamt zu stärken, absolut richtig ist. Daran müssen wir arbeiten und dazu müssen wir Vorschläge unterbreiten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SSW)

Es war auch einer der Gesichtspunkte in früheren Diskussionen, die Direktwahl würde den parteilichen Einfluss stärken. Das ist nicht zwangsläufig geschehen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass mancher Landrat eine Art Eigenleben entwickelt nach dem Motto: Wenn es mit der Partei gut passt, ist sie mir willkommen, und sonst nicht so gut. Diese Diskussion könnte man in diesen Fragen erheblich weiter ansetzen.

(Zurufe)

- Ja, ich bin ein offener Mensch. Ich hatte gestern Abend eine lebhafte kommunale Diskussion in unserem Kreis, Herr Präsident. Ich kann im Augenblick leider keine weiteren Argumente ausführen angesichts Ihres unmissverständlichen Signals, möchte aber abschließend zu den Vorschlägen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Fünfprozentklausel und zum Wahlverfahren sagen, dass wir in Übereinstimmung mit dem Gemeindetag keine Notwendigkeit sehen, hier zu Veränderungen zu kommen. Das würde allenfalls teurer und komplizierter werden. Ich finde, es ist wichtiger, dass wir auch bei den nächsten Kommunalwahlen alles daransetzen, engagierte und motivierte Bürger zu finden, die uns Kommunale ehrenamtlich beglei

(Werner Kalinka)

ten. Das ist die entscheidende Frage, an der wir alle arbeiten müssen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die grüne Fraktion schlägt eine Änderung des Kommunalwahlrechts vor, die darauf abzielt, die Fünfprozenthürde bei Kommunalwahlen abzuschaffen, bei der Stimmabgabe das sogenannte Kumulieren und Panaschieren einzuführen und bei der Stimmenauszählung nicht mehr nach d’Hondt, sondern nach einer neueren mathematischen Methode zu verfahren. Alle drei Vorschläge zielen darauf ab, kleinere Parteien zu begünstigen.

Ich wiederhole, was ich in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs dazu gesagt habe: Herr Kollege Hentschel, von den größeren Parteien können Sie nicht erwarten, dass wir übermäßig geneigt sind, uns durch Wahlrechtsmanipulation selbst zu beschneiden. Wir lehnen den Gesetzentwurf der grünen Fraktion ab.

(Zurufe)

Wir halten die Fünfprozentklausel weiterhin nicht nur für geeignet, sondern für erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der kommunalen Vertretungskörperschaften sicherzustellen, um der Zersplitterung der Kommunalparlamente in all zu viele nicht miteinander koalitions- und deshalb insgesamt nicht entscheidungsfähige Kleingruppen vorzubeugen,

(Anke Spoorendonk [SSW]: Herr Kollege, wo leben Sie denn!)

aber auch, liebe Frau Kollegin Spoorendonk, um möglichst auf Dauer unsere kommunale Demokratie vor undemokratischen links- und rechtsextremistischen Splittertrupps zu schützen.

(Zurufe)

Die vorgeschlagene Einführung des Kumulierens und Panaschierens bei Gemeinde- und Kreiswahlen lehnen wir ab, weil dadurch das Wahlverfahren nicht vereinfacht, sondern erheblich verkompliziert würde und weil wir damit bei denen, von denen wir mit hoher Wahlbeteiligung gewählt werden wollen, mit Sicherheit nicht für zusätzliche Attraktivität sorgen würden. Mit Paragrafenkauderwelsch und höherer Mathematik locken wir keinen zusätzlichen

Wähler hinter dem Ofen hervor. Wahlrecht wird nicht für Parteien gemacht, sondern für die Wählerinnen und Wähler.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Wahlrechtsreformen als Überlebenshilfe für Kleinstfraktionen lehnen wir ab.

Wir lehnen auch den Gesetzentwurf des SSW ab, der darauf abzielt, die Direktwahlen von hauptamtlichen Bürgermeisterinnen, Bürgermeistern und Landräten wieder abzuschaffen. Die schriftliche Begründung des SSW-Gesetzentwurfs ist in doppelter Hinsicht falsch. Frau Kollegin Spoorendonk, das habe ich schon einmal vorgetragen.

Erstens: Die SSW-Behauptung, die Direktwahl habe nicht zu mehr direkter Demokratie geführt, ist falsch, weil bei Direktwahlen gerade nicht mehr die Volksvertretung, sondern das Volk selbst über Bürgermeister und Landräte entscheidet. Direkter geht es nun wirklich nicht. Dass Direktwahlen zu einem Mehr an direkter Demokratie führen, ist schon begrifflich eine Selbstverständlichkeit.

Zweitens: Komplett falsch ist auch die zweite SSW-Behauptung, aus der Direktwahl folgten erweiterte Machtbefugnisse der Verwaltungschefs, es gebe keine ausreichende demokratische Kontrolle und die kommunalen Parlamente würden geschwächt. - Ob Bürgermeister oder Landräte direkt gewählt werden, hat auf die Kompetenzverteilung innerhalb der Kommunalverwaltung überhaupt keinen Einfluss.

Meine Damen und Herren, ob es allerdings bei direkten Landratswahlen bleiben soll, da sind wir etwas anderer Meinung, als der Kollege Kalinka eben für die CDU-Fraktion vorgetragen hat.

(Zurufe)

Darüber werden wir im Zuge der anstehenden Diskussion über eine Kreisgebietsreform noch einmal näher beraten. Denn wenn speziell bei Alleinbewerbungen zum Beispiel in Dithmarschen 2002 nur 12,3 %, in Segeberg 2002 nur 14 % und in Steinburg 2006 nur 14,1 % zur Landratswahl gehen und wenn auch bei Konkurrenzbewerbungen zum Beispiel in Schleswig-Flensburg am 7. Mai dieses Jahres nur 23,2 % von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, muss die Frage erlaubt sein, ob das so spärlich in Anspruch genommene Mehr an Demokratie den damit auch immer verbundenen Mehraufwand an Organisation, an haupt- und ehrenamtlichem Einsatz und an knappen finanziellen Ressourcen rechtfertigt.

(Werner Kalinka)

Herr Kollege Puls, gestatten Sie eine Zwischenfragen des Herrn Oppositionsführers?

Bitte schön, Herr Kollege Kubicki!

Herr Kollege Puls, ist Ihnen bekannt, wie viele Wählerinnen und Wähler in den Vereinigten Staaten an den Präsidentenwahlen teilnehmen? Wenn ja, würden Sie uns die Prozentzahlen mitteilen? Würden Sie dem Haus vielleicht auch mitteilen, ob Sie den Amerikanern empfehlen, die dortigen Wahlen abzuschaffen?

(Zurufe)

Mir ist bekannt, dass in Amerika ein anderes Wahlrecht existiert, Herr Kollege Kubicki. Wir unterhalten uns hier im Moment über das Kommunalwahlrecht in Schleswig-Holstein.

(Zurufe)

Wir werden mit den Fraktionen der Großen Koalition zu gegebener Zeit erörtern, wie es hier weitergehen soll, insbesondere mit den Direktwahlen der Landräte. Zurzeit ist der SSW-Gesetzentwurf hinsichtlich der Landratsdirektwahlen aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig; hinsichtlich der Bürgermeisterdirektwahlen wird er es auch bleiben. Wir werden bei den Bürgermeisterdirektwahlen auf jeden Fall bleiben, weil die Identifikation der Menschen mit den zu wählenden Leuten in der Stadt, in der Gemeinde wesentlich größer ist als im Kreis bezogen auf die Landräte. Ein normaler Mensch, den ich am Tresen, auf dem Markt, auf der Straße treffe, weiß gar nicht, was ein Landrat ist, Frau Kollegin Spoorendonk. Deswegen muss es nicht bei der Direktwahl der Landräte bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

(Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, dass ich mich auf die Debatte, die wir heute führen, gefreut habe. Denn seit dem Einbringen des Antrages des SSW hat sich doch einiges getan, was vielleicht im Einzelnen aufgearbeitet werden sollte. Eines kann ich vorwegschicken: Die

FDP hat sich in der Frage der Direktwahl - eigentlich als einzige Partei - stets völlig eindeutig verhalten.

(Beifall bei der FDP - Anke Spoorendonk [SSW]: Wir auch! - Holger Astrup [SPD]: Es war immer eindeutig! Mal so, mal so! - Hei- terkeit bei SPD und FDP)

Wir treten im Gegensatz zum SSW für die Beibehaltung der Direktwahl ein.

Seinerzeit, im Juni, war es wieder einmal ein Vorstoß unseres geschätzten Herrn Innenministers, der die Koalition arg ins Schwimmen brachte. Ich möchte noch einmal kurz den Ablauf der insgesamt absurden Diskussion zusammenfassen.