Protocol of the Session on October 12, 2006

Da sind die Ministerpräsidenten aller Bundesländer - auch Schleswig-Holsteins - klüger gewesen. Sie haben mit der Stimme der schleswig-holsteinischen Landesregierung im Juni den Entschluss gefasst, dass ein neuer Lotterie-Staatsvertrag erarbeitet wird, welcher die Anforderungen der SportwettEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetzt.

Kollege Arp hat sich dazu bereits seine Meinung gebildet. In seiner Pressemitteilung behauptet er: Die jetzige Entwurfsfassung des neuen LotterieStaatsvertrages werde einer europa- und verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Wenn ich den Ministerpräsidenten in seinen öffentlichen Äußerungen richtig verstanden habe, so hat auch er Zweifel am staatlichen Wettmonopol. Das wird er gleich ausführen.

Das wird dazu geführt haben, dass es zur Konferenz der Regierungschefs am 22. Juni eine Protokollerklärung der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gibt, die besagt, dass die Länder unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklung es mittel- und langfristig für zielführender halten, eine begrenzte Konzessionierung im Glücksspielbereich vorzubereiten.

Meine Fraktion teilt diese Auffassung nicht. Wir unterstützen Innenminister Stegner, der als Verfassungsminister und Landessportminister öffentlich dagegengehalten hat. Minister Stegner bekräftigt das staatliche Glücksspielmonopol und sieht die Notwendigkeit, gegen illegale Anbieter von Sportwetten und deren Werbung nach einheitlichen Maßstäben umfassend, konsequent und koordiniert vorzugehen.

Dazu Kollege Arp in seiner Pressemitteilung vom 22. September: „Der Sport- und Verfassungsminister Stegner hat die Zeichen der Zeit beim Glücksspielmonopol noch immer nicht erkannt.“ - Das sind wahrlich starke Worte, Herr Arp, und macht deutlich, dass sich die große Koalition hier nicht einig ist. Hoffen wir - und da sind meine Hoffnungen anders als Ihre, Herr Kubicki -, dass sich wie bei der Gemeinschaftsschule und der Kreisgebietsreform auch diesmal die SPD durchsetzt. Mit der Zustimmung der Landesregierung im Bundesrat zu den Eckpfeilern des neuen Lotterie-Staatsvertrages ist dieser Weg bereits eingeschlagen worden.

Meine Damen und Herren, stellen Sie gemeinsam mit uns sicher, dass Spielsucht ernst genommen

(Monika Heinold)

wird und dass die staatlichen Mittel für die Bekämpfung der Spielsucht, aber auch für die Förderung des Sportes erhalten bleiben! Stimmen Sie für unseren Antrag, für das staatliche Glücksspielmonopol und für eine Liberalisierung des Vertriebs! Wir wären damit rechtlich auf der sicheren Seite.

Nun habe ich vernommen, dass heute beide Anträge an den Ausschuss überwiesen werden sollen. Meine Damen und Herren von der großen Koalition, ich hoffe, dass Sie dort auch wieder herauskommen. Ich werde alles tun, damit die Anträge regelmäßig auf die Tagesordnung der Ausschusssitzungen kommen, in der Hoffnung, dass die große Koalition zu einem Ergebnis kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Wochen wurde in fast allen Medien und Fachkreisen viel über die Zukunft des deutschen Lotto- und Sportwettenmarktes berichtet und diskutiert, nicht zuletzt erkennbar an den Anträgen der FDP und der Grünen, über die wir heute beraten. Lieber Wolfgang Kubicki, willkommen im Boot! Liebe Kollegin Monika Heinold, zu dir muss ich leider sagen: Es gibt noch ein bisschen Nachholbedarf, aber wir werden es in den Ausschüssen hinkriegen, euch zu erklären, um was es hier wirklich geht.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir alle müssen erkennen, dass dem Glücksspielmarkt in Deutschland tiefgreifende Veränderungen bevorstehen. Ursache für diesen Prozess, dessen Ausgang keinesfalls feststeht, sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006 und des Bundeskartellamtes vom 22. August 2006. Diese nationalen Entscheidungen, auf die ich gleich noch näher eingehen werde, zwingen uns Politiker, jetzt zu handeln.

Darüber hinaus wird der Einfluss der europäischen Rechtsetzung und Rechtsprechung auf dem Lottound Sportwettenmarkt immer größer. Die EUKommission hat bereits angedeutet, dass sie eine Abschottung des deutschen Lotto- und Sportwetten

marktes für ausländische Anbieter und damit deren Diskriminierung nicht zulassen wird.

Liebe Freundinnen und Freunde, auch dies zwingt uns zum Handeln, denn wenn es darum geht, den Glücksspielmarkt in Deutschland neu zu ordnen, dann dürfen wir die Entwicklung auf EU-Ebene nicht außer Betracht lassen. Unser Europaminister Döring hat dazu sicherlich eine Meinung, die ich bei passender Gelegenheit gern einmal hören möchte.

Worüber hat das Bundesverfassungsgericht genau entschieden? Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 28. März 2006 lediglich zum Sportwettenmarkt geäußert und nicht - wie häufig zu hören und zu lesen ist - zu Glückspielen im Allgemeinen. Im Kern geht es darum, welche Rolle der Staat auf diesen Markt einnehmen darf um nicht mehr und nicht weniger.

Die Verfassungsrichter urteilen, dass die gegenwärtige Sportwettenpraxis, wie sie von den Ländern im Toto-Bereich zum Beispiel bei Oddset ausgeübt wird, nicht unserer Verfassung entspricht und bis Ende 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu finden ist. Kritisiert wird, dass das bestehende staatliche Monopol mit der Schutzbedürftigkeit der Bürgerinnen und Bürger begründet wird, der Staat aber gleichzeitig in privatwirtschaftlicher Weise agiert, indem er sein Wettangebot offensiv bewirbt. Ein solches Verhalten ist nicht schlüssig, ja, es ist sogar widersprüchlich. Hier sehe ich uns Abgeordnete in der Pflicht zu handeln.

Meine Damen und Herren, entweder liegt ein ordnungspolitischer Ausnahmebereich vor, der ein staatliches Monopol rechtfertigt - dann halte ich es für richtig, dass der Staat eingreift. In letzter Konsequenz bedeutet dies, um die Spieler tatsächlich zu schützen, dass Sportwetten verboten werden müssen, und dieses Verbot muss mit aller Kraft durchgesetzt werden. Oder - das ist die zweite Möglichkeit - es liegt kein ordnungspolitischer Ausnahmebereich vor. In diesem Fall muss sich der Staat zurückziehen und das wirtschaftliche Handeln privaten Unternehmen überlassen, die es in der Regel ich spreche aus Erfahrung in anderen Bereichen besser können. Wir müssen uns also die vermeintliche Begründung für die staatliche Aktivität in diesem Bereich genauer anschauen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit den Suchtgefährdungspotenzialen verschiedener Arten von Glücksspielen auseinandergesetzt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass dieses Suchtpotenzial je nach Art des Glücksspiels unterschiedlich hoch und eine abschließende Bewertung von Sportwetten mit

(Monika Heinold)

festen Gewinnquoten nicht möglich ist. Das bedeutet für mich, dass ein staatliches Monopol nicht zu rechtfertigen ist. Lotto wird im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Sucht gar nicht erwähnt.

Meine Damen und Herren, ein abstraktes Suchtpotenzial darf nicht pauschal als Rechtfertigung für ein staatliches Monopol herhalten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Betrachtet man nun die Entscheidung des Bundeskartellamtes vom 22. August 2006, wird man feststellen, dass sich diese nicht gegen das staatliche Monopol einer Veranstaltung von Lotto richtet, vielmehr werden die Verhaltensweisen der regionalen Lottogesellschaften des deutschen Lotto- und Totoblocks, die sich aus dem bestehenden LottoStaatsvertrag ergeben, für kartellrechtlich unzulässig erklärt. Die bisherige ordnungsrechtliche Ausgestaltung des deutschen Lotto- und Totoblocks, zum Beispiel die Beschränkung der Tätigkeit auf ein Bundesland, die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und das gemeinschaftliche und abgesprochene Vorgehen gegen Wettbewerber, ist sowohl mit deutschem als auch mit europäischem Kartellrecht unvereinbar.

Die beiden von mir erörterten Entscheidungen machen es notwendig, die Organisation des deutschen Lotto- und Sportwettenmarktes zu überdenken. Wir müssen uns an dieser Stelle entscheiden, welchen Weg wir künftig gehen wollen: Sind wir für privates, unternehmerisches Handeln oder wollen wir einen Staatsvertrag, der ein staatliches Monopol zementiert? Über den Weg müssen wir entscheiden.

Nun liegt seit kurzem ein Staatsvertragsentwurf vor, der das staatliche Monopool weiter zementiert und die wirtschaftliche Freiheit privater Spielevermittler infrage stellt und sie damit ihrer Existenz beraubt. Wenn wir zulassen, dass privates Engagement verboten wird und wenn uns die EU in ein, zwei oder drei Jahren eine Marktöffnung vorschreibt, dann werden die funktionsfähigen Strukturen, die wir heute haben, zerstört werden. Gerade gestern erreichte uns die Meldung, dass die EUKommission heute ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich in Sachen Glücksspielmonopol einleiten wird. Ein vergleichbares Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland läuft bereits seit mehreren Monaten.

Ich frage mich: Warum soll angeblich nur ein staatlich organisiertes Glücksspiel dafür Sorge tragen können, dass Abgaben für den Sport, für soziale und kulturelle Zwecke erwirtschaftet werden?

Warum soll nur der Staat in der Lage sein, Spielsucht zu bekämpfen? Warum soll es privaten Anbietern und Vermittlern nicht möglich sein, ihre Dienstleistungen in Deutschland anzubieten, wenn sie sich an bestimmte, aber klar definierte Regeln halten?

Wir als CDU-Fraktion haben dazu eine ganz klare Position. Die Kollegin Heinold sprach dies an. Uns ist nicht ersichtlich, warum das staatliche Monopol zementiert werden soll. Die CDU-Fraktion lehnt den derzeit vorliegenden Entwurf des Lotto-Staatsvertrages ab.

(Beifall bei CDU und FDP)

Neben grundlegenden ordnungspolitischen Bedenken, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen kann, weil die Redezeit hierfür nicht ausreicht - stattdessen verweise ich auf unser Eckpunktepapier, wie dies Frau Heinold bereits getan hat; Sie können es alle nachlesen; es wird im Übrigen von allen Seiten gelobt -, gibt es eine Vielzahl von Formulierungen und Vorschriften im Staatsvertragsentwurf, die für mich nicht tragbar sind.

In der Diskussion wird immer wieder die Förderung sportlicher, sozialer und kultureller Zwecke als Argument für ein staatliches Monopol angeführt, und dies insbesondere von einigen Vertretern der Verbände. Aber fragen Sie einmal die Sportvereine, 12.000 an der Zahl, wie sie es finden, wenn ihre Sponsoren abhandenkommen, weil der Staat es so will. Was bedeutet jedoch der Staatsvertragsentwurf für die Sportförderung?

Ich habe bereits betont, dass, folgte man der Argumentation der Spielsucht, in letzter Konsequenz das Spielen verboten werden müsste. Folglich würden Einnahmen wegbrechen. Tatsache ist, dass nach der Reduzierung der werblichen Aktivitäten, motiviert durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Oddset in Schleswig-Holstein einen Umsatzrückgang von knapp 40 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen hat, und das, liebe Freunde, obwohl wir in diesem Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft im Land hatten.

Wolfgang Kubicki hat darauf hingewiesen: Sollten bei Erhalt des Lottomonopols ähnliche wirtschaftliche Effekte, zum Beispiel durch den Wegfall von Werbung, der Ziehung der Lottozahlen am Samstagabend im Fernsehen oder durch das Internetgeschäft zu erwarten sein, würde dies zu einem Umsatzausfall von circa 130 Millionen € allein für Schleswig-Holstein führen. Der Ausfall an Lotteriesteuer betrüge demnach circa 22 Millionen € per annum, der Ausfall der Konzessionserträge circa 33 Millionen €. Zusammen wären dies 55 Millio

(Hans-Jörn Arp)

nen € per annum weniger für unseren Haushalt. Dieser Betrag aus Lotto- und Sportwetten zur Finanzierung sozialer, kultureller und sportlicher Aufgaben wäre somit nicht mehr zu gewährleisten.

Das staatliche Monopol taugt nicht als Begründung zur Aufrechterhaltung politisch gewollter Förderung. Die Förderung sportlicher, sozialer und kultureller Zwecke ist eine politische Entscheidung, die unabhängig von Lotterie- und Sportwetteneinnahmen erfolgt.

Lassen Sie mich abschließend noch auf einen Punkt eingehen, der mir wirklich am Herzen liegt. In Deutschland gibt es Lotterien, deren Zweck es ist, Geld zu sammeln, die sozialen Zwecken dienen. Ich spreche unter anderem von der „Aktion Mensch“ und der ARD-Fernsehlotterie. Beide Lotterien sind in ihrer Existenz bedroht,

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

sollte der Staatsvertrag so unterschrieben werden, wie er als Entwurf vorliegt. Ich möchte die Befürworter des Staatsvertrages fragen, ob sie dies wirklich wollen. Die „Aktion Mensch“, die frühere „Aktion Sorgenkind“, hat seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren rund 2 Milliarden € an insgesamt 40.000 Projekte vergeben, und die ARD-Fernsehlotterie, „Ein Platz an der Sonne“ genannt, hat seit 1956 immerhin 1 Milliarde € für gleiche soziale Zwecke ausgegeben.

Ich bin - das möchte ich ganz deutlich sagen - sehr dankbar, dass es Menschen gibt, die sich, wenn auch über diesen Weg, um soziale Probleme kümmern und dafür sorgen, dass dieses Geld dafür verwandt wird. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten unsere Kraft darauf verwenden, dass die Existenz dieser Lotterien nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.

Lassen Sie uns in den Ausschüssen über das Thema sachlich, ausführlich und ohne Zeitdruck miteinander diskutieren.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zu Schluss. - Die CDU-Fraktion hat sich mit ihrem Eckpunktepapier positioniert. Ich bin gern bereit, mit allen hier im Hause, die es interessiert, darüber zu diskutieren. Herr Innenminister, ich habe es Ihnen in der Presse angeboten. Das tue ich von dieser Stelle aus nochmals. Dies gilt ebenso für alle, die in den Fraktionen einen Nachholbedarf oder einen Beratungsbedarf haben. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp und begrüße auf der Tribüne Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Dithmarschen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren und alle am Thema interessierten Besucher! Einige sind gerade noch rechtzeitig gekommen, um den Dithmarscher Kollegen Arp zu hören.