Protocol of the Session on December 13, 2006

Darüber hinaus sollten wir - wenn es sich um eine norddeutsche Kooperation handeln soll - auch Mecklenburg-Vorpommern mit ins Boot nehmen, denn als Küstenland hat man dort sicherlich auch ein Interesse, beteiligt zu werden. Wahrscheinlich hat man sogar die gleichen Interessen wie wir in Schleswig-Holstein. Daher bin ich der Auffassung, dass wir den Antrag im Ausschuss näher erörtern müssen, um zu sehen, ob er wirklich so bestehen bleiben kann.

Was wir dringend benötigen, ist ein nationaler Handlungsplan, der deutlich macht, auf was wir uns im Laufe der kommenden Jahrzehnte einstellen müssen und wie und wo Handlungsbedarf besteht. Diese Zielsetzung geht auch aus dem Antrag der Grünen hervor und dies unterstützen wir voll und ganz. Ob dafür allerdings ein weiterer Rat notwendig ist, ist zumindest fraglich. Denn auch die Bundesregierung hat dies erkannt und jüngst ein „Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung“ im Umweltbundesamt eingerichtet. Hier wurde unter Einbeziehung deutscher Akteure und Institutionen ein nationales Konzept zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt. Dort werden die prioritären

Handlungsfelder aufgezeigt und dort werden die Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene koordiniert. Hier müssen wir unseren Beitrag leisten, damit es zu einer interdisziplinären Vernetzung der bestehenden nationalen, regionalen und lokalen Einrichtungen kommt.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns als Küstenland in diese Vernetzung einbringen. Im Rahmen der Ausschussbehandlung müssen wir diesen Punkt entsprechend berücksichtigen und dort beraten, wie wir es am besten bewerkstelligen, uns auf Bundesebene in die Debatte einzumischen, und wie wir uns in das Kompetenzzentrum des Umweltbundesamtes entsprechend einbringen können. Ich glaube, es ist der wichtigste Schritt, den wir leisten müssen, bevor wir uns erneut mit Räten befassen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kubicki, so wie ich Ihr Klatschverhalten beobachtet habe, haben Sie der Forderung des Kollegen Bernstein nach Verlängerung von Atomkraftwerkslaufzeiten als Maßnahme des Klimaschutzes zugestimmt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege, dann müssen Sie komplett blind sein!)

Ich freue mich jedenfalls, dass Ihre Partei von solch einer Strategie Abstand genommen hat und sich gegen eine Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten ausgesprochen hat. Herr Kollege Bernstein Herr Wirtschaftsminister, Sie telefonieren gerade; ich hoffe, es ist ein gutes Gespräch -,

(Hartmut Hamerich [CDU]: Wahrscheinlich besser, als was wir hier hören!)

Sie präferieren die Strategie der Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten. Ich kenne keine Äußerung des Ministerpräsidenten, in der das Wort Klimaschutz vorkommt. Ich kenne Äußerungen unseres Wirtschaftsministers zum Klimaschutz nur in einem einzigen Sinnzusammenhang und das ist die Verlängerung von Restlaufzeiten für Atomkraftwerke.

(Lars Harms)

(Thomas Stritzl [CDU]: Da besteht ja auch ein Sinnzusammenhang! - Beifall des Abge- ordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Wir substituieren mit Atomkraft zurzeit 2,3 % der Weltenergie. Angenommen, Sie haben recht und wir würden dieser Strategie folgen, mit Atomkraft CO2 einzusparen, würden wir bei der derzeit geschätzten Uranverfügbarkeit von noch 40 Jahren eine Angabe der Bundesanstalt für Rohstoffe - den Beitrag von 2,3 % noch 40 Jahre länger aufrechterhalten können. Wir sagen, dass dieses unter quantitativen Gesichtspunkten - losgelöst von allen anderen Argumenten gegen Atomkraft - keine Antwort in der Klimaschutzdebatte ist, um das noch einmal deutlich zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wirtschaftsminister redet nur in diesem Zusammenhang von Klimaschutz und vielleicht noch einmal bei der Eröffnung einer Biogasanlage. Er redet aber in einem kohlelosen beziehungsweise kohlearmen Bundesland wie Schleswig-Holstein nicht von Klimaschutz, wenn es darum geht, dass dieses Kraftwerk dort drüben auf 1,2 Gigawatt Leistung aus Kohle ausgebaut werden soll, oder wenn zwei 0,8 Gigawattblöcke in Brunsbüttel gebaut werden sollen. Diese Verdrängungsleistung kann ich nicht nachvollziehen, Herr Minister. Wenn man sich darüber freut, dass die Wirtschaft in Schleswig-Holstein durch Kohlekraftwerke wächst, muss man in seinem Hinterstübchen doch auch die Dimension des Klimaschutzes mit berücksichtigen und auch mit benennen.

Ich sage Ihnen: Eine Nullemissionsstrategie für Deutschland ist gleichzeitig auch der wirtschaftliche Weg in die Zukunft, der große Chancen hat. Wir haben nur Windkrafthersteller in SchleswigHolstein, keine Kohlegruben. Wir haben auch keine Firmen, die Kohlekraftwerke bauen.

Herr Kollege Matthiessen, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Mit unserem Antrag wollen wir versuchen, die Klimaschutzdebatte in diesem Land wieder vorwärts zu bringen. Wir können im Moment nicht erkennen, dass dieses Land mit einer Kohlestrategie, die offensichtlich im Kohlebericht auch von den Sozialdemokraten getragen wird, Beiträge zum Klima

schutz leistet. Das Gegenteil wäre der Fall. Deshalb möchte ich Sie bitten, diesen Antrag zur weiteren Diskussion an den Umweltausschuss zu überweisen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

(Günter Neugebauer [SPD]: Der wollte mal Umweltminister werden!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hätte vielleicht den CO2-Ausstoß durch weitere nutzlose Debatten vermeiden und dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Herr Kollege Matthiessen, ich möchte etwas richtig stellen. Ich habe bei der Rede des Kollegen aus der CDUFraktion nicht geklatscht, obwohl ich an dieser Stelle hätte klatschen können. Ich hätte nicht deshalb klatschen können, weil ich ein vehementer Verfechter der Kernenergie bin, sondern weil eine rationale Debatte über die Frage des Klimaschutzes Kernenergie nicht von vornherein ausklammern darf.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich, warum wir überhaupt noch einen Sachverständigenrat berufen wollen, wenn die Grünen schon alles wissen.

(Beifall und Lachen bei der CDU)

Wir brauchen doch nur das zu beschließen, was uns die Grünen dauernd erklären, die ja Experten im Bereich des Klimaschutzes sind. Ich habe viel Verständnis für die Wiederbelebung der alten Wurzeln, Herr Kollege Matthiessen, aber die Wiederbelebung der alten Wurzeln wird nicht dazu führen, dass die Grünen stärker reüssieren als bisher. Im Gegenteil: Die Menschen erkennen, dass eine rationale Diskussion mehr verlangt als die Verneinung bestimmter und die Bejahung anderer Energieträger.

Damit Sie mit Ihren Klischees nicht fortfahren auch der Kollege Konrad Nabel nicht -, sage ich Ihnen: Das kann bestätigt werden. Auf unserem Parteitag habe ich mich vehement dafür eingesetzt, dass an dem Szenario des Ausstiegs aus der Kernenergie nicht gerüttelt wird.

(Zuruf: Gut!)

(Detlef Matthiessen)

- Das hat mit gut gar nichts zu tun. Es gab - der Kollege Garg kann das bestätigen - ein relativ knappes Ergebnis. Das wäre ohne meinen Einsatz so nicht zustande gekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

- Herr Kollege Kalinka, im Gegensatz zur Union sind wir kein Verein, der Leuten folgt, ohne nachzudenken; vielmehr denken unsere Leute selbst nach.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ungefähr die Hälfte der Mitglieder meiner Partei hat sehr ernsthafte Argumente dafür angeführt, dass man den aktuellen Strombedarf nicht mit Projektionen einer Nutzung von regenerativen Energieträgern in 50 oder 60 Jahren decken kann. Wenn wir aktuell einen Beitrag dazu leisten wollen, die CO2Emissionen zu reduzieren - daran führt wahrscheinlich kein Weg vorbei -, dann muss man jedenfalls auch darüber nachdenken, die Kernkraftwerke, die technisch in einem einwandfreien Zustand sind, für eine bestimmte Zeit weiter laufen zu lassen. Ich bin dagegen. Aber es gibt gute Gründe dafür. Das aktuelle Ziel beim Klimaschutz, das wir uns gesetzt haben, ist - bei sonst gleichen Rahmenbedingungen - anders nicht zu erreichen.

Noch einmal: Wir können mit regenerativen Energieträgern, die in 50 oder 60 Jahren entwickelt werden sollen, den aktuellen Strombedarf nicht decken. Selbst wenn wir heute die gesamte Bundesrepublik Deutschland mit Windrädern zupflastern würden - Herr Kollege Hentschel, das wissen Sie doch selbst auch -, könnten wir den Strom, der aus Kernenergie gewonnen wird, nicht ersetzen. Lassen Sie uns also - darum bitten wir ja nur - sehr vernünftig, sehr rational die Fragen erörtern und lassen Sie uns damit aufhören, mit Klischees und Vorurteilen des letzten Jahrhunderts künftige Politik machen zu wollen!

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuelle Studien ergeben immer wieder aktuelle Anlässe. Im Augenblick debattiert die Welt

über den „Stern“-Bericht genauso wie über den Film von Al Gore. Beides sind, glaube ich, wertvolle Dokumente, die die Debatte wieder ein Stück weit dorthin rücken, wohin sie gehört, nämlich in den Mittelpunkt. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Das ist längst kein Thema nur für Greenpeace- oder WWF-Blätter, sondern das findet sich beim „Economist“ und beim „Handelsblatt“ auf der ersten Seite. Das zeigt, dass die Dramatik mittlerweile angekommen ist. Ich glaube, das ist richtig so. Es ist gut, dass wir darüber sprechen.

(Konrad Nabel [SPD]: 20 Jahre zu spät!)

Wir haben die Entwicklung in der Dramatik heute schon, was die Auswirkungen auf den Meeresschutz angeht, den wir im Augenblick ein Stück weit in den Mittelpunkt unserer Politik in Schleswig-Holstein gerückt haben. Ich bin sehr froh, dass die Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Nabel, seit Kyoto selbst ein Garant dafür ist, dass das Thema Klimaschutz oben angesiedelt ist. Auch das darf man einmal sagen.

(Beifall bei der CDU)

Dabei befindet sie sich im Übrigen in einem engen Schulterschluss mit Herrn Töpfer. Auch er steht dafür; ich glaube, das ist allgemein anerkannt. Das Thema ist also keine Frage von Parteipolitik; diese sollten wir hier auch außen vorlassen.

(Beifall bei der CDU)

Der Klimaschutz ist in der Bundesrepublik ganz oben angesiedelt. Er wird Thema während der deutschen Ratspräsidentschaft und beim G8-Gipfel werden. Er wird im März nächsten Jahres Thema einer Sonderkonferenz der deutschen Umweltminister sein. Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden, Herr Matthiessen, dass die Dramatik auf allen politischen Ebenen erkannt worden ist. Darum ist ein Politisieren hier auch nicht hilfreich. Wir alle wissen, dass wir Treibhausgasemissionen reduzieren müssen. Wir müssen dafür Lösungen finden. Ob es wirklich weiterhilft, das mit einem Rat für Klimafragen zu tun, der - das werden Sie gemerkt haben - den Schönheitsfehler hat, dass MecklenburgVorpommern aus unerfindlichen Gründen nicht erwähnt wird, ist eine Frage, die ich vorsichtig-skeptisch eher mit Nein beantworten würde.

Wenn man einmal die Sichtweise der Welthauptstadt Kiel verlässt und über den Horizont hinausguckt, dann wird man feststellen, dass wir in Europa ungefähr 40 Räte für Klimaschutzfragen einrichten könnten, die dann jeweils die Region betreuen. Ich weiß nicht, ob wir ein Erkenntnisdefizit haben. Ich glaube eher, wir haben ein Handlungsdefizit,

(Wolfgang Kubicki)

ein Umsetzungsdefizit, mit dessen Beseitigung wir möglichst schnell beginnen sollten.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])