Tragend und entscheidend ist aber: „ein verfassungsmäßiger Zustand kann sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen durch private Wettunternehmen.“
Will der Gesetzgeber an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten. Zu den erforderlichen Regelungen gehören inhaltliche Kriterien hinsichtlich Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie Vorgaben zur Beschränkung ihrer Vermarktung. Das führt konsequenterweise dazu, dass Sie die bisherigen Einnahmen nicht mehr werden erzielen können. Das von uns vorgeschlagene Modell einer konzessionierten staatlichen Regelung führt dazu, dass wir Einnahmen generieren und garantieren können und gleichwohl allen Anforderungen gerecht werden. Deshalb ist das der sinnvollere Weg.
Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki und erteile für die Landesregierung dem Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es? Geht es darum, dass wir Monopole verteidigen oder Realitäten ausblenden? - Nein, darum geht es nicht. Es geht um das Gemeinwohl. Es geht um Steuereinnahmen, Zweckerträge für Sport, übrigens für den Amateursport und nicht für Profifußball. Es geht um Kultur und Soziales. Es geht auch um Spielsucht und Jugendschutz. Es ist kompliziert, dazu eine vernünftige Position darzustellen. Die Logik Ihres Beitrages, Herr Kollege Kubicki, habe ich allerdings nicht verstanden; darauf komme ich noch zu sprechen.
Ich finde, es spricht nicht gegen den Abgeordneten Neugebauer, dass er sein Einkommen nur mit Arbeit für das Gemeinwohl verdient.
Ich möchte nicht über Moral, sondern über die Fakten reden. Die Position, die ich hier vortrage, ist die Position des zuständigen Fachministers. Der FDPAntrag bietet uns ja ein neues Patentrezept. Er besagt: Lasst doch Veranstalter von Sportwetten gewerblich private Anbieter sein, gebt denen Konzessionen und gleichzeitig wollen wir die Vorzüge des staatlichen Monopols erhalten. Motto: Wir verkaufen schon Verkauftes, wir erzielen höhere Preise das tut man immer, wenn man verkauft -, wir sichern die Zweckerträge in gleicher Höhe und die Kunden sind zufrieden. Man reibt sich die Augen und fragt sich, wie so etwas funktionieren soll. Ich meine, man sollte ein Gegenargument nicht automatisch für intellektuell minderwertig halten. Ich komme nämlich nun auf die Logik Ihres Antrages zu sprechen.
Marktwirtschaft funktioniert nicht so, Herr Kollege Kubicki, wie das eben dargestellt worden ist, und auch nicht so, wie Herr Arp es gesagt hat. Dies möchte ich Ihnen gerne begründen. Unternehmen, die privat arbeiten, haben zu Recht ein Profitinteresse. Wie kann man dies erreichen? - Indem man die Umsätze oder die Marktanteile steigert und durch sinkende Abgaben und massive Werbung, was ja schon heute geschieht. Der Staat hält sich zurück, die gleichen Werbeflächen werden von Betandwin eingenommen.
Was passiert also, wenn man Ziffer 2 des FDP-Antrages folgt? - Die Sportwettenanbieter sollen gegenüber den Auslandsanbietern nicht weiter benachteiligt werden. Was heißt das? - Internetanbieter aus dem Ausland ohne Abgabenlasten schütten 90 % ihres Umsatzes aus; bei Oddset sind es 55 %. Was macht man also? - Man müsste die Abgaben oder Steuern senken. Was folgt daraus? - Die Konzession wird erteilt und flugs sind die Einnahmen für Sport, Kultur und Soziales weg. Genau dies wird passieren.
Wir haben einen Steuersatz von 10 %, Herr Kollege Kubicki. Man müsste beim deutschen Lottoblock, wenn wir den geltenden Steuersatz verwenden würden, mindestens viermal so viel wetten oder man müsste, wenn man den englischen Steuersatz, wo mehr gewettet als produziert wird, nimmt, also 1 %, 20-mal so viel wetten.
Das ist eine dolle Bekämpfung der Spielsucht, Herr Kollege Kubicki. Insofern war Ihr Vorwurf an Herrn Neugebauer unberechtigt. Wenn ich nur die Erträge hinbekomme, wenn ich 20-mal so viel Spielaufkommen habe, dann haben wir das, was wahrscheinlich das Las Vegas-Prinzip genannt werden kann.
Im europäischen Recht ist es natürlich schwer vorhersehbar, was herauskommt. Es gibt durchaus Zweifel - auch der Europaminister wird dies sagen -, ob der Staatsvertragsentwurf in dieser Form europarechtskonform ist. Ich würde Ihnen, Herr Kollege Kubicki, diesbezüglich keine Wette anbieten, ob das hält, obwohl Wetten gegen den neoliberalen Trend am Kassenhäuschen richtig etwas bringen.
Einen Niederlassungszwang für Deutschland wird es nicht geben. Das ist nämlich auch nicht europakonform. Heute bekommen Sie die Konzession und morgen ist der Unternehmenssitz in Gibraltar. Das kommt nämlich dabei vermutlich heraus, etwas anderes ist auch gar nicht zulässig. Das können Sie nicht unterbinden. Dann kann man in der Tat darüber streiten, wie man bei Sparkassen, Wohlfahrtsverbänden, REITs oder öffentlich-rechtlichem Rundfunk mit europäischen Dingen umgeht. Ich bin jedenfalls nicht der Meinung, dass das am besten mit der weißen Fahne in der Hand geht.
Was die Probleme bei der „Aktion Mensch“ angeht, glaube ich, man muss es in einer Form tun, die verfassungskonform ist. Kein Mensch will das kaputt machen, sondern man muss Regelungen finden. Der Geschäftsführer hat ja darauf hingewiesen, dass es Probleme gibt. Diese müssen gelöst werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es mag altmodisch sein, aber es geht hier in der Tat um das Gemeinwohl. Es geht um Erträge für Sport, Kultur und Soziales. Ich befinde mich übrigens in guter Gesellschaft, nämlich nicht nur mit fast allen Ministerpräsidenten, sondern auch mit der schwarz-gelben Landesregierung in Baden-Württemberg, mit allen Sportministern, mit dem Präsidenten des Deutschen Sportbundes. Hat Deutschland mit 82 Millionen Einwohnern keinen Einfluss in Europa? Die Franzosen husten uns was, was diese Richtung angeht. Frau Kollegin Heinold hat bereits auf Verhaftungen von Menschen dort hingewiesen, die das anders sehen.
- Sie, Herr Kollege Kubicki, haben hier nicht die Interpretationshoheit über alles, sondern man darf seine eigene Meinung durchaus vertreten.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist Ihre eigene Meinung? Das ist ja wunderbar! - Weitere Zurufe von der FDP)
Nicht einmal die Behauptung, es wird erst einmal für die Kunden besser, ist richtig. Deswegen, Frau Kollegin Heinold, trägt auch Ihr Antrag nicht. Wenn Sie sich einmal ansehen, was in den Supermärkten passiert, stellen Sie fest, dass die Anbieter, die das machen, das sogar teurer machen als das, was wir jetzt haben. Es ist also nicht einmal billiger.
Die Liberalisierung gefährdet also die Einnahmen und fördert das Glücksspiel. Das ist übrigens kein Ausdruck von sozialer Marktwirtschaft. Ich bin für Marktwirtschaft, aber für soziale Marktwirtschaft.
Natürlich haben wir Rahmenrecht zu beachten, was wir auch tun werden. Man kann natürlich sagen, ihr seid nicht schlau genug, die Realität zu verstehen, und man müsse Privaten Tür und Tor öffnen, dann werde alles besser. Der Sport- und Innenminister des Landes sieht das aber anders.
Ich danke dem Herrn Innenminister und erteile Herrn Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der nächsten Woche steht bei der Ministerpräsidentenkonferenz die Zukunftsperspektive des staatlichen Lotteriemonopols auf der Tagesordnung. Bis Mitte Dezember soll ein Staatsvertrag in der Ministerpräsidentenkonferenz abschließend behandelt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgefordert, die Struktur des Lottomarktes in Deutschland bis Ende 2007 neu zu regeln. Es hat uns aufgetragen, entweder das staatliche Monopol ordnungspolitisch konsequent auszugestalten oder den Markt zu liberalisieren. Hier gibt es mehrere Modelle, zum Beispiel ein Konzessionsmodell und ein Erlaubnismodell.
Eine Neuregelung kommt grundsätzlich durch den Bundes- wie auch die Landesgesetzgeber in Betracht. Die Landesparlamente sollten ihre Möglichkeit zur Entscheidung nutzen, denn ansonsten wird es der Bund für uns tun.
Gegenwärtig haben wir ein Lotteriemonopol des Staates. Die Auswirkungen einer Liberalisierung des Marktes bedürfen sorgfältiger Prüfung. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat deshalb beschlossen, zuerst einmal das Monopol verfassungsgemäß auszugestalten. Die Länder Bayern und NordrheinWestfalen haben den Entwurf eines Staatsvertrages vorgelegt, der jetzt in der Diskussion ist. Er folgt dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, das staatliche Lotteriemonopol zu erhalten, und ist stark ordnungspolitisch geprägt. Der Entwurf verankert unter anderem ein umfängliches Werbeverbot für alle öffentlichen Glücksspiele, ein Verbot des Internetvertriebs und eine neue Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Spielen.
Ich stehe - daraus mache ich keinen Hehl - einem reinen ordnungspolitischen, staatlichen Lotteriemonopol skeptisch gegenüber. Das habe ich auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz auch deutlich gemacht. Das Staatsmonopol ist natürlich erlaubt und bewegt sich im rechtlich Sauberen, wenn man das macht, Herr Neugebauer, aber es ist kein zukunftsgerichtetes System, weil es zum einen den Vorgaben des Bundeskartellamts und des europäischen Wettbewerbrechts zuwiderläuft, zum anderen, weil die jetzige Konzentration auf das Ordnungsrecht andere wesentliche politische Aspekte vernachlässigt.
Unter den vorgeschlagenen Bedingungen werden wir nicht dauerhaft die Einnahmen zur angemessenen Finanzierung der bisherigen kulturellen, sozialen und sportlichen Zwecke erreichen können.
Das wird besonders deutlich an den Auswirkungen für die Klassenlotterie. Sehen wir uns einmal die Folgen eines Werbeverbots nur für die Klassenlotterie an! Der vorliegende Staatsvertragsentwurf bedeutet das Aus für diese Klassenlotterien. Ihnen werden rund 90 % der Möglichkeiten zur Neukundengewinnung genommen, wenn keine Lose mehr via Fernsehen, Post oder Telefon verkauft werden dürfen.
Das Ergebnis bei den Arbeitsplätzen der Klassenlotterien, bei privaten Werbefirmen und bei beauftragten Käufern - wir reden über rund 10.000 Arbeitsplätze - wäre enorm; die Arbeitsplätze wären in Gefahr.
Es gilt, wirklich nichts zu verharmlosen, aber auch nichts zu übertreiben. Aber, es wären dramatische Folgen bei einem vergleichsweise geringen Suchtpotenzial von Lotto- und Toto-Glücksspielen.
- Vergleichsweise! Nun mal gemach! Ich glaube, die Suchtpotenziale bei uns in der Bundesrepublik Deutschland liegen in anderen Bereichen als beim Lotto.
Da gibt es ein paar Trinker und Raucher und viele andere. Wir gehen mit Sucht bei uns schon sehr pharisäerhaft um, um das auch einmal sehr deutlich zu sagen.
Es muss damit gerechnet werden, dass Einnahmen für die Länder ausfallen. Die Finanzierung vieler gemeinnütziger Projekte wäre gefährdet. Das heißt zum Beispiel, Maßnahmen zur Gewaltprävention und zur Integration im Sport und durch den Sport würde der finanzielle Boden unter den Füßen weggezogen. Eine solche Regelung hat längerfristig keine Perspektive.
Wenn man mit einer Fahne vorwegläuft, muss man sich auch manchmal umsehen, um zu gucken, ob noch einer hinterherläuft. Oder, um es in eine indianische Weisheit zu kleiden: Wenn das Pferd stirbt, muss man möglichst schnell absteigen.
Da wir zurzeit noch an rechtssicheren Alternativen arbeiten, überlegen und prüfen wir, ob wir einem zeitlich begrenzten Staatsmonopol zustimmen können. Weil wir prüfen, haben wir eine Protokoller
„Gemeinnütziges Engagement über staatliche Initiativen hinaus ist ein wichtiges Mittel, um Wett- und Spielsucht in der Gesellschaft zu begegnen. Unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen halten es die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten.“
Es ist ein Erfolg für uns, dass die Laufzeit des Staatsvertrages auf vier Jahre begrenzt sein und der Staatsvertrag schließlich auf Effizienz und etwaigen Anpassungsbedarf überprüft werden soll. Diese Zeit wollen und müssen wir nutzen.
Bei allem Reformeifer heißt das für uns: Wir wollen auch in Zukunft kultur-, sozial- und sportpolitische Projekte im Land intensiv fördern. Es geht auch darum, Einnahmen für Schleswig-Holstein und für gemeinnützige Vorhaben in Schleswig-Holstein zu sichern. Aber auch für einen kurzfristigen Zeitraum darf der Staatsvertrag nicht so bleiben, wie er im Moment vorliegt.