Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ist schon alles gesagt worden. Deshalb ist es berechtigt, dass sich der Landtag heute gleich in zwei Anträgen mit dieser sehr schwierigen Problematik befasst. Im Grunde hat das Bundesverfassungsgericht mit einer gewissen Doppeldeutigkeit, vielleicht könnte man sogar von Heuchelei sprechen, Schluss gemacht. Denn das Monopol des Staates für Glücksspiele jeder Art ist von jeher mit der Schutzwürdigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger vor der Spielsucht begründet worden.
Die Frage ist, wie damit in der heutigen Zeit zusammenpasst, dass die staatliche Lotteriegesellschaft Millionen von Euro für zum Teil massive Marketing- und Werbemaßnahmen ausgibt. Das hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht moniert. Wie kann man die Menschen vor der Spielsucht
schützen, wenn man sie gleichzeitig massiv dazu animiert, an Glücksspielen teilzunehmen? Dabei gibt es sicherlich hinsichtlich der Spielsuchtgefahr einen großen Unterschied zwischen dem Lottospiel oder einer massiven Beteiligung an Sportwetten. Ich glaube, kaum einer wird behaupten, dass man von Lotto süchtig werden kann.
Das ist also ein offensichtlicher Widerspruch, der zum Teil damit kaschiert werden sollte, dass ein großer Teil der Einnahmen auch in Schleswig-Holstein für sinnvolle Sport-, Jugend-, Kulturarbeit und so weiter, aber auch für die Bekämpfung der Spielsucht reserviert war.
Die Frage ist natürlich, welche Prioritäten sich politisch aus dem Urteil ergeben. Richten wir also unser Augenmerk auf das Problem der Spielsucht oder kümmern wir uns um die Einnahmen der staatlichen Lotterien für die soziale und kulturelle Arbeit und für den Landeshaushalt?
Der vorliegende Entwurf für einen neuen Staatsvertrag sieht bisher eine deutliche Einschränkung der Werbung für Lotterieangebote vor. Damit wird den Zielen der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes voll entsprochen. Allerdings kann man nicht von der Hand weisen, dass diese Werbeeinschränkung, nach der man beispielsweise nicht einmal mehr die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen zeigen darf, höchstwahrscheinlich zu einem Umsatzrückgang führen wird. Ob das gleich in der Größenordnung geschehen wird, wie die CDU prognostiziert, ist meiner Ansicht nach wirklich noch nicht abzusehen. Denn die CDU rechnet mit einem Umsatzrückgang von ungefähr 40 % aufgrund der Entwicklung bei Oddset-Sportwetten. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass der Rückgang bei Lotterien genauso hoch sein wird.
Allerdings ist klar, dass jeder Umsatzrückgang am Ende auch zu einer geringeren Förderung für den Landessportverband und die Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein führen wird. Das wäre natürlich eine äußerst problematische Entwicklung, die keiner will. Man könnte vielleicht sagen, jetzt rächte sich, dass man beispielsweise die Förderung des Sports aus dem Landeshaushalt herausgenommen und von den Lotterieeinnahmen abhängig gemacht hat. Die Frage ist, wie wir jetzt weiterkommen.
Uns liegen heute zwei Anträge dazu vor. Auch die CDU-Landtagsfraktion hat ihre Eckpunkte zu diesem Bereich vorgelegt. CDU und FDP scheinen sich dabei im Grunde sehr einig zu sein. Sie wollen,
dass das Staatsmonopol bei Sportwetten aufgebrochen wird und dass private Wettanbieter zugelassen werden. Damit entgeht man natürlich den Restriktionen des Bundesverfassungsgerichts und kann somit ungehindert Werbung für seine Glückspiele machen. Die Folge wäre sicherlich ein Anstieg der Glückspiele und des Glückspielumsatzes.
Begründet wird diese Privatisierung auch mit zu erwartenden EU-Vorgaben, weil Brüssel ein staatliches Lotteriemonopol in Deutschland zukünftig nicht mehr hinnehmen will. Das ist gesagt worden, der Kollege Neugebauer hat etwas anderes gesagt. CDU und FDP wollen die Förderung für die Bereiche Soziales, Kultur und Sport im gebotenen Umfang weiterhin ermöglichen, zum Beispiel durch eine Besteuerung von Glücksspielen beziehungsweise deren Veranstaltern und Vermittlern. Man könnte sagen, so weit, so gut.
Allerdings stellt sich bei diesem Vorschlag die Frage, wie es dann zukünftig um die Sicherung und den Schutz der Spielerinnen und Spieler vor der Spielsucht steht. Mehr noch als staatliche Anbieter werden private Anbieter natürlich einen größtmöglichen Profit anstreben. Daran ist an sich nichts Verwerfliches, aber noch mehr als bei den staatlichen Anbietern ist der Schutz der Spieler bei diesem Ziel ein Hindernis. Mir erschließt sich schlicht nicht, welchen wirklichen Anreiz ein privater Wettanbieter hat, um Spielsucht und problematisches Spielverhalten wirksam zu bekämpfen. Diese Frage müssen wir im Ausschuss noch einmal im Detail ausdiskutieren.
Der Grünen-Antrag will zwar das staatliche Lotteriemonopol erhalten, aber stattdessen den Vertrieb von Glücksspielen liberalisieren. Begründet wird dies mit dem Beschluss des Bundeskartellsamtes vom 29. August dieses Jahres, wo den staatlichen Lotto-Gesellschaften untersagt wird, den Markt weiterhin mit strikter Gebietsaufteilung zu beherrschen. Ich verstehe allerdings nicht, wie es funktionieren soll, ein staatliches Lotteriemonopol zu haben und gleichzeitig private Vertreiber zuzulassen. Auch hier müssen wir uns in der Ausschussberatung noch einmal im Detail darüber unterhalten, in welche Richtung wir uns eigentlich bewegen wollen.
Aus Sicht des SSW gibt es - das mag sich wie eine Binsenweisheit anhören - keine leichte Lösung dieser Problematik, auch wenn wir grundsätzlich für den Erhalt des staatlichen Lotteriemonopols eintreten. Wichtig ist für uns auf jeden Fall, dass wir uns im Ausschuss nicht nur noch einmal darüber unterhalten, sondern auch eine Anhörung dazu durchführen und dass die Landesregierung genau weiß, wie
sich der Landtag zu dieser Problematik verhält, ehe sie dann Ja oder Nein zu dem neuen LotterieStaatsvertrag sagt.
Darum noch einmal: Ich sehe diese Thematik wirklich als erste Nagelprobe für das neue Parlamentsinformationsgesetz. Wir haben gesagt, dass es uns wichtig ist, Erfahrungen zu sammeln. Wir wissen alle aus früheren Erfahrungen, wie schwierig das alles bei Staatsverträgen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns all dies mit im Auge behalten und lassen Sie uns wirklich darauf hinarbeiten, dies dann zügig im Ausschuss zu beraten, damit die Landesregierung etwas mit auf den Weg bekommt.
Wir danken der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Ich erteile das Wort zu einem Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Neugebauer, Sie hatten sich noch einmal an Herrn Kollegen Arp gewandt mit Blick auf seine Befürchtungen, was der jetzige Entwurf des Staatsvertrages für die Fernsehlotterie bedeuten würde. Sie haben gesagt, er würde ein Drohpotenzial aufbauen nach dem Motto, ein Argument, das er sagt, würde nicht stimmen. Nun möchte ich Ihnen einmal kurz die Einschätzung des Geschäftsführers der Fernsehlotterie zur Kenntnis geben. Der schreibt Folgendes:
„Der Entwurf sieht derzeit Regelungen vor, die für die großen Soziallotterien in Deutschland - dazu zählt die ARD Fernsehlotterie ‚Ein Platz an der Sonne’ - dramatische Folgen hätten. Sie würde bei einer Umsetzung des Entwurfs nahezu handlungsunfähig.“
Also kein „unsachgerechtes Drohpotenzial“, was der Kollege Arp ins Gespräch gebracht hat, sondern eine ernsthafte Befürchtung des Geschäftsführers der Gesellschaft.
- Herr Kollege, ich habe nichts dagegen, dass Sie eine andere Auffassung haben, ich habe nur nicht ganz verstanden, wie Sie Ihre gegenteilige Auffassung in der Sache begründen. Darauf haben Sie verzichtet. Stattdessen haben Sie abgehoben auf eine Entscheidung des US-Kongresses - darüber kann
man lange streiten - und gesagt, der US-Kongress würde das machen, was der Staatsvertrag lange vorsehe, und insofern sollten wir uns bei den Amerikanern bedanken. Ich finde es gut, dass Sie die Ausführungen des amerikanischen Kongresses intensiv zur Kenntnis nehmen und offensichtlich zunehmend bereit sind, dem zu folgen -
- Entschuldigen Sie, es gibt in meiner Partei vielleicht mehr Kritik an der amerikanischen Regierung, als Sie zurzeit bereit sind zu teilen. Ich will Ihnen aber sagen, was dort entschieden worden ist, damit wir auch wissen, dass wir vielleicht mehr Einigkeit haben, als Ihnen bewusst ist:
„Ausgenommen werden des Weiteren Gewinnspiele ohne geldwerten Einsatz … Besondere Ausnahmen gibt es für Glücksspielangebote innerhalb eines US-Bundesstaates sowie für die sehr umfangreichen Glücksspielangebote der Indianerstämme. Ausgeschlossen werden im Übrigen Pferdewetten nach dem Interstate Horseracing Act.“
Was Sie da haben, Herr Kollege, ist also nicht eine Untersagung des Glücksspiels in Amerika, sondern ist eine protektionistische Maßnahme gegen „Einflüsse von außen“. Das ist eine völlig andere Situation. Im Ergebnis werden also diese Geschichten von außen unterbunden. Das ist Protektionismus, Herr Kollege. Ferner ist es im Zusammenhang mit einem Gesetz erlassen wurde, das im Wesentlichen der Terrorbekämpfung dienen soll.
Punkt zwei. Das Argument mit der Spielsucht ist ernst zu nehmen und nicht vom Tisch zu wischen, darüber muss man sich vernünftig unterhalten. Deswegen hat das Eckpunktepapier der CDU auch keine „Wildwestmentalität“ vorgeschlagen, sondern sagt, unter gewissen noch zu diskutierenden Begrenzungen muss das zugelassen werden. Das ist unsere Überzeugung. Sie müssen darlegen, Herr Kollege, warum es aus Ihrer Sicht eine gute Spielsucht gibt, wenn sie öffentlich-rechtlich organisiert ist, und eine schlechte Spielsucht, wenn sie privatrechtlich gestaltet wird. Das, muss ich ehrlich sagen, kann ich so bisher nicht verstehen.
Sie haben gesagt, Sie würden sich gerne der Tendenz in Europa anschließen wollen. Dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass Schweden bisher ein Monopol hatte und nun versucht, dieses zu verändern. Italien bricht auf, Spanien bricht auf, England ist schon lange frei.
- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Das heißt, auch in diesen Bereichen gibt es in Europa eine Tendenz hin zur Liberalisierung. Ich sage Ihnen daher nur, versuchen Sie nicht, den Weg zu beschreiten, auf der einen Seite ein öffentlich rechtliches Monopol zu retten, aber auf der anderen Seite das Spielverhalten der Menschen, das heute schon da ist, in die „Illegalität“ oder ins Ausland zu drängen. Damit erreichen Sie genau nicht das, was Sie vorgeben, erreichen zu wollen, und wo wir uns einig sind: kein Wildwest, sondern geordnete Verhältnisse im Glücksspiel auch in Deutschland.
Das Wort für einen weiteren Wortbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung mit der Bitte um Einhaltung der Zeit erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da der Kollege Neugebauer, ein Rechtsexperte par excellence, auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts abgehoben hat, will ich daraus einige Passagen zitieren, jetzt nicht aus dem Text selbst, denn der ist ein bisschen unverständlich für Nichtjuristen, sondern aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts. Dort heißt es beispielsweise zu den tragenden Gründen:
„Dem staatlichen Wettmonopol liegen legitime Gemeinwohlziele zugrunde. Allerdings scheiden fiskalische Interessen des Staates als solche zur Rechtfertigung eines Wettmonopols aus. Eine Abschöpfung von Mitteln aus dem Glücksspiel für Gemeinwohlzwecke ist nur als Weg zur Suchtbekämpfung und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopolsystem gerechtfertigt, nicht dagegen als selbstständiges Ziel.“
Deshalb ist das Argument, wir brauchen die Einnahmen für unsere sonstigen Geschichten, eher kontraproduktiv als sinnführend.
„Das Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren ist allein durch ein staatliches Wettmonopol noch nicht gesichert. Ein Monopol kann auch fiskalischen Interessen des Staates dienen und damit in ein Spannungsverhältnis zur Zielsetzung geraten. Eine konsequente und wirkliche Ausrichtung des Wettmonopols an der Bekämpfung und Begrenzung
von Wettsucht und problematischem Spielverhalten muss sich daher in der rechtlichen wie tatsächlichen Ausgestaltung des Wettmonopols positiv ausdrücken.“
Und ich ergänze jetzt: Das bedeutet, dass keine Werbung außerhalb einer normalen, neutralen Information über die Möglichkeit des Angebotes zulässig ist.
„Das tatsächliche Erscheinungsbild entspricht vielmehr dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dies zeigt eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird“,
wie beispielsweise bei der Fernsehlotterie, denn da wird ja erklärt, dass es sozialadäquat ist, wenn man sein Geld einsetzt, um sozialen Zwecken zu dienen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem ausgeführt - die Textstelle, Herr Kollege Neugebauer, sage ich Ihnen gleich im Privaten -, dass die bisher Suchtgefährdeten alle Zugang zu staatlichen Wettmonopolen hatten, was dagegen spricht, dass die Suchtgefahrbekämpfung durch ein staatliches Wettmonopol gewährleistet werden kann.
Tragend und entscheidend ist aber: „ein verfassungsmäßiger Zustand kann sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen durch private Wettunternehmen.“